LG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 04.09.2006 - 32 T 12/05
Fundstelle
openJur 2012, 4247
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 29. Juni 2005gegen den Festsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder)vom 17. Juni 2005 - HRB 3424 FF - wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die P. Schilderwerk ist seit dem 21. Oktober 1993 unter HRB 3424 FF in das Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) eingetragen. Die Gesellschaft hat am 3. Juni 2003 ihr Gewerbe abgemeldet. Am 4. Juni 2003 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. P. N., der Beschwerdeführer, zum Insolvenzverwalter bestellt.

Die Rechtsanwälte S. haben am 1. Februar 2005 beantragt, dem Beschwerdeführer aufzugeben, die Jahresabschlüsse für die Jahre 2001 bis 2003 sowie die Insolvenzeröffnungsbilanz zum Handelsregister einzureichen. Der Jahresabschluss 2001 liegt dem Handelsregister vor. Mit Verfügung vom 9. Februar 2005 hat das Registergericht den Beschwerdeführer "in der Handelsregistersache P." aufgefordert, die Jahresabschlüsse der Gesellschaft für 2002 und 2003 sowie die Insolvenzeröffnungsbilanz binnen sechs Wochen zum Handelsregister einzureichen und ihm anderenfalls ein Ordnungsgeld von je € 2.500,00 für 2002 und 2003 angedroht. Der Beschwerdeführer hat dagegen Einspruch eingelegt mit der Begründung, als Insolvenzverwalter sei er lediglich zur Rechnungslegung für den Zeitraum nach Insolvenzeröffnung verpflichtet. Für den Zeitraum davor seien allein die früheren Geschäftsführer verantwortlich. Außerdem müsse die Bilanz nicht mehr offen gelegt werden, nachdem die Geschäftstätigkeit eingestellt und das Insolvenzverfahren eröffnet sei. Die Offenlegungspflicht sei kein Selbstzweck, sondern marktbezogen. Ferner entfalle die Pflicht zur Erstellung von Bilanzen, wenn die Kosten für den Jahresabschluss nicht aus der Masse bedient werden könnten. Abgesehen davon könne sich der Jahresabschluss für 2003 nur auf ein Rumpfgeschäftsjahr bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens beziehen. Das Registergericht spreche ihn als Privatmann an. Als Privatmann aber sei er aber keinesfalls gehalten, für die Gesellschaft Jahresabschlüsse zu erstellen. Das Registergericht hat durch Beschluss vom 22. März 2005 klargestellt, dass die Aufforderung zur Vorlage der Jahresabschlüsse den Beschwerdeführer als Insolvenzverwalter betreffen. Dagegen hat der Beschwerdeführer am 8. April 2005 erneut Einspruch eingelegt.

Das Registergericht hat durch Beschluss vom 17. Juni 2006 den Einspruch bzgl. der Vorlage von Jahresabschlüssen für 2002 sowie das Rumpfgeschäftsjahr vom 01.01.2003 bis 03.06.2003 verworfen und ein Ordnungsgeld von € 2.500,00 festgesetzt. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 21. Juni 2005 zugestellt. Am 29. Juni 2005 hat er sofortige Beschwerde eingelegt. Er beruft sich auf seinen bisherigen Vortrag und weist ergänzend darauf hin, dass die Betroffenen - Organe der Gesellschaft, deren Gesellschafter, Gläubiger und der Fiskus - bereits im Rahmen des Insolvenzverfahrens unterrichtet würden, weshalb eine zusätzliche Offenbarungspflicht nach HGB obsolet werde. Der Beschwerdeführer beantragt, wegen der grundsätzlichen Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die weitere Beschwerde zuzulassen.

II.

Zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Ordnungsgeldfestsetzung ist gemäß §§ 19 Abs. 2, 30 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 i. V. ... Abs. 1 S. 5 FGG der bzw. die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen des Landgerichts berufen.

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers ist nach §§ 325 Abs. 1, 335 a S. 1 Nr. 1 HGB i. V. m. §§ 140 a Abs. 2, 133 Abs. 1, 139 Abs. 1 FGG zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht nach §§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 FGG eingelegt worden.

In der Sache ist die sofortige Beschwerde unbegründet.

Zu Recht hat das Registergericht ein Ordnungsgeld in Höhe von € 2.500,00 festgesetzt. Das Handelsregistergericht war auf Antrag gemäß §§ 325 a HGB i. V. m. § 140 a Abs. 2 S. 2 FGG verpflichtet, dem Beschwerdeführer unter Androhung eines Ordnungsgeldes aufzugeben, die Jahresabschlüsse innerhalb einer Frist von sechs Wochen vorzulegen oder aber die Unterlassung mittels eines Einspruches gegen die Verfügung zu rechtfertigen. Ist der Einspruch unbegründet, so ist nach § 135 Abs. 2 FGG mit dessen Verwerfung das Ordnungsgeld unverzüglich festzusetzen.

