OLG Köln, Urteil vom 22.07.2011 - 6 U 208/10
Fundstelle
openJur 2012, 81028
  • Rkr:
Tenor

1.) Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 24.11.2010 teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen zu 1) bis 4) zu gleichen Teilen insgesamt 2.841 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.2.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits verteilen sich wie folgt:

Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Klägerinnen jeweils 13 % und der Beklagte 48 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerinnen zu jeweils 5 % und der Beklagte zu 80 %.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4.) Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Wegen des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit der Berufung, mit der der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt, vertieft und ergänzt er sein erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere behauptet er, es sei in der Familie über die Rechtswidrigkeit der Nutzung von Tauschbörsen gesprochen und deutlich gemacht worden, dass die illegale Nutzung von Tauschbörsen unterbleiben müsse. Die Klägerinnen verteidigen das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung hat nur in geringem Umfang Erfolg. Den Klägerinnen steht ein Anspruch auf Ersatz der streitgegenständlichen Abmahnkosten in Höhe von 2.841 € aus §§ 683, 670 BGB nebst Rechtshängigkeitszinsen zu.

1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Klägerinnen als aktivlegitimiert angesehen. Es ist unstreitig und dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt, dass die Klägerinnen zu den führenden deutschen Tonträgerherstellerinnen zählen und jeweils Inhaber von zahlreichen Leistungsschutz- und Urheberrechten an verschiedenen Musikstücken sind. Zudem sind die Klägerinnen, was ebenfalls unstreitig ist, in der  „PhonoNet Datenbank“ als Lieferanten von 200 der verfahrensgegenständlichen Titel ausgewiesen sind. Die Behauptung, Tonträgerhersteller seien in dieser Datenbank nicht als „Lieferanten“, sondern als „Label“ aufgeführt, hat der Beklagte, nachdem die Klägerinnen hierauf erwidert haben, „Label“ seien unselbständige Abteilungen der Klägerinnen, nicht weiter substantiiert. Auch in der Berufungsbegründung hat der Beklagte seinen Vortrag, die Klägerinnen hätten ihre Rechtsinhaberschaft nicht unzureichend dargelegt, nicht vertieft. Zudem haben die Klägerinnen zweitinstanzlich dargelegt (was der Beklagte zwar als verspätet gerügt, inhaltlich aber nicht bestritten hat), auf Vervielfältigungsstücken der Titel, nämlich in den sog. ID-Tags, als Rechteinhaber ausgewiesen zu sein. Dem steht nicht das Urteil des Bundesgerichtshofs GRUR 2003, 228 - P-Vermerk entgegen. Der Bundesgerichtshof hat in der genannten Entscheidung lediglich dargelegt, dass aus dem P-Vermerk nicht auf die Stellung als Tonträgerhersteller geschlossen werden kann. Der Bundesgerichtshof hat aber nicht in Abrede gestellt, dass der P-Vermerk, „dafür spricht, dass das genannte Unternehmen ausschließliche Rechte besitzt“, etwa ein „möglicherweise auf das Gebiet eines einzelnen Staates beschränktes Recht eines Lizenznehmers“ (BGH, aaO. S. 231). Ähnlich verhält es sich mit dem ID-Tag. Dieser begründet zwar keine § 10 Abs. 3 UrhG entsprechende Vermutung. Ein starkes Indiz für die Rechtsinhaberschaft ist er aber gleichwohl. Damit haben die Klägerinnen, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, hinreichende Indizien vorgetragen, aus denen auf ihre Rechtsinhaberschaft geschlossen werden kann. Dagegen hat der Beklagte keine näheren Anhaltspunkte dargelegt, die Zweifel an der Feststellung des Landgerichts, die Klägerinnen seien aktivlegitimiert, begründen würden.

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten besteht ein Beweisverwertungsverbot nicht (vgl. BGH, GRUR 2010, 633 Tz. 28 ff. - Sommer unseres Lebens). Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch nicht aus dem Beschluss des Senats vom 5.10.2010 - 6 W 82/10, GRUR-RR 2011, 88.

