Bayerischer VGH, Beschluss vom 16.12.2013 - 15 ZB 13.1688
Fundstelle
openJur 2014, 387
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Fortsetzung eines aufgrund seiner Klagerücknahmeerklärung vom 27. Juni 2012 eingestellten Klageverfahrens. Das Verwaltungsgericht hat am 17. Juli 2013 durch Urteil festgestellt, dass die Klage im Verfahren Au 4 K 11.1272 zurückgenommen und das Verfahren beendet ist. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Klägers.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist hat darlegen lassen (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.

a) Der Vortrag des Klägers, ihm sei aufgrund psychischer Überlastung bei dem Klageantrag vom 30. März 2013 ein folgenschwerer Flüchtigkeitsfehler unterlaufen, lässt nicht erkennen, weshalb hieraus Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung folgen könnten.

b) Der Einwand, die Erkenntnisfähigkeit des Klägers sei entgegen der Feststellungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil vom 17. Juli 2013 aufgrund psychischer Belastung eingeschränkt gewesen, der Kläger habe sich in einer geistigen Überbelastung befunden, zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtglichen Urteils auf.

Es ist nicht ersichtlich und es wird nicht eingewandt, dass der Kläger i.S.v. § 62 Abs. 1 VwGO generell in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt wäre. Auch für eine nur partielle Prozessunfähigkeit im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 27. Juni 2012 im Verfahren Au 4 K 11.1272 bestehen keine tragfähigen Anhaltspunkte. Die Behauptung, der Kläger sei psychisch überlastet bzw. geistig überbelastet gewesen, lässt nicht erkennen, dass er außerstande gewesen wäre, die prozessbeendigenden Folgen der von ihm abgegebenen Rücknahmeerklärung abzusehen. So wird im Zulassungsvorbringen dargelegt, dass die vom Verwaltungsgericht angeregte Klagerücknahme für den Kläger durchaus einleuchtend war, weil er das Wohnhaus nicht mehr besaß. Insofern stellte der Kläger in seinem Schriftsatz vom 7. Februar 2013 an das Verwaltungsgericht auch klar, dass die Rücknahme des Feststellungsantrags aus sachdienlicher Überzeugung mit argloser Zuversicht geschehen ist. Das zeigt, dass der Rücknahmeerklärung durch den Kläger sachlich nachvollziehbare Erwägungen zugrunde lagen.

Darüber hinaus ergibt sich weder aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht noch aus dem Vortrag im Zulassungsverfahren, dass der Kläger einen Verlegungsantrag gestellt hat, weil er sich aufgrund einer psychischen Überlastung oder aus sonstigen Gründen nicht mehr in der Lage gesehen hätte, an der Verhandlung weiter teilzunehmen. Auch aus den Schreiben des Klägers vom 29. Juni 2012, vom 5. Juli 2012, vom 19. November 2012, vom 7. Februar 2013 und vom 5. März 2013 sowie aus dem Vortrag im Klageverfahren Au 4 K 13.468 ergibt sich nicht, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2012 derart psychisch belastet gewesen wäre, dass ihm seine Rücknahmeerklärung billigerweise nicht entgegengehalten werden könnte. Zwar führt der Kläger aus, dass die Rechtssache für ihn eine außerordentliche psychische Belastung darstellt. Dies ist durchaus verständlich, belegt aber nicht, dass der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung außerstande gewesen wäre, die Folgen der von ihm abgegebenen Rücknahmeerklärung abzusehen.

c) Der Einwand, die vom Verwaltungsgericht angeregte Rücknahme der Klage sei für den Kläger einleuchtend gewesen, „Er konnte aber nicht im Entferntesten ermessen, dass damit auch das Verfahren Au 4 K 11.1272 zur Klärung der Genehmigungsfähigkeit beendet sein würde, weil dem Rechtsvorgänger des Klägers die rechtskräftige Baugenehmigung für dieses Wohnhausprojekt erteilt war“, ist nicht nachvollziehbar. Der Kläger hat in seiner Klageschrift vom 16. August 2011 beantragt: „Die Klage um die Baugenehmigung ist als Feststellungsklage fortzusetzen, da unser Wohngebäude unter legalen Voraussetzungen genehmigungsfähig war“ (Buchst. a). In der mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2012 hat der Kläger nochmals ausgeführt, dass es ihm um die Baugenehmigung gehe; er wolle auf eine Entschädigung hinarbeiten. Dem Kläger war der Streitgegenstand des Verfahrens Au 4 K 11.1272 demnach bewusst und er musste deshalb auch ermessen können, dass mit seiner Rücknahmeerklärung eben dieses Verfahren beendet sein würde.

