OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2013 - 11 Wx 16/13
Fundstelle
openJur 2013, 27422
  • Rkr:

1. Das Nachlassgericht ist, wenn es der entsprechenden Sprache nicht selbst kundig ist, im Erbscheinsverfahren berechtigt, Übersetzungen von Personenstandsurkunden durch einen nach Landesrecht ermächtigten oder bestellten Übersetzers zu verlangen.

2. Eine notarielle Beglaubigung der Unterschrift des Urkundenübersetzers kann nur verlangt werden, wenn sich konkrete und anders nicht aufklärbare Anhaltspunkte für eine Fälschung der Unterschrift ergeben

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 und 2 wird der Beschluss des Notariates 4 Ettlingen - Nachlassgericht - vom 21. Dezember 2012 - 4 NG 243/2010 - aufgehoben. Die Sache wird an das Nachlassgericht zur erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zurückverwiesen.

Gründe

Zum Sachverhalt

Der unverheiratete und kinderlose Erblasser ist am 12.10.2010 in Ettlingen verstorben. Seine Eltern und Großeltern sind vorverstorben. Als gesetzliche Erben kommen seine Tante E. R., Beteiligte Ziff. 3, sowie seine Cousine und seine Cousins, nämlich die Beteiligten Ziff. 1, 2 und 4, in Betracht. Die Beteiligte Ziff. 1 hat am 21.11.2011 beim Nachlassgericht Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, wonach auf der Grundlage gesetzlicher Erbfolge die Beteiligten Ziff. 1 bis 4 jeweils zu ¼ Erben geworden sind.

Zum Beweis der Stellung der Beteiligten Ziff. 1 bis 4 als gesetzliche Erben hat sie mehrere Personenstandsurkunden vorgelegt, bei der Sterbeurkunde für P. S., E. S., der Geburtsurkunde für M. S., der Heiratsurkunde für M. S. und N. F., der Geburtsurkunde für B. F. und der Heiratsurkunde für W. H. und B. F. sowie bei der Geburtsurkunde für N. F. handelt es sich um rumänische Personenstandsurkunden.

Mit Verfügung vom 07.03.2012 hat der Nachlassrichter die übersetzten Urkunden an die Beteiligte Ziff. 1 zurückgegeben und mitgeteilt, diese seien in dieser Form nicht ausreichend. Die Unterschrift des Dolmetschers müsse noch beglaubigt werden. Nach Beglaubigung der Unterschriften seien die Urkunden wieder einzureichen.

Die jeweiligen Urkunden hatten dem Nachlassgericht im rumänischen Original - möglicherweise ohne Apostille - und jeweils in Kopie, die mit einer deutschen Übersetzung fest verbunden war, vorgelegen. Am Ende jeder deutschen Übersetzung fand sich folgender Vermerk: Als vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Dresden öffentlich bestellter und allgemein beeidigter akademisch geprüfter Übersetzer für die rumänische Sprache betätige ich: Vorstehende Übersetzung der mir in beglaubigter Kopie vorgelegten, in der rumänischen Sprache abgefassten Urkunde ist richtig und vollständig. Leipzig, ..., daneben befand sich der Stempel des Übersetzungsbüro (...) sowie ein Rundstempel mit der Eintragung öffentlich bestellter und allgemein beeidigter Übersetzer für die rumänische Sprache G. B., (...), über diesem Stempel eine Unterschrift. Die ebenfalls noch nachgeforderte rumänische Geburtsurkunde des Vaters des Erblassers, P. S., hat die Beteiligte Ziff. 1 mittlerweile mit Apostille vorgelegt, allerdings ohne Übersetzung.

Die Beteiligte Ziff. 1 ist dem Verlangen entgegen getreten und hat geltend gemacht, dass die Vorlage von Übersetzungen nicht erforderlich gewesen sei und eine Beglaubigung der Unterschrift des Dolmetschers ebenfalls nicht notwendig sei.

Das Notariat 4 Ettlingen - Nachlassgericht - hat darauf mit Beschluss vom 21.12.2012 den Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 1 vom 17.11.2011 kostenpflichtig zurückgewiesen. Da die vorgelegten Übersetzungen keine öffentlichen Urkunden seien, bedürfe es zum Nachweis der Echtheit der Unterschrift des Dolmetschers einer öffentlichen Beglaubigung.

