LG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.03.2008 - 2/24 S 139/07, 2/24 S 139/07
Fundstelle
openJur 2012, 29840
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14.06.2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bad Homburg v.d.H., Az.: 2 C 2350/06 (10), teilweise wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 4.099,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.10.2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat vorab die durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts München entstandenen Mehrkosten einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens bei dem Landgericht München I zu tragen.

Die Kosten des Rechtsstreits im Übrigen hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Anschlussberufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises aufgrund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen Reisemängeln gemäß §§ 651c I, 651d I, 638 III und IV BGB in Höhe von insgesamt 2.236,20 Euro.

a.

Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Unterbringung der Klägerin in dem Hotel ... anstatt in dem ursprünglich gebuchten Hotel ... einen erheblichen Reisemangel im Sinne von § 651c I BGB dargestellt hat.

Völlig zu Recht stellt das Amtsgericht heraus, die Parteien einen Reisevertrag mit Unterbringung im Hotel ... geschlossen haben und die Beklagte nicht zu einer einseitigen Leistungsänderung befugt gewesen ist.

In diesem Zusammenhang hat das Amtsgericht weiterhin völlig zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte nicht nur die Unterbringung im Hotel ... schuldete, sondern auch die in der für dieses Hotel herausgegebenen Prospektbeschreibung aufgeführten weiteren Leistungsmerkmale, da der Inhalt des Reisevertrages durch die Prospektbeschreibung in Verbindung mit der Reisebestätigung bestimmt wird.

Im Folgenden hat das Amtsgericht auch u.a. nach durchgeführter Beweisaufnahme in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass das Ersatzhotel bereits in Punkto Lage von dem ursprünglich gebuchten Hotel negativ abgewichen ist, da das Ersatzhotel keinen direkten Strandzugang hatte. Weiterhin verfügte das Ersatzhotel nicht über eine gleichwertige Swimmingpoolanlage wie das ursprünglich gebuchte Hotel. Auf die entsprechenden überzeugenden Ausführungen des Amtsgerichts wird Bezug genommen.

Weiterhin hat das Amtsgericht in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass sowohl das Sport- und Unterhaltungsprogramm als auch eine Animation und Shows als auch eine Diskothek gefehlt hat, was nach der Prospektbeschreibung des Hotels ... reisevertraglich geschuldet war. Ebenso wenig gab es die reisevertraglich geschuldeten Mitternachtssnacks.

Diese Feststellungen hat die Anschlussberufung nicht angegriffen. Darüber hinaus begegnen diese Feststellungen auch keinen Bedenken.

Aus diesen Feststellungen ergibt sich ohne jeden Zweifel, dass das ursprünglich gebuchte Hotel und das Ersatzhotel in ihrem konkreten hier maßgeblichen Zuschnitt nicht annähernd gleichwertig waren.

Die Klägerin hat auch nachvollziehbar dargelegt, dass sie und ihre Familie das ursprünglich gebuchte Hotel ... insbesondere aufgrund der Prospektbeschreibung mit den dort genannten Ausstattungsmerkmalen ausgesucht haben. Dies entspricht auch der Lebenswahrscheinlichkeit.

Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass Minderungsansprüche vorliegend nicht gem. § 651d II BGB ausgeschlossen sind.

Ausweislich der Gesprächsnotiz vom 07.08.2005 (Bl. 21 d.A.) hat die Klägerin die Unterbringung in dem Hotel ... als von der Buchung abweichende Unterbringung gerügt. Völlig zutreffend hat das Amtsgericht insoweit ausgeführt, dass von dieser Rüge sämtliche Abweichungen im Zuschnitt und Leistungsangebot bereits enthalten sind, ohne dass der Reisende die Einzelheiten noch gegenüber der Reiseleitung konkret zur Sprache bringen muss.

Für die abweichende Unterbringung hat das Amtsgericht eine Minderungsquote von insgesamt 38% für angemessen angesehen.

Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hält das Berufungsgericht es angesichts der erheblich abweichenden Unterbringung und der dadurch bedingten Änderung des Reisezuschnitts für angezeigt, die Minderungsquote etwas zu erhöhen.

