OLG Hamburg, Urteil vom 29.09.2010 - 5 U 9/09
Fundstelle
openJur 2010, 3252
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 308 O 556/08
Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegner wird das Urteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 8 - vom 12.12.2008 geändert:

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 31.10.2008 wird vollständig aufgehoben und der Verfügungsantrag vom 29.10.2008 abgewiesen.

Die Berufung der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist ein Musikverlag. Sie nimmt die Antragsgegner - zugleich handelnd für die ihr angeschlossenen betroffenen Urheber - im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung bestimmter Musikwerke auf einer von der Antragsgegnerin zu 1. unter der Adresse ... betriebenen Internetseite in Anspruch. Der Antragsgegner zu 2 ist Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1.

Auf der von der Antragsgegnerin zu 1. (im Folgenden: Antragsgegnerin) betriebenen Internetseite macht sie redaktionell betreute Inhalte, z.B. Fernsehfilme, Musik, Shows usw. jedermann frei zugänglich. Diese Inhalte bezieht sie von Dritten aufgrund entsprechender Lizenzverträge. Die Angebote der Antragsgegnerin sind in verschiedenen "Kanälen" jeweils thematisch zusammengefasst. Diese sind bei Aufruf der Startseite links untereinander aufgeführt (Anlagen Ast. 8, S.1 und AG 1). Darunter befindet sich der Kanal "Musik", in dem auch Musikvideos zu finden sind (Anlage Ast. 8, S.3).

Daneben ermöglichst es die Antragsgegnerin registrierten Nutzern, multimediale Inhalte, insbesondere eigene Musikvideos in die Plattform einzustellen. Auf der Startseite ist dieser Teil ihres Angebots über das Menü im oberen Querbalken anzusteuern (Anlage Ast. 8, S.1 und AG 1). Die Nutzer müssen sich vor dem Hochladen ihrer Videos registrieren lassen und neben einem Benutzernamen ihre richtigen Namen (Vor- und Nachname), ihre e-mail-Adresse, ihren Wohnort und ihr Geburtsdatum angeben (Anlage AG 8). Die Videos werden sodann in einem automatisierten Verfahren auf die Plattform der Antragsgegnerin hochgeladen. In den für die registrierten Nutzer geltenden Nutzungsbedingungen der Antragsgegnerin in der Fassung, die zum Zeitpunkt der in diesem Verfahren streitgegenständlichen Rechtsverletzungen Gültigkeit hatten (Anlage Ast 9), heißt es u.a. :

"2. Vertragsgegenstand und Leistungsbeschreibung
Die Dienstleistungen von ... umfassen unter anderem die Möglichkeit, multimediale Inhalte wie Bilder und Videos auf der ... Plattform durch die registrierten Nutzer einzustellen und hochzuladen. ... bietet seinen Nutzern die Option, eine Vielzahl von multimedialen Inhalten unter öffentlichen und nichtöffentlichen Benutzerkonten zu speichern ...
4. Rechtmäßigkeit der multimedialen Inhalte
... speichert für den Nutzer seine von ihm hochgeladenen multimedialen Inhalte (Bilder, Videos und Informationen) bzw. vermittelt lediglich den erforderlichen Speicherplatz und Zugang hierzu.
Daher ist der Nutzer allein für die von ihm auf die ... Plattform eingestellten multimedialen Inhalte verantwortlich. Der Nutzer stellt insoweit sicher, dass diese lnhalte nicht gegen geltendes Gesetz und Rechtsvorschriften, die guten Sitten und insbesondere gegen die Rechte Dritter (Namens-, Persönlichkeits-, Urheber- Datenschutzrechte, usw.) verstoßen ....
5. Nutzungsrechte
Der Nutzer überträgt ... mit dem Hochladen von multimedialen Inhalten ein unentgeltliches, nicht ausschließliches, widerrufliches, nach Abrufmenge unbeschränktes, unterlizenzierbares und örtlich unbegrenztes Nutzungsrecht an den von dem Nutzer auf die ... Plattform eingestellten multimedialen Inhalten ... Davon umfasst ist auch die Vervielfältigung, Verteilung, Übersendung, öffentliche Wiedergabe, Veröffentlichung oder sonstigen vergleichbaren Nutzung der übertragenen Inhalte, im Rahmen des Angebots von ... und mittels des Video-Players auf seinen Partnerseiten.
... ist berechtigt, die multimedialen Inhalte mittels des ... Players auf Partnerseiten einzubinden. Der Nutzer kann sein Widerrufsrecht jederzeit durch Löschen der Inhalte ausüben."