3. Zu Recht hat das Landgericht eine Haftung des Beklagten als Störer angenommen. Als Störer haftet, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt (BGH, GRUR 2010, 633 Tz. 19 - Sommer unseres Lebens mwN.). Diese Voraussetzungen hat der Beklagte bereits dadurch erfüllt, dass er einen Internetanschluss eingerichtet hat. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers allerdings zusätzlich die Verletzung von Prüfpflichten voraus, deren Umfang sich danach bestimmt, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, ebd.). Dazu gehört es jedenfalls, dass der Inhaber eines Internetanschlusses, der diesen einem Dritten zur eigenverantwortlichen Nutzung überlässt, jenem die Teilnahme an sog. Tauschbörsen untersagt bzw. darüber aufklärt, dass diese verboten ist (Senat, Beschluss vom 9.9.2010 - 6 W 114/10, 115/10). Hiergegen hat der Beklagte verstoßen. Der Beklagte hat zwar vorgetragen, man habe in der Familie über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Tauschbörsen gesprochen und deutlich gemacht, dass die illegale Nutzung von Tauschbörsen unterbleiben müsse. Der Beklagte hat jedoch für diesen, von den Klägerinnen bestrittenen Vortrag keinen Beweis angeboten. Dies geht zu Lasten des insoweit beweisbelasteten Beklagten. Zudem wäre dieser zweitinstanzliche Vortrag verspätet und daher unbeachtlich, weil nichts dafür vorgetragen und auch sonst nichts ersichtlich ist, dass dieser Vortrag dem Beklagten nicht bereits in erster Instanz möglich gewesen wäre (§ 531 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).

4. Die Abmahnung war auch im Übrigen begründet.

a) Entgegen der Auffassung des Beklagten haben die Klägerinnen in der Abmahnung ihre Rechtsinhaberschaft hinreichend dargelegt. Die Klägerinnen haben ihre Rechtsinhaberschaft an den vom Internetanschluss des Beklagten aus angebotenen Musiktiteln behauptet, so dass der Beklagte in der Lage war, die von den Klägerinnen geforderte Unterlassungserklärung abzugeben. Soweit er eine weitere Konkretisierung hinsichtlich der Darlegung der Rechtsinhaberschaft für erforderlich gehalten hätte, hätte er auf die Abmahnung hin entsprechend nachfragen können. Dies hat er jedoch nicht getan, sondern die Klägerinnen klaglos gestellt, indem er eine Unterlassungserklärung abgegeben hat. Damit hat aber die Abmahnung ihren Zweck erfüllt, dem Beklagten den Weg zu weisen, zur Vermeidung weiterer Kosten die Klägerinnen ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (vgl. BGH GRUR 2009, 502 Tz. 11 - pcb; GRUR 2010, 354 Tz. 8 - Kräutertee). Die Abmahnung entsprach daher - wie sein Verhalten belegt -auch mit diesem Inhalt dem objektiven Interesse des Beklagten im Sinne des § 683 Satz 1 BGB. Seine Bedenken im Hinblick auf die Rechtsinhaberschaft hat er dagegen erst in diesem Verfahren geltend gemacht. 

b) Dem Anspruch der Klägerinnen steht es auch nicht entgegen, dass diese in der Abmahnung allein auf eine Haftung des Beklagten als Täter abgestellt haben. Soweit der Beklagten deswegen Bedenken gehabt hätte, hätte es ihm oblegen, auf die Abmahnung zu antworten und darzulegen, warum er sich trotz des aus der Sicht der Klägerinnen gegen ihn sprechenden Sachverhalts nicht für verpflichtet hielt, eine Unterwerfungserklärung mit dem von den Klägerinnen geforderten Inhalt abzugeben. Hätte er dies nicht getan, hätte den Klägerinnen ein Schadensersatzanspruch zugestanden, der insbesondere die durch die unterlassene Antwort verursachten Rechtsverfolgungskosten umfasst hätte (vgl. BGH GRUR 1990, 381, 382 - Antwortpflicht des Abgemahnten; vgl. auch Senat, BeckRS 2011, 14571). Diesen Weg hat der Beklagte aber nicht gewählt, sondern die von den Klägerinnen geforderte Unterlassungserklärung abgegeben. Damit hat der Beklagte die Klägerinnen, wie es dem Zweck der Abmahnung und seinem objektiven Interesse entspricht, ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos gestellt. Die Ausführungen oben unter 4 a) gelten insofern entsprechend.

5. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die geltend gemachten Gebühren entstanden sind. Unerheblich ist insofern der (allerdings substantiierte) Vortrag des Beklagten, die Klägerinnen hätten mit ihren Prozessbevollmächtigten Erfolgshonorare vereinbart, ohne dass die Voraussetzungen des § 4a RVG erfüllt wären, namentlich das Erfordernis einer Vereinbarung für den Einzelfall. Denn die Unwirksamkeit einer derartigen Vereinbarung führt nicht dazu, dass der Mandant seinem Rechtsanwalt keine Vergütung schuldet. Das Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) regelt die Folgen eines Verstoßes gegen § 4a nicht; daher kommen in diesem Fall die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen zur Anwendung (BT-Drucks. 16/8384, S. 12). Nach diesen tritt an die Stelle der unwirksamen Vergütungsvereinbarung gemäß § 612 Abs. 2 BGB die für eine solche Tätigkeit übliche Vergütung, also das gesetzliche Anwaltshonorar (vgl. BGHZ 18, 340, 347). Zwar kann ein Mandant in einem solchen Fall dem Zahlungsverlangen seines Rechtsanwalts häufig den Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB entgegenhalten (BGH, ebd.). Dafür ist hier allerdings, da insoweit das Verhältnis der Klägerinnen zu ihren Prozessbevollmächtigten maßgeblich ist, nichts ersichtlich. Vielmehr haben die Klägerinnen, indem sie den Klageauftrag erteilt haben, deutlich gemacht, dass sie sich zur Bezahlung des Honorars als verpflichtet ansehen.

