VG Münster, Urteil vom 14.06.2012 - 8 K 2632/10
Fundstelle
openJur 2012, 87158
  • Rkr:

Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten steht einer Wirksamkeit der Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG auch für die Dauer eines (hier: erfolglosen) Asylverfahrens nicht entgegen.

Die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung (§ 63 AsylVfG) ist kein Aufenthaltstitel im Sinne der Verpflichtungserklärung nach dem amtlichen Vordruck (Formular Bundesdruckerei Artikel-Nr. 10150).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheits-leistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

Unter dem 4. August 2006 verpflichtete sich der Kläger unter Verwendung des amtlichen Formulars (Bundesdruckerei, Artikel-Nr. 10150) gegenüber der Ausländerbehörde T. , für seine Schwägerin M. D. I. , geborene J. , die Kosten für den Lebensunterhalt und die Kosten für die Ausreise von Beginn einer voraussichtlichen Visumgültigkeit am 1. November 2006 zu tragen. Wegen der Dauer der Verpflichtung enthält die Erklärung des Klägers die Angabe "bis zur Beendigung des Aufenthalts o. g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck".

Am 29. August 2006 beantragte Frau I. bei der Deutschen Botschaft Z. , L. , die Erteilung eines Visums. Als Zweck gab sie die Unterstützung ihrer Schwester, der Ehefrau des Klägers, bei einer anstehenden Operation an. Die Botschaft erteilte Frau I. das Visum, dessen Geltungszeitraum auf die Zeit vom 1. November 2006 bis zum 29. Januar 2007 bestimmt wurde. Frau I. reiste am 1. November 2006 in das Bundesgebiet ein. Am 22. Januar 2007 verlängerte der Kreis T. das Visum für 99 Tage, also bis zum 30. April 2007, mit der Anmerkung: "Nur gültig zur Unterstützung der Schwester wegen Risikoschwangerschaft."

Am 30. April 2007 beantragte Frau I. die weitere Verlängerung des Visums, hilfsweise die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, äußerst hilfsweise ihre Duldung im Bundesgebiet. Zur Begründung führte sie an, sie könne wegen einer Hüftgelenkerkrankung nicht in ihr Heimatland zurückreisen. Im Oktober 2007 stellte Frau I. einen asylverfahrensrechtlichen Antrag bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt). Das Bundesamt stellte ihr unter dem 2. Oktober 2007 eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung aus. Die Bezirksregierung B. wies Frau I. der Beklagten zu. Frau I. verzog in den Bezirk der Beklagten. Am 16. Februar 2009 erteilte die Beklagte der Frau I. eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen. Das Asylverfahren stellte das Bundesamt ein. Über den Antrag vom 30. April 2007 musste nicht entschieden werden.

Frau I. stellte am 2. November 2007 erstmals einen Antrag auf Leistungen nach dem AsylbLG. Die Beklagte gewährte der Frau I. für die Zeit von 2. November 2007 bis zum 31. März 2008 Grundleistungen in Höhe von 1.015,78 € und Leistungen für Unterkunftkosten in Höhe von 492,40 €.

Mit Bescheid vom 7. März 2008 forderte die Beklagte den Kläger unter Hinweis auf § 68 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) auf, die von ihr an Frau I. in der Zeit vom 2. November 2011 bis zum 31. März 2008 gewährten Leistungen in Höhe von 1.508,18 € zu erstatten. Der Bescheid enthält keine Ermessenserwägungen. Die Rechtsbehelfsbelehrung bezeichnete als Rechtsbehelf den Widerspruch, den der Kläger zunächst erhob.

Der Kläger hat am 6. März 2009 vor dem Sozialgericht Münster Klage erhoben, das den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht verwiesen hat.

