VG München, Beschluss vom 16.02.2012 - M 17 K 11.6025
Fundstelle
openJur 2012, 121035
  • Rkr:
Tenor

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.

II. Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht München verwiesen.

III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.

Der Kläger wandte sich am … 2011 an das Bayerische Verwaltungsgericht München und beantragte zur Niederschrift des Urkundsbeamten, das mit Bescheid der Beklagten vom … 2011 für das Jobcenter im Sozialbürgerhaus … verhängte Hausverbot aufzuheben. Am … 2012 beantragte er zur Niederschrift des Urkundsbeamten beim Bayerischen Verwaltungsgericht München noch die Gewährung von Prozesskostenhilfe.

Das erkennende Gericht geht davon aus, dass der Vortrag der Beklagten im parallelen Eilverfahren M 17 S 11.6026 auch für das vorliegende Verfahren Geltung haben soll. Dort hatte die hiesige Beklagte unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Nichteinhaltung des Rechtsweges gerügt und ausführt, dem Kläger sei für das Jobcenter im Sozialbürgerhaus … ein Hausverbot erteilt worden. Er trete dort regelmäßig als „Bevollmächtigter“ diverser Leistungsempfänger auf, beantrage Leistungen für diese und störe im Rahmen dessen die Aufgabenerfüllung des Jobcenters in erheblichem Maße. Aufgrund des im vorliegenden Fall gegebenen engen Sachzusammenhangs zwischen dem erteilten Hausverbot und den Aufgaben nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Es werde daher beantragt, das Verfahren an das Sozialgericht München zu verweisen.

Die Beteiligten wurden mit gerichtlichem Schreiben vom … 2012 zu der geplanten Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht München angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten im streitgegenständlichen Verfahren sowie auf die Gerichtsakten im Verfahren M 17 S 11.6026 verwiesen.

II.

Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist für die vorliegende Streitigkeit nicht eröffnet.

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.

Vorliegend ist eine zwar eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gegeben, weil sich die Beklagte, indem sie das Hausverbot in Bescheidsform durch Verwaltungsakt (§ 35 Satz 1 VwVfG, § 31 SGB X) verhängt und die sofortige Vollziehbarkeit gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, einer öffentlich-rechtlichen Handlungsform bedient hat. Auch verfassungsrechtliche Bezüge weist der Streit nicht auf. Die Streitigkeit ist aber durch Bundesgesetz einem anderen Gericht als dem Verwaltungsgericht ausdrücklich zugewiesen.

Hinzuweisen ist insoweit auf die von der Beklagten bereits in Bezug genommene Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 1.4.2009, B 14 SF 1/08 R, -juris-). In dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht ausgeführt, dass für Streitigkeiten wie die vorliegende gemäß § 51 Abs 1 Nr. 4a SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Von der Zuweisung in § 51 Abs 1 Nr. 4a SGG erfasst sind zunächst all diejenigen Rechtsstreitigkeiten, bei denen die vom Kläger hergeleitete Rechtsfolge ihre Grundlage im SGB II haben kann. Die Auslegung des Merkmals "Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende" ist - nach der Auffassung des Bundessozialgerichts - in den übrigen Fällen, in denen die Beteiligten nicht unmittelbar um Rechtsfolgen aus der Anwendung von Normen des SGB II streiten, daran auszurichten, dass eine sach- und interessengerechte Abgrenzung zwischen der Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichte und der Verwaltungsgerichte hergestellt wird. Weder das Merkmal "ausdrücklich" in § 40 Abs 1 Satz 1 VwGO noch ein insbesondere aus dem Merkmal "alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten" hergeleiteter (vermeintlicher) Vorrang der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit zwingen dabei zu einer engen Auslegung des Begriffs der "Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende". Jedenfalls wenn das Hausverbot im Rahmen oder aus Anlass eines zwischen den Beteiligten geführten Verwaltungsverfahrens (§ 8 SGB X) ausgesprochen wird, ist nach diesen Grundsätzen ein die Rechtswegzuständigkeit der Sozialgerichte begründender Sachzusammenhang zu den Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu bejahen

Diese entscheidende Sachnähe prägt auch die zwischen den Beteiligten streitige Maßnahme. Das Hausverbot ist nach Angaben der Beklagten aus Anlass eines bzw. mehrerer zwischen dem Kläger als Bevollmächtigten der jeweiligen Verfahrensbeteiligten und der Beklagten geführten Verwaltungsverfahren ergangen. Sowohl die Vorsprachen des Klägers, die zum Ausspruch des Hausverbots geführt haben, als auch die künftig möglichen Vorsprachen, denen mit Hilfe des Hausverbots vorgebeugt werden sollte, waren wohl im jeweiligen Dauerverwaltungsrechtsverhältnis zwischen den jeweiligen vom Kläger vertretenen Verfahrensbeteiligten und der Beklagten begründet.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten war daher der Rechtsstreit einschließlich des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das zuständige Sozialgericht München (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes in Bayern -AGSGG-) zu verweisen. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten (§ 17 b GVG).

Dem Antrag des Klägers auf Verlängerung der Frist zur Äußerung bezüglich der Verweisung des Verfahrens musste nicht nachgekommen werden. Der Kläger hatte ausreichend Gelegenheit sich zu der Verweisung zu äußern. Die Fristverlängerung begehrt er konsequenterweise auch nicht, um sich zu der Verweisung des Verfahrens zu äußern, sondern zu der Frage des richtigen Rechtsbehelfes gegen den Bescheid der Beklagten. Hierzu kann sich der Kläger aber auch noch vor dem zuständigen Sozialgericht München, welches die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage zu prüfen haben wird, äußern.

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