VG Augsburg, Urteil vom 05.11.2013 - Au 3 K 13.577
Fundstelle
openJur 2013, 44027
  • Rkr:
Tenor

I. Der Bescheid der Regierung von ... vom 25. März 2013 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 14. September 2012 auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO für die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen ..., ... sowie ... erneut und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu 1/3, der Beklagte zu 2/3 zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt für drei entsprechend ausgestattete Fahrzeuge eine Ausnahmegenehmigung für die Ausrüstung mit Sondersignalanlagen (Blaulicht, Martinshorn).

1. Die Klägerin betreibt ein Dienstleistungs- und Mietwagenunternehmen, dessen Gegenstand nach dem entsprechenden Handelsregistereintrag unter anderem der Betrieb von Patientenfahrdienst, Behindertenfahrdienst, Mietwagen, Krankentransport und Notfallrettung, Ambulanzflugdienst und Auslandsrückholdienst ist.

Eine Vereinbarung über die Einbindung der Klägerin in den öffentlichen Rettungsdienst im Sinne des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes zwischen dem Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) ... und der Klägerin wurde bisher nicht abgeschlossen. Die Klägerin hat bisher auch keine Genehmigung der an ihrem Unternehmenssitz zuständigen Verwaltungsbehörde für den Krankentransport außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes.

Am 14. September 2012 beantragte die Klägerin eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung für die Ausstattung und den Betrieb von mehreren Fahrzeugen mit Blaulicht und Martinshorn. Das Unternehmen habe sich seit dem Jahr 2009 neben dem Fahrdienst auf den bodengebundenen Auslandsrückholdienst spezialisiert. Jedes der Fahrzeuge lege jährlich rund 100.000 km im Krankentransport (mit und ohne Arzt im Rahmen des Auslandsrückholdienstes) zurück. Hierbei könne höchste Eile geboten sein, wenn sich der Zustand eines Patienten verschlechtere und es zu lebensbedrohlichen Zuständen komme. Der Einsatz von Blaulicht und Martinshorn sei dann unabdingbar, um z.B. das nächstgelegene geeignete Krankenhaus schnellstens zu erreichen.

Die Regierung gab der Klägerin Gelegenheit, eine rettungsdienstliche Genehmigung bzw. eine Vereinbarung mit dem Zweckverband beizubringen.

Nachdem dies scheiterte, lehnte die Regierung mit Bescheid vom 25. März 2013 die Erteilung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung für die Benutzung von Sonderwarneinrichtungen für die zuletzt vom Antrag noch umfassten drei Fahrzeuge ab (Nr. 1), untersagte die Benutzung bereits vorhandener Einrichtungen, ordnete die Entfernung der bereits installierten Einrichtungen an und gab der Klägerin auf, die Zulassungspapiere zur Korrektur vorzulegen (Nr. 2 des Bescheids).

Die Klägerin sei nicht Mitglied des öffentlichen Rettungsdienstes. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung stehe im Ermessen der zuständigen Behörde. Die vorgebrachten Gründe rechtfertigten nach entsprechender Abwägung die Ausnahmegenehmigung nicht. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Bescheid vom 25. März 2013 Bezug genommen.

2. Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter und beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids der Regierung von ... vom 25. März 2013 zu verpflichten, der Klägerin für die Kraftfahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen ..., ... sowie ... eine Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO für die Ausrüstung mit Sondersignalanlagen im Sinne des § 52 Abs. 3 Nr. 2, 4 StVZO zu erteilen.

