LAG Köln, Beschluss vom 24.11.2011 - 6 TaBV 67/11
Fundstelle
openJur 2012, 83213
  • Rkr:

Ein offensichtlicher Fehler bei der Angabe des Wochentags für den Wahltermin zur Schwerbehindertenvertretung führt nicht ohne weiteres zur Unwirksamkeit der Wahl.

Tenor

Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 4) und 5) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 17.06.2011

– 1 BV 262/10 – abgeändert:

1. Die Anträge werden zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahlen der Vertrauensperson sowie der stellvertretenden Vertrauensperson zur Schwerbehindertenvertretung des Dezernats beim L R vom 24.11.2010. Von der erneuten Darstellung des Sachverhalts wird entsprechend § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat die Wahlen mit Beschluss vom 17.06.2011 für unwirksam erklärt und zur Begründung ausgeführt, ein wesentlicher Fehler im Wahlverfahren im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG i. V. m. § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX sei bereits darin zu sehen, dass der Wahlvorstand im Wahlausschreiben vom 30.09.2010 den Zeitpunkt für die Wahl nicht zutreffend angegeben habe. Dort sei nämlich vom "Dienstag, dem 24.11.2010" die Rede, während es sich tatsächlich um Mittwoch, den 24.11.2010, gehandelt habe. Dieser Fehler sei auch geeignet gewesen, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Das folge bereits aus dem Umstand, dass nur 36 von insgesamt 84 schwerbehinderten Wahlberechtigten an der Wahl teilgenommen hätten.

Mit ihren Beschwerden machen die Beteiligten zu 4) und 5) geltend, der offensichtliche Schreibfehler im Wahlausschreiben sei nicht erheblich gewesen, zumal alle bis zum 24.11.2010 eingegangenen Stimmen berücksichtigt worden seien. Die geringe Wahlbeteiligung sei allein darauf zurückzuführen, dass Wahlberechtigte gegen die Nichtberücksichtigung des – verspätet eingereichten – Wahlvorschlags zugunsten des Herrn K hätten protestieren wollen.

Die Beteiligten zu 4) und 5) beantragen,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 17.06.2011 – 1 BV 262/10 – die Anträge der Beteiligten zu 1) bis 3) zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 1) bis 3) beantragen,

die Beschwerden der Beteiligten zu 4) und 5) zurückzuweisen.

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss aus Rechtsgründen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Beteiligten auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. 1. Die Beschwerden der Beteiligten zu 4) und 5) sind zulässig, weil sie statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden sind (§§ 66, 87, 89 ArbGG).

2. Die Rechtsmittel haben auch in der Sache Erfolg.

Die Wahlanfechtungsanträge sind unbegründet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sind die Wahlen nicht gemäß § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX i. V. m. § 19 Abs. 1 BetrVG unwirksam, weil nicht gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen wurde und hierdurch das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte.

a. Der Fehler bei der Angabe des Wahltages "Dienstag" statt "Mittwoch" stellt schon keinen Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren dar, der entsprechend § 19 Abs. 1 BetrVG die Anfechtung der Wahl zur Schwerbehindertenvertretung des Dezernats rechtfertigen würde. Zwar muss nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 der Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen (SchbVWO) das Wahlausschreiben "Ort, Tag und Zeit der Stimmabgabe" enthalten. Dieser zwingenden Vorgabe trägt das Wahlausschreiben vom 30.09.2010 aber Rechnung, indem auf Seite 1 auf "Dienstag, den 24.11.2010" hingewiesen wird und auf Seite 3 abschließend vermerkt wird, dass die Wahlumschläge bis zum "24.11.2010, 13:00 Uhr" beim Wahlvorstand in D eingegangen sein müssen. Der offensichtliche Erklärungsfehler hinsichtlich des Wochentages in der Überschrift des Wahlausschreibens ist unbeachtlich, weil die Erklärungsempfänger das wirklich gewollte unschwer erkennen konnten. Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille zur erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Das wirklich gewollte hat den Vorrang vor einer irrtümlichen Falschbezeichnung, "falsa demonstratio non nocet". Dabei ist auf den "Horizont" und die Verständnismöglichkeit des Erklärungsempfängers abzustellen. Er ist nach Treu und Glauben verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 69. Auflage, § 133 Rz. 8, 9 m. w. N.).

Nach Maßgabe dieser allgemeinen Auslegungsgrundsätze kann hier nicht zweifelhaft sein, dass ein verständiger Leser des Wahlausschreibens als Tag der Stimmabgabe den fettgedruckten und mehrfach genannten 24.11.2010 zugrunde legen musste. Die unzutreffende Angabe des Wochentages tritt demgegenüber in den Hintergrund. Sie ändert nichts an der zutreffenden Verlautbarung des 24.11.2010 als Wahltag.

