Brandenburgisches OLG, Urteil vom 26.06.2012 - 2 U 46/11
Fundstelle
openJur 2012, 69455
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 30. August 2011, Az. 3 O 66/10, wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt den W… (nachfolgend W…) auf Schadensersatz wegen vorgerichtlicher Anwaltskosten aus abgetretenem Recht in Anspruch. Zuvor hatte der Beklagte im Widerspruchsverfahren jeweils Bescheide gegen drei Mandanten des Klägers aufgehoben.

1. Fall (Herr R…):

Der Beklagte erließ unter dem 25. Juli 2005 gegen Herrn R… R… einen Abwasserbescheid über 16.307,64 € (Bl. 9 d. A.). Unter dem 11. August 2005 beauftragte Herr R… den Kläger mit der Wahrnahme seiner Interessen. Dieser legte unter dem 22. August 2005 für seinen Mandanten Widerspruch (Bl. 12 f. d. A.) ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, da nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 VwGO der Widerspruch selbst keine aufschiebende Wirkung entfaltete. Unter Hinweis auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 14. Mai 2009, in der das Gericht die dem Bescheid zu Grunde liegende Satzung für nichtig erklärt hatte, erließ der Beklagte unter dem 13. Oktober 2009 einen Aufhebungsbescheid (Bl. 14 d. A.). Mit Schreiben vom 19. Oktober 2009 verlangte der Kläger die Erstattung anwaltlicher Kosten aus dem Vorverfahren in Höhe von 2.042,99 € (Bl. 15 d. A.). Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 23. Oktober 2009 (Bl. 17 d. A.) ab. Ein Hinweis auf die Regelungen des StHG fand sich in der wechselseitigen Korrespondenz nicht. Mit Vereinbarung vom 28. Oktober 2009 (Bl. 11 d. A.) trat Herr R… den Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten in Höhe von 2.042,99 € an den Kläger ab.

2. Fall (Herr H)

Ähnlich wie im Fall 1 erließ der Beklagte unter dem 25. Juli 2005 gegen Herrn P… H… einen Abwasserbescheid über 4.709,84 € (Bl. 57 f. d. A.). Unter dem 28. Juli 2005 beauftragte Herr H… den Kläger mit der Wahrnahme seiner Interessen (Bl. 56 d. A.). Dieser legte mit Schreiben vom 18. August 2005 für seinen Mandanten Widerspruch gegen den Bescheid ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (Bl. 60 d. A.). Auch hier erließ der Beklagte unter Hinweis auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 14. Mai 2009, in der das Gericht die dem Bescheid zu Grunde liegende Satzung für nichtig erklärt hatte, unter dem 13. Oktober 2009 einen Aufhebungsbescheid (Bl. 63 f. d. A.). Mit Schreiben vom 19. Oktober 2009 verlangte der Kläger die Erstattung anwaltlicher Kosten aus dem Vorverfahren in Höhe von 1.026,73 € (Bl. 65 d. A.). Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 23. Oktober 2009 (Bl. 66 f. d. A.) ab. Ein Hinweis auf die Regelungen des StHG fand sich auch hier in der wechselseitigen Korrespondenz nicht. Mit Vereinbarung vom 17. November 2009 (Bl. 59 d. A.) trat Herr H… den Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten in Höhe von 1.026,73 € an den Kläger ab.