Der gegen diesen Beschluss eingelegten Beschwerde hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 12.02.2013 nicht abgeholfen.

Aus den Gründen

Die gem. §§ 58 Abs. 1, 352 FamFG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Nachlassgericht kann im vorliegenden Fall die Erteilung des beantragten Erbscheins nicht von der Vorlage der Beglaubigung der Unterschrift des Urkundenübersetzers abhängig machen.

Gem. § 2356 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Antragsteller im Erbscheinsverfahren die Richtigkeit der in Gemäßheit des § 2354 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 BGB gemachten Angaben durch öffentliche Urkunden nachzuweisen. Für den Begriff der öffentlichen Urkunde ist hier § 415 ZPO maßgeblich (Weidlich in Palandt BGB 72. Aufl. 2013 § 2356 Rz. 2). Ihm können auch ausländische Urkunden genügen. Die ausländischen Urkunden stehen den inländischen öffentlichen Urkunden gleich, wenn sie die Anforderungen des § 415 ZPO erfüllen. Dabei bestimmt sich nach dem Recht des ausländischen Staates, welche Behörde öffentlich ist und wer zu den danach berufenen Urkundspersonen zählt (vgl. J. Mayer in MüKo, BGB, 5. Aufl. 2010 § 2356 Rdn. 19). Die Eigenschaft der vorgelegten Heirats-, Sterbe- und Geburtsurkunden als öffentliche Urkunden im Sinn von § 415 ZPO wird vom Nachlassgericht und den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen. Ob deren Echtheit gem. § 438 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit dem Haager Übereinkommen vom 05.10.1961 (BGBl 1965 II S. 875), dem Rumänien im Jahr 2001 beigetreten ist, durch Vorlage von Apostillen nachgewiesen ist, kann aufgrund der Rückgabe der Originalurkunden nicht festgestellt werden, dies ist aber auch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Für das Beschwerdeverfahren, ausgehend davon, dass es sich um echte öffentliche Urkunden aus Rumänien handelt, stellt sich hier nur die Frage, ob im Rahmen des Erbscheinsverfahrens bei Vorlage ausländischer und fremdsprachlicher öffentlicher Urkunden eine Übersetzung verlangt werden kann, ob diese von einem amtlich bestellten Urkundenübersetzer herrühren muss und ggf. dessen Unterschrift der notariellen Beglaubigung bedarf.

Das für das Erbscheinsverfahren maßgebliche FamFG enthält hierzu keine ausdrückliche Regelung. Nach § 2 EGGVG i.V.m. § 13 GVG steht zwar mittlerweile fest, dass das Gerichtsverfassungsgesetz für die den ordentlichen Gerichten übertragenen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit auch gilt (vgl. dazu Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl. § 2 EGGVG Rdn. 1). Doch gilt § 184 GVG nur für mündliche und schriftliche Erklärungen des Gerichts und vor dem Gericht. Wo Beweismittel in Gestalt fremdsprachiger Urkunden vorgelegt werden, sind diese dagegen unmittelbar zu verwerten (vgl. Meyer-Holz in Keidel, FamFG 17. Aufl. § 32 Rdn. 33).

Jedoch kommt auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 142 Abs. 3 Satz 1 ZPO in Konkretisierung der Mitwirkungspflicht der Beteiligten nach § 27 FamFG die Auflage in Betracht, eine Übersetzung einzureichen (vgl. Meyer-Holz a.a.O.). Dies entspricht auch der herrschenden Meinung in der Kommentierung zu § 2356 BGB (vgl. J. Mayer a.a.O. § 2356 Rdn. 19; Herzog in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2010 § 2356 Rdn. 18; Siegmann/Höger in Bamberger/Roth, BGB, Stand 01.05.2012 § 2356 Rdn. 5; Zimmermann in Soergel, BGB, 13. Aufl. § 2356 Rdn. 3; Zimmermann, Erbschein und Erbscheinsverfahren, 2. Aufl. Rdn. 105).