Die Behörde habe das ihr zukommende Ermessen überhaupt nicht, jedenfalls nicht korrekt ausgeübt. Soweit die Behörde darauf verweise, eine Ausnahmegenehmigung komme nicht in Betracht, da die Tatbestandsvoraussetzungen der die grundsätzliche Zulässigkeit regelnden Bestimmungen des § 52 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) nicht eingehalten seien, sei von einem Ermessensausfall auszugehen, da gerade eine Ausnahmegenehmigung von dieser Vorschrift beantragt wurde. Selbst wenn jedoch Ermessen ausgeübt worden sein sollte, sei dies fehlerhaft geschehen, weil die Behörde von falschen normativen Voraussetzungen ausgegangen sei. Die Behörde sei jedoch in der Tat in ihrem Ermessen gebunden, allerdings hinsichtlich einer Verpflichtung zur Erteilung der Ausnahmegenehmigung. Die Behörde habe in der Vergangenheit selbst mehrfach Fahrzeugen die Genehmigung für die Ausstattung mit Sondersignalanlagen erteilt, obwohl diese ausschließlich im Rahmen der Auslandsrückholung eingesetzt worden seien, bzw. die Ausstattung derselben geduldet. Betroffen seien hiervon insbesondere ehemalige Fahrzeuge der ... e.V., die in ... stationiert gewesen und ausschließlich für Auslandsrückholdienste eingesetzt worden seien. Ein in der Vergangenheit in leitender Position für die ... e.V. in ... tätig gewesener, als Zeuge benannter, Mitarbeiter könne entsprechende Angaben machen. Ebenso liege bayernweit eine einheitliche Verwaltungspraxis dergestalt vor, dass Fahrzeuge, welche für Auslandsrückholungen oder Sanitätsdienste eingesetzt würden, gleich ob sie von Hilfsorganisationen oder Privatfirmen gehalten würden, mit entsprechenden Sondersignalanlagen ausgerüstet würden. Betroffen seien hiervon u.a. Fahrzeuges des Malteser Hilfsdienstes, des Arbeiter-Samariter-Bundes, aber auch von Privatfirmen, wie z.B. der Firma ... in ... (Landkreis ...). Es handle sich hierbei um Fahrzeuge, die auf das gesamte Gebiet des Freistaats Bayern verteilt seien, wozu eine amtliche Auskunft bei den Regierungen von Oberfranken, Unterfranken, Mittelfranken, der Oberpfalz und von Oberbayern und Niederbayern einzuholen sei. Auch diese Fahrzeuge würden von den vorgenannten Hilfsorganisationen gerade nicht im Rahmen des öffentlichen Rettungsdienstes eingesetzt, oder gehörten zu den Fahrzeugen, die von der öffentlichen Hand zum Zwecke des Zivil- und Katastrophenschutzes gehalten würden, sondern um Fahrzeuge, die ausschließlich für Sanitätsdienste oder aber Auslandsrückholungen eingesetzt würden. Es liege also eine einheitliche Verwaltungspraxis vor, auch für als Krankenkraftwagen ausgestattete Fahrzeuge, die nicht im öffentlichen Rettungsdienst eingesetzt würden, die von der Klägerin begehrte Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Dies sei von der Behörde im Rahmen der Neuverbescheidung zu berücksichtigen, die Genehmigung bereits aus diesem Grunde zu erteilen.

Zudem stellten die von der Klägerin erbrachten Leistungen auch Krankentransporte im Sinne der Definition des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes dar. Es würden kranke oder verletzte Personen transportiert, die der fachlich medizinischen Betreuung oder aber der besonderen Einrichtungen eines Krankentransportwagens bedürften. Hierbei handle es sich im Regelfall um Personen, die an ernsten gesundheitlichen Störungen litten und beispielsweise auf die Gabe von Medikamenten oder Sauerstoff während des Transportes angewiesen seien. Dies erfolge ausschließlich durch fachlich entsprechend qualifiziertes Personal. Eine Vielzahl von Versicherungsbedingungen, beispielsweise für private Auslandsreisekrankenversicherungen, sähen eine Auslandsrückholung ohnehin nur vor, wenn Gefahr für Leib oder Leben bestehe und im Ausland eine ausreichende medizinische Versorgung nicht gewährleistet sei, also eine ernste Gefahr für eine schwere Schädigung der Gesundheit oder Lebensgefahr für den Patienten bestehe. Genau für diese Fälle habe der Gesetzgeber im Rahmen der Regelungen der StVO den Einsatz von Sonder- und Wegerechten, für deren Inanspruchnahme die Sondersignalanlagen unabdingbar seien, für angemessen und notwendig erachtet. Die Gefahr, dass es im Rahmen eines solchen Transportes jedoch zu Notfallsituationen kommen könne, sei wesentlich höher als bei einer normalen Fahrt mit einem Pkw, von der der Beklagte im Rahmen des Bescheides offensichtlich ausgehe. Daher sei im Rahmen der Ermessensausübung eine Abwägung zwischen der konkreten Gefährdung des Lebens einzelner Patienten auf der einen und der abstrakten Gefährdung eines inflationären Gebrauchs von Sonderwarneinrichtungen auf der anderen Seite vorzunehmen. Diese müssten zwar auf das notwendige Maß beschränkt bleiben. Der Gesetzgeber habe jedoch eine entsprechende Wertung vorgenommen, wenn er als Kriterien die Zweckbestimmung für rettungsdienstliche Einsätze genannt habe.