3. Fall (Herr N…)

Der Beklagte erließ unter dem 26. Februar 2009 gegen Herrn E… N… einen Abwasserbescheid über 1.672,00 € (Bl. 111 f. d. A.). Unter dem 7. März 2009 beauftragte Herr N… den Kläger mit der Wahrnahme seiner Interessen (Bl. 110 d. A.). Dieser legte mit Schreiben vom 18. März 2009 für seinen Mandanten „Einspruch“ gegen den Bescheid ein (Bl. 114 f. d. A). Der Mandant habe das streitgegenständliche Wohnhaus erst im März 2009 und damit nach der Abrechnungsperiode bezogen. Die Höhe des Verbrauchs sei nicht nachvollziehbar. Offenbar sei die Wasseruhr zugefroren gewesen. Mit weiterem Schreiben vom 18. Juni 2009 (Bl. 116 f. d. A.) beantragte der Kläger für seinen Mandanten ergänzend die Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO. Der Beklagte hob mit Bescheid vom 28. Juli 2009 (Bl. 187 d. A.) den Ausgangsbescheid auf und erließ am selben Tag einen neuen Bescheid über 854,40 € (Bl. 118 d. A.). Auch gegen diesen Bescheid legte Herr N… mit anwaltlichem Schreiben vom 5. August 2009 (Bl. 120 d. A.) Widerspruch ein. Der Zähler sei bereits bei Übernahme des Grundstücks im Oktober 2008 zerstört gewesen. Er verlangte die Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 837,52 €. Dies wies der Beklagte mit Schreiben vom 23. September 2009 zurück (Bl. 124 d. A.). In dem anwaltlichen Schreiben vom 13. Oktober 2009 hielt Herr N… an der Zahlungsverpflichtung fest und verlangte nunmehr 1.776,43 €, was der Beklagte letztlich mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 127 d. A.) verweigerte. Ein Hinweis auf die Regelungen des StHG fand sich auch hier nicht. Mit Vereinbarung vom 13. Oktober 2009 (Bl. 113 d. A.) trat Herr N… den Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten in Höhe von 1.776,43 € an den Kläger ab.

Im Verlaufe des Prozesses hat der Kläger die Verweisung der drei Verfahren von dem Amtsgericht Bad Liebenwerda an das Landgericht Cottbus beantragt. Überdies hat er die Klage in Höhe von Teilbeträgen von 120,43 € (Bl. 23 d. A.) und weiteren 101,39 € (Bl. 164 d. A.) zurückgenommen.

Das Amtsgericht Bad Liebenwerda hat die Rechtsstreite an das Landgericht Cottbus verwiesen, das sodann die drei Verfahren miteinander verbunden hat. Mit Beschluss vom 26. April 2011 (Bl. 291 ff. d. A.) hat das Landgericht Cottbus den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt.

Der Kläger hat sich auf einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen der Amts- und Staatshaftung berufen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.922,56 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshänigigkeit, spätestens jedoch 3. November 2009 zu zahlen,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.026,73 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 3. November 2009 zu zahlen,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.675,04 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28. Oktober 2009 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, der Rechtsweg zu den Zivilgerichten sei nicht eröffnet. Eine Pflichtverletzung des Beklagten liege nicht vor. Vielmehr habe er in den Fällen R… und H… seine Bescheide lediglich der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Cottbus angepasst, die im Verlaufe des Widerspruchverfahrens ergangen sei. Und auch im Fall N… sei ihm eine Pflichtverletzung bei der Ermittlung des Sachverhalts nicht vorzuwerfen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Dem Kläger stünde aus abgetretenem Recht ein Anspruch aus § 1 Bbg StHG zu. Der Beklagte habe mit den drei rechtswidrigen Bescheiden seine Amtspflicht verletzt und müsse daher verschuldensunabhängig für den Vermögensschaden aufkommen. Das Landgericht beruft sich insoweit auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 19. Januar 2006, Az. III ZR 82/05; zitiert nach juris) und des 1. Senats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (Urteil vom 23. März 2009, Az. 1 U 28/08). Das Verwaltungsverfahren nach § 5 StHG sei durchlaufen worden, in dem der Kläger zur Zahlung aufgefordert und der Beklagte dies verweigert habe. Dass sich der Beklagte nicht an die Förmlichkeiten des § 5 Abs. 4 StHG gehalten habe, könne nicht dem Kläger zur Last fallen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil vom 30. August 2011 Bezug genommen.

