BGH, Urteil vom 10.10.2013 - IX ZR 30/12
Fundstelle
openJur 2013, 45490
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über den Nachlass des am 4. September 2004 verstorbenen R. W. (nachfolgend Erblasser). Er nimmt die Beklagte, die als Mutter des Erblassers gemeinsam mit ihrem damals noch lebenden und von ihr beerbten Ehemann und der Ehefrau des Erblassers P. W. (jetzt K. ) Miterbin geworden ist, im Wege der Teilklage auf Zahlung von 350.000 € in Anspruch. In einem privatschriftlichen Teilerbauseinandersetzungsvertrag vom 31. März 2005 vereinbarten die Miterben, dass die Ehefrau des Erblassers als Miterbin zu 3/4 zum Ausgleich für die von ihr übernommenen Geschäftsbeteiligungen des Erblassers einen Betrag 1 von 1 Mio. €, der sich aus fünf verschiedenen Einzelbeträgen zusammensetzte, an die Beklagte und ihren Ehemann, die jeweils Miterben zu 1/8 geworden waren, zahlen sollte. Ferner schlossen die Miterben am 31. März 2005 einen notariell beurkundeten Vertrag, in dem die Beklagte und ihr Ehemann ihre als Miterben erworbenen Geschäftsanteile an zwei Gesellschaften für einen Kaufpreis von 171.875 € auf die Ehefrau des Erblassers übertrugen. Am 4. Juni 2007 setzte das Finanzamt F. gegen die Miterbin P. W. die Erbschaftssteuer in Höhe von 515.793 € fest. Diese konnte die Erbschaftssteuer nicht bezahlen. Sie beantragte deshalb am 9. Juni 2008 die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens, das mit Beschluss vom 11. September 2008 eröffnet worden ist. In diesem Verfahren hat das Finanzamt F. eine Erbschaftssteuerforderung in Höhe von 482.126,60 € zuzüglich Kosten angemeldet, die widerspruchslos zur Insolvenztabelle festgestellt worden ist.

Der Insolvenzverwalter macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Teilbetrages von 350.000 € geltend. Er ist der Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, den aufgrund der Teilauseinandersetzung im Jahr 2005 erhaltenen Betrag zurückzuzahlen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung gegen dieses Urteil ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Gründe

A.

Die Revision ist uneingeschränkt zulässig. 2 Das Berufungsgericht hat die Revision im Urteilsausspruch ohne beschränkenden Zusatz zugelassen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, die Revision werde hinsichtlich der Frage, ob eine Erbschaftssteuerschuld eines Miterben Nachlassverbindlichkeit und damit vorliegend in Gestalt des Finanzamtes F. ein Nachlassgläubiger vorhanden sei, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Damit ist die Nachprüfung des angefochtenen Urteils nicht auf diese Frage beschränkt.

Zwar kann die Beschränkung der Zulassung der Revision - auch nach der Rechtsprechung des Senats - in den Gründen des angefochtenen Urteils erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1983 - III ZR 119/82, NJW 1984, 615; vom 3. März 2005 - IX ZR 45/04, NJW-RR 2005, 715, 716; Beschluss vom 8. Mai 2012 - XI ZR 261/10, NJW 2012, 2446 Rn. 5 ff; Urteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 125/10, NJW 2012, 2435 Rn. 11; vom 25. April 2013 - IX ZR 62/12, ZInsO 2013, 1081 Rn. 7). Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Beschränkung rechtlich zulässig ist und sie sich klar und eindeutig aus dem Berufungsurteil ergibt (BGH, Urteil vom 7. Juli 1983, aaO; vom 3. März 2005, aaO; vom 10. Mai 2012, aaO; vom 25. April 2013, aaO). Jedenfalls an der ersten Voraussetzung fehlt es.