Die hochgeladenen Musikvideos der registrierten Nutzer können unter der Rubrik "Videos" aufgerufen und abgespielt werden. Ein Download wird auf der Plattform nicht angeboten, kann aber erfolgen, wenn der Nutzer, der das Video aufruft und abspielt, einen sog. Realplayer - ein spezielles Computerprogramm - auf seinem PC installiert hat. Zwischen den Parteien ist streitig, ob das Downloaden von der Antragsgegnerin verhindert werden könnte (dazu Anlage AG 16).

Beim Abspielen der von Nutzern hochgeladenen Videos sind diese von den sonstigen Angeboten der Antragsgegnerin und Werbeanzeigen umgeben (Anlagen 10a - f, AG 18). Die Antragsgegnerin erstellt sog. "Charts" aus den von den Nutzern hoch geladenen Videos, z.B. eine Auflistung der besten Videos (Anlage Ast. 19). Beim Abspielen im Internet wird das Zeichen ... in das Video eingeblendet. Diese Einblendung ist bei den von der Antragstellerin heruntergeladenen Musikvideos die sie auf DVD als Anlage Ast. 11 eingereicht hat, nicht mehr zu sehen.

Auf Befragen des Senats in der Berufungsverhandlung hat die Antragsgegnerin zu der Plattform ... noch folgende, von der Antragstellerin nicht bestrittene Angaben gemacht.

Bei Eingabe eines Suchwortes - z.B. eines Musiktitels - in die Suchmaske, welche auf der Startseite zur Verfügung gestellt wird, wird der gesamte Inhalt der Seite durchsucht, also auch die von Nutzern hochgeladenen Musikvideos. Das Suchergebnis zeigt die lizenzierten Inhalte unter dem Oberbegriff "Kanäle" und die von den Nutzern hochgeladenen Videos unter dem Oberbegriff "Videos" an.

Im Bereich "Videos" befinden sich teilweise auch Videos, die die Antragsgegnerin von Dritten bezogen und dort eingestellt hat. Diesen Videos ist ein Vorspann mit Werbung vorgeschaltet, was bei den von Nutzern hochgeladenen Videos nicht der Fall ist. Soweit der Senat bei einzelnen von Nutzern hochgeladenen Videos am Ende des Abspielens Werbung vorgefunden hat, wird auf Ziff. II 3 b der Gründe verwiesen.

Umgekehrt befinden sich keine der von registrierten Nutzern hochgeladenen Musikvideos im Bereich "Kanäle".

Die Antragsgegnerin hat auf ihrer Seite eine "notice & take down"- Funktion installiert, auf der rechtsverletzende Inhalte der von den Nutzern hochgeladenen Videos angezeigt werden können. Nach einer entsprechenden Anzeige wird das betreffende Video gesperrt und es wird alle 24 Stunden manuell geprüft, ob neu eingestellte Videos dem beanstandeten Film entsprechen. Ferner wird ein sog. Hash-Filter eingesetzt.

Vorliegend geht es um sieben Videos, denen sechs Musikwerke unterlegt sind ... . Sie wurden im September 2008 auf der Plattform der Antragsgegnerin eingestellt. Die Antragstellerin macht geltend, die Nutzung verletze ihre Rechte bzw. die der von ihr vertretenen Urheber. Sie erwirkte am 31.10.2008 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, mit der den Antragsgegnern verboten worden ist, die betroffenen Musikwerke auf ihrem Portal zu vervielfältigen, öffentlich zugänglich zu machen oder solche Handlungen anzukündigen, feilzuhalten, anzubieten oder zu bewerben. Wegen des Wortlauts des Verbots wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Auf den Widerspruch der Antragsgegner hat das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 12.12.2008 die einstweilige Verfügung nur bezüglich des Musikwerks ... bestätigt, und zwar hinsichtlich der Handlungsformen der Vervielfältigung und der öffentlichen Zugänglichmachung. Im Übrigen hat es die einstweilige Verfügung aufgehoben und den Verfügungsantrag zurückgewiesen, da die Antragstellerin bezüglich der anderen Musikwerke ihre Aktivlegitimation nicht glaubhaft gemacht habe.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Die Antragsgegner erstreben eine vollständige Aufhebung der einstweiligen Verfügung. Sie machen im Wesentlichen geltend, dass die Antragstellerin auch bezüglich des Musikwerkes ... nicht aktivlegitimiert sei, da der Urheber ... vor dem Abschluss des Verlagsvertrages mit der Antragstellerin die Rechte zur Online-Nutzung an die GEMA übertragen habe (Anlage BK 4). Im Übrigen bekämpfen sie die Rechtsauffassung des Landgerichts, die Antragsgegnerin mache sich die von den Nutzern hochgeladenen Inhalte zu eigen und hafte als Täterin einer Urheberrechtsverletzung.