Der Kläger trägt vor,

er habe sich nicht für die Zeit des Asylverfahrens der Frau I. zur Tragung ihres Lebensunterhalts verpflichtet. Er habe eine Verpflichtungserklärung mit der Begrenzung auf den im Visum angegebenen Aufenthaltszweck einer Unterstützung ihrer Schwester, seiner Ehefrau, wegen einer Risikoschwangerschaft abgegeben. Wenn er eine unbefristete Verpflichtungserklärung abgegeben haben sollte, wäre eine Inanspruchnahme wegen einer dann bestehenden Unbestimmtheit der Erklärung ausgeschlossen. Nach der Asylantragstellung sei ein Anspruch auf Kostenerstattung ausgeschlossen, weil a) die Regelung des Art. 13 Abs. 4 Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten entgegen stehe, die eine abschließende Anordnung enthalte, und/oder b) die Aufenthaltsgestattung ein zu einem anderen Aufenthaltszweck erteilter neuer Aufenthaltstitel sei. Es bestehe auch im Verhältnis zur Beklagten ein der Kostenerstattung widersprechender Vertrauenstatbestand für den Kläger, nachdem die Ausländerbehörde des Kreises T. nach dem Antrag vom 30. April 2007 mehrfach die Vorlage einer neuen Verpflichtungserklärung gefordert habe. Es bestehe eine atypische Situation, die eine - nicht erfolgte - Ermessensentscheidung erfordere.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 7. März 2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt dem Klagebegehren in der Sache entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 7. März 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die Voraussetzungen des § 68 AufenthG liegen vor. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift hat sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt einer Ausländerin einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch der Ausländerin beruhen, wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt der Ausländerin zu tragen. Dies hat der Kläger mit schriftlicher Verpflichtungserklärung vom 4. August 2006 getan.

Die Verpflichtungserklärung ist nicht (teil-)unwirksam.

Der Erklärungsinhalt ist nicht unbestimmt (zu dem Formularinhalt ebenso BayVGH, Beschluss vom 12. November 2008 - L 11 B 845/08 AY -, FEVS 60, 427 = juris, Rn. 29). Ihre inhaltliche Reichweite ergibt sich aus der Bezeichnung der Begünstigten und der sich anschließenden Beschreibung des sachlichen Verpflichtungsumfangs. Ob die Erklärung sich auf Kosten einer zwangsweisen Ausreise erstreckt (verneinend OVG Nds., Beschluss vom 5. Juni 2007 - 11 LC 88/06 -, www.rechtsprechung.nie dersachsen.de = juris), kann offen bleiben. Sie sind nicht Gegenstand der Erstattungsforderung. Frau I. hält sich Bundesgebiet auf. Auch die Angabe zur zeitlichen Dauer der Verpflichtung "bis zur Beendigung des Aufenthalts o.g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck" ist hinreichend bestimmt. Soweit der Kläger im Zusammenhang mit der Einwendung einer Unbestimmtheit seiner Erklärung mit seiner Bezugnahme auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts NRW vom 23. September 1998 - 17 A 2160/97 -, InfAuslR 1999, 120 = NWVBl. 1999, 185, geltend machen wollte, dass die Inanspruchnahme aus einer wirksamen, aber auf "unbefristet(e)" Zeit abgegebenen Verpflichtungserklärung ausgeschlossen ist, beruht die damalige Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts auf einer früheren, nicht mehr bestehenden Gesetzeslage. Eine dem damals vom Oberverwaltungsgericht als Maßstab herangezogenen § 14 Abs. 1 Satz 2 AuslG vergleichbare Regelung existiert im Aufenthaltsgesetz nicht (ebenso Hailbronner, Ausländerrecht, A 1 § 68 Rn. 11; Funke-Kaiser, GK-AufenthG, II § 68 Rn. 21). Sie ist insbesondere nicht in § 7 oder § 12 AufenthG übernommen worden.

