VG Köln, Urteil vom 22.11.2012 - 13 K 5281/11
Fundstelle
openJur 2012, 132577
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der Bundeszentrale für politische Bildung vom 5. August 2011 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 7. September 2011 verpflichtet, dem Kläger eine Kopie des in seiner Personalangelegenheit eingeholten arbeitsrechtlichen Gutachtens der Kanzlei Q. und Partner vom 7. Juni 2011 zu übersenden.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist bei der Bundeszentrale für poltische Bildung (BPB) als politischer Redakteur beschäftigt. Anlässlich eines von ihm am 00.00.2011 im Internet veröffentlichten Artikels mit dem Titel "

" holte die BPB ein anwaltliches Gutachten zu ihren arbeitsrechtlichen Möglichkeiten gegenüber dem Kläger ein. Das Gutachten der Kanzlei Q. und Partner vom 7. Juni 2011 kam zu dem Ergebnis, dass die außerdienstliche Betätigung des Klägers eine außerordentliche Kündigung nicht rechtfertige, wohl aber eine Abmahnung. Eine solche erfolgte sodann unter dem 28. Juli 2011. Weitere Maßnahmen wurden nicht ergriffen. Im Rahmen eines Gesprächs zwischen dem Kläger, seinem Prozessbevollmächtigten, dem Leiter der Fachabteilung sowie dem Abteilungsleiter Z der BPB am 19. Juli 2011 forderte der Kläger u.a. die Herausgabe des bewussten Gutachtens auf der Grundlage des IFG.

Mit Schreiben vom 31. Juli 2011 mahnte der Kläger die Óbersendung des Gutachtens, welche ihm zugesagt worden sei, an.

Mit Bescheid vom 5. August 2011 lehnte die BPB eine Bekanntgabe des Gutachtens ab. Die Prüfung habe ergeben, dass dem Kläger ein Anspruch auf Informationszugang derzeit nicht zustehe. Eine Zusage, dass das Gutachten übersandt werde, sei nicht erfolgt. In einem am 11. August 2011 bei der BPB eingegangenen Schreiben bestand der Kläger auf der Herausgabe des Gutachtens.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 7. September 2011 einen Widerspruchsbescheid angemahnt hatte, erließ die BPB unter demselben Datum einen solchen, wobei sie das klägerische Schreiben vom 11. August 2011 als Widerspruch wertete. Sie führte aus, das Gutachten enthalte eine rechtliche Würdigung der seit 2004 andauernden arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und der BPB und gebe darüber hinaus auch Hinweise zur weiteren Vorgehensweise in dieser Personalangelegenheit. Der Zugangsanspruch sei zum einen nach § 3 Ziff. 3 lit. b) IFG ausgeschlossen. Beratungen von Behörden mit den von ihnen konsultierten Rechtsanwälten seien regelmäßig vertraulich. Deshalb handele es sich bei dem Gutachten um eine vertrauliche Beratung. Da das Gutachten auch Hinweise zum weiteren Vorgehen in der Personalangelegenheit beinhalte, würde der Informationszugang die Beratungen innerhalb der BPB beeinträchtigen. Zum anderen stehe § 4 Abs. 1 IFG dem Informationszugang entgegen. Das Rechtsgutachten diene der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung und sei deshalb auch keine Expertise eines behördenexternen Dritten im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 IFG.