Die Antragstellerin verteidigt das landgerichtliche Urteil, soweit die einstweilige Verfügung bestätigt worden ist. Sie beschrankt den Verfügungsantrag nunmehr auf die konkrete Verletzungsform des Musikvideos zu ... (s.u. die Wiedergabe des jetzt gestellten Antrags). Sie trägt vor, der Urheber ... sei "deutlich vor 2002" GEMA-Mitglied geworden und habe den Änderungen des Berechtigungsvertrages seit 2002 nicht zugestimmt. Vorliegend gehe es um die Einstellung von Musik in eine Videotausch-Börse, die nicht den Berechtigungsverträgen in den Fassungen vor 2002 unterlagen. Die Antragstellerin habe auch der Filmherstellung unter Verwendung des Musikwerkes ... nie zugestimmt, sondern lediglich geduldet, dass der Tonträgerhersteller Promotionvideos zur Originalaufnahme des ausübenden Künstlers herstelle und diese TV-Sendern zur Ausstrahlung zur Verfügung stelle, um die Bekanntheit des Werks und den Absatz von Tonträgern zu fördern.

Die Antragstellerin bestreitet, dass die streitgegenständlichen Musikvideos überhaupt von Drittnutzern in die Plattform der Antragsgegner eingestellt worden seien und damit fremde Inhalte seien. Sie könnten auch von Mitarbeitern der Antragsgegnerin hochgeladen worden sein. Sie trägt außerdem umfangreich und vertiefend zur Haftung der Antragsgegner vor, u.a. behauptet sie, es gäbe Filtersysteme ("Audible Magic"), mit der Rechtsverletzungen bereits beim Upload weitestgehend unterbunden werden könnten.

Mit ihrer eigenen Berufung möchte die Antragstellerin erreichen, dass die einstweilige Verfügung auch bezüglich der übrigen fünf Musikwerke neu erlassen wird und stellt ihren Verfügungsantrag nunmehr insgesamt - also auch im Rahmen der Verteidigung des Widerspruchsurteils - dahingehend, dass den Antragsgegnern bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wird,

Musikwerke und/oder Werkteile von Musikwerken aus den folgenden Musikwerken aus dem Verlagsrepertoire der Antragstellerin

Titel des Musikwerkes Komponist/Autor EMI % Interpret
... ... 25 ...
... ... 50 ...
... ... 22,50 ...
... ... 25 ...
... ... 25 ...
... ... 50 ...

in Verbindung mit visuellen Inhalten zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen, öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, wie aus den Verbindungsanlagen 1 bis 3 und 5 bis 8 ersichtlich.

Die Antragstellerin macht im Wesentlichen geltend:

Entgegen der Auffassung des Landgerichts hätten die Zustimmungsvorbehalte in den Intercompany-Verträgen nur im Innenverhältnis zur Antragstellerin schuldrechtliche Wirkung. Gleiches gelte für die Verträge zwischen den Urhebern und den ausländischen Schwestergesellschaften und bezüglich des Musikwerks ... für den Vertrag zwischen dem Urheber und der Antragstellerin. Das Landgericht habe insoweit eine Überraschungsentscheidung getroffen und die Antragstellerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Tatsächlich seien die betroffenen ausländischen Urheber und die Schwestergesellschaften mit der Rechtsverfolgung durch die Antragstellerin einverstanden gewesen und hätten dies nach Verkündung des landgerichtlichen Urteils schriftlich bestätigt (Anlagen BK 2 - 5 und 8).

