LG Kleve, Beschluss vom 12.05.2014 - 4 OH 8/14
Fundstelle
openJur 2014, 24410
  • Rkr:

Musterverfahrensanträge sind bei Feststellungsklagen unzulässig, weil der Anwendungsbereich des § 1 KapMuG nicht eröffnet ist.

Tenor

Der Musterverfahrensantrag der Kläger wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Die Klägerpartei begehrt im Rechtsstreit LG Kleve, Az.: 4 O 215/13 die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerpartei sämtliche finanziellen Schäden zu ersetzen, die im Abschluss der Beteiligung mit der Vertragsnummer 00000 an der Ee KG ihre Ursachen haben.

Im Rahmen der vorgenannten Feststellungsklage hat die Klägerpartei mit Schriftsatz vom 28.02.2014 (eingegangen am 04.03.2014) den hier verfahrensgegenständlichen Kapitalmusterverfahrensantrag eingereicht. Wegen der im einzelnen verfolgten Feststellungsziele wird auf die Seiten 2-4 der Antragsschrift vom 28.02.2014 (Bl. 611-613 GA) verwiesen.

Die Beklagte hat beantragt, den Musterverfahrensantrag als unzulässig zu verwerfen, weil dieser bei einer Feststellungsklage nicht zulässig sei.

Wegen weitergehender Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

II.

Der Musterverfahrensantrag war gemäß § 3 KapMuG als unzulässig zu verwerfen, weil der Anwendungsbereich des § 1 KapMuG nicht eröffnet ist.

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 KapMuG ist offenkundig nicht einschlägig, weil auch nach dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen der Parteien keine vertraglichen Erfüllungsansprüche geltendgemacht werden, die auf einem Angebot nach dem WpÜG beruhen.

Auch der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 KapMuG ist nicht eröffnet. Im zugrundeliegenden Rechtsstreit wird kein Schadensersatzanspruch im Sinne der vorgenannten Bestimmungen geltendgemacht, weil es sich bei dem zugrundeliegenden Rechtsstreit nicht um eine Leistungs-, sondern um eine Feststellungsklage handelt.

Musterverfahrensanträge sind nur in Leistungsprozessen zulässig, weil der Gesetzgeber unter "Geltendmachen eines Anspruches" nur eine Verfolgung im Wege der Leistungsklage versteht (BT-Drs. 15/5091, S. 20, linke Spalte). Dies entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. Dieser hat in der Begründung zum KapMuG 2005 (BT-Drs. 15/5091, S. 20, linke Spalte) ausdrücklich ausgeführt:

"Der Musterfeststellungsantrag kann nur in einem Leistungsprozess gestellt werden, da er voraussetzt, dass ein Schadensersatzanspruch oder ein vertraglicher Erfüllungsanspruch geltend gemacht wird."

Dieser Wille des Gesetzgebers gilt auch für das KapMuG n.F. fort. Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich des KapMuG zwar auf Schadensersatzansprüche ausgeweitet, die nur mittelbar auf fehlerhaften öffentlichen Kapitalmarktinformationen beruhen (BT-Drs. 17/8799), jedoch verhält sich die Gesetzbegründung gerade nicht dazu, dass der Gesetzgeber nunmehr Musterverfahrensanträge auch bei Feststellungsklagen zulassen wollte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er an seiner vorherigen Auffassung festhalten wollte. Diese hat er unter anderem auch darauf gestützt, dass eine Reihe von Vorschriften des KapMuG an die Höhe des zugrundeliegenden Anspruches anknüpfe, deren Ermittlung bei Feststellungsklagen Schwierigkeiten bereiten würde (BT-Drs. 15/5091, S. 20, linke Spalte). Eine solche ausdrückliche Anknüpfung an die Höhe des Anspruches enthalten auch § 8 Abs. 4 KapMuG (n.F.) und § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 KapMuG (n.F.).

Entgegen der Auffassung der Klägerpartei findet der vorgenannte gesetzgeberische Wille im Gesetz hinreichend Ausdruck. § 1 Abs. 1 KapMuG verlangt die Geltendmachung eines Anspruches, die §§ 8 Abs. 4, 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 KapMuG verlangen, dass dessen Höhe angegeben werden kann. Dies ist nur bei einer Leistungsklage möglich, da bei einer Feststellungsklage keine Höhe angegeben werden muss. Diese Regelung im KapMuG entspricht in der Sache auch der Regelung der Leistungsklage in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das dort enthaltene Merkmal des "bestimmten Antrages" verlangt eine Angabe der Höhe nach, da unbezifferte Leistungsklagen grundsätzlich unzulässig sind. Überdies wird in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ebenfalls der "Anspruch" ausdrücklich erwähnt. § 256 Abs. 1 S. 1 ZPO spricht nicht von der Verfolgung eines Anspruchs, sondern von der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Dass dieses Rechtsverhältnis unter Umständen ein bürgerlichrechtlicher Anspruch im Sinne des § 194 BGB sein kann, steht dem nicht entgegen. Terminologisch ist zwischen dem Klageanspruch und dem bürgerlichrechtlichen Anspruch zu unterscheiden, die deckungsgleich sein können, aber nicht müssen (vgl. Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. 1976 ff., § 253, Rn. B II c und B II c1 m.w.N.). Klageanspruch im vorgenannten Sinne ist der bürgerlichrechtliche Anspruch nur, wenn er mit einer Leistungsklage verfolgt wird. Soll das Bestehen des bürgerlichrechtlichen Anspruches nur festgestellt werden, ist er prozessual nicht der verfolgte Klageanspruch, sondern nur das festzustellende Rechtsverhältnis.

Dieser eindeutige gesetzgeberische Wille, der sich hinreichend im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen hat, kann nicht durch bloße Zweckmäßigkeitserwägungen, wie sie die Klägerpartei anstellt, außer Kraft gesetzt werden. Der Gesetzgeber ist in seiner Regelungsbefugnis frei, soweit nicht gegen Bestimmungen des GG verstoßen wird. Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht ist aber nicht ersichtlich.

Da bereits der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 KapMuG nicht eröffnet ist, kann dahinstehen, ob der Musterverfahrensantrag auch aus anderen Gründen unzulässig ist.

(Unterschriften)