6. Ohne Erfolg wendet der Beklagte Verjährung ein.

a) Der Beklagte kann zunächst nicht mit dem Einwand durchdringen, die Klägerinnen hätten die 2007 fällig gewordene Gebührenforderung ihrer Prozessbevollmächtigten nicht beglichen und diese sei mit Ablauf des Jahres 2010 verjährt. Dies trifft allerdings nicht zu, denn die Klägerinnen haben diese Forderung spätestens im Lauf des Jahres 2010 durch die Erteilung des Klageauftrags im Sinne des § 212 Abs. 1 Satz 1 BGB anerkannt, so dass die Verjährung neu zu laufen begonnen hat.

b) Der Beklagte macht auch ohne Erfolg geltend, der gegen ihn gerichtete Anspruch sei verjährt.  

aa) Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Verjährung durch Einreichung des Mahnbescheids und die demnächst im Sinne des § 170 ZPO erfolgte Zustellung vor Ablauf der Verjährungsfrist am 31.12.2009 gehemmt worden ist. Der Anspruch war im Mahnbescheid hinreichend konkretisiert. Es war deutlich, dass die Klägerinnen „Rechtsanwaltshonorar“ geltend machten. Unerheblich ist es insofern, ob dieses als Schadensersatz oder nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag geschuldet ist. Denn maßgeblich ist nicht die korrekte rechtliche Einordnung der Forderung, sondern ob dem Schuldner erkennbar war, welcher Anspruch geltend gemacht wird. Dies war hier der Fall.

bb) Zudem spricht viel dafür, dass die Verjährung für einen hinreichend langen Zeitraum aufgrund des Schriftwechsels der Parteien gemäß § 203 BGB gehemmt war.

7. Dem Anspruch der Klägerinnen steht schließlich nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Insbesondere kann ein solcher Vorwurf nicht daraus hergeleitet werden, dass die Q. GmbH die Rechtsverletzungen für die Rechteinhaber „selbständig“ ermittelt und die Kanzlei Rasch bevollmächtigt ist, weitgehend selbständig Vergleichsverhandlungen zu führen. Auch steht es den Klägerinnen frei, ihre Rechte gegen verschiedene Rechtsverletzer mit unterschiedlicher Intensität zu verfolgen.

8. Hinsichtlich der Höhe der Klageforderung hat die Berufung teilweise Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann insofern nicht ein Streitwert von 400.000 € zugrunde gelegt werden. Der Senat hat in einem Fall für das Angebot von insgesamt 964 Musiktiteln, von denen für 131 Titel die Rechtsinhaberschaft dargelegt war, einen Streitwert von 50.000 € je Klägerin angenommen (GRUR-RR 2010, 173). Hiervon ausgehend scheint der vom Landgericht ermittelte Streitwert von 400.000 € allerdings durchaus nahezuliegen. Durch eine mathematische Bemessung kann aber der Wert des Interesses des Rechteinhabers nicht zutreffend geschätzt werden (§ 3 ZPO). Maßgeblich für die Bestimmung des Werts des in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs ist vielmehr der „Gefährdungsgrad“, den der Senat in dem genannten Urteil daraus hergeleitet hat, dass „bei einer Fortsetzung der Teilnahme an der Tauschbörse ein erneutes Einstellen von Titeln in nicht vorherzusehender Anzahl drohte”. Ähnliches gilt auch vorliegend. Danach kann vorliegend nur ein verhältnismäßig geringfügig höher zu bewertendes Interesse der Klägerinnen angenommen werden. Der Senat schätzt dieses Interesse auf jeweils 70.000 €, insgesamt also 280.000 €, so dass sich eine Gebührenforderung (1,3-fach) in Höhe von 2.821 € zzgl. Unkostenpauschale von 20 €, insgesamt mithin 2.841 € ergibt.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, wobei die landgerichtliche Kostenentscheidung auch insoweit abzuändern war, als die Unterliegensquote des Beklagten offensichtlich den Klägerinnen zugerechnet worden war; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.              

2. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

3. Streitwert für das Berufungsverfahren: 3.454,60 €.