d) Auch im Übrigen lassen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils erkennen. Die Rücknahmeerklärung ist als Prozesshandlung bedingungsfeindlich, nicht anfechtbar und nur bei Vorliegen eines Wiederaufnahmegrunds, bei arglistiger Täuschung oder bei erkennbarem Versehen widerruflich (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 13. Auflage 2010, § 92 Rn. 10 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

aa) Die beim Kläger möglicherweise erst später eingetretene Erkenntnis, er sei nun rechtsmittellos gestellt und es drohe eine Verjährung (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 7. Februar 2013), mag einen – ohnehin unbeachtlichen – Irrtum über die weiteren Rechtsfolgen der von ihm abgegebenen Rücknahmeerklärung aufzeigen. Dies lässt die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung aber schon deshalb unberührt, weil die Grundsätze des materiellen Rechts über die Anfechtung wegen Irrtums und anderer Willensmängel auf die Prozesshandlungen, also auch die Rücknahme einer Klage, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar sind (vgl. BVerwG, B.v. 9.1.1985 – 6 B 222/84NVwZ 1985, 196 m.w.N.).

bb) Auch aus der Erklärung des Klägers im Schriftsatz vom 29. Juni 2012, er revidiere seine Zustimmung (Rücknahmeerklärung), weil er dabei völlig überrumpelt worden sei, lässt sich kein Widerrufsgrund ableiten. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Gelegenheit gehabt und genutzt, seinen Rechtsstandpunkt deutlich zu machen. Anhaltspunkte für eine Überrumpelungssituation bestehen nicht.

cc) Der Vortrag, hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit des Tekturgesuchs des Klägers und der Baueinstellung sei niemals ermittelt und nicht in der Sache entschieden worden, ist nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hatte sich angesichts der tatsächlichen Umstände zunächst mit der Frage zu befassen, ob die im Verfahren Au 4 K 11.1272 abgegebene Rücknahmeerklärung wirksam ist. Nachdem der Kläger seine unter dem Aktenzeichen Au 4 K 11.1272 fortgeführte Klage wirksam zurückgenommen hat, waren darüber hinausgehende Ermittlungen und eine Sachentscheidung über das Tekturgesuch und die Baueinstellung nicht mehr veranlasst. Aus demselben Grund ist danach weder die Beiladung des Wasserverbands angezeigt, noch ist die Beiziehung der Verbrauchsabrechnungen für die Jahre 2006 bis 2008 erforderlich (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 10.12.2013).

dd) Soweit weiter vorgetragen wird, der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör sei verletzt und ihm sei der gesetzliche Richter entzogen worden, kann offen bleiben, auf welches Verfahren sich dieser Einwand beziehen soll. Dass dem Kläger in den Verfahren Au 4 K 13.468 oder Au 4 K 11.1272 das rechtliche Gehör versagt oder ihm der gesetzliche Richter entzogen worden wäre, ist nicht ersichtlich.

ee) Es kann dahinstehen, welche Gründe den Kläger dazu bewogen haben, das ruhend gestellt Verfahren Au 4 K 83 A.560 fortzuführen. Wiederaufnahmegründe für das unter dem Aktenzeichen Au 4 K 11.1272 fortgeführte und durch Rücknahmeerklärung beendete Verfahren liegen jedenfalls nicht vor.

ff) Der weitere Vortrag im Zulassungsverfahren betrifft die Erfolgsaussichten seiner Klage im Verfahren Au 4 K 11.1272, lässt aber nicht erkennen, weshalb die vom Kläger abgegebene Rücknahmeerklärung entgegen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung unwirksam sein sollte.

2. Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO; Streitwert: § 47, § 52 Abs. 2 VwGO.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).