Insoweit hält das Berufungsgericht für die abweichende Unterbringung eine Minderungsquote von 45% für angemessen.

b.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat ein weiterer Reisemangel im Sinne von § 651c I BGB nämlich in Form der Verletzung der Informationspflichten eines Reiseveranstalters durch die Beklagte vorgelegen.

Diesen Reisemangel hat die Klägerin auch sowohl erstinstanzlich als auch zweitinstanzlich geltend gemacht.

Die vom Reiseveranstalter geschuldete Gesamtheit von Reiseleistungen umfasst auch die Beseitigung aller denkbaren Reisehindernisse. Deshalb hat der Reiseveranstalter den Reisenden grundsätzlich ungefragt über alle für eine ordnungsgemäße Durchführung der Reise erforderlichen Umstände zu informieren. Er muss den Reisenden über alle wesentlichen Veränderungen zwischen Buchung und Reiseantritt im Zielgebiet informieren (vgl. Urteile der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.06.2007, Az. 2-24 S 236/06 u. 2-24 S 36/06; Führich, Reiserecht, 5. Aufl., 2005, Rn. 140 m.w.N., 313 m.w.N.; Staudinger/Eckert, BGB, 2003, § 651a, Rn. 123 m.w.N.).

Der Reisende darf nämlich darauf vertrauen, dass der Reiseveranstalter alles zur erfolgreichen Durchführung der Reise Erforderliche unternimmt und ihn demgemäß auch nachträglich auf jede nachteilige Veränderung seiner Reiseleistung, die die gebuchte Reise zu beeinträchtigen geeignet ist, rechtzeitig hinweist (vgl. Urteile der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.06.2007, Az. 2-24 S 236/06 u. 2-24 S 36/06; LG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 176, 176).

Ihren Informationspflichten ist die Beklagte als Reiseveranstalterin der durchgeführten Reise nicht nachgekommen.

Insoweit hat die Klägerin substanziiert vorgetragen, dass sie im Vorfeld der Reise nicht seitens der Beklagten über den Umstand der Überbuchung des ursprünglich gebuchten Hotels ... und einer Ersatzunterbringung informiert worden sei. Vielmehr sei sie mit diesen Tatsachen erst am Flughafen in Monastir konfrontiert worden.

Die bloße Behauptung der Beklagten, dass vor Reiseantritt eine Information erfolgt sei, war sowohl erstinstanzlich als auch zweitinstanzlich unsubstanziiert. Nähere Umstände einer Information, insbesondere Zeitpunkt und konkreter Inhalt, sind seitens der Beklagten nicht annähernd vorgetragen worden. Warum ein Nachweis einer Informationserteilung – wie von der Beklagten behauptet – schlechterdings nicht möglich sei, ist für das Berufungsgericht jedenfalls nicht nachvollziehbar. Insoweit wäre zu erwarten gewesen, dass eine solche äußerst wichtige Information dem Reisenden schriftlich mitgeteilt wird. Warum ausgerechnet die als Zeugen benannte Reiseleitung etwas zu einer behaupteten Informationserteilung seitens der Beklagten vor Reisebeginn sagen könnte, ist für das Berufungsgericht ebenfalls nicht nachvollziehbar. Alles in Allem ist der Vortrag der Beklagten zu einer Informationserteilung unsubstanziiert.

Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich auch, dass der Beklagten die Überbuchung vor Reisebeginn bereits bekannt war.

Die Beklagte war auch verpflichtet über den Umstand der Überbuchung des ursprünglich gebuchten Hotels aufzuklären.

Dieser unterlassene Hinweis auf die Überbuchung seitens der Beklagten stellt eine Informationspflichtverletzung dar.

Durch die unterlassene Information nahm die Beklagte der Klägerin die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob sie trotz der Überbuchung reisen will oder von der Reise Abstand nehmen will. Es ist vorliegend offensichtlich, dass nach der Rechtsprechung der Kammer die Voraussetzungen für die Kündigung des Reisevertrages gem. § 651e BGB vorgelegen hätten.