Da § 142 Abs. 3 ZPO die Einholung oder Auflage einer Übersetzung in das Ermessen stellt, kann sich das Gericht mit der Vorlage der Urschrift begnügen, wenn die erkennenden Richter sie übersetzen können (vgl. Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO Stand 30.10.2012 § 142 Rdn. 19; Wagner in MüKo ZPO 4. Aufl. § 2013 § 144 ZPO Rdn. 17). Allerdings ist bei fehlenden Sprachkenntnissen die Einholung einer Übersetzung geboten (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl. § 142 Rdn. 17). Da der Nachlassrichter hier der rumänischen Sprache nicht mächtig ist, wäre es deshalb geboten gewesen und im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführer nicht ermessensfehlerhaft, eine Übersetzung zu verlangen, wenn nicht die Beteiligte Ziff. 1 eine solche unaufgefordert bereits vorgelegt hätte.

Auch wenn es sich um Personenstandsurkunden handelt und deshalb die Eintragungen in dem rumänischen Formular bei Grundkenntnissen in lateinischer und/oder italienischer Sprache zum Teil zugeordnet werden können, bleiben bei Unkenntnis der Sprache an sich erhebliche Unsicherheiten. Ein Absehen von der Übersetzung, wie von den Beschwerdeführern gefordert, wäre deshalb nur zu erwägen, wenn das Formular international oder EU-weit identisch aufgebaut wäre und der Formulartext zusätzlich in englischer und/oder französischer Sprache angegeben wäre. Diese Voraussetzungen sind jedoch bei den vorgelegten Formularen nicht erfüllt.

Da der Urkundenübersetzer verfahrensrechtlich einem Sachverständigen gleichsteht (vgl. Lückemann in Zöller, a.a.O. § 185 GVG Rdn. 2; Kissel/Mayer a.a.O. § 185 GVG Rdn. 18), der gem. § 410 ZPO zu beeidigen ist, soweit er sich nicht auf seine allgemeine Beeidigung beruft (vgl. § 410 Abs. 2) und § 142 Abs. 3 ZPO die Übersetzung eines nach den landesrechtlichen Vorschriften ermächtigten oder öffentlich bestellten Übersetzers als richtig und vollständig gilt, erscheint es grundsätzlich geboten und auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Nachlassrichter die Übersetzung eines derart ermächtigten oder öffentlich bestellten Übersetzers verlangt (vgl. zu den Voraussetzungen der Bestellung § 1 Sächsisches Dolmetschergesetz; § 15 AGGVG BW).

Die Forderung nach einer Beglaubigung der Unterschrift des Übersetzers erweist sich im Streitfall jedoch als ermessensfehlerhaft. Eine Beglaubigung der Unterschrift des Übersetzers kann nur im Ausnahmefall verlangt werden.

Zwar kann der Übersetzer durch Niederschrift der Übersetzung und deren Unterschrift eine öffentliche Urkunde nicht errichten, doch ist die Vorlage einer solchen auch nicht erforderlich, die fremdsprachliche Urkunde, die den Anforderungen des § 415 ZPO genügt, erfüllt die Voraussetzungen des § 2356 BGB.

Nach dem hier entsprechend anwendbaren § 142 Abs. 3 ZPO gilt die Übersetzung eines bestellten oder ermächtigten Übersetzers als richtig und vollständig, wenn dies von dem Übersetzer bescheinigt wird. Eine solche Bescheinigung ist hier in der von § 9 SächsDolmG vom 25.02.2008 vorgesehenen Form als Bestätigungsvermerk auf den Urkunden aufgebracht. Eine Beglaubigung der Unterschrift des Übersetzers sieht § 142 ZPO nicht vor. Das Erste Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz vom 19.04.2006 (BGBl I, 866), durch dessen Artikel 50 § 142 Abs. 3 ZPO in der noch geltenden Fassung normiert worden ist, hat in Artikel 87 die zuvor geltende Verordnung zur Vereinfachung des Verfahrens auf dem Gebiet des Beurkundungsrechts vom 21.10.1942 (RGBl I , 609) in ihrer bereinigten Fassung (vgl. BGBl III, Gliederungsnummer 315-5) aufgehoben. Die dort in § 2 Abs. 3 getroffenen Regelung, wonach der Vorstandsbeamte des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Übersetzer seinen Wohnsitz hat, auf Antrag bestätigen kann, dass die Unterschrift von dem Übersetzer herrührt und dass er mit der Anfertigung derartiger Übersetzungen betraut ist, ist dabei nicht übernommen worden. Dass der Gesetzgeber stattdessen die Beglaubigung der Unterschrift des Übersetzers durch einen Notar für erforderlich gehalten hätte, ist nicht ersichtlich (vgl. Entwurf eines Ersten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministerium der Justiz vom 3.11.2005, Bt-Drs 16/47, S. 14, 17, 60, 65). Im Zivilprozess kann deshalb der Beweis der Unrichtigkeit und Unvollständigkeit vom Gegner geführt werden.