Der Kläger hat am 23. September 2011 Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt, die Óberlassung des streitgegenständlichen Rechtsgutachtens sei ihm in einer Besprechung am 19. Juli 2011 vom Abteilungsleiter Z der BPB zugesagt worden. Die geltend gemachten Versagungsgründe des IFG seien nicht einschlägig. Dass die BPB eine Behörde des Bundes im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sei, sei zweifelsfrei. Dass sie auch oder sogar überwiegend in den Formen des Privatrechts tätig werde, sei unerheblich. Dass die Personalverwaltung, in deren Rahmen das Gutachten eingeholt worden sei, außerhalb der Verwaltungsaufgaben der BPB liegen solle, sei nicht nachvollziehbar. Vielmehr gehöre Personalverwaltung materiell zu den öffentlichrechtlichen Verwaltungsaufgaben einer Behörde, selbst wenn sie im Einzelfall mit privatrechtlichen Mitteln wahrgenommen werde. Es könne keinen Unterschied machen, ob der Kläger Beamter oder Tarifbeschäftigter sei. Für den Zugangsanspruch komme es nicht darauf an, in welcher Weise die amtlichen Informationen in den Amtsbereich der verpflichteten Behörde gelangt seien. Im Óbrigen stehe das Gutachten nicht im Zusammenhang mit einem arbeitsrechtlichen Rechtsstreit.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Bundeszentrale für politische Bildung vom 5. August 2011 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 7. September 2011 zu verpflichten, ihm eine Kopie des in seiner Personalangelegenheit eingeholten arbeitsrechtlichen Gutachtens der Kanzlei Q. und Partner vom 7. Juni 2011 zu übersenden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, sie sei im vorliegenden Kontext nicht als anspruchsverpflichtete Behörde anzusehen, da nicht die Ausübung materiellen Verwaltungsrechts in Rede stehe. Vorliegend habe das Tätigwerden der BPB seine Grundlage nicht im öffentlichen Recht; vielmehr sei die Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten rein zivil- bzw. arbeitsrechtlicher Natur. Entsprechend sei das anwaltliche Gutachten nicht im Rahmen der Verwaltungstätigkeit der BPB eingeholt worden, sondern im Zusammenhang mit einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung und damit außerhalb der Verwaltungsaufgaben der BPB. Dass der Anspruch auf Informationszugang nur bestehe, wenn und soweit die staatliche Stelle materielles Verwaltungsrecht ausübe, ergebe sich aus der Klarstellung in § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG. Anlass zu der Annahme, der Gesetzgeber habe auch im Bereich arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen die Transparenz und Öffentlichkeitskontrolle - durch den Gegner des Rechtsstreits - verbessern wollen, bestünden nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Óbersendung einer Kopie des durch die BPB in seiner Personalangelegenheit eingeholten arbeitsrechtlichen Gutachtens der Kanzlei Q. und Partner vom 7. Juni 2011. Der Ablehnungsbescheid der BPB vom 5. August 2011 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 7. September 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG). Danach hat jeder nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.

Der Kläger ist als natürliche Person anspruchsberechtigt.

Auch unterfällt die BPB dem Merkmal "Behörde des Bundes" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG und ist damit auskunftsverpflichtete Stelle.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für das IFG von einem weiten Verständnis von Verwaltung und hieran anknüpfend einem umfassenden Begriff der Behörde auszugehen. Dabei wird der Begriff der öffentlichen Verwaltung nicht von den Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgesetzes geprägt. Auch muss die begehrte amtliche Information nicht aus einem behördlichen Handeln stammen, das als solches dem Verwaltungsverfahrensgesetz unterliegt,

Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, juris.

Damit ist hier die BPB als Behörde des Bundes anspruchsverpflichtet.

Sie ist als nichtrechtsfähige Bundesanstalt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern errichtet worden, gehört damit zur mittelbaren Bundesverwaltung und ist mit der Aufgabe, durch Maßnahmen der politischen Bildung Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken, betraut worden (Erlass des Bundesministeriums des Innern über die BPB vom 24. Januar 2001). Diese Aufgabe ist als öffentlichrechtliche Verwaltungstätigkeit zu qualifizieren, zu deren Erfüllung die BPB Personal beschäftigt (Beamte wie Tarifbeschäftigte). Dass die BPB in Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsangestellte dabei auch in der Form des Privatrechts beschäftigt, ändert nichts am öffentlichrechtlichen Charakter ihrer Aufgabe als solcher,

vgl. auch die Ausführungen des Gerichts im Urteil vom 7. April 2011 - 13 K 822/11 -.

Das IFG ist auf das Auskunftsbegehren des Klägers auch anwendbar. Dem steht nicht die Regelung in § 1 Abs. 3 IFG entgegen.

Nach dieser Vorschrift gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme des § 29 VwVfG und des § 25 SGB X vor. Es kann dahinstehen, ob § 3 Abs. 5 TVöD, demzufolge die Beschäftigten ein Recht auf Einsicht in ihre vollständigen Personalakten haben, eine Regelung im Sinne des § 1 Abs. 3 IFG ist, denn das streitgegenständliche Gutachten ist nach Auskunft des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht zur Personalakte genommen worden.

Ausschlussgründe des IFG greifen nicht zu Lasten des Klägers ein.

Soweit sich die Beklagte zunächst auf den Versagungsgrund des § 3 Ziff. 3 lit. b) IFG beruft, verfängt dies nicht.

Nach der genannten Regelung besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die notwendige Vertraulichkeit,

zur Erstreckung der Einschränkung "notwendige Vertraulichkeit" auch auf lit. b) siehe Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris, BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 4/11 -, juris,

der Beratungen von Behörden beeinträchtigt wird.

Dabei muss die Vertraulichkeit der Beratung aus tragfähigen Gründen notwendig sein. Zweck des Ausschlusstatbestandes ist es, einen unbefangenen und freien Meinungsaustausch zu gewährleisten. Geschützt ist nur der eigentliche Vorgang der (inner-/zwischen-) behördlichen Entscheidungsfindung, d.h. die Besprechung, Beratschlagung, Abwägung - der Beratungsprozess im engeren Sinne -, nicht die hiervon zu unterscheidenden Tatsachengrundlagen und die Grundlagen der Willensbildung (Beratungsgegenstand) sowie das Ergebnis der Willensbildung (Beratungsergebnis),

vgl. OVG NRW, a.a.O.