Die Klägerin erbringe somit Leistungen des Rettungsdienstes. Der Gesetzgeber nehme im Rettungsdienstgesetz zwar Auslandsrückholungen von der Anwendbarkeit des Rettungsdienstgesetzes aus. Damit seien diese jedoch unstreitig als rettungsdienstliche Leistungen zulässig. Auch die Bayerische Staatsregierung sei im Übrigen davon ausgegangen, dass es sich bei den Leistungen der Auslandsrückholungen um eine rettungsdienstliche Leistung handle und habe diese im Rahmen der Novellierung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes wieder in dieses integrieren wollen. Nur weil sich gezeigt habe, dass das Aufkommen an Aufträgen durch die damit verbundene Regelvorhaltung im Krankentransport in keinster Weise zu bewältigen gewesen wäre, sei dieses Vorhaben nicht umgesetzt worden.

Die im Rahmen der Auslandsrückholung erbrachten Leistungen erfüllten die Anforderungen an den Begriff „Krankentransport“ und stellten somit eine rettungsdienstliche Leistung dar. Der bayerische Landesgesetzgeber stelle ebenso darauf ab, dass rettungsdienstliche Leistungen außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes erbracht werden könnten. Im Bereich des Krankentransportes finde daher immer noch ein Nebeneinander von öffentlicher Grundversorgung und privater Leistungserbringung von rettungsdienstlichen Leistungen statt. Es sei allgemein anerkannt, dass auch Private rettungsdienstliche Leistungen erbrächten.

Die von der Klägerin durchgeführten Krankentransporte definierten sich nicht nur nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz, sondern auch nach dem Personenbeförderungsgesetz und den Regelungen des Sozialversicherungsrechts (KTPL des Gemeinsamen Bundesausschusses). Die Leistung werde in sämtlichen Normen identisch definiert. Es sei also ein nicht hinzunehmender Widerspruch, diese klar gesetzlich und normativ definierten Leistungen einmal als „rettungsdienstlich“ und einmal als „nicht rettungsdienstlich“ anzusehen. Der Gesetzgeber würde sich insofern widersprechen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die Schriftsätze vom 23. April 2013, 28. Mai 2013 und 22. Juli 2013 Bezug genommen.

3. Für den Beklagten beantragt die Regierung von ...

Klageabweisung.

Die Klägerin sei nicht in den öffentlichen Rettungsdienst eingebunden. Sie erbringe auch sonst keine rettungsdienstlichen Leistungen, die außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes nur als Krankentransportleistungen zulässig seien. Nach Maßgabe des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes sei die Auslandsrückholung, die die Klägerin betreibe, gerade keine rettungsdienstliche Leistung und entsprechend das Rettungsdienstgesetz auch nicht auf die Auslandsrückholung anwendbar.

Eine Ausnahmegenehmigung für die Klägerin komme nicht in Betracht, da eine mit dem Rettungsdienst vergleichbare Situation, die zum Vorliegen einer ungewollten besonderen Härte führe, wenn die Sonderwarneinrichtungen nicht genutzt werden dürften, nicht erkennbar sei. Insbesondere habe der Gesetzgeber die Auslandsrückholung gewollt vom Rettungsdienst ausgenommen. In Sondersituationen könne im Rahmen der Notstandsregelungen auf andere Weise angemessen auf etwaige Notsituationen reagiert werden. Gründe der Verkehrssicherheit, die eine restriktive Handhabung des Einsatzes von Sonderwarneinrichtungen erforderten, überwögen daher die Interessen der Klägerin an deren Nutzung.

Der Sachvortrag zu angeblichen Vergleichsfällen sei irrelevant. Selbst wenn diese Behauptungen zutreffen würden, gebe es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Es stehe der Klägerin selbstverständlich frei, konkrete Fälle, die mit dem ihren vergleichbar seien, zu benennen, damit diese korrigiert werden könnten.

Wegen der Klageerwiderung im Einzelnen wird auf die Schriftsätze vom 15. Mai 2013, 17. Juni 2013 und 31. Juli 2013 Bezug genommen.

4. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist auch in der Sache zum Teil erfolgreich. Die Klägerin wird durch die Ablehnung der straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung für die drei genannten Fahrzeuge im Sinne von §§ 113 Abs. 5, 114 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in ihren Rechten verletzt. Die Behörde ist verpflichtet, erneut über den Antrag der Klägerin zu entscheiden.

1. Für die Ausstattung ihrer Fahrzeuge mit Kennleuchten für blaues Blinklicht bedarf die Klägerin einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) von den Einschränkungen des § 52 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 StVZO, da es sich bei den von ihr verwendeten Fahrzeugen nicht um Fahrzeuge „des Rettungsdienstes“ im Sinne von § 52 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 4 StVZO handelt, die mit Kennleuchten für blaues Blinklicht gemäß § 52 Abs. 3 StVZO und als Folge davon mit einem Einsatzhorn als Warneinrichtung im Sinne von § 55 Abs. 3 StVZO schon kraft Gesetzes ausgerüstet sein dürfen bzw. müssen.

Fahrzeuge „des Rettungsdienstes“ im Sinne von § 52 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 4 sind zwar nicht nur Fahrzeuge, deren Halter ein Teilnehmer am öffentlichen Rettungsdienst ist, es kommt vielmehr auf den Einsatz der Fahrzeuge durch zur Erbringung rettungsdienstlicher Leistungen Berechtigte ganz überwiegend für Zwecke an, in denen höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden (vgl. BVerwG, U.v. 26.1.2012 – 3 C 1/11BVerwGE 141, 376). Dabei kann auch hier offen bleiben, ob für die Definition des Begriffs des Rettungsdienstes im Sinne des § 52 StVZO ein bundesrechtlicher Rettungsdienstbegriff anzuwenden ist (so OVG Lüneburg, B.v. 1.11.2002 – 12 ME 636/02 – juris) oder ob ein nach den jeweiligen Landesgesetzen zu bestimmender landesrechtlicher Rettungsdienstbegriff anzuwenden ist (offen gelassen BVerwG, U.v. 26.1.2012 – 3 C 1/11 – a.a.O.). Für die Anwendung des jeweils in den Landesrettungsdienstgesetzen zu Grunde gelegten Rettungsdienstbegriffs spricht zum einen, dass der Rettungsdienst nach der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern Ländersache ist (Art. 30, 70 des Grundgesetzes – GG – i.V.m. Art. 72, 73, 74 GG), zum anderen, dass der Bundesgesetzgeber auch bei der Finanzierung ausdrücklich vom Vorrang landesrechtlicher Regelungen hinsichtlich des Rettungsdienstes ausgeht (s. z.B. § 133 des Sozialgesetzbuchs, Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V).

Nach Art. 1 S. 1 des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes (BayRDG) wird „Rettungsdienst“ definiert als „Notfallrettung, arztbegleiteter Patiententransport, Berg- und Höhlenrettung sowie Wasserrettung“.

Ein bundesrechtlicher Rettungsdienstbegriff wäre ausgehend von § 35 Abs. 5a der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), der von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, wesentlich enger, als diese landesrechtliche Definition. Bundesrechtlich kann Rettungsdienst dahingehend definiert werden, dass ein Fahrzeug „des Rettungsdienstes“ betroffen ist, wenn dieses im Regelfall berechtigterweise dazu eingesetzt werden kann, mit Sondersignalanlagen in höchster Eile solche Rettungsaktionen zu unternehmen. Im Gegensatz zu den im Rahmen der Notfallrettung zum Einsatz kommenden Fahrzeugen wird jedoch dieser Regelfall bei nur im qualifizierten Krankentransport benutzten Krankenkraftwagen nicht vorliegen (OVG Lüneburg, B.v. 1.11.2002 – 12 ME 636/02 – a.a.O.). Der Begriff des Rettungsdienstes wie er in Art. 1, 2 und 3 BayRDG verwendet wird, ist somit insbesondere durch den Einschluss des arztbegleiteten Patiententransports weiter gefasst, so dass der Klägerin jedenfalls kein Nachteil entsteht, wenn auf den landesrechtlichen Rettungsdienstbegriff zurückgegriffen wird. Denn dass die von ihr durchgeführte Auslandsrückholung sich im Regelfall als Notfallrettung im Sinne des § 35 Abs. 5a StVO darstellt, bringt sie selbst nicht vor.