Die Zulassung der Revision kann nicht auf die Klärung einer einzelnen Rechtsfrage begrenzt werden; sie muss sich auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen, abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs beziehen, über den in einem besonderen Verfahrensabschnitt durch Teil- oder Zwischenurteil entschieden werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1981 - VII ZR 284/80, NJW 1981, 2243 unter I 1; vom 7. Dezember 1989 - VII ZR 70/89, NJW-RR 1990, 277 unter I; vom 5. November 2002 - VIII ZR 320/02, NJW-RR 2004, 426, 4 427; vom 10. Februar 2011 - VII ZR 71/10, NJW 2011, 1228 Rn. 11). Nach diesen Grundsätzen konnte die Zulassung der Revision nicht auf die Frage beschränkt werden, ob die Erbschaftssteuerschuld eines Miterben Nachlassverbindlichkeit ist. Diese Frage ist eine rechtliche Vorfrage, die - sofern sie im Verfahren überhaupt beantwortet werden muss - für den gesamten Streitstoff von Bedeutung ist. Sie betrifft damit nicht einen abtrennbaren Teil, der einem Teilurteil zugänglich gewesen wäre. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Zulassung der Revision zielt vielmehr auf eine einzelne Rechtsfrage ab und ist deshalb unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1995 - VIII ZR 257/94, NJW 1995, 3380, 3381; vom 21. September 2006 - I ZR 2/04, NJW-RR 2007, 182 Rn. 19). Fehlt eine wirksame Beschränkung der Zulassung, so ist allein die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam; die Revision ist daher unbeschränkt zugelassen (BGH, Urteil vom 5. April 2005 - XI ZR 167/04, ZIP 2005, 1024 f; vom 4. April 2006 - VI ZR 151/05, NJW-RR 2006, 1098, Rn. 8; vom 21. September 2006, aaO Rn. 20).

B.

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger könne sich nicht auf einen Herausgabeanspruch nach § 1978 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 667 BGB stützen, weil es zum Zeitpunkt der Eröffnung des Nachlassinsolvenzver-7 fahrens keinen Nachlassgläubiger mehr gegeben habe. Zwar sei der Auffassung der Beklagten, bei der Veräußerung der von ihr ererbten Gesellschaftsanteile im März 2005 habe es sich um einen Teil der Auseinandersetzung des Nachlasses und nicht um eine Verwaltungsmaßnahme gehandelt, nicht zu folgen, weil jede Entnahme von Nachlassgeldern "Verwaltung" im Sinne des § 1978 BGB sei. Hierzu gehöre auch die aufgrund der Vereinbarung erfolgte Entnahme der in den Nachlass fallenden Gewinne in Höhe von jedenfalls 600.000 €.

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Nachlassinsolvenzeröffnung sei jedoch kein Nachlassgläubiger mehr vorhanden gewesen, dem die Beklagte im Sinne von § 1978 Abs. 1 Satz 1 BGB hätte verantwortlich sein können. Eine originäre Nachlassgläubigerstellung des Finanzamtes wegen der Erbschaftssteuerschuld eines Miterben komme entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und verschiedener Oberlandesgerichte im Hinblick darauf, dass das Finanzamt gegenüber dem Nachlass wegen einer Erbschaftssteuerschuld eines Miterben nicht Gläubiger sei, nicht in Betracht. Das Finanzamt F. sei wegen der Auseinandersetzung des Nachlasses kein Nachlassgläubiger (mehr) gewesen; die sekundäre Haftung des Nachlasses gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG habe mit der Auseinandersetzung geendet. Ein Wiederaufleben dieses Anspruchs nach Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens komme nicht in Betracht. Die Auseinandersetzung des Nachlasses sei zu einem im Einzelnen unbekannten Zeitpunkt zwischen der Teilauseinandersetzung am 31. März 2005 und vor dem Insolvenzantrag am 9. September 2008 erfolgt. Es sei ausreichend, dass der Nachlass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als aufgelöst angesehen werden könne. Eventuelle Zahlungen von Miterben auf Nachlassverbindlichkeiten seien nicht im Zuge der Verwaltung, sondern zur Auseinandersetzung des Nachlasses erfolgt. Die Feststellung der Forderung des Finanzamts zur Insol-9 venztabelle sei materiell zu Unrecht erfolgt. Sie mache das Finanzamt nicht zur Nachlassgläubigerin im Sinne des § 1978 BGB, sondern ermögliche ihm allenfalls eine Vollstreckung in Höhe der Quote in den nicht mehr vorhandenen Nachlass.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Frage, ob die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu Recht erfolgte, ist nicht Gegenstand des Herausgabeprozesses nach § 1978 Abs. 1 BGB. Das Berufungsgericht ist an die im Nachlassinsolvenzverfahren mit Rechtskraftwirkung getroffenen Feststellungen gebunden. Auf die vom Berufungsgericht formulierte Rechtsfrage, wegen derer es die Revision zugelassen hat, kommt es nicht an. Das Finanzamt hat gegen den Nachlass eine zur Insolvenztabelle festgestellte Erbschaftssteuerforderung in Höhe von 482.126,60 €, die im Rahmen der Herausgabeklage des Nachlassinsolvenzverwalters gegen die Miterben nicht mehr in Frage gestellt werden kann.