8Der Beschwerdeführer ist als Insolvenzverwalter über das Vermögen der P. zur Vorlage der Jahresabschlüsse für das Jahr 2002 und das Rumpfjahr 1.1.2003 bis 3.6.2003 gemäß § 325 Abs. 1 HGB verpflichtet:

9Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Gesellschaft nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über und er nimmt nach § 148 Abs. 1 InsO das Vermögen in seinen Besitz. Ab diesem Zeitpunkt treffen ihn nach § 155 Abs. 1 InsO die handels- und steuerrechtlichen Pflichten des Schuldners zur Buchführung und zur Rechnungsführung und zwar sowohl für den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als auch den Zeitraum davor (vgl. OLG München Rpfleger 2006, 85; Münch.Komm.-Füchsl-Weishäupl, § 155 InsO, Rn. 4; Frankfurter Kommentar - Boochs, 3. Aufl., § 155 InsO, Rn. 19). Ab der Insolvenzeröffnung muss der Insolvenzverwalter an Stelle des Geschäftsführers die Bilanzen und Jahresabschlüsse erstellen und gemäß § 325 Abs. 1 HGB dem Handelsregister einreichen (vgl. Münch.Komm-Fehrenbacher § 335 GHB, Rn. 4; § 335 a HGB, Rn. 4; Frankfurter Kommentar - Boochs a. a. O., Rn. 16 f; Irschlinger in Heidelberger Kommentar, 4. Aufl., § 155 InsO, Rn. 13 f).

Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Beschluss der Kammer in der Sache 32 T 20/04. Die Kammer hat in diesem Verfahren lediglich entschieden, dass sowohl der Geschäftsführer als auch der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Vorlage von Jahresabschlüssen verpflichtet ist, wenn ein Teil des Gesellschaftsvermögens nicht beschlagnahmt wurde und weiter von dem Geschäftsführer verwaltet wird. In diesem Fall ist jeder für den von ihm verwalteten Teil des Gesellschaftsvermögens berichtspflichtig, denn § 155 Abs. 1 S. 2 InsO überträgt die Pflicht zur Buchführung und Rechnungslegung nur in Bezug auf die Insolvenzmasse auf den Insolvenzverwalter. Vorliegend hat der Beschwerdeführer dagegen das gesamte Gesellschaftsvermögen nach § 148 Abs. 1 InsO in seinem Besitz, so dass er alleine berichtspflichtig ist.

Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. April 2005 (ZIP 2005, 1145 ff) herleiten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung sogar ausdrücklich bestätigt, dass die Veröffentlichungspflichten aus § 25 Abs. 1 des Wertpapierhandelsgesetzes für börsennotierte Gesellschaften auch nach der Insolvenzeröffnung fortbestehen. Dies fordere die Transparenz des Kapitalmarktes, da die Aktien trotz ihres Wertverlustes weiterhin an der Börse gehandelt werden können. Bis zur evtl. Löschung nehme die Gesellschaft am Geschäftsleben teil. Für eine teleologische Reduktion der Veröffentlichungspflicht während des Insolvenzverfahrens sei kein Raum. Allerdings verpflichte das Wertpapierhandelsgesetz nicht den Insolvenzverwalter zur Veröffentlichung, sondern nach §§ 76 Abs. 1, 78 Abs. 1 AktG den Vorstand, der auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 263 AktG im Amt bleibe. Weder die Insolvenzordnung noch § 263 AktG übertrage die Veröffentlichungspflicht auf den Insolvenzverwalter. Etwas anderes gilt für die Vorlage von Jahresabschlüssen bei dem Handelsregister. § 155 Abs. 1 Inso überträgt die handels- und steuerrechtlichen Pflichten des Schuldners zur Buchführung und zur Rechnungslegung hinsichtlich der Insolvenzmasse ausdrücklich auf den Insolvenzverwalter, so dass er auch insoweit verpflichtet ist.

