Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.02.2009 - 15 K 379/08
Fundstelle
openJur 2012, 48727
  • Rkr:
Tatbestand

Die Klägerin betreibt einen Kiosk in S.. Sie reichte die Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre am 12. September 2001 (für 2000), am 13. Dezember 2002 (für 2001) und am 18. September 2003 (für 2002) beim Beklagten ein. Die Anmeldungen für die Jahre 2000 und 2001 waren nicht zustimmungsbedürftig; der Umsatzsteuererklärung 2002 stimmte der Beklagte mit Verfügung vom 10. Oktober 2003 zu (§ 168 Satz 2 der Abgabenordnung - AO -).

In der Zeit vom 8. Dezember 2006 bis zum 20. Dezember 2006 führte der Beklagte eine Außenprüfung bei der Klägerin durch, die u.a. die Umsatzsteuern und Gewerbesteuern der Streitjahre umfasste. Wegen der einzelnen Feststellungen wird auf den Bericht über die Außenprüfung vom 13. März 2007 verwiesen (am Ende der Akte Betriebsprüfungsberichte des Beklagten). Im Wesentlichen erfolgte eine Erhöhung der Einnahmen und Umsätze aufgrund von Kalkulationsdifferenzen.

Der Beklagte folgte den Feststellungen der Außenprüfung und setzte die Umsatzsteuern 2000 bis 2002 durch Bescheide vom 29. März 2007 geändert und den Gewerbesteuermessbetrag 2000 erstmalig durch Bescheid vom 25. Mai 2007 fest.

Die gegen diese Bescheide eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg. Der Beklagte änderte durch Einspruchsbescheid vom 11. September 2008 die Umsatzsteuerfestsetzungen der Streitjahre zu Ungunsten der Klägerin und wies die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide als unbegründet zurück. Der Beklagte änderte durch Einspruchsbescheid vom 15. September 2008 die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2000 zu Ungunsten der Klägerin und wies den Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid als unbegründet zurück. Die Verböserungen im Rahmen der Einspruchsverfahren beruhten darauf, dass der Beklagte zu der Ansicht gekommen war, dass Bareinzahlungen auf dem betrieblichen Bankkonto in Höhe von 56.759 DM (in 2000), 27.519 DM (in 2001) und 23.145,66 € (in 2002), die als Darlehen des Ehemanns der Klägerin verbucht waren, als ungeklärte Kapitalzuflüsse den Betriebseinnahmen und Umsätzen zuzuweisen seien. Denn die Darlehensvertragsverhältnisse zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann seien steuerlich nicht anzuerkennen. Da diese Bareinzahlungen die Hinzuschätzungen aufgrund der ermittelten Kalkulationsdifferenzen überstiegen, führten die Differenzen zu höheren Festsetzungen der Umsatzsteuern und des Gewerbesteuermessbetrags.

Mit bei Gericht am 1. Oktober 2008 eingegangenem Schreiben hat die Klägerin Klage erhoben wegen Umsatzsteuern 2000 bis 2002 und Gewerbesteuermessbetrag 2000. Zur Begründung verweist die Prozessbevollmächtigte auf Schreiben vom 14. August 2008 und vom 3. September 2008, die er im Klageverfahren wegen Einkommensteuern gegen das Finanzamt P. (14 K 12331/08) eingereicht habe.

Mit richterlicher Verfügung vom 8. Oktober 2008 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass die als Anlage bezeichneten Schreiben dieser Klageschrift nicht beigefügt waren und aufgefordert worden, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen.

Durch richterliche Verfügung vom 10. November 2008 ist der Klägerin schließlich gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgegeben worden, bis zum 5. Dezember 2008 den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen.

Nach Ergehen eines die Klage abweisenden Gerichtsbescheids hat die Klägerin einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Sie verweist auf die Begründung im Verfahren 14 K 12331/08 und die dort vorgelegten Unterlagen über Auszahlungen der R. Lebensversicherung AG an sie und ihren Ehemann, über erhaltene Zahlungen von ihrem Schwager und ihrem Bruder in den Jahren 1999 bis 2002. Wegen der Einzelheiten wird auf die zu den Akten im Verfahren 14 K 12331/08 gereichten Unterlagen Bezug genommen (Blatt 33 bis 48 der Gerichtsakte zu 14 K 12331/08). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Prozessbevollmächtigte klargestellt, dass keine Einwendungen gegen die Feststellungen der Außenprüfung hinsichtlich der Vorsteuerkürzungen vorgebracht werden sollen.

Die Klägerin beantragt, die Umsatzsteuerbescheide 2000 bis 2002 vom 29. März 2007 und den dazu ergangenen Einspruchsbescheid vom 11. September 2008 und den Gewerbesteuermessbescheid 2000 vom 25. Mai 2007 und den dazu ergangenen Einspruchsbescheid vom 15. September 2008 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hält an der den Einspruchsbescheiden zugrunde liegenden Auffassung fest.

Zum Verfahren sind die Steuerakten des Beklagten zu Steuernummer XX/XXX/XXXXX und die Akten des Verfahrens 14 K 12331/08 beigezogen worden.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Die Klage ist zulässig.