Gegen das ihm am 12. September 2011 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung vom 11. Oktober 2011, die am selben Tag bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen ist. Er verfolgt die Klageabweisung in vollem Umfang weiter. Er ist der Ansicht, vorliegend sei ein Anspruch aus § 1 StHG nicht gegeben. Indem § 2 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG Brbg die Anwendbarkeit des LVwVfG Brbg und damit § 80 LVwVfG Brbg in Angelegenheiten nach der Abgabenordnung einerseits ausschließe und andererseits in der Abgabenordnung Regelungen fehlten, die wie § 80 Abs. 2 LVwVfG Brbg eine Kostenerstattung vorsähen, fehle eine Rechtsgrundlage für die begehrte Erstattung. Diese gesetzgeberische Wertung dürfe durch den Rekurs auf § 1 StHG nicht umgangen werden. Dem stehe auch nicht die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 19. Januar 2006, Az. III ZR 82/05; zitiert nach juris) entgegen. Diese sei zum Landesverwaltungsgesetz des Landes Thüringen ergangen. § 2 Abs. 2 Ziff. 1 2. Hs LVwVfG Thüringen sehe die Erstattung von Rechtsanwaltskosten im Vorverfahren vor und stehe insoweit im Gegensatz zu § 2 Abs. 2 Ziff. 1 LVwVfG Brandenburg. Des Weiteren habe sich im Fall des Bundesgerichtshofes die Beklagtenseite zunächst geweigert, dem Widerspruch abzuhelfen. Hier sei der Beklagte den Widersprüchen dagegen gefolgt. Im Übrigen sei der Anspruch verjährt nach § 4 Abs. 1 StHG. Insbesondere sei die Verjährung nicht durch die Zahlungsverlangen des Klägers nach § 4 Abs. 3 StHG unterbrochen. Dies setze voraus, dass darin jeweils Anträge im Sinne von § 5 Abs. 1 StHG zu sehen seien. Ohne die Anforderungen an solche Anträge unter Rücksicht auf die Bürgerfreundlichkeit überziehen zu wollen, genügten die Aufforderungsschreiben den Voraussetzungen nicht. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass es sich bei § 1 StHG um einen Sonderschadensersatzanspruch handle, der daher restriktiv zu handhaben sei. Schließlich sei das Überprüfungsverfahren nach § 5 StHG nicht durchlaufen worden. Der Beklagte habe die Zahlungsaufforderungen des Klägers nicht als Anträge nach dem StHG verstanden und verstehen können und daher auch die in § 5 Abs. 3 und 4 StHG vorgesehene Prüfung nicht vorgenommen, insbesondere keinen abschlägigen Bescheid mit Rechtsmittelbelehrung erlassen und dem Antragsteller zugestellt.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgericht Cottbus zum Az. 3 O 66/10 vom 30. August 2011 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält an seinen erstinstanzlich geäußerten Ansichten fest. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass dem Kläger aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Schadensersatz in der tenorierten Höhe zukommt.

Die Klage ist zulässig. Wie das Landgericht in seinem Beschluss vom 27. Mai 2011 (Bl. 291 ff. d. A.) festgestellt hat, ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, da nach § 6 a Satz 1 StHG natürlichen und juristischen Personen gegen die Entscheidung der Behörde über Schadensersatzansprüche nach § 5 StHG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist. Das Staatshaftungsgesetz gilt in Brandenburg als Landesrecht fort.

Der Beklagte kann der Zulässigkeit auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Kläger habe das Antragsverfahren nach § 5 StHG nicht durchlaufen. Das Antragsverfahren ist Sachurteilsvoraussetzung. Wurde es nicht durchgeführt, ist die auf einen Anspruch nach § 1 StHG gestützte Klage unzulässig (Herbst/Lühmann, StHG, § 5 Abs. 1 Rdnr. 22 und § 6 a Rdnr. 17). § 6 StHG, wonach einer gerichtlichen Geltendmachung zusätzlich zum Antrags- noch ein Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnungsentscheidung der Behörde vorausgehen musste, ist in Brandenburg durch Art. 2 Abs. 4 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung der ordentlichen Gerichtsbarkeit und zur Ausführung des GVG im Land Brandenburg vom 14.06.1993 (GVBl. Brb. I, 1993, 198) aufgehoben worden.