Die Erwägungen des Klägers zur Unkalkulierbarkeit des Haftungsrisikos, welches mit einer Verpflichtungserklärung eingegangen werde, führen nicht zur Unwirksamkeit der Verpflichtungserklärung (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, InfAuslR 1999, 182 = NVwZ 1999, 779). Sie erfassen im Ergebnis ein Risiko, das der Verpflichtungserklärende aufgrund privatautonomer Entscheidung eingeht und deshalb selbst bestimmen und damit begrenzen kann. Von der Möglichkeit einer (weiteren) Begrenzung des Verpflichtungsumfangs hat der Kläger jedoch aus welchen Gründen auch immer - keinen Gebrauch gemacht. Eine solche Begrenzung des Verpflichtungsumfangs war dem Kläger auch möglich. Der Kläger war berechtigt, seine Verpflichtungserklärung auf den Geltungszeitraum des angestrebten Visums zu beschränken. Die Rechtsordnung überlässt es nämlich der Entscheidung des Einzelnen, nicht nur ob, sondern auch in welchem Umfang er für den Unterhalt einer Ausländerin im Bundesgebiet aufkommen und damit die Voraussetzungen für ihren Aufenthalt schaffen will (BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, a. a. O.). Die Abgabe der Erklärung auf einem Formular der Ausländerbehörde führt nicht zur Unmöglichkeit einer vom Vordruck abweichenden Erklärung. § 68 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erfordert nur Schriftform. Eine dem § 117 Abs. 4 ZPO vergleichbare Anordnung enthält die Vorschrift nicht.

Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (Richtlinie) steht auch für die Dauer eines Asylverfahrens einer Wirksamkeit der Verpflichtungserklärung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten von Asylbewerbern verlangen, dass sie für die Kosten der in der Richtlinie vorgesehenen materiellen Aufnahmebedingungen und der Gesundheitsversorgung gemäß Absatz 3 ganz oder teilweise aufkommen, sofern sie über ausreichende Mittel verfügen, beispielsweise wenn sie über einen angemessenen Zeitraum gearbeitet haben. Die Richtlinie schließt damit nicht einen Rückgriff auf dritte Personen aus. Sie betrifft ausschließlich das Rechtsverhältnis des Mitgliedstaats zu Asylbewerbern. Die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber (Art. 1 der Richtlinie), nicht die Bedingungen für andere Personen sind Gegenstand der Richtlinie. Dementsprechend ist der personale Anwendungsbereich der Richtlinie in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie begrenzt auf Drittstaatsangehörige und Staatenlose, die an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Asyl beantragen, solange sie als Asylbewerber im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen, sowie auf ihre Familienangehörigen, wenn sie nach nationalem Recht von diesem Asylantrag erfasst sind. Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger nicht. Es ist auch nicht sonst ersichtlich, dass das Asyl- oder Asylverfahrensrecht darauf angelegt ist, eine dritte Person im Bundesgebiet von finanziellen Verpflichtungen zu befreien.

Damit kann hier offen bleiben, ob die Erstattungsforderung nicht auch durch Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie europarechtlich gerechtfertigt ist. Danach können die Mitgliedstaaten die Gewährung aller oder bestimmter materieller Aufnahmebedingungen und der Gesundheitsversorgung davon abhängig machen, dass die Asylbewerber nicht über ausreichende Mittel für einen Lebensstandard verfügen, der ihnen Gesundheit und den Lebensunterhalt gewährleistet. Diese Möglichkeit dürfte die Bundesrepublik Deutschland nicht nur mit § 7 AsylbLG, sondern auch mit § 8 AsylbLG und § 68 AufenthG wahrgenommen haben. Frau I. verfügte von Rechts wegen über ausreichende Mittel, nämlich den Leistungsanspruch gegen den Kläger. Im Ergebnis wird durch den Erstattungsanspruch nach § 68 AufenthG der Anspruch der Ausländerin gegenüber dem Verpflichtungserklärenden kraft Gesetzes nur auf den Träger der Sozialleistung übergeleitet, soweit dieser Sozialleistungen gewähren musste, weil der Verpflichtungserklärende seine bestehenden Verpflichtungen nicht unmittelbar gegenüber der Ausländerin erfüllte und die Ausländerin nicht auf einen Rechtsstreit gegen den Verpflichtungserklärenden verwiesen werden konnte. Letztendlich dürfte auch auf dieser Grundlage viel für die Annahme sprechen, dass sich ein Verpflichtungserklärender, der sich der Erfüllung seiner Verpflichtungen rechtswidrig entzieht, sich dann nicht erfolgreich auf für Asylbewerber bestehende europarechtliche Schutzvorschriften berufen kann.