Der Senat erachtet trotz erheblicher Bedenken die Klage als zulässig.

Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss ein Kläger den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Dazu gehört, dass auch das Ziel der Klage hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. November 1979 GrS 1/78, BStBl II 1980, 99); denn das Gericht kann dem aus § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO sich ergebenden Verbot, über das Klagebegehren hinauszugehen, nur entsprechen, wenn der Kläger den Umfang des begehrten Rechtsschutzes bestimmt hat. Für eine ausreichende Bezeichnung des Streitgegenstandes ist es daher erforderlich, dass der Kläger substantiiert darlegt, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze.

a) Für die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens bei einer Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid ist es ausreichend, aber auch erforderlich, den Streitpunkt in allgemeinerer Form - z.B. durch genaue Benennung der nach Ansicht des Klägers zu Unrecht berücksichtigte oder nicht berücksichtigten Beträge - so zu umreißen, dass er konkretisiert und von anderen denkbaren Streitpunkten abgrenzbar ist (BFH-Urteil vom 13. Juni 1996 III R 93/95, BStBl II 1996, 483). Dabei kann der Gegenstand des Klagebegehrens grundsätzlich nicht durch allgemeine Bezugnahme auf beigefügte umfangreiche Anlagen bezeichnet werden; allerdings sind bei der Auslegung des in der Klageschrift zu formulierenden Klagebegehrens Anlagen und auch die Steuerakten heranzuziehen (BFH-Urteil vom 13. Juni 1996 III R 93/95, a.a.O., m.w.N.).

Es ist grundsätzlich aber nicht Aufgabe des Finanzgerichts, den Gegenstand der Klage selbst zu ermitteln (BFH-Urteil vom 2. Juli 1997 I R 82/96, BFH/NV 1998, 175; BFH-Beschluss vom 23. Oktober 2008 X B 138/08, juris). Dies gilt auch dann, wenn den angefochtenen Steuerbescheiden Prüfungsfeststellungen der Finanzbehörden vorangegangen sind, zu denen der Steuerpflichtige Stellung genommen hat. Es ist zu erwarten, dass der Steuerpflichtige gleichwohl im Einzelnen herausstellt, in welchen Punkten er die im Anschluss an die Durchführung der Prüfung ergangenen Steuerbescheide anfechten will (BFH-Urteil vom 2. Juli 1997 I R 82/96, a.a.O.).

b) Der Verweis der Klägerin auf die Klageschrift vom 14. August 2008 sowie den Schriftsatz vom 3. September 2008 im Verfahren gegen das Finanzamt P. (Az.: 14 K 12331/08) wegen Einkommensteuern 2000 bis 2002 war - wohlwollend betrachtet - gerade ausreichend, um das Klagebegehren darzutun. Denn der Senat konnte bis einschließlich 5. Dezember 2008 nach Beiziehung der Gerichtsakten des Verfahrens 14 K 12331/08 und der Akten des dortigen Beklagten zum Einkommensteuer- sowie Rechtsbehelfsvorgang sowie Kenntnisnahme vom Inhalt der Schriftsätze vom 14. August 2008 und vom 3. September 2008 und unter Berücksichtigung der Akten des Beklagten davon ausgehen, dass die Klägerin die Bescheide über Umsatzsteuer für 2000 bis 2002 und über den Gewerbesteuermessbetrag 2000 für rechtswidrig hält und sich durch diese in ihren Rechten verletzt fühlt, soweit die Änderungen aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung und der Verböserungen in den Einspruchsverfahren erfolgten. Denn nach dem Antrag im Verfahren 14 K 12331/08 - der entsprechend gelten sollte - begehrte die Klägerin, die Steuern und den Messbetrag in der Höhe festzusetzen, wie sie vor der Außenprüfung festgesetzt waren.

2. Die Klage ist aber unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide über Umsatzsteuer für 2000 bis 2002 vom 29. März 2007 und der zu diesen ergangenen Einspruchsbescheid vom 11. September 2008 und der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid 2000 vom 25. Mai 2007 und der zu diesem ergangenen Einspruchsbescheid vom 15. September 2008 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Recht in Höhe der für das jeweilige Streitjahr festgestellten Bareinzahlungen den Gewerbeertrag erhöhende Betriebseinnahmen bzw. steuerpflichtige Umsätze angenommen.

Die Klägerin war als Kioskbetreiberin Unternehmerin i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und tätigte mit ihren Verkaufsgeschäften der Umsatzsteuer unterliegende Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Bemessungsgrundlage der Umsätze ist dabei das Entgelt nach § 10 Abs. 1 UStG. Der Kiosk ist als gewerbliches Unternehmen nach § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb i. S. des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist nach § 6 GewStG der Gewerbeertrag, der sich nach dem Gewinn aus Gewerbebetrieb nach §§ 4 ff EStG richtet (§ 7 Satz 1 GewStG). Die Klägerin konnte nach § 4 Abs. 3 EStG als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen.