Vorliegend ist das Antragsverfahren entgegen der Ansicht des Beklagten durchgeführt worden: Für den Antrag existieren weder formelle noch inhaltliche Anforderungen (Herbst/ Lühmann, StHG, § 5 Abs. 1 Rdnr. 12 ff.). Von dem Antragsteller wird man lediglich verlangen können, dass er Angaben zu Antragsteller (Name, Anschrift ggf. weiteres), sein Begehren und ein Mindestmaß an Begründung einhält, soweit dies zur Klärung der Frage, in welcher Sache eine Entscheidung begehrt wird, unerlässlich ist (Herbst/Lühmann, StHG, § 5 Abs. 1 Rdnr. 14). Hier hat der Kläger in seinen Zahlungsaufforderungsschreiben in den Fällen 1 und 2 (R… und H…) zwar lediglich darauf verwiesen (Bl. 15 und 64 d. A.), dass der Beklagte nach Aufhebung der Bescheide verpflichtet sei, den Schaden, der den Zedenten durch die anwaltliche Inanspruchnahme entstanden sei, zu ersetzen („Es geht hier um Zivilrecht, so dass der Anspruch auch gegenüber dem Amtsgericht Bad Liebenwerda durchgesetzt werden kann… Gem. §§ 280 Abs.1 und 2, 286 BGB haben Sie eine Forderung geltend gemacht, die durch mein Tun aufgehoben worden ist “.) Im Fall 3 (N…) heißt es in dem „Einspruchs“-Schreiben vom 11. März 2009: „… Der Bescheid ist falsch. Mein Mandant kann diejenigen Gebühren ersetzt verlangen, die er selbst seinem Anwalt schuldet. Dazu gehört die Geschäftsgebühr nach RVG VV Nr. 2400…“. Auch in den Klageschriften ist zwar lediglich von einer Erstattung „gemäß § 280 Abs. 1, Abs. 2, § 286 i. V. m. § 249 BGB“ (Bl. 3 und 51 sowie 98 d. A.) die Rede. Dass hier ein Anspruch nach dem StHG in Betracht kommt, hat ausweislich der Verfahrensakte erstmals das Landgericht in seinem Hinweisbeschluss vom 7. September 2010 (Bl. 223 d. A.) erwähnt. Der Beklagte hatte - wie er zutreffend einwendet - bis dahin erkennbar keine Ansprüche nach § 1 StHG geprüft und insoweit auch keinen mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid erlassen. Auch der Kläger hatte, obwohl selbst Rechtsanwalt, die Klagen bei dem unzuständigen Gericht, dem Amtsgericht Bad Liebenwerda, erhoben.

Dennoch reichen letztlich die Hinweise in den Zahlungsaufforderungen auf einen zivilrechtlichen Anspruch - in Abgrenzung zu einer etwaigen Erstattung nach den Vorschriften des Landesverwaltungsgesetzes - aus, um hier anzunehmen, die Zedenten hätten jeweils einen Antrag nach § 5 Abs. 1 StHG gestellt. So haben die Zedenten in den anwaltlichen Aufforderungsschreiben vom 13. und 19. Oktober 2009 Angaben zu sich als Antragsteller gemacht, haben ihr Begehren genannt und ihren zivilrechtlichen Anspruch unter Hinweis auf die Aufhebung der Ausgangsbescheide und die Kosten durch die Beauftragung des Klägers auch hinreichend begründet. Mit den Antwortschreiben des Beklagten vom 23. September 2009 und 13. sowie 19. Oktober 2009, in denen er die Erstattung verweigert hat, gilt das Antragsverfahren nach § 5 StHG mithin als durchgeführt.

Die Klage ist auch begründet.

Der Kläger ist aktivlegitimiert. Er hat sich die Ansprüche seiner Mandanten R…, H… und N… auf Schadensersatz jeweils wirksam abtreten lassen nach § 398 Satz 1 BGB und ist damit nach § 398 Satz 2 BGB Inhaber der Forderungen geworden.