Die Darlegungslast für das Vorliegen des Ablehnungsgrundes liegt angesichts des gesetzlichen Regel-Ausnahme-Verhältnisses bei der informationspflichtigen Behörde,

vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 6.

Eine Beeinträchtigung der geschützten behördlichen Beratungen, zu denen auch rein innerbehördliche Vorgänge gehören,

vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 10,

muss danach einzelfallbezogen, hinreichend substantiiert und konkret dargelegt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Ausnahmeregelung des § 3 Ziff. 3 lit. b) IFG ihrem eindeutigen Wortlaut nach nur eingreift, "wenn und solange" eine Beeinträchtigung der behördlichen Beratungen droht. Der Schutz der behördlichen Beratungen gilt damit nicht uneingeschränkt. Mit der Wendung "solange" enthält die gesetzliche Regelung vielmehr ausdrücklich eine zeitliche Begrenzung,

vgl. Schoch, IFG, Kommentar, § 3 Rdn. 128.

Wird die Versagung des Informationszugangs im gerichtlichen Verfahren auf diesen Ablehnungsgrund gestützt, bedarf es mithin der substantiierten Darlegung, dass die Bekanntgabe der streitigen Informationen auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Verpflichtungsbegehren die Vertraulichkeit der behördlichen Beratungen beeinträchtigt,

vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. Oktober 2010, - 12 B 6.10 -, juris, m.z.w.N., bestätigt durch Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -.

In Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte für das Eingreifen des § 3 Ziff. 3 lit. b) IFG nichts dargelegt. Vielmehr scheidet der Ausschlussgrund des § 3 Ziff. 3 lit. b) IFG schon deshalb aus, weil es sich bei dem eingeholten Anwaltsgutachten bestenfalls um eine Beratungsgrundlage handeln kann, die von der Behörde zur Entscheidungsfindung eingeholt wurde. Im Óbrigen ist auch nicht dargetan, inwiefern eine Bekanntgabe des arbeitsrechtlichen Gutachtens noch zu einer Beeinträchtigung führen könnte, nachdem die Abmahnung erfolgt ist.

Ebenso wenig kann sich die Beklagte mit Erfolg auf den Ausschlussgrund des § 4 Abs. 1 IFG berufen.

Nach Satz 1 dieser Norm soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden für Entwürfe zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Nicht der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung nach Satz 1 dienen regelmäßig Ergebnisse der Beweiserhebung und Gutachten oder Stellungnahmen Dritter (Satz 2).

Die Beklagte hat nichts vorgetragen, woraus ersichtlich würde, dass bzw. welche Entscheidungen - gar unmittelbar - noch vorbereitet würden, nachdem der Kläger unter dem 28. Juli 2011 aufgrund des Gutachtens abgemahnt worden ist. Ebenso wenig ist vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass vorliegend kein Regelfall im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 IFG vorläge, in dem das Gutachten - abweichend von der gesetzlichen Vermutung - einer unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung dienen könnte

Schließlich greift auch der Versagungsgrund des § 6 Satz 1 IFG nicht zu Gunsten der Beklagten ein, der allerdings von der BPB auch nicht bemüht wird.

Der Anspruch auf Informationszugang besteht nach § 6 Satz 1 IFG nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Der Begriff des "geistigen Eigentums" erfasst den gewerblichen Rechtsschutz (Markenrecht, Patentrecht, Gebrauchs- und Geschmacksmusterrecht) und das Urheberrecht (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 14).

Es kann hier dahinstehen, ob es sich bei dem streitbefangenen Gutachten um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt. Denn jedenfalls erscheint ausgeschlossen, dass Rechte seines Verfassers verletzt werden, wenn der Kläger Kenntnis von seinem Inhalt erlangt. Denn bei Gutachten, die - wie hier - im Auftrag einer Behörde durch Private - gegen Entgelt - erstellt werden, erfasst das der Behörde als Auftraggeber eingeräumte Nutzungsrecht zur behördlichen Aufgabenerfüllung auch das Recht der Behörde zur Informationserteilung nach dem IFG,

vgl. Berger in: Berger/Roth/Scheel, IFG, § 6 Rdn. 11; VG Frankfurt, Urteil vom 12. März 2008 - 7 E 5426/06 -, juris, Rdn. 56; VG Berlin, Urteil vom 21. Oktober 2010 - 2 K 89.09 - (mit eingehender Begründung), juris.

Hiernach war der Klage stattzugeben.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Anlass, die Berufung zuzulassen, bestand nicht (§ 124a VwGO).