Selbst wenn man anderer Ansicht wäre, so hätte durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden können. Der Überlegung des Arbeitsgerichts und ihm folgend der Antragsteller, bei korrekter Angabe des Wochentags habe zumindest nicht von vorneherein ausgeschlossen werden können, dass Wahlberechtigte, die von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht hätten, dies möglicherweise noch am Mittwoch, dem 24.11.2010, getan hätten, vermag das Beschwerdegericht nicht zu folgen. Am 24.11.2010 konnte ja auf jeden Fall noch gewählt werden, selbst wenn im Einzelfall die Angabe des "Dienstag" missverstanden worden wäre. Ob etwas anderes gelten würde, wenn statt "Dienstag" "Donnerstag", der 24.11.2010, angegeben worden wäre, ist nicht zu entscheiden. Dann wäre es zumindest denkbar gewesen, dass durch die Angabe des falschen Wochentages verspätete Stimmabgaben hätten verursacht werden können.

b. Auch die vom Arbeitsgericht aus seiner Sicht konsequent nicht geprüften weiteren Anfechtungsgründe der Antragsteller greifen nicht durch. So ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Wahlvorstand am 30.07.2010 durch Herrn P als stellvertretende Vertrauensperson bestellt wurde. Der infolge einer außerordentlichen Kündigung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr amtierende Herr K als ursprünglich gewählte Vertrauensperson wurde nämlich von den Herren H , P und E vertreten. Da Herr H am 30.07.2010 arbeitsunfähig erkrankt und nach eigenem Bekunden auch amtsunfähig war, konnte Herr P als damals amtierender Vertreter den Wahlvorstand rechtmäßig bestellen. Die Amtsunfähigkeit ergibt sich mit hinreichender Klarheit aus dem Schreiben von Herrn H vom 28.04.2010 (Kopie Bl. 98 f. d. A.) an den "zweiten stellvertretenden Vertrauensmann" Herrn A P , indem es u. a. heißt, er – H – gehe davon aus, dass er in "absehbarer Zeit wieder im Dienst sein werde und das Amt des ersten Stellvertreters der Schwerbehindertenvertretung wieder wahrnehmen werde." Soweit von dem amtierenden Stellvertreter Herrn P in demselben Schreiben verlangt wird, "alle Beteiligungsmaßnahmen" mit ihm – H – als ersten stellvertretenden Vertrauensmann vorher abzustimmen, ist dies rechtlich nicht erforderlich gewesen, weil es sich bei der Schwerbehindertenvertretung, anders als beim Betriebsrat, nicht um ein Kollegialorgan handelt (vgl. BAG vom 29.07.2009 – 7 ABR 91/07, juris m. w. N.).

c. Ferner war die Streichung von Frau Z aus der Wählerliste rechtmäßig, weil sie dem Betrieb ab dem 01.11.2010 nach Beginn der Freistellungsphase in der Altersteilzeit nicht mehr angehörte. Schwerbehinderte Arbeitnehmer, die sich zum Zeitpunkt der Wahl in der Freistellungsphase befinden, sind nicht mehr wahlberechtigt (vgl. BAG vom 16.11.2005 – 7 ABR 9/05, juris).

d. Schließlich sind auch die Wahlvorschläge bezüglicher der Herren K und H , die verspätet beim Wahlvorstand eingingen, zu Recht nicht berücksichtigt worden. Nach § 6 Abs. 1 SchbVWO können die Wahlberechtigten innerhalb von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens schriftliche Vorschläge beim Wahlvorstand einreichen. Diese Frist endete hier am 14.10.2011, ohne dass die genannten Wahlvorschläge eingegangen waren. Zwar wurde der Wahlvorschlag K vorab per Email vom 12.10.2011 eingereicht. Diese Übermittlung genügte aber nicht der Formvorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SchbVWO. Wie das Bundesarbeitsgericht im Beschluss vom 20.01.2010 (7 ABR 39/08, juris) ausführlich begründet hat, ergibt sich aus diesen Vorschriften, dass Wahlvorschläge für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung innerhalb der Einreichungsfrist mit der erforderlichen Anzahl von Stützunterschriften im Original beim Wahlvorstand eingehen müssen. Die Einreichung von Telekopien oder von Emails – wie hier – reicht nicht. Es reichte auch nicht, dass der sogenannte Benachrichtigungsschein für das Einschreiben mit Rückschein noch am 14.10.2010 in das Postfach der Beteiligten zu 5) eingelegt wurde. Erst mit der Abholung durch den Wahlvorstand am 15.10.2010 und der erst zu diesem Zeitpunkt möglichen Kenntnisnahme war der Wahlvorschlag zugegangen. Von einer treuwidrigen Verzögerung des Zugangs kann nicht ausgegangen werden, zumal der Vorschlag ohne weiteres auch persönlich noch fristgerecht hätte übergeben werden können.

Entsprechendes gilt auch für den Wahlvorschlag bezüglich Herrn H , der ebenfalls per Email vom 12.10.2010 formunwirksam eingereicht wurde. Im Original ging der per Post versandte Wahlvorschlag erst am 18.10.2010 beim Wahlvorstand ein.

e) Die Durchführung der Wahl ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Der Wahlvorstand hat in zulässiger Weise von der Möglichkeit nach § 11 Abs. 2 SchbVWO Gebrauch gemacht, die schriftliche Stimmabgabe zu beschließen, und hat daher den Wahlberechtigten die in § 11 Abs. 1 SchbVWO bezeichneten Unterlagen unaufgefordert übersandt. Soweit von den Antragstellern vorgetragen wurde, einer der Wahlberechtigten, Herr O , habe nur einen Briefumschlag, aber keinen zweiten für die Stimmabgabe erhalten, bedurfte dieser streitige Vorgang keiner Aufklärung, weil jedenfalls diese eine – nicht abgegebene – Stimme das Wahlergebnis nicht ändern oder beeinflussen konnte.

III. Das Beschwerdeverfahren ist nach § 12 Abs. 5 ArbGG gerichtskostenfrei.

IV. Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, weil die Entscheidung keine grundsätzliche Bedeutung hat, sondern auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 92 a ArbGG verwiesen.

Dr. Kalb Lunken Schneider