Dem Kläger stehen gegen den Beklagten jeweils Forderungen nach § 1 Abs. 1 StHG auf Schadensersatz zu.

1. Der Beklagte hat seine Amtspflicht zu rechtmäßigem Handeln, die aus der Bindung der vollziehenden Gewalt an Recht und Gesetz gem. Art. 20 Abs. 3 GG folgt, gegenüber den Zedenten verletzt. Ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist, beantwortet sich allein danach, ob die getroffene Regelung sachlich richtig ist und mit der objektiven Rechtslage übereinstimmt oder ob sie sich als sachlich unzutreffend darstellt und gegen die Rechtslage verstößt (BGH, Urteil vom 19. Januar 2006, Az. III ZR 82/05; zitiert nach juris). Die rechtswidrige staatliche Tätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 StHG ist in den Fällen 1 bis 3 jeweils in dem Erlass rechtswidriger Abgabenbescheide zu sehen. Dass die Bescheide rechtswidrig waren, ergibt sich bereits aus deren späterer Aufhebung. Insoweit greift der Beklagte das Urteil des Landgerichts auch nicht mehr an.

Soweit der Beklagte erstinstanzlich eingewandt hat, im Fall 3 habe Herr N… erst nach Erlass des angegriffenen Bescheides den Sachverhalt um solche entscheidungserhebliche Angaben ergänzt, von denen der Beklagte zuvor keine Kenntnis gehabt habe, dringt er nicht durch. Maßgeblich ist - wie eingangs dargelegt - nicht die Kenntnis der Behörde, sondern die objektive Rechtslage. Die Behörde mag der Gefahr einer späteren Aufhebung etwa dadurch vorbeugen, in dem sie den Betroffenen zunächst anhört, bevor sie einen sofort vollziehbaren Bescheid erlässt.

2. Der Beklagte wendet im Berufungsverfahren ein, die hier geltend gemachten Schadenspositionen, nämlich die im Widerspruchsverfahren angefallenen Rechtsanwaltskosten, seien nicht ersatzfähig, da sie nicht in den Schutzbereich der verletzten Rechtsnorm fielen.

Dem ist nicht zu folgen: In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass Vorverfahrenskosten, insbesondere für die Zuziehung eines Rechtsanwalts, die nicht im erfolgreichen Vorverfahren erstattet werden, Gegenstand eines bürgerlich-rechtlichen Schadensersatzanspruchs aus Amtspflichtverletzung sein können. In gleicher Weise können derartige Kosten zu dem nach § 1 Abs. 1 StHG ersatzfähigen Vermögensschaden gehören (BGH, a. a. O., Rdnr. 14; zitiert nach juris). Allerdings gilt auch im Anwendungsbereich des Staatshaftungsgesetzes der Grundsatz, dass nur solche Schadensersatzpositionen ersatzfähig sind, die in den Schutzbereich der verletzten Rechtsnorm fallen. Der haftungsbegrenzende Grundgedanke, dass der Bürger keinen mit der Sanktion des Schadensersatzes bewehrten allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch gegen die öffentliche Hand hat, trifft in gleicher Weise auf das Staatshaftungsgesetz zu. Greift der Bürger einen ihn belastenden rechtswidrigen Verwaltungsakt an, so werden die hierdurch adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten in jedem Falle vom Schutzzweck der verletzten Pflicht zu rechtmäßigem Verwaltungshandeln umfasst (zum Ganzen BGH, a. a. O., Rdnr. 15 f.).

Soweit der Beklagte im Berufungsverfahren vorträgt, anders als in der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes habe hier der Beklagte an seinem Widerspruch nicht festgehalten, sondern diesen ohne weiteres aufgehoben, ändert dies an seiner Ersatzpflicht nichts.