Da das Erbscheinsverfahren als Amtsermittlungsverfahren ausgestaltet ist (§ 2358 BGB, § 26 FamFG, Sternal in Keidel, FamFG 17. Aufl., § 29 Rdn. 47) und nicht immer Beteiligte in Gegnerstellung vorhanden sind, ist es Sache des Nachlassrichters, sein Augenmerk auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Übersetzung zu richten.

Die Rechtsprechung zur Erforderlichkeit der beglaubigten Unterschrift im Grundbuchverfahren zu § 29 GBO (vgl. Hertel in Meikel, GBO; 10. Aufl. Einl. Rdn. 351; Demharter, GBO, 28. Aufl. § 1 Rdn. 34; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. Rdn. 165; KG FGPrax 2011, 168; Zeiser in Hügel, GBO, Stand 01.09.2012 § 29 Rdn. 21; vgl. zur Kritik Heinemann, FGPrax 2013, 11) ist auf das Nachlassverfahren aber nicht unmittelbar übertragbar. Sie stützt sich nämlich allein auf die entsprechende Anwendung von § 29 Abs. 1 GBO und dessen Zweck, mit Rücksicht auf die Sicherheit des Grundbuchverkehrs zuverlässige und zweifelfreie Eintragungsunterlagen zu verlangen (vgl. KG JFG 7, 243 [247]). Ein solch formalisiertes Verfahren besteht im Erbscheinsverfahren nicht.

Es kann deshalb dahinstehen, ob dieser Ansicht zu folgen ist.

Sicherlich müssen auch im Erbscheinsverfahren die Grundlagen der Entscheidung zuverlässig und zweifelsfrei sein, doch ist es fraglich, ob dem die Beglaubigung der Unterschrift des Übersetzers dienlich ist.

Ob ein Übersetzer ermächtigt oder bestellt ist, kann durch - regelmäßig elektronisch mögliche - Einsicht in die Listen der nach Landesrecht zuständigen Gerichte geprüft werden.

Bei Zweifeln an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Übersetzung ist es auch nicht hilfreich sicher zu wissen, dass die zweifelhafte Übersetzung von einer bestimmten Person stammt, sondern geboten, von Amts wegen eine neue Übersetzung zu veranlassen oder die Übersetzung von einem anderen Übersetzer bestätigen zu lassen.

Für die fernliegende Annahme, dass jemand seine Übersetzung missbräuchlich mit dem Stempel und der gefälschten Unterschrift eines ermächtigten oder bestellten Übersetzers versieht, müssen deshalb habhafte Anhaltspunkte gegeben sein, die sich ggfs. auch durch einen kurzen Telefonanruf beim Übersetzer selbst aufklären lassen.

Solche sind hier nicht ersichtlich.

Gerade bei Personenstandsurkunden in lateinischer Schrift, insbesondere bei Verwendung von Formularen, kann der Nachlassrichter bei Vorliegen einer Übersetzung aufgrund der regelmäßig aus Orten, Namen und Daten, Geschlecht und Familienstand bestehenden Eintragungen eine einfache Evidenz- oder Plausibilitätsprüfung der Übersetzung selbst vornehmen. Hier ergibt eine Plausibilitätsprüfung der vorgelegten Urkunden auch keinen Hinweis auf Übersetzungsfehler.

Die Sache war deshalb an das Nachlassgericht zur erneuten Entscheidung zurückzugeben, insbesondere auch da die vorgelegte Geburtsurkunde des Vaters des Erblassers bisher nicht in übersetzter Form vorliegt.