Die in der Verpflichtungserklärung bezeichneten Voraussetzungen für die Erstattungsforderung liegen vor.

Die Beklagte erbrachte für Frau I. Leistungen in Höhe der festgesetzten Erstattungsforderung. Dies wird vom Kläger nicht bestritten und bedarf damit keiner weiteren Erörterungen. Rechtsfehler bei der Gewährung der Leistungen zu Lasten des Klägers sind nicht geltend gemacht oder sonst ersichtlich.

Dass sich der Zweck des Aufenthalts der Frau I. im Bundesgebiet mit der Asylantragstellung änderte, steht der Erstattungsforderung der Beklagten nicht entgegen. Der Kläger hat seine Verpflichtungserklärung zwar wegen des ursprünglichen Aufenthaltszwecks der Frau I. abgegeben, seine Verpflichtung aber nicht auf den Aufenthaltszweck einer Unterstützung seiner damals schwangeren Ehefrau durch seine Schwägerin begrenzt. Ausweislich der schriftlichen Verpflichtungserklärung hat er sich ausdrücklich zur Übernahme der Kosten des Lebensunterhalts der Frau I. von Beginn der Visumgültigkeit "bis zur Beendigung des Aufenthalts o.g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck" verpflichtet. Aus der Gegenüberstellung des Beginns der Verpflichtung mit einer Anknüpfung an das Visum und des Endes der Verpflichtung mit der Anknüpfung an andere Umstände als das Visum ist für einen Laien offensichtlich erkennbar, dass der Zeitraum der Verpflichtung nicht mit dem Geltungszeitraum des angestrebten Visums übereinstimmt. Eine entsprechende Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB begründet keine andere Entscheidung. Ob die Nutzung eines Formulars, also eines vorformulierten Textes des Erklärungsaddressaten eine entsprechende Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB begründet (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. Februar 2006 - 11 S 1857/05 -, www.justizportalbw.de = juris), mag dahinstehen. Entsprechend § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung von dem Erklärenden durch den Erklärungsempfänger gestellten Formularen zu Lasten des Verwenders. Zweifel an der Auslegung des Erklärten zur Dauer der Verpflichtung bestehen aber angesichts des klaren Wortlauts der Erklärung nicht, nach dem die Verpflichtung offenbar über die Dauer des Visums hinausreichen soll. Die Ausländerbehörde konnte auch sonst nicht davon ausgehen, dass der Kläger seiner Verpflichtung eine andere Bedeutung beimaß, zumal er auf die Dauer seiner Haftung hingewiesen wurde. Dass der Kläger auf die Dauer der Verpflichtung hingewiesen wurde, ergibt sich aus dem Text der vom Kläger unterschriebenen Verpflichtungserklärung, die damit insoweit den Beweis des ersten Anscheins begründet. Dass der erteilte Hinweis der Ausländerbehörde vom Formulartext abwich, ist nicht geltend gemacht oder sonst aus den Ausländerakten erkennbar. Soweit der Kläger einen anderen inneren als den erklärten Willen gehabt haben sollte, wäre dies von Gesetzes wegen unbeachtlich (vgl. § 116 BGB).

Der in früherer, vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, a. a. O., obergerichtlichen Rechtsprechung zum vormaligen Ausländergesetz angeführten Annahme, der erkennbare Zweck der Verpflichtungserklärung sei auf den nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (damals: Regelversagungsgrund des § 7 AuslG) erforderlichen Nachweis einer Deckung des Lebensunterhalts für den Aufenthaltstitel selbst beschränkt (vgl. dazu statt aller Hailbronner, Ausländerrecht, A 1 § 68 Rn. 11 ff.), steht der Wortlaut der Verpflichtungserklärung des Klägers zur Dauer der Verpflichtung entgegen, der nur wegen des Beginns der Verpflichtung auf das angestrebte Visum abstellt, wegen des Endes der Verpflichtung aber davon abweichend über die Dauer des Visums hinausreicht.