Gleiches gilt für den Einwand, entgegen der Rechtslage in Thüringen, zu der das Urteil des Bundesgerichtshofes ergangen sei, schließe die Norm des § 80 LVwVfG i. V. m. § 2 Abs. 2 Ziff. 1 LVwVfG in Brandenburg eine Kostenerstattung im Vorverfahren aus, sofern die Abgabenordung - wie hier - zur Anwendung gelange. Der Bundesgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung (BGH, a. a. O., Rdnr. 16) klargestellt, dass die Ersatzpflicht unabhängig von der Art des Rechtsfehlers, auf dem die Rechtswidrigkeit beruht, gilt. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Kosten nach den jeweiligen Verfahrensvorschriften (dort: § 80 Abs. 2 LVwVfG Thüringen) erstattungsfähig gewesen wären. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Geschädigte mit diesen Kosten durch die Ausübung staatlicher Tätigkeit rechtswidrig belastet worden ist (so auch Brandenburgisches OLG, Urteil vom 23. März 2009, Az. 1 U 28/08). Mithin ist der geltend gemachte Schaden hier vom Schutzbereich der verletzten Norm umfasst.

3. Ein Verschulden der Behörde ist bei einem Anspruch aus § 1 Abs. 1 StHG im Gegensatz zu einem Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG nicht erforderlich (statt vieler BGH, Urteil vom 19.01.2006, Az. III ZR 82/05, Rdnr. 17; zitiert nach juris).

4. Den Ansprüchen des Klägers lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass nach § 2 StHG natürliche und juristische Personen alle ihnen möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen haben, um einen Schaden zu verhindern oder zu mindern; Verletzen sie diese Pflicht schuldhaft, so wird die Haftung des staatlichen oder kommunalen Organs entsprechend eingeschränkt oder ausgeschlossen. Für die Umstände, die ein derartiges „Mitverschulden“ des Klägers bzw. der Zedenten begründen würden, ist der Beklagte beweisbelastet (Herbst/ Lühmann, StHG, § 2 Rdnr. 9).

In den Fällen 1 (R…) und 2 (H…) ist eine Verletzung der Pflicht zur Abwendung des Schadens von vornherein nicht erkennbar. Die angegriffenen Bescheide waren jeweils sofort vollstreckbar. Sie fußten letztlich auf einer Satzung, die das Verwaltungsgericht Cottbus im Jahr 2009 für nichtig erklärt hat. Insoweit war es nicht zu beanstanden, dass die Zedenten R… und H… ohne weiteres nach Erhalt der Bescheide rechtsanwaltliche Hilfe in Anspruch genommen und damit eine Gebührenfolge ausgelöst haben.

Im Fall 3 (N…) war der Bescheid zwar ebenfalls sofort vollziehbar. Anders als in den anderen Fällen reichte hier jedoch offenbar ein Hinweis zum Sachverhalt aus, um den Bescheid aufheben zu lassen. Rechtliche Beratung etwa zur Nichtigkeit der zu Grunde liegenden Satzung war insoweit womöglich nicht erforderlich. Dennoch kann dem Empfänger eines sofort vollziehbaren Gebührenbescheids auch in dieser Konstellation letztlich nicht verwehrt bleiben, auf anwaltliche Hilfe zurückzugreifen. Der Beklagte hat seinem Bescheid auch nicht etwa eine Anhörung entsprechend § 28 VwVfG vorgeschaltet, um in einem frühen Stadium den Sachverhalt zutreffend aufzuklären. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht durch Herrn N… steht daher dem Klageanspruch nicht entgegen.

5. Die Amtspflichtverletzung des Beklagten, nämlich der Erlass rechtswidriger Bescheide, war für die Beauftragung des Klägers und damit das Entstehen der Kosten auch ursächlich.

6. Dem Kläger kommt auch keine andere Ersatzmöglichkeit zu. Nach § 3 Abs. 3 StHG besteht ein Schadensersatzanspruch insoweit nicht, als ein Ersatz des Schadens auf andere Weise erlangt werden kann. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit ist vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

7. Auch die von dem Landgericht festgestellte Schadenshöhe ist nicht zu beanstanden. Nach § 3 Abs.1 StHG ist der Schadensersatz in Geld zu leisten. Nach § 3 Abs. 2 StHG bestimmt sich der Umfang des Schadensersatzes nach den zivilrechtlichen Vorschriften, soweit in Gesetzen und anderen Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt ist.

