LG Hof, Urteil vom 05.03.2008 - 1 HO 33/07
Fundstelle
openJur 2012, 90964
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist der bundesweite ... Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehört unter anderem die Vertretung der wirtschaftlichen und wettbewerbsrechtlichen Interessen seiner Mitglieder (Ziffer 2.4 der Satzung – Anlage K 1).

Der Beklagte betreibt einen Reifenhandel mit Reifenservice. Neben dem Reifenhandel bietet er Reifenmontagen, nämlich Reifenwechsel mit Auswuchten und Felgenmontage mit vorausgehenden Zustandsprüfungen, an und führt sie durch. Reifenreparaturen im eigentlichen Sinne führt er dabei nicht aus. Er montiert den Kunden die von ihm verkauften Fahrzeugreifen. Diese Tätigkeiten machen etwa 25 % seines Umsatzes aus, während etwa 75 % mit dem Reifenhandel erzielt werden. Der Beklagte, der keine Angestellten hat und seit 2000 im Bereich Reifenvertrieb und -montage tätig ist, ist selbst weder Vulkaniseur- oder Reifenmechanikermeister noch beschäftigt er einen solchen in seinem Betrieb.

Diesen Umstand hält der Kläger für unzulässig und wettbewerbswidrig. Er meint – im Wesentlichen gestützt auf ein in seinem Auftrag erstelltes Gutachten des (Anlage K 5), dass die vom Beklagten angebotene und durchgeführte Reifenmontage nach § 1 HwO zulassungspflichtig sei. Die Reifentechnik habe sich in den letzten Jahrzehnten zu einer ausgefeilten Spitzentechnologie entwickelt, die vom Monteur ein sehr hohes und breit gefächertes Maß an Kenntnissen voraussetze. Dieser Wissensstand könne nur durch eine vollständige Ausbildung zum handwerklichen Meister in einem entsprechenden Ausbildungsberuf erlangt werden. Die aus der Typenvielfalt verschiedenartiger Rad-/Reifenkombinationen resultierende Gefahr einer Falschberatung und fehlerhaften Reifenmontage könne zu gravierenden Folgeschäden bis hin zu Unfällen oder dem Verlust der Allgemeinen Betriebserlaubnis für das betroffene Fahrzeug führen. Zumindest sei bei den Tätigkeiten des Beklagten die Kontrolle und Aufsicht durch einen Meister erforderlich.

Der Kläger beantragt:

Der Beklagte wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsmittels verurteilt, es zu unterlassen, in seinem Betrieb Reifenmontagen sowie Arbeiten an Rad-/Reifenkombinationen durchzuführen, solange in seinem Betrieb kein Handwerksmeister aus dem Bereich eines fahrzeugtechnischen Berufes beschäftigt ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bringt hierzu vor, dass ein Meisterbrief keine Garantie für einen aktuell hohen Wissensstand sei und dass der Reifenwechsel und das Auswuchten – so wie vom Beklagten vorgenommen – schon in weniger als drei Monaten erlernbar und fachgerecht ausführbar sei. Reifenmontage einschließlich Auswuchten sei auch ohne Eintragung in die Handwerksrolle erlaubt; die Reifenmontage falle nicht unter den Meisterzwang. Im Übrigen übe der Beklagte keine wesentlichen Tätigkeiten für das Handwerk der Vulkaniseure und Reifenmechaniker aus. Ferner diene die Handwerksordnung nicht den Interessen der Marktteilnehmer.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, da der Kläger gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt ist; sie ist aber nicht begründet.

11Die Anspruchsvoraussetzungen für die im Klageantrag begehrte Unterlassungsverpflichtung, die sich nur aus den §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG i. V. m. § 1 HwO ergeben können, liegen nicht vor, da kein Verstoß des Beklagten gegen Bestimmungen der Handwerksordnung ersichtlich ist.

Nach der Legaldefinition für ein zulassungspflichtiges Handwerk gemäß § 1 Abs. 2 HwO handelt es sich bei dem Betrieb des Beklagten nicht um einen zulassungspflichtigen Handwerksbetrieb. Sein Schwerpunkt liegt unstreitig im Bereich des Reifenhandels, der als solcher nicht zulassungspflichtig im Sinne der HwO ist. Eine Zulassungspflicht ergäbe sich deshalb nur dann, wenn im Betrieb des Beklagten Tätigkeiten ausgeübt würden, die für ein zulassungspflichtiges Gewerbe wesentlich wären.

13Im Betrieb des Beklagten werden neben dem Reifenhandel die Montage von Felgen und Reifen sowie deren Auswuchten ausgeführt. Hierbei handelt es sich in der reinen Ausführung um technisch einfache Vorgänge, die in relativ kurzer Zeit (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HwO) erlernt werden können und auch nicht durch das Berufsbild etwa eines Vulkaniseurmeisters wesentlich geprägt sind. Dies gilt – hinsichtlich der bloßen Montage – auch für die in den letzten Jahren entwickelten Reifentypen.

Insbesondere fällt die Tätigkeit des Beklagten nicht unter ein Gewerbe im Sinne der Anlage A zu § 1 Abs. 2 HwO. Das Berufsbild des Kraftfahrzeugtechnikers (Anlage A Nr. 20) ist ein anderes als das eines bloßen Reifenmonteurs. Die Tätigkeit des Beklagten lässt sich auch nicht unter die Anlage A Nr. 41 (Vulkaniseure und Reifenmechaniker) subsumieren. Das Berufsbild des Vulkaniseur- und Reifenmechanikermeisters (§ 2 Vulkaniseur- und Reifenmechanikermeisterverordnung) geht bei weitem über die Anforderungen eines Reifenwechselns mit Wuchten hinaus. Aus dem Anforderungsprofil an den Vulkaniseur- und Reifenmechanikermeister im Sinne des § 2 Abs. 2 der genannten Verordnung ergibt sich, dass dessen Tätigkeit eine gänzlich andere ist als das bloße Wechseln und Montieren von Reifen, auch wenn diese Verordnung Kenntnisse über die Reifenmontage und den Reifenwechsel voraussetzt, ohne diese ausdrücklich zu nennen. Auch hierin kommt zum Ausdruck, dass es sich bei der bloßen Beschränkung auf die Montage und das Wechseln von Reifen um eine untergeordnete Tätigkeit handelt, zumal heutzutage angesichts der Hochtechnologie, die auch in Autoreifen steckt, Reparaturen an Reifen zugunsten des Aufzugs neuer Reifen immer weiter in den Hintergrund treten.

Gibt der Wortlaut des § 1 Abs. 2 HwO also nichts für eine Zulassungspflicht des Betriebes des Beklagten her, so lässt sich dieses Ergebnis auch nicht im Wege der Auslegung der Vorschrift gewinnen. Da das vom Kläger begehrte Verhalten im Ergebnis zu einer faktischen Betriebseinstellung durch den Beklagten führen soll, ist bei der Auslegung der Voraussetzungen für die Zulassungspflicht die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 GG zu berücksichtigen. Auch die neu gefasste Handwerksordnung lässt keinen Bezug zur Gefahrengeneigtheit der reglementierten Tätigkeiten erkennen, so dass es vorliegend nicht darauf ankommen kann, ob es sich bei der Reifenmontage um gefahrengeneigte Tätigkeit handelt. Unter Berücksichtigung dieser beiden Aspekte ist eine Auslegung von § 1 Abs. 2 HwO in der vom Kläger begehrten Weise, wonach auch das bloße Wechseln und Wuchten von Reifen eine zulassungspflichtige Tätigkeit nach der Handwerksordnung sei, nicht möglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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