Der Leistungszeitraum, für den die Beklagte die Erstattung fordert, überschreitet auch nicht den Zeitraum, für den der Kläger sich zur Bestreitung des Lebensunterhalts der Frau I. verpflichtet hat. Der Aufenthalt der Frau I. wurde nicht beendet; sie lebt heute gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrem Kind in I1. . Ein Aufenthaltstitel zu einem anderen Aufenthaltszweck wurde ihr in der Zeit bis zum 31. März 2008 nicht erteilt. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG wurde der Frau I. erst in 2009 erteilt. Die der Frau I. zuvor ausgestellte Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung ist kein Aufenthaltstitel im Sinne der Verpflichtungserklärung des Klägers. Der Inhalt der Erklärung ist nach dem allein maßgeblichen Empfängerhorizont nicht derart auszulegen, dass die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung (§ 63 AsylVfG) ein Aufenthaltstitel ist. Bei Willenserklärungen, die sich - wie hier an Fachleute richten, ist für ihre Auslegung die fachsprachliche Bedeutung maßgebend (BGH, Urteil vom 23. Juni 1994 - VII ZR 163/93 -, juris Rn. 12 = NJW-RR 1994, 1108; ebenso Beschluss vom 19. März 2007 - II Z B 19/06 -, NJW 2007, 3287 = www.juris.bundesgerichtshof.de Rn. 11). Das selbe Auslegungsergebnis ergibt sich aber auch, wenn wegen der Verwendung eines Formulars in entsprechender Anwendung des § 305c Abs. 2 AufenthG Zweifel zu Lasten des Erklärungsempfängers gehen sollten. Von der Annahme, dass die Aufenthaltsgestattung kein Aufenthaltstitel im Sinne der Erklärung ist, musste der Kläger schon deshalb ausgehen, weil er ausweislich der Urkunde erklärte, dass die Verpflichtung auch die Erstattung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz umfasst (VG Freiburg, Urteil vom 19. April 2012 4 K 1626/11 -, www.justizportalbw.de). Dies setzt voraus, dass die Aufenthaltsgestattung kein Aufenthaltstitel ist.

Aus der Gesetzeslage folgt kein Umstand für eine andere Auslegung der Erklärung des Klägers. Auch im Sinne des Aufenthaltsgesetzes ist eine Aufenthaltsgestattung kein Aufenthaltstitel. Aufenthaltstitel in diesem Sinn sind Visum, Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis und Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG (§ 4 Abs. 1 AufenthG). Schließlich ist die Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz kein spezialgesetzlich normierter Aufenthaltstitel. Es mag dahingestellt bleiben, ob eine andere Auslegung schon ausgeschlossen ist, weil § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG eine abschließende Regelung enthält (so VG Freiburg, Urteil vom 19. April 2012 - 4 K 1626/11 -, a. a. O.). Jedenfalls folgt aus § 63 AsylVfG, dass die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung kein Aufenthaltstitel ist. Der Wortlaut des § 63 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG differenziert selbst zwischen der Aufenthaltsgestattung einerseits und dem Aufenthaltstitel andererseits. Nach dieser Vorschrift wird einem Ausländer nach der Asylantragstellung eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung ausgestellt, wenn er nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels ist. Mit dem Unterlassen der Formulierung des Besitzes eines "anderen" Aufenthaltstitels hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Aufenthaltsgestattung selbst kein Aufenthaltstitel sein soll. Bestätigt wird dies durch die Formulierung, dass die Bescheinigung "ausgestellt", nicht aber "erteilt" wird (vgl. dagegen z. B. § 4 Abs. 1 Satz 2, § 5 Abs. 1, §§ 6 ff. AufenthG). Die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung ist allein ein Dokument, mit dem der Ausländer im Sinne eines bloßen Ausweisersatzes seine Identität nachweisen können soll (vgl. § 64 AsylVfG; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, § 63 Rn. 6; Hailbronner, Ausländerrecht, B 2 § 63 Rn. 4 f.). Auch sonst verwendet der Gesetzgeber in dem Asylverfahrensgesetz den Begriff des Aufenthaltstitels im Sinne desjenigen des Aufenthaltsgesetzes (vgl. §§ 14, 14a, 15, 26a, 34, 43, 48, 55, 56, 65 AsylVfG). Dass der Gesetzgeber die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung nicht als Aufenthaltstitel qualifiziert, wird im Übrigen durch die nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes ergangene Rechtsprechung bestätigt, die sämtlich die Frage verneint, dass eine Aufenthaltsgestattung oder ein Asylantrag die Erstattungspflicht beende (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2010 18 B 1702/09 -, www.nrwe.de Rn. 11; BayLSG, Beschluss vom 12. November 2008 - L 11 B 845/08 AY -, FEVS 60, 427; VG Freiburg, Urteil vom 19. April 2012 - 4 K 1626/11 -, a. a. O.; im Ergebnis ebenso VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. Februar 2006 - 11 S 1857/05 , www.justizportalbw.de, Rn. 30 = juris, Rn. 30; VG Oldenburg, Urteil vom 13. Februar 2012 - 11 A 518/11 -, www.rechtsprechung.niedersachsen.de; zu dem Ausnahmefall einer ohne jeden Bezug zu dem Visumverfahren erfolgenden nichtfreiwilligen Einreise VG Minden, Urteil vom 11. November 2002 11 K 1203/02 -, www.nrwe.de, Rn. 2).