Vorliegend hat der Kläger Kosten für die Rechtsverfolgung berechnet nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geltend gemacht. Der Beklagte kann dem nicht entgegenhalten, dass dem Kläger lediglich eine Regelgebühr in Höhe von 1,3 statt der geltend gemachten 1,5 zugestanden habe. So steht dem Rechtsanwalt bei Rahmengebühren im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG, zu denen die Geschäftsgebühr im Sinne der Nr. 2300 VV RVG zählt, ein Spielraum, sogenannte Toleranzgrenze, von 20 % zu (statt vieler BGH, Urteil vom 8. Mai 2012, Az. VI ZR 273/11; zitiert nach juris).

8. Die Ansprüche des Klägers sind auch nicht verjährt. Der Beklagte beruft sich in der Berufungsinstanz erstmals auf Verjährung. Zwar ist er mit diesem Einwand nicht von vornherein nach § 531 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen (vgl. hierzu statt vieler Zöller-Heßler, ZPO, 29. Auflage, 2012, § 531 Rdnr. 20 und 21 m. w. N.).

Hier liegt eine Verjährung jedoch nicht vor. Nach § 4 Abs. 1 StHG verjährt der Schadensersatzanspruch innerhalb eines Jahres. Die Verjährungsfrist beginnt nach § 4 Abs. 2 StHG mit dem Tage, an dem der Geschädigte von dem Schaden und davon Kenntnis erlangt, dass der Schaden von einem Mitarbeiter oder Beauftragten eines staatlichen Organs oder einer staatlichen Einrichtung verursacht wurde. Zur Berechnung der Frist finden die §§ 187 bis 193 BGB Anwendung (Herbst/Lühmann, StHG, § 4 Abs. 2 Rdnr. 13). Nach § 4 Abs. 3 StHG wird die Verjährung durch die Stellung des Antrags auf Schadensersatz unterbrochen.

Vorliegend hatten die Zedenten jeweils mit der Rechnungslegung durch den Kläger am 19. Oktober 2009 (Bl. 16 d. A., im Fall R…, und Bl. 65 d. A., im Fall H…) sowie vom 18. März 2009 (Bl. 114 d. A., im Fall N…) Kenntnis von dem Schaden. Unter denselben Daten hatte der jetzige Kläger den Schadensausgleich jeweils gegenüber dem Beklagten geltend gemacht und damit die Verjährung unterbrochen nach § 4 Abs. 3 StHG. Dass der Antrag nicht ausdrücklich § 1 StHG erwähnte, steht der Verjährung ebenso wenig entgegen wie oben der Zulässigkeit der Klage.

In den Fällen 1 (R…) und 2 (H…) begann die Verjährung auch nicht bereits mit dem Widerspruch am 22. August 2005 (Bl. 12 d. A., im Fall R…) und 18. August 2005 (Bl. 60 d. A., im Fall H…). Zwar hatte der Kläger als Rechtsanwalt bereits damit seine Gebühren dem Grunde nach verdient. Auch kommt es für den Lauf der Verjährung eines Vergütungsanspruchs nach § 10 Abs. 1 Satz 2 RVG nicht auf die Mitteilung der Berechnung an. Der Anspruch wurde jedoch nach § 8 Abs. 1 RVG erst fällig, nachdem der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet war, somit mit Aufhebung der Bescheide. Vor Zugang der Gebührenforderung hatten die Zedenten überdies auch noch keine Kenntnis von dem einzelnen Schaden.

9. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB und wird von dem Beklagten nicht mehr angegriffen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung durch das Revisionsgericht, denn die zu Grunde liegenden Rechtsfragen sind seit Langem geklärt. Die Entscheidung beruht im Wesentlichen auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls.

IV.

Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 4.624,33 € (§§ 47, 48 GKG).