Die Antragsgegner verteidigen das landgerichtliche Urteil, soweit es die einstweilige Verfügung aufgehoben hat. Sie machen geltend, dass schon bezüglich der ausländischen Urheber eine Rechteübertragung auf die Schwestergesellschaften der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht sei. Auch die im Berufungsverfahren vorgelegten nachträglichen Zustimmungserklärungen der Schwestergesellschaften würden bestritten und seien nicht ausreichend, um die Aktivlegitimation der Antragstellerin glaubhaft zu machen.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung haben beide Parteien noch Schriftsätze eingereicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Beide Berufungen sind zulässig. In der Sache hat jedoch nur die Berufung der Antragsgegner Erfolg.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts vermag der Senat nach dem im Verfügungsverfahren vorgetragenen und glaubhaft gemachten Sachverhalt nicht zu erkennen, dass die Antragstellerin - ihre Aktivlegitimation unterstellt - mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegner besitzt. Damit bleibt auch die Berufung der Antragstellerin erfolglos. Im Einzelnen:

1. Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass durch das Hochladen der streitgegenständlichen Muikvideos auf die Plattform ... und die Ermöglichung des Abspielens im Internet die verwendeten, unstreitig urheberrechtlich geschützten Musikwerke, die den Filmen unterlegt sind, vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht worden sind (§§ 16, 19a UrhG). Soweit dies ohne Einverständnis der Inhaber des Urheberrechts an den Musikwerken geschehen ist, besitzen diese gegen die Täter, Teilnehmer oder Störer dieser Verletzungshandlung einen Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG, also jedenfalls gegen die Personen, die die Videos bei der Antragsgegnerin hochgeladen haben. Die Antragstellerin hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass auch die Antragsgegner als Täter, Teilnehmer oder Störer einer Urheberrechtsverletzung auf Unterlassung haften.

2. Zwischen den Parteien war in erster Instanz nicht streitig, dass die streitgegenständlichen Musikvideos nicht von der Antragsgegnerin selbst, sondern von Dritten im Rahmen der von der Antragsgegnerin angebotenen Möglichkeit, eigene multimediale Inhalte auf der Plattform ... zu präsentieren, hochgeladen worden sind. Soweit die Antragstellerin dies erstmals in der Berufungsinstanz bestreitet und meint - möglicherweise sogar behaupten will -, dass dies durch Mitarbeiter der Antragsgegnerin geschehen sein könne, ist dieser neue Vortrag schon deshalb unbeachtlich, weil er in der Berufungsinstanz verspätet ist und Zulassungsgründe im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich sind. Der Vortrag ist auch nicht unstreitig. Im Übrigen sind keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder sonstwie ersichtlich, dass die Antragsgegnerin oder von ihr beauftragte Personen die streitgegenstandlichen Videos selbst in das Internet eingestellt haben könnten.

3. Das Landgericht hat in Anlehnung an die Entscheidung "Chefkoch" des Senats (GRUR-RR 2008, 230) die Auffassung vertreten, dass die Antragsgegnerin die von den Nutzern hochgeladenen Musikvideos als eigene Inhalte im Sinne des § 7 Abs. 1 TMG im Internet anbiete und damit Täterin einer Urheberrechtsverletzung sei. Die Entscheidung "Chefkoch" des Senats ist nach Verkündung des landgerichtlichen Urteils durch den Bundesgerichtshof bestätigt worden (GRUR 2010, 616 - marionskochbuch.de). Maßgeblich für die Frage, ob ein Anbieter eigene Inhalte anbietet oder lediglich Hostprovider für fremde Inhalte ist, ist nach Auffassung des BGH eine objektive Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände (BGH a.a.O. Rn.24). Es kommt auf die Sichtweise eines "verständigen Internetnutzers" an (BGH a.a.O.). Der Sachverhalt, der "Chefkoch" zugrunde lag, war indessen deutlich anders gelagert als der vorliegende Fall.

a) Im Fall "Chefkoch" wurde der Betreiber eines Internetportals, auf dem kostenfrei Kochrezepte von Privatpersonen veröffentlicht werden, von einem Speisefotografen auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen, weil in mehreren von Privatpersonen hochgeladenen Rezepten Bilder dieses Fotografen enthalten waren. Die von Privatpersonen hochgeladenen Rezepte wurden nach den hierfür auf der Internetseite gegebenen Hinweisen generell erst freigeschaltet, nachdem sie von der Redaktion des Portalbetreibers sorgfältig gesichtet und auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft worden waren; bei den Bildern wurde geprüft, ob sie auf eine professionelle Anfertigung schließen ließen. Die sodann hochgeladenen Rezepte wurden in ihrer Druckansicht mit dem Emblem des Betreibers von "Chefkoch.de" versehen, nämlich einer Kochmütze mit der Bezeichnung "Chefkoch" und der Internetadresse. Die Kochrezepte bildeten den "redaktionellen Kerngehalt" der Internetseite chefkoch.de, andere Inhalte rund um das Thema Kochen waren lediglich begleitende Informationen oder Werbung. Schließlich ließ sich der Portalbetreiber in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen das Recht einräumen, dass alle von den Privatpersonen zur Verfügung gestellten Daten (Rezepte, Bilder, Texte usw.) von "Chefkoch" selbst oder durch Dritte vervielfältigt und in beliebiger Weise weitergegeben werden dürften.