Bei der Verletzung von Informationspflichten handelt es sich um die Verletzung einer Hauptpflicht des Reiseveranstalters, welche verschuldensunabhängig Gewährleistungsansprüche begründet wie Minderung nach § 651d BGB, wenn die tatsächliche Reiseleistung von der versprochenen abweicht und Schadenersatz nach § 651f I BGB (vgl. Urteile der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.06.2007, Az. 2-24 S 236/06 u. 2-24 S 36/06; Führich, Reiserecht, 5. Aufl., 2005, Rn. 237 m.w.N., 313 m.w.N.; Staudinger/Eckert, BGB, 2003, § 651a, Rn. 123 m.w.N.).

Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hält das Berufungsgericht für den Reisemangel "Verletzung der Informationspflicht" vorliegend eine Minderungsquote von 15% für angemessen und ausreichend.

Vorliegend ist auch davon auszugehen, dass hinsichtlich des Reisemangels "Verletzung der Informationspflicht" eine Mängelrüge gem. § 651d II BGB vorgelegen hat. Es ist nämlich davon auszugehen, dass die Mängelrüge bzgl. der abweichenden Unterbringung inzident auch die Rüge umfasst, dass man im Vorfeld der Reise nicht über diese abweichende Unterbringung infolge einer Überbuchung des ursprünglich gebuchten Hotels informiert worden ist.

Der Minderungsanspruch ist auch nicht gem. § 651g I BGB ausgeschlossen. In dem Anspruchsschreiben vom 18.08.2005 (Bl. 22ff. d.A.) wird die mangelnde Information über die Überbuchung und Ersatzunterbringung ausdrücklich gerügt und zum Gegenstand von Ersatzansprüchen gemacht. Dies ist insgesamt ausreichend für eine wirksame Anspruchsanmeldung gem. § 651g I BGB.

c.

Nach dem oben Ausgeführten ergibt sich für die gesamte Reisezeit eine Minderungsquote von insgesamt 60%.

Bei einem Gesamtreisepreis ohne Versicherungsleistungen von 3.727,– Euro beläuft sich der Minderungsbetrag bei einer 60%igen Minderungsquote für die gesamte Reisezeit auf 2.236,20 Euro.

Da die Klägerin insgesamt nur eine Minderungsquote von 60% für alle von ihr geltend gemachten Mängel begehrt und diese Minderungsquote bereits aufgrund der oben festgestellten Mängel erreicht wird, kommt es auf die weiteren Mängel nicht mehr an.

2.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus eigenem und aus abgetretenem Recht auf Zahlung einer Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude gem. § 651f II BGB in Höhe von insgesamt 1.863,– Euro.

Gem. § 651f II BGB kann der Reisende wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine Entschädigung verlangen, wenn die Reise vereitelt wurde oder erheblich beeinträchtigt war.

Vorliegend ist die Reise erhebliche beeinträchtigt gewesen. Nach der Rechtsprechung der Kammer und der wohl noch herrschenden Meinung liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Sinne von § 651f II BGB vor, wenn Reisemängel in dem Ausmaße vorliegen, dass eine Reisepreisminderung in Höhe von mindestens 50% gerechtfertigt ist.

Wie oben dargelegt haben Reisemängel vorgelegen, die eine Minderungsquote von 60% rechtfertigen.

Nach der nunmehrigen ständigen Rechtsprechung der Kammer ist als geeigneter Maßstab für die Bemessung der Entschädigung nach § 651f II BGB auf den Reisepreis abzustellen, zu dem die Entschädigung in angemessenem Verhältnis zu stehen hat (vgl. z.B. RRa 2006, 264, 266; RRa 2008, 27, 28).

Der relevante Gesamtreisepreis beläuft sich vorliegend auf 3.727,– Euro für fünf Personen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Mängel vorgelegen haben, die eine Minderungsquote von 60% rechtfertigen.

Die Klägerin begehrt insgesamt eine Entschädigung für alle Reisenden von 1.863,– Euro, also die Hälfte des Reisepreises.

Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände ist dieser geforderte Betrag von 1.863,– Euro mindestens angemessen und war der Klägerin insoweit zuzusprechen.

3.

Die Anschlussberufung ist im Ergebnis aus den oben genannten Gründen und Ausführungen unbegründet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 II Nr. 1, 97 I, 281 III 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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