Eine vom Kläger geltend gemachte davon abweichende vereinzelt in der Literatur vertretene Rechtsauffassung kann keinen abweichenden Sprachgebrauch begründen. Der Kläger hat schon nicht geltend gemacht, dass der Mitarbeiter der Ausländerbehörde zum Zeitpunkt des Zugangs der Verpflichtungserklärung diese vom Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz AufenthG und des § 63 AsylVfG abweichende Rechtsauffassung auch nur kennen musste oder gar kannte. Dies ist auch nicht sonst ersichtlich. Der Kläger stellt auf eine im Juni 2008 und damit nach Zugang der empfangsbedürftigen Verpflichtungserklärung erfolgte Kommentierung des AsylVf ab.

Die Entscheidung der Beklagten unterliegt keinem Ermessensdefizit. Eine Ermessensentscheidung war nicht zu treffen. Der Verpflichtete ist im Regelfall zur Erstattung heranzuziehen, ohne dass es Ermessenserwägungen bedarf.

Lediglich bei atypischen Gegebenheiten ist im Wege des Ermessens zu entscheiden, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird und welche Zahlungserleichterungen dem Verpflichteten etwa eingeräumt werden. Eine solche atypische Gegebenheit ist nicht festzustellen. Die zu haushalts- und abgabenrechtlichen Billigkeitsvorschriften entwickelten Fallgruppen sachlicher und persönlicher Härte können einen Anhalt dafür bieten, wann ein Ausnahmefall in diesem Sinne vorliegt (BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, a. a. O.). Eine solche Fallgruppe haushalts- oder abgaberechtlicher Billigkeitsvorschriften, die einschlägig sein könnte, ist nicht behauptet oder sonst ersichtlich.

Soweit der Kläger in seiner Erwartung der Rückkehrbereitschaft seiner Schwägerin enttäuscht wurde, handelt es sich angesichts des klaren Wortlauts seiner Verpflichtungserklärung zur Dauer der Verpflichtung um einen bei Abgabe der Erklärung möglicherweise bestehenden, aber rechtlich irrelevanten Motivirrtum. Ist der Motivirrtum von Gesetzes wegen für eine Anfechtung der Erklärung irrelevant, kann er auch eine Bewertung als atypische Situation nicht begründen. Eine abweichende Billigkeitsentscheidung wäre Umgehung der rechtlichen Vorgaben zur Anfechtung.