Da die Klägerin nicht am öffentlichen Rettungsdienst im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayRDG teilnimmt und auch keine Leistungen i. S. Art. 1 Satz 1 BayRDG erbringt (Auslandsrückholung wird gerade nicht genannt, vgl. auch Art. 3 Nr. 5 BayRDG), ist sie auch ausgehend von einem landesrechtlichen Rettungsdienstbegriff nicht Rettungsdienst im Sinne von § 52 Abs. 3 StVZO, bzw. kann ihre Fahrzeuge nicht als Fahrzeuge „des Rettungsdienstes“ bezeichnen. Die Klägerin kann daher nicht für sich in Anspruch nehmen, die entsprechend ausgerüsteten Fahrzeuge ohne Ausnahmegenehmigung benutzen zu dürfen.

2. Gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO kann die Regierung von ... als zuständige höhere Verwaltungsbehörde Ausnahmen von den Einschränkungen des § 52 StVZO in bestimmten Fällen oder allgemein für bestimmte einzelne Antragsteller genehmigen.

a) Die Ausnahmegenehmigung steht im Ermessen der Behörde. Eine gerichtliche Überprüfung der Ermessensentscheidung kommt daher nur nach Maßgabe des § 114 VwGO in Betracht. Die Entscheidung ist demgemäß insbesondere nur dahingehend nachzuprüfen, ob die Behörde sich ihres Ermessensspielraums überhaupt bewusst war, sie sich im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Ermächtigung gehalten hat und alle zu berücksichtigenden Gesichtspunkte in die Entscheidung eingestellt wurden. Insbesondere kann das Gericht bei Verpflichtungsklagen eine Verpflichtung zum Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts nicht aussprechen, wenn dieser im Ermessen der Behörde steht und für die Entscheidung verschiedene Möglichkeiten in Betracht kommen, die sich innerhalb der Ermessensgrenzen halten. Ist dies der Fall und beruht die Ablehnung eines Verwaltungsakts auf Ermessensfehlern, so kann die Behörde lediglich verpflichtet werden, erneut zu entscheiden (zum Ganzen vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, Rn. 5 ff. zu § 114).

b) Im streitgegenständlichen Fall war sich die Behörde der Erforderlichkeit einer Ermessensentscheidung bewusst. Von einem Ermessensausfall kann nicht ausgegangen werden. Gemäß § 114 Satz 2 VwGO war es zulässig, die Ermessenserwägungen im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zu ergänzen.

Auch ist nicht zu beanstanden, dass die Regierung bei ihrer Entscheidung über den Ausnahmeantrag der Klägerin grundsätzlich davon ausging, dass nach Sinn und Zweck des Gesetzes die Zahl der Blaulichtfahrzeuge möglichst gering gehalten werden muss. Dies ist sachgerecht, um einerseits die Gefahr eines Missbrauchs der Warnzeichen, der zu schweren Unfällen führen kann, einzudämmen. Andererseits kann auch durch inflationären Gebrauch der Einrichtungen die Akzeptanz in der Bevölkerung schwinden (vgl. BVerwG, U.v. 26.1.2012, a.a.O.).

Die Behörde hat auch zu Recht auf den Vortrag des Klägers hin, in vergleichbaren Fällen würden für nur im Auslandsrückholdienst eingesetzte Fahrzeuge Ausnahmegenehmigungen durch die Behörden in Bayern erteilt, darauf hingewiesen, dass dies nach Benennung konkreter Einzelfälle korrigiert werde und ein Anspruch der Klägerin auf Gleichbehandlung im Unrecht nicht bestehe. Auch kann sich die Klägerin nicht auf eine etwaige Ausnahmegenehmigung, die früher für inzwischen nicht mehr betriebene Fahrzeuge der ... erteilt wurde, berufen.

c) Die Klägerin hat jedoch in der mündlichen Verhandlung Unterlagen vorgelegt, wonach in erheblichem Umfang eine Nutzung von Sonderwarneinrichtungen zwar durch Organisationen, die am öffentlichen Rettungsdienst teilnehmen, aber für Fahrzeuge, die nicht als Fahrzeuge „des Rettungsdienstes“ im oben ausgeführten Sinne eingesetzt werden, weil sie nicht Leistungen dienen, die als rettungsdienstliche Leistungen im Bayerischen Rettungsdienstgesetz definiert sind, sondern z.B. für sog. „First Responder“ bzw. „Helfer vor Ort“, die, auch soweit sie organisierte Erste Hilfe leisten, nicht Bestandteil des öffentlichen Rettungsdienstes sind und dem Sicherstellungsauftrag der Aufgabenträger nicht unterliegen (Art. 2 Abs. 16 BayRDG), bzw. sich auch sonst nicht zum Rettungsdienst im Sinne Art. 1 und 2 BayRDG subsumieren lassen.