b) Eine Vergleichbarkeit des Portals ... mit dem Portal chefkoch.de ist insoweit gegeben, als die von registrierten Nutzer eingegebenen medialen Inhalte thematisch und optisch in das sonstige Angebot der Antragsgegnerin eingebettet sind, wie unter Ziff. 1 der Gründe im Einzelnen beschrieben.

Allerdings wird aus der graphischen Gestaltung der Bildschirmansicht beim Abspielen der Videos mit drei nebeneinander stehenden Blöcken (links Übersicht über die sog. Kanäle, in der Mitte Nutzerbereich, rechts Werbung, s. Anlagen Ast. 10 a-f und AG 8) durchaus deutlich, dass man sich dabei in dem Nutzerbereich befindet. Jedoch werden hier die von den Nutzern hochgeladenen Inhalte mit denjenigen der Antragsgegnerin vermischt, da - wie in der Senatsverhandlung festgestellt - in diesem Bereich auch Musikvideos von Vertragspartnern der Antragsgegnerin zu finden sind, denen Werbung vorgeschaltet ist. Auch nimmt die Antragsgegnerin durch die Erstellung von sog. Charts oder Hinweise auf thematisch verwandte Videos (Anlage AG 8) eine gewisse Strukturierung der Nutzerinhalte vor.

Soweit der Senat in der Berufungsverhandlung darauf hingewiesen hat, dass er bei einem eigenen Besuch der Seite bei mehreren von Nutzern hochgeladenen Videos am Ende des Abspielvorgangs ebenfalls Werbeeinblendungen vorgefunden hat, konnte die Antragsgegnerin hierzu in der Verhandlung keine Erklärung abgeben. Die Antragstellerin, die jedenfalls im Ausgangspunkt dafür darlegungs- und beweispflichtig ist, dass sich die Antragsgegnerin die Nutzerinhalte zu eigen macht, hat hierzu allerdings selbst nicht und überhaupt zur Frage der inhaltlichen Vermischung der Angebote wenig substantiiert vorgetragen. Soweit die Antragsgegnerin zu dem Hinweis des Senats noch nach Schluss der mündlichen Verhandlung einen Schriftsatz und eine eidesstattliche Versicherung des Antragsgegners zu 2 eingereicht hat, konnte dies nicht mehr berücksichtigt werden. Es bestand auch keine Veranlassung, das Verfahren wiederzueröffnen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich hier um ein vorläufiges Eilverfahren handelt.

Es findet ferner insoweit eine gewisse Vermischung der Inhalte statt, als die Antragsgegnerin eine einheitliche Suchfunktion für die gesamte Internetseite zur Verfügung stellt Allerdings werden die Suchergebnisse getrennt nach den Inhalten in den Kanälen - unstreitig ausschließlich eigene Angebote der Antragsgegnerin - und nach den Inhalten des Bereichs der Videos dargestellt.

Schließlich lässt sich die Antragsgegnerin in ihren Nutzungsbedingungen das Recht einräumen, die von Nutzern hochgeladenen Inhalte auf "Partnerseiten" zu verwenden.

c) Es fehlt jedoch an entscheidenden Umständen, die nach dem Verständnis des Senats für die Würdigung des BGH im Fall "Chefkoch" den Ausschlag gegeben haben.

Es fehlt an erster Stelle daran, dass die von Nutzern hochgeladenen Inhalte von der Antragsgegnerin vor ihrer Freischaltung auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden. Diesen Gesichtspunkt hat der BGH nicht nur in den Entscheidungsgründen, sondern auch im Leitsatz In den Vordergrund gestellt. Hierin liegt tatsächlich und nach außen sichtbar die Übernahme von Verantwortung für den Inhalt der Internetseite (BGH a.a.O. Rn.24). Die bloße Strukturierung in Charts oder nach Themen kann hiermit nicht annähernd gleichgesetzt werden.