Gemäß § 1978 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Erbe den Nachlassgläubigern für die bisherige Verwaltung des Nachlasses so verantwortlich, wie wenn er von der Annahme der Erbschaft an die Verwaltung für sie als Beauftragter zu führen gehabt hätte, wenn die Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist. Zweck dieser Vorschrift ist es, den Nachlass den Nachlassgläubigern möglichst ungeschmälert zur Verfügung stehen zu lassen; zwar bleiben von den Erben als Berechtigten vorgenommene Verfügungen erhalten, diese werden aber für ihre Verwaltungsmaßnahmen den Nachlassgläubigern gegenüber so verantwortlich gemacht, als hätten sie den Nachlass von 10 der Annahme der Erbschaft an im Auftrag der Nachlassgläubiger verwaltet (Erman/Schlüter, BGB, 13. Aufl., § 1978 Rn. 3; Bamberger/Roth/Lohmann, BGB, 3. Aufl., § 1978 Rn. 1; MünchKomm-BGB/Küpper, BGB, 6. Aufl., § 1978 Rn. 1). Aufwendungen, welche die Erben bei der Verwaltung des Nachlasses gehabt haben, können sie nach § 1978 Abs. 3 BGB ersetzt verlangen.

1. Voraussetzung für die Anwendung des § 1978 Abs. 1 BGB ist - neben der Anordnung einer Nachlassverwaltung, um die es vorliegend nicht geht - die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens, die hier am 11. September 2008 erfolgt ist. Das Berufungsgericht setzt sich zwar mit der Frage auseinander, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Recht erfolgt ist. Jedenfalls ist dies mittelbar seinen Ausführungen zu der Frage zu entnehmen, ob es noch Insolvenzgläubiger gibt, oder ob die Verfahrenseröffnung ins Leere gegangen ist, weil keine Nachlassgläubiger mehr vorhanden sind. Hierauf kommt es aber nicht an. Der rechtskräftige Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist vom Prozessgericht grundsätzlich auch dann als gültig hinzunehmen, wenn er verfahrensfehlerhaft ergangen ist; denn als in dem dafür vorgesehenen Verfahren ergangener hoheitlicher Akt beansprucht er Geltung gegenüber jedermann, sofern der Entscheidung nicht ausnahmsweise ein Fehler anhaftet, der zur Nichtigkeit führt (BGH, Urteil vom 14. Januar 1991 - II ZR 112/90, BGHZ 113, 216, 218; vom 22. Januar 1998 - IX ZR 99/97, BGHZ 138, 40, 44; vom 9. Januar 2003 - IX ZR 85/02, ZInsO 2003, 178 f; Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2007, § 27 Rn. 34 f, 60 ff; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 27 Rn. 19; jeweils mwN). Ein Fall, in dem ganz ausnahmsweise die Bindungswirkung des Eröffnungsbeschlusses nicht eintritt, ist hier nicht gegeben. Gründe - etwa die fehlende Unterschrift des Richters -, die zur Nichtigkeit des Beschlusses führen können, sind nicht ersichtlich. Die Streitsache ist nicht mit dem Fall vergleichbar, in dem der Bundesgerichtshof einen Eröffnungsbeschluss für nichtig und 12 damit für das Prozessgericht nicht bindend gehalten hat, weil er sich auf eine voll beendete Gesellschaft bezog (BGH, Urteil vom 7. Juli 2008 - II ZR 37/07, ZInsO 2008, 973 Rn. 13). Dort wurde das Verfahren über das Vermögen einer nicht mehr existenten Partei eröffnet. Vorliegend bestehen keine Zweifel hinsichtlich der Existenz des Nachlasses, über den das Verfahren eröffnet worden ist.