Weiter ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, dass offensichtlich in großem Umfang Motorräder, z.B. des Bayerischen Roten Kreuzes, mit Sonderwarneinrichtungen ausgestattet sind, die wohl als „Stauberater“ (für die Betreuung der Reisenden auf Autobahnen) und somit ebenfalls nicht im Rettungsdienst eingesetzt werden.

Diese Verwaltungspraxis – unabhängig davon, ob sie auf der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen oder auf der Duldung des Betriebs entsprechend ausgerüsteter Fahrzeuge beruht – geht weit über die zunächst vorgetragenen Einzelfälle in der Auslandsrückholung hinaus.

Bei der Ermessensentscheidung über die Anträge der Klägerin hätte sie berücksichtigt werden müssen. Auch wenn kein Rechtsanspruch auf Verwaltungsakte, deren Erlass im Behördlichen Ermessen liegt, besteht, so ist die Betätigung des Ermessens doch an den in Art. 3 GG verankerten Gleichheitssatz gebunden, so dass eine einmal eingeschlagene Verwaltungspraxis zwar aus sachlichen Gründen für die Zukunft geändert werden kann, dies dann jedoch für alle neu Betroffenen gelten muss (zum Ganzen vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, Rn. 27 zu § 114). Gerade auch im Hinblick darauf, dass die Möglichkeit der Klägerin die angebotenen Leistungen durchzuführen, ihre grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit betrifft (vgl. hierzu BayVerfGH, E.v. 24.5.2012 – Vf. 1-VII-10BayVBl. 2013, 431) hat sich die Behörde bisher nicht bzw. nicht ausreichend mit der Frage auseinandergesetzt, warum Organisationen, die am öffentlichen Rettungsdienst beteiligt sind, hinsichtlich der Erbringung nicht rettungsdienstlicher Leistungen anders behandelt werden, als die Klägerin, die nicht rettungsdienstliche Leistungen erbringt, für die aber bei der Durchführung von Auslandsrückholungen der Einsatz der Sonderwarneinrichtungen unter Umständen ebenso nützlich sein kann, wie für die Erbringung von Leistungen der Stauberater oder Helfer vor Ort. Eine Vorrangstellung der Hilfsorganisationen gegenüber privaten Unternehmen, die nicht am öffentlichen Rettungsdienst teilnehmen, und die dann zu einer unterschiedlichen Behandlung führt, liegt jedenfalls nicht auf der Hand. Insbesondere hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof eine solche Vorrangstellung im Rahmen der Beauftragung mit rettungsdienstlichen Leistungen als grundrechtswidrige objektive Berufszugangsvoraussetzung angesehen (BayVerfGH, E.v. 24.5.2012 – Vf. 1-VII-10 – a.a.O.). Bei der Entscheidung über die Ausnahmegenehmigung ist deshalb der Anspruch der Klägerin auf Gleichbehandlung bei der Erbringung nicht rettungsdienstlicher Leistungen zu berücksichtigen, oder es ist zu begründen, warum trotz der bisherigen Verwaltungspraxis ein solcher Anspruch nicht besteht. Denn es ist auch nicht offensichtlich, dass es sich hier um von der Behörde leicht zu korrigierende Einzelfälle handelt.

Der Beklagte ist daher verpflichtet, erneut über die Ausnahmeanträge der Klägerin zu entscheiden und dabei die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für oder die Duldung von Sonderwarneinrichtungen an nicht rettungsdienstlich genutzten Fahrzeugen durch Teilnehmer am öffentlichen Rettungsdienst, die in erheblichem Umfang stattfindet, zu berücksichtigen. Da die Angelegenheit jedoch nicht spruchreif ist, insbesondere nicht von einer Ermessensreduzierung auf null ausgegangen werden kann, kam insoweit nur ein Verbescheidungsurteil in Betracht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Beschluss

Der Streitwert wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG), wobei für jede der streitgegenständlichen Ausnahmegenehmigungen 5.000,-- EUR angesetzt wurden.