Es fehlt auch an einer in ihrer Intensität dem Fall "Chefkoch" vergleichbaren Markierung der Nutzerinhalte mit einem eigenen Kennzeichen des Portalbetreibers. Soweit beim Abspielen der Videos im Internet das Zeichen ... erscheint, wird ein beachtlicher Teil der Internetnutzer dies schon nicht als Kennzeichen, sondern nur als Hinweis auf den Vorgang des Abspielens auf der Plattform ... begreifen, denn das ?-Zeichen ist seit langer Zeit das international übliche Symbol für das Ingangsetzen eines Abspielvorgangs bei Geräten zur Wiedergabe von Bild und/oder Ton. Vor allem aber verschwindet dieses Zeichen beim Herunterladen, d.h. in dem Moment, wo sich der Nutzer der Internetseite das Video zu eigen macht. Hingegen war im Fall "Chefkoch" gerade in der Druckansicht die Markierung der fremden Inhalte besonders deutlich, was auch der BGH bei der Würdigung des Falles als Gesichtspunkt für das Vorliegen eigener Inhalte hervorgehoben hat (a.a.O. Rn.25).

Es kann weiter nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die von Nutzern hochgeladenen Inhalte den "redaktionellen Kerngehalt" des Portals ... ausmachen. Die Antragsgegnerin hat eidesstattliche Versicherungen ihres Geschäftsführers, des Antragsgegners zu 2, vorgelegt, wonach es sich bei der Möglichkeit, eigene Inhalte einzustellen, nur um ein Zusatzangebot handeln soll; das Kerngeschäft bestehe aus lizenzierten und redaktionell betreuten Inhalten. Gegenteiliges hat die Antragstellerin nicht ausreichend vorgetragen und glaubhaft gemacht. Dies lässt sich auch nicht den vorgelegten Ausdrucken von der Seite der Antragsgegnerin oder den sonstigen Tatumständen, die im Verfügungsverfahren festgestellt worden sind, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entnehmen.

Ferner ist es der Internetnutzer auch von anderen Angeboten im Internet gewohnt, dass Bereiche eingerichtet werden, wo sich die Nutzer beteiligen können, insbesondere Diskussionsforen. Diese Bereiche wertet der verständige Internetnutzer in aller Regel nicht als eigene Inhalte des Seitenbetreibers, für die dieser die Verantwortung übernehmen will.

Schließlich hat auch die Übertragung von Nutzungsrechten im vorliegenden Fall geringeres Gewicht als im Fall "Chefkoch". Denn im vorliegenden Fall ist dem Nutzer ein jederzeitiges Widerrufsrecht eingeraumt, welches er bereits durch Löschen der Inhalte ausüben kann.

In einer Gesamtwürdigung zeigt sich damit, dass zu Lasten der Antragsgegnerin zwar eine gewisse Vermischung fremder und eigener Inhalte festzustellen ist und auch bedenkliche Nutzungsbedingungen in der damaligen Fassung. Insgesamt reichen diese Umstände jedoch im Rahmen des Verfügungsverfahrens nicht aus, um zu der Annahme zu kommen, der verständige Internetnutzer verstehe auch die von Nutzern hochgeladenen Inhalte als eigene Angebote der Antragsgegnerin.

4. Eine täterschaftliche Haftung der Antragsgegnerin durch Unterlassen von Prüfungspflichten kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verkehrspflichten in entsprechender Anwendung der Entscheidung "jugendgefährdende Medien bei ebay" in Betracht (BGH GRUR 07, 890). Für die Verletzung absoluter Rechte, um die es vorliegend geht, gelten nämlich weiterhin die Grundsätze der Störerhaftung (BGH GRUR 2010,633 Rn.19 - Sommer unseres Lebens). Es wird hierzu auf die nachfolgenden Ausführungen unter Ziff. 6 verwiesen.

5. Es sind auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Antragsgegnerin als Teilnehmerin - Anstifterin oder Gehilfin - in Anspruch genommen werden kann. Hierfür wäre erforderlich, dass die Antragstellerin einen jedenfalls bedingten Vorsatz der Antragsgegnerin hinsichtlich der konkreten streitgegenständlichen Rechtsverletzungen vortragen und glaubhaft machen könnte, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließt (BGH GRUR 2004, 1287 Rn.45 - Internetversteigerung I).