a) Auf die Frage, ob die Erbengemeinschaft schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens auseinandergesetzt worden ist, kommt es nicht an. Nach § 316 Abs. 2 InsO ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch dann noch zulässig, wenn bei einer Mehrheit von Erben die Teilung des Nachlasses bereits erfolgt ist. Damit wird ausgeschlossen, dass eine schnelle Teilung des Nachlasses zum Nachteil der Gläubiger vorgenommen wird; der Verwalter hat im Fall der bereits vollzogenen Teilung des Nachlasses bei Eröffnung der Nachlassinsolvenz sämtliches Vermögen in Besitz zu nehmen (§§ 80, 148, 159 InsO) und die Erben sind verpflichtet, das in ihrem Besitz Befindliche an ihn herauszugeben (Holzer in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2011, § 316 Rn. 12 f; Nerlich/ Römermann/Riering, InsO, 2012, § 316 Rn. 7; Uhlenbruck/Lüer, aaO, § 316 Rn. 5 f).

b) Im Streitfall wurde der Insolvenzantrag von einer Miterbin gestellt. Deren Antragsberechtigung ergibt sich aus § 317 Abs. 1 InsO. Soweit eine Frist von zwei Jahren seit Annahme der Erbschaft für Insolvenzanträge von Nachlassgläubigern gilt (§ 319 InsO), ist diese Vorschrift auf den Insolvenzantrag eines Miterben nicht anzuwenden, deren Anträge sind ohne zeitliche Beschränkung zulässig (Holzer in Kübler/Prütting/Bork, aaO Rn. 12). Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Insolvenzantrags wegen Fristablaufs bestehen damit nicht. Der Eröffnungsbeschluss ist nicht angefochten. Die Verfahrenseröffnung 13 ist wirksam. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mangels wirksamer Bestellung zum Nachlassinsolvenzverwalter nicht prozessbefugt gewesen sein könnte, wie sie von der Revisionserwiderung geltend gemacht werden, bestehen nicht. Der Kläger ist verpflichtet, die von den Miterben bei der Verwaltung des Nachlasses veräußerten Vermögensgegenstände wieder zur Masse zu ziehen oder Ersatzansprüche geltend zu machen (vgl. Holzer in Kübler/Prütting/ Bork, aaO Rn. 13; MünchKomm-InsO/Siegmann, 2. Aufl., § 316 Rn. 4; Uhlenbruck/Lüer, aaO Rn. 6)

2. Auf die Frage, ob die Finanzverwaltung wegen der Erbschaftssteuerverbindlichkeit Nachlassgläubigerin war und die Forderung zur Insolvenztabelle anmelden konnte, kommt es nicht an. Die Erbschaftssteuerverbindlichkeit ist im Rechtsstreit infolge der Feststellung zur Tabelle als Insolvenzforderung zugrunde zu legen.

a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Forderung unwidersprochen zur Tabelle festgestellt. Die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle hat für den Insolvenzverwalter und die Gläubiger gemäß § 178 Abs. 3 InsO die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 - IX ZR 156/07, ZInsO 2009, 142 Rn. 10 mwN; vom 19. Januar 2012 - IX ZR 4/11, ZInsO 2012, 488 Rn. 13). Die festgestellte Forderung kann von ihnen nur noch mit solchen Rechtsbehelfen angefochten werden, die gegen ein rechtskräftiges Urteil wirken (Pape/Schaltke, in Kübler/Prütting/ Bork, InsO, 2010, § 178 Rn. 14 ff; Steinbeck in Pape/Uhländer, InsO, § 178 Rn. 21; Uhlenbruck/Sinz, aaO, § 178 Rn. 25 ff). Für eine derartige Anfechtung ist nichts vorgetragen. Entsprechende Rechtsbehelfe sind auch nicht einmal ersichtlich.

b) Der Streit um die Frage, ob im Nachlassinsolvenzverfahren Erbschaftssteuerforderungen gegen Miterben als Nachlassverbindlichkeiten zu qualifizieren sind, hätte nur im Tabellenfeststellungsverfahren oder in dem Streitverfahren zur Beseitigung des Widerspruchs ausgetragen werden können, wenn die Forderung durch einen nach § 178 Satz 1 InsO Berechtigten bestritten worden wäre.