Die Vorlagepflicht gegenüber dem Handelsregister entfällt auch nicht dadurch, dass der Insolvenzverwalter im Berichtstermin nach § 156 InsO dem Schuldner, dem Gläubigerausschuss, Betriebsrat und Sprecherausschuss der leitenden Angestellten über die wirtschaftliche Lage des Schuldners sowie deren Ursachen berichten muss. Zwar sind damit die durch eine Insolvenz in erster Linie Betroffenen unterrichtet, die Vorlage des Jahrsabschlusses bei dem Handelsregister ist jedoch als ein Jedermann-Recht ausgestaltet. Die Richtlinie 68/151/EWG zur Offenlegung von Jahresabschlüssen - umgesetzt in § 325 HGB - verlangt kein schutzwürdiges Recht oder Interesse. Die Vorlagepflicht soll nach der Rechtsprechung des EuGH hauptsächlich der Unterrichtung Dritter dienen, damit sie beurteilen können, ob sie in Rechtsbeziehungen zu der Gesellschaft treten wollen (vgl. EuGH, Beschluss vom 23.09.2004 zu C-435/02 und C-103/03, Nr. 35; BGH ZIP 2006, 23, 24). Es ist nicht ersichtlich, warum dies im Falle der Insolvenz nicht gelten soll, zumal das Insolvenzverfahren eine Fortführung des Unternehmens nicht ausschließt, sogar anstrebt. Die Rechnungslegung kann darüber hinaus für Gläubiger von Interesse sein, um zu prüfen, inwieweit eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für die Vergangenheit in Betracht kommt. Der wirtschaftliche Zustand der Gesellschaft und deren Entwicklung - abzulesen aus den Jahresabschlüssen und der Rechnungslegung - ist zudem Grundlage für den Kauf des Unternehmens als Ganzes oder von Teilen ist. Diese Informationen erhalten sie nicht zwingend aus dem Insolvenzverfahren.

Die Buchführungs- und Bilanzierungspflicht des Insolvenzverwalters gilt ferner nicht nur bei einer Betriebsfortführung, sondern nach Schließung des Geschäftsbetriebes. Die Abwicklung des Unternehmens bleibt weiterhin Gewerbebetrieb, da die Absicht der bestmöglichen Verwertung des vorhandenen Vermögens einer Gewinnerzielungsabsicht darstellt (Boochs, a. a. O., Rn. 17).

Die handelsrechtliche Pflicht zur Buchführung und Bilanzierung im Insolvenzverfahren besteht außerdem unabhängig vom Massebestand (vgl. Boochs, a. a. O., Rn. 19). Dies gilt auch für die Vorlagepflicht aus § 325 HGB an das Handelsregister, denn sie gibt dem Insolvenzverwalter nicht mehr auf als er ohnehin nach §§ 155, 58 InsO an Buchführung und an Berichten gegenüber dem Insolvenzgericht leisten muss. Die Insolvenzmasse wird hierdurch nicht zusätzlich belastet. Reicht die Insolvenzmasse zur insolvenzrechtlichen Buchführung und Bilanzierung nicht aus, so ist die verbleibende Masse zu verteilen und das Insolvenzverfahren nach § 211 Abs. 1 InsO einzustellen.

Das Verfahren des Registergerichts zur Festsetzung von Ordnungsgeld gegen den Beschwerdeführer war schließlich nicht fehlerhaft. Das Registergericht hat zutreffend dem Beschwerdeführer als Insolvenzverwalter aufgegeben, die Jahresabschlüsse vorzulegen. Bereits bei der ersten Aufforderung des Registergerichts vom 9. Februar 2005 war nach § 133 BGB ersichtlich, dass der Beschwerdeführer nicht als Privatperson, sondern als Insolvenzverwalter in Anspruch genommen wird. Er wird als Rechtsanwalt "in der Handelsregistersache P." angeschrieben und aufgefordert, die Jahresabschlüsse der P. GmbH einschließlich der Insolvenzverfahrenseröffnungsbilanz vorzulegen. Für den Beschwerdeführer konnte es nicht zweifelhaft sein, dass er hier als Insolvenzverwalter der Gesellschaft auf seine Pflichten aus § 155 Abs. 1 InsO angesprochen ist. Das Registergericht hat dies zusätzlich mit Beschluss vom 22 März 2005 klargestellt und dem Beschwerdeführer bis zu dem Festsetzungsbeschluss vom 17. Juni 2005 Zeit gelassen, seinen handelsrechtlichen Pflichten nachzukommen.

Der Beschwerdeführer hat die Jahresabschlüsse für das Jahr 2003 und das Rumpfjahr 2003 nicht vorgelegt, so dass gegen ihn gemäß § 140 a Abs. 2 FGG ein Ordnungsgeld zu verhängen war. Ermessenfehler bei der Festsetzung des Ordnungsgeldes sind nicht ersichtlich. Das Ordnungsgeld betragt nach § 335 a S. 4 HGB mindestens € 2.500,00. Das Registergericht hat zunächst das Mindestordnungsgeld von € 2.500,00 festgesetzt. Dies ist im Regelfall für ein erstes Ordnungsgeld ausreichend und nicht zu beanstanden.

Eine Kostenentscheidung ist nach § 13 a FGG war nicht veranlasst.

Eine weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss ist weder nach § 27 Abs. 1 FGG zulässig noch war nach entsprechender Anwendung des § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO im Interesse der Sicherheit und einer einheitlichen Rechtsanwendung zuzulassen, denn die weitere Beschwerde ist nach § 140 a Ab. 2 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 4 FGG von Gesetzes wegen ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. OLG Zweibrücken FGPrax 2004, 133).

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1, 119 Abs. 2 KostO entsprechend der Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes auf € 2.500,00 festgesetzt.