Dass der Kläger bei ihrer Abgabe über den Inhalt seiner Erklärung, insbesondere über die Dauer der erklärten Verpflichtung im Irrtum war, ist angesichts des Wortlauts der Erklärung nicht ersichtlilch. Im Übrigen wäre wegen eines solchen Irrtums die Erklärung im Rahmen der Frist entsprechend § 121 BGB anzufechten gewesen. Die Versäumung der gesetzlich vorgegeben Frist kann keine atypische Gegegenheit begründen. Im Übrigen begründete dies auch keine sachliche oder persönliche Härte, weil die wirtschaftliche Situation einer Erstattung der Sozialleistungen für den Kläger nach einer Anfechtung der Erklärung nicht besser wäre. Entsprechend § 122 BGB hätte er nämlich in gleicher Höhe Schadensersatz zu leisten.

Die Aufenthaltsgestattung der Frau I. , die kraft Gesetzes, also ohne Erteilung eines "Aufenthaltstitels" bestand, bietet auch keinen Anhalt zu einer atypischen Gegebenheit, die für den Kläger eine sachliche oder persönliche Härte begründet. Unabhängig von dem Umstand, dass die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung kein Aufenthaltstitel beinhaltet, begründet das nach § 55 AufenthG gegebene Recht der Aufenthaltsgestattung kein vergleichbares Aufenthaltsrecht, wie es für das Ende der Leistungspflicht von der Verpflichtungserklärung des Klägers vorausgesetzt wird. Die Unterhaltsverpflichtung aus einer Verpflichtungserklärung endet, wenn sie nicht ausdrücklich befristet ist, nach Maßgabe der Auslegung im Einzelfall mit dem Ende des vorgesehenen Aufenthalts oder dann, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt und dies aufenthaltsrechtlich anerkannt worden ist (BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, a. a. O.). Eine Unterhaltsverpflichtung endet also nicht mit einer aufenthaltsrechtlichen Anerkennung eines neuen Aufenthaltszwecks, wenn die Verpflichtungserklärung eine (andere) ausdrückliche Frist bezeichnet. Gleiches muss für den Fall gelten, wenn die Verpflichtung wie hier - ausdrücklich auflösend bedingt eingegangen ist. In einem solchen Fall liegt keine sachliche oder persönliche Härte vor, weil der Verpflichtungserklärende allein an seiner eigenen Erklärung festgehalten wird, mit der er das Ende seiner Verpflichtung privatautonom bestimmte.

Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie begründet aus den oben angeführten Gründen keine atypische Gegebenheit.

Das geltend gemachte Verhalten des Kreises T. ist ebenfalls kein Umstand, der auf eine atypische Gegebenheit führt. Der Kläger hat schon nicht dargelegt, warum und auf welcher Rechtsgrundlage ein Verhalten des Kreises T. , also eines anderen Rechtsträgers, der Beklagten zugerechnet werden könnte. Im Übrigen erfolgte das Verhalten des Kreises T. , dass der Kläger anführt, nach Abgabe der Verpflichtungserklärung und konnte damit zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung keinen Vertrauenstatbestand schaffen. Warum der Kläger dann durch späteres Verhalten einer dritten Person ein schutzwürdiges Vertrauen entwickeln durfte, ist nicht ersichtlich. Die Vertretung einer (abweichenden) Rechtsauffassung einer dritten Person bietet keinen Anhalt für einen gerechtfertigten Vertrauenstatbestand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers besteht eine grundsätzliche Bedeutung insbesondere nicht wegen der (Nicht-)Qualifizierung der Aufenthaltsgestattung als Aufenthaltstitel. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage erstreckt sich nicht unmittelbar die Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift, sondern die Auslegung einer Willenserklärung, die in Bezug auf §§ 133, 157 BGB keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufwirft, die entscheidungserheblich sind. Ungeachtet dessen ist die Rechtsfrage, ob eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung ein Aufenthaltstitel ist, nicht klärungsbedürftig. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie sich unmittelbar aus dem Wortlaut des Gesetzes - wie hier aus dem Wortlaut des § 4 AufenthG und des § 63 AsylVfG - ergibt.