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann ein bedingter Vorsatz der Antragsgegnerin noch nicht daraus abgeleitet werden, dass sie seit den ersten Lizenzverhandlungen zwischen den Parteien im April 2008 Kenntnis davon hatte, dass überhaupt Repertoire der Antragstellerin betroffen war.

6. Erforderlich ist bedingter Vorsatz bezüglich konkreter Werke. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass die Antragsgegnerin die streitgegenständlichen Videos vor dem Einstellen in ihre Plattform zur Kenntnis genommen hat. Die Antragsgegnerin hat außerdem durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung ihrer Justiziarin ... glaubhaft gemacht, dass ihr vor der Abmahnung vom 2.10.2008 nie Titel, Usernamen, Profile etc. genannt worden seien oder eine Liste der betroffenen Werke (Anlage AG 15).

6. Schließlich vermag der Senat jedenfalls in dem vorliegenden Eilverfahren nicht zu erkennen, dass die Antragsgegnerin als Störerin auf Unterlassung haftet. Nach ständiger Rechtsprechung kann bei der Verletzung absoluter Rechte als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Da die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (zuletzt BGH GRUR 2010, 633 Rn.19 - Sommer unseres Lebens).

Nach der Rechtsprechung des BGH ist es einem Unternehmen, welches im Internet eine Plattform für Fremdversteigerungen betreibt, nicht zuzumuten, jedes Angebot vor der Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen, weil dies das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen würde. Erst dann, wenn der Betreiber auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen wird, muss er das konkrete Angebot unverzüglich sperren und dafür Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren Rechtsverletzungen kommt (GRUR 2004, 860, 864 Rn.19 - Internetversteigerung I). Entsprechendes ist für Internetforen anerkannt (z.B. Senat ZUMRD 09, 31 - Mettenden). Vorliegend handelt es sich um ein vergleichbares Geschäftsmodell. Die Antragsgegnerin hat ausweislich der Anlage Ast. 17 täglich mehr als 50.000 Uploads von Nutzern zu bewältigen. Ohne konkrete Anhaltspunkte, die für die streitgegenständlichen Musikvideos nicht vorgetragen sind, war sie nicht verpflichtet, diese Datenmengen proaktiv auf Rechtsverletzungen hin zu untersuchen. Soweit die Antragstellerin erstmals in der Berufungsinstanz auf Filtersysteme hinweist, die in der Lage wären, Rechtsverletzungen bereits beim Hochladen zu erkennen, ist ihr Vortrag nicht ausreichend substantiiert, so dass dahingestellt bleiben kann, ob er nicht ohnehin in der Berufungsinstanz verspätet ist.

Nachdem die Antragsgegnerin in der Abmahnung auf die streitgegenständlichen Videos hingewiesen worden ist, hat sie diese unstreitig unverzüglich gesperrt. Die Antragstellerin hat keine neuen Verletzungshandlungen für die streitgegenständlichen Musiktitel vorgetragen. Daher stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht die Frage, ob die Antragsgegnerin hinreichende Vorsorge gegen weitere Rechtsverletzungen getroffen hat und ggf. nunmehr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann.

Schließlich gibt es auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin ein von der Rechtsordnung nicht gebilligtes Geschäftsmodell betreiben würde und schon deshalb auf Unterlassung haftet. Hierzu hat die Antragstellerin für das vorliegende Ei]verfahren nicht ausreichend vorgetragen und macht dies auch erstmals mit Schriftsatz vom 20.8.2010 im Berufungsverfahren geltend, in dem teilweise auf die offenbar in einem anderen Rechtsstreit in Anspruch genommene Internetplattform ... Bezug genommen wird. Soweit sie in diesem Schriftsatz mehrfach darauf abstellt, dass die Antragsgegnerin es den Nutzern ermögliche, anonym Inhalte hochzuladen, ist dies ausweislich der Anlage AG 8 gerade nicht der Fall und von der Antragstellerin bislang auch nicht glaubhaft gemacht worden. Auch hat die Antragsgegnerin mit der eidesstattlichen Versicherung ihres Technologie-Direktors ... vom 2.12.2008 glaubhaft gemacht, dass bei jedem Upload-Vorgang neben den Im Registrierungsformular geforderten Angaben die IP-Adressen der Nutzer archiviert wurden. Es ist damit nicht ausreichend ersichtlich, dass das Geschaftsmodell der Antragsgegnerin darauf angelegt wäre, Rechtsverletzungen im Schutze der Anonymität zu begehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.