In diesem Verfahren wäre auch die Beklagte berechtigt gewesen, die Forderung zu bestreiten, weil die Miterben einer Erbengemeinschaft im Nachlassinsolvenzverfahren die Stellung des Schuldners einnehmen (BGH, Urteil vom 16. Mai 1969 - V ZR 86/68, NJW 1969, 1349; Holzer, aaO § 315 Rn. 5 f). Bei mehreren Miterben gilt dies für jeden von ihnen (Holzer, aaO). Ein Widerspruch der Beklagten hätte zwar gemäß § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO der Feststellung zur Tabelle nicht entgegengestanden. Er hätte jedoch der Beklagten gegenüber den Eintritt der Rechtskraftwirkung nach § 201 Abs. 2 InsO verhindert, solange der Widerspruch nicht durch Urteil beseitigt worden wäre. Ein entsprechendes Bestreiten durch die Beklagte ist jedoch unterblieben, so dass die Eintragung in die Insolvenztabelle auch ihr gegenüber wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1961 - II ZR 98/59, WM 1961, 427, 429; OLG Köln, WM 1995, 597, 599; Graf-Schlicker, InsO, 3. Aufl., § 178 Rn. 15; Jaeger/Gerhardt, InsO, 5. Aufl. 2010, § 178 Rn. 53; Nerlich/Römermann/ Becker, InsO, 2012, § 178 Rn. 24; Uhlenbruck/Sinz, aaO Rn. 32; Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, 2. Aufl., Kap. 28 Rn. 22).

aa) Zwar ergibt sich die Rechtskraftwirkung für den Schuldner nicht aus § 178 Abs. 3 InsO, weil dieser dort nicht genannt ist. Sie folgt aber mittelbar aus § 201 Abs. 2 InsO (Jaeger/Gerhardt, aaO). Nach dieser Vorschrift können Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im 17 Prüfungstermin bestritten worden sind, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben, wobei einer nicht bestrittenen Forderung eine Forderung gleichsteht, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Diese Wirkung tritt auch außerhalb des Insolvenzverfahrens ein (BGH, Urteil vom 30. Januar 1961, aaO). § 201 Abs. 2 InsO regelt nur die während des Insolvenzverfahrens nicht mögliche Vollstreckung (§ 89 InsO) nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Die Rechtskraftwirkung außerhalb der Vollstreckung besteht aber schon vor Aufhebung des Verfahrens, sobald die Feststellung zur Tabelle erfolgt ist (BGH, aaO; Jaeger/Gerhardt, aaO). Vorliegend war die Beklagte im Prüfungstermin vertreten und hat es unterlassen, die auch sonst nicht bestrittene Steuerforderung der Finanzverwaltung zu bestreiten. Die Gründe, aus denen dieses Bestreiten unterblieben ist, sind unerheblich. Ebenso, wie bei einer offenen Handelsgesellschaft die Wirkungen des § 201 Abs. 2 InsO für alle Gesellschafter der Schuldnerin gelten (BGH, Urteil vom 30. Januar 1961, aaO), erstrecken sie sich auch im Fall der Erbengemeinschaft, bei der die Mitglieder die Stellung des Schuldners einnehmen, auf sämtliche Miterben.

bb) Der Rechtskraftwirkung entsprechend § 201 Abs. 2 InsO steht nicht entgegen, dass die Rechtskraftwirkung einer Feststellung zur Insolvenztabelle gemäß § 178 Abs. 3 InsO grundsätzlich nur für Insolvenzforderungen gilt und eine Forderung, die aus Rechtsgründen nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden kann, nicht ohne weiteres durch eine versehentliche Eintragung in die Tabelle zur Insolvenzforderung wird (vgl. zu § 145 Abs. 1 KO: BGH, Urteil vom 21. Februar 1991 - IX ZR 133/90, BGHZ 113, 381, 382 f; zu § 178 Abs. 3 InsO: Pape/Schaltke, aaO § 178 Rn. 18 ff). Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass die rechtliche Einordnung einer Forderung als Insolvenzforderung, soweit sie 20 sich zum Nachteil der Masse auswirkt, nicht der Disposition der Beteiligten unterliegt.