23Die auf dem betrieblichen Bankkonto eingezahlten Gelder in Höhe von 56.759 DM (in 2000), 27.519 DM (in 2001) und 23.145,66 € (in 2002) sind als Betriebseinnahmen und Umsätze und nicht als Einlagen oder als Darlehensgewährung zu werten. Die Frage, woher die Mittel für die Kapitalzuführungen stammten, konnte nicht hinreichend aufgeklärt werden. Deshalb konnte der Beklagte im Rahmen der Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 2 Satz 1 AO zutreffend davon ausgehen, dass die Beträge in den Streitjahren aus nicht erklärten Betriebseinnahmen bzw. steuerpflichtigen Umsätzen aufgebracht worden waren.

Eine Schätzung setzt voraus, dass die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt oder nicht berechnet werden können (§ 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO i.V.m. § 162 Abs. 1 AO). Das ist hier der Fall. Die Frage, woher die Mittel für die Kapitalzuführung stammen, kann letztlich nur die Klägerin beantworten. Ihre Mitwirkung hat keine Aufklärung gebracht.

25a) Nach der Rechtsprechung BFH ist der Steuerpflichtige bei ungeklärten Bareinzahlungen auf ein betriebliches Bankkonto wegen der von ihm selbst hergestellten Verbindung zwischen Privat- und Betriebsvermögen bei der Prüfung, ob Einlagen gegeben sind bzw. wo die Mittel herkommen, verstärkt zur Mitwirkung verpflichtet. Bei Verletzung dieser Pflicht kann von weiterer Sachaufklärung abgesehen und der Sachverhalt dahin gewürdigt werden, dass unaufgeklärte Kapitalzuführungen auf nicht versteuerten Einnahmen bzw. Umsätzen beruhen (BFH-Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BStBl II 1989, 462; vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 2001 III B 76/01, BFH/NV 2002, 476; vom 30. Juli 2002 X B 40/02, BFH/NV 2003, 56, und vom 30. März 2006 III B 56/05, BFH/NV 2006, 1485).

b) Dem Vortrag der Klägerin, dass Geld sei eingelegt worden aus Beträgen, die sie bzw. ihr Ehemann teils von der R. Lebensversicherung AG, teils als Darlehen von ihrem Schwager und ihrem Bruder erhalten hätten, folgt das Gericht nicht. Zum einen steht diese Darstellung des Sachverhalts im Widerspruch zu der buchmäßigen Behandlung der Beträge als Darlehen des Ehemanns der Klägerin. Zum anderen sind die Angaben der Klägerin und die eingereichten Unterlagen nicht geeignet, den baren Kapitalzufluss auf dem betrieblichen Bankkonto aus dem Privatvermögen zu belegen. Denn die Beträge, die die Klägerin bzw. ihr Ehemann demnach erhalten haben wollen, entsprechen weder der Höhe nach noch den Zuflusszeitpunkten nach den bar eingezahlten Beträgen. Die Auszahlungen der R. Lebensversicherung AG sind unbar auf das betriebliche Bankkonto der Klägerin bzw. auf ein Bankkonto des Ehemanns überwiesen worden. Somit stand der Betrag im ersten Fall nicht als Bareinlage der Klägerin zur Verfügung. Im zweiten Fall erscheint es nicht glaubhaft, dass dieser Betrag vom Ehemann zunächst abgehoben und dann zum Teil von der Klägerin bar eingezahlt worden sein soll. Im Jahr 2000 übersteigen zudem die bar eingezahlten Beträge die angegebenen Zuflüsse vom Schwager in 1999 und 2000 um mehr als 20.000 DM.

27Bei dieser Entscheidung war insbesondere zu berücksichtigen, dass zwar Bestätigungen über Geldzahlungen von Verwandten und der R. Lebensversicherung AG im Nachhinein vorgelegt worden sind, Unterlagen über damalige Darlehensvereinbarungen mit den Verwandten oder Nachweise über den tatsächlichen Geldfluss - insbesondere vom Konto des Ehemanns - nicht vorgelegt werden konnten. Wer durch Einlagebuchungen die Verbindungen zwischen Privatvermögen und Betriebsvermögen hergestellt hat, muss sich durch Beweisvorsorge in die Lage versetzen, die Herkunft der Einzahlungen aus dem Privatvermögen (ggf. anderer Personen) nachzuweisen (BFH-Beschluss vom 13. März 2007 X B 37/06, BFH/NV 2007, 1138).

c) Da die Umstände der Herkunft der Mittel in Höhe von 56.759 DM (in 2000), 27.519 DM (in 2001) und 23.145,66 € (in 2002) auf dem betrieblichen Bankkonto der Klägerin nicht geklärt sind, sind die Beträge im Rahmen der Schätzung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO i.V.m. § 162 Abs. 1 AO als nicht erklärte Betriebseinnahmen bzw. steuerpflichtige Umsätze zu werten. Dies ist im Hinblick auf die täglichen Bargeschäfte bei dem Betrieb eines Kiosks auch eine Annahme, die nicht der Lebenserfahrung widerspricht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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