Im vorliegenden Fall war über eine Erbschaftssteuerforderung der Finanzverwaltung zu entscheiden, die sich gegen die Miterbin richtet. Eine derartige Forderung stellt grundsätzlich eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 Abs. 1 InsO dar. Für die Steuer der am Erbfall Beteiligten haftet der Nachlass gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG zumindest bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Sie kann also im Nachlassinsolvenzverfahren zur Insolvenzmasse angemeldet werden. Zwar ist umstritten, ob eine Haftung des Nachlasses auch nach dessen Auseinandersetzung noch in Betracht kommt. Gleichwohl handelt es sich um eine Forderung, deren Anmeldung im Nachlassinsolvenzverfahren nicht gesetzlich ausgeschlossen ist. Die Feststellung, ob die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft beendet ist, unterliegt dagegen der Disposition der Beteiligten (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1991, aaO S. 383). Mit der Eintragung in die Insolvenztabelle ist die streitbefangene Forderung als Nachlassverbindlichkeit und damit als Insolvenzforderung rechtskräftig festgestellt worden.

cc) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der Masseforderungen auch durch Anmeldung, Anerkennung und Feststellung nicht zu Insolvenzforderungen werden und die Rechtskraftwirkung gemäß § 178 Abs. 3, § 183 InsO die spätere Geltendmachung desselben Anspruchs als Masseforderung nicht ausschließt (BGH, Urteil vom 13. Juni 2006 - IX ZR 15/04, BGHZ 168, 112 Rn. 15 ff), steht der Rechtskraftwirkung nicht entgegen. Um eine Masseverbindlichkeit konnte es sich bei der Erbschaftssteuerschuld nicht handeln.

dd) Soweit der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass sich der Insolvenzverwalter gegenüber einem aus Durchgriffshaftung in Anspruch genommenen GmbH-Gesellschafter, der keine Gelegenheit zu einem Widerspruch im Sinne von § 178 Abs. 3 InsO hatte, auf die Rechtskraftwirkung der Eintragung der Gläubigerforderungen in die Insolvenztabelle nicht berufen kann (BGH, Urteil vom 14. November 2005 - II ZR 178/03, BGHZ 165, 85, 95 f; vom 9. Oktober 2006 - II ZR 193/05, ZInsO 2007, 35 Rn. 11), ergibt sich hieraus kein Recht der Beklagten, die Forderung trotz Feststellung zur Insolvenztabelle zu bestreiten. Die Beklagte ist im Insolvenzfeststellungsverfahren beteiligt gewesen und gehört worden. Eine Gehörsverletzung (Art. 103 Abs. 1 GG) scheidet aus. Deshalb sind keine Gründe ersichtlich, die einer Bindung der Beklagten an die Feststellung der Erbschaftssteuerforderung zur Insolvenztabelle entgegenstehen könnten.

3. Die weiteren Voraussetzungen des § 1978 Abs. 1 Satz 1 BGB sind erfüllt. Das Berufungsgericht hat die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und die Auszahlung der insoweit geschuldeten Beträge zutreffend als Verwaltungsmaßnahme angesehen, die unter § 1978 BGB fällt. Hiergegen wendet sich die Revisionserwiderung nicht. Soweit die Erwiderung meint, der einzelne Miterbe sei nur insoweit zur Herausgabe des Empfangenen verpflichtet, als das Erlangte zur Befriedigung der Nachlassverbindlichkeiten erforderlich sei, folgt aus den vorstehenden Ausführungen, dass der Betrag von 350.000 € benötigt wird, um den Anspruch des Finanzamtes zu befriedigen. Eines Verschuldens des Erben bedarf es nicht (BGH, Beschluss vom 13. März 2008 - IX ZR 13/05, ZEV 2008, 237 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 2. Juli 1992 - IX ZR 256/91, WM 1992, 2020, 2022).

III.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann deshalb keinen Bestand haben. Sie ist aufzuheben. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung (§ 563 Abs. 3 ZPO) kann der Senat nicht treffen, weil das Berufungsgericht sich bisher nicht mit den von der Beklagten in der Klageerwiderung hilfsweise geltend gemachten aufrechenbaren Gegenansprüchen befasst hat.

Vill Lohmann Fischer Pape Möhring Vorinstanzen:

LG Darmstadt, Entscheidung vom 05.11.2010 - 1 O 223/10 -

OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 27.01.2012 - 24 U 38/11 - 25