OLG Hamm, Beschluss vom 09.11.1999 - 4 Ss 1038/99
Fundstelle
openJur 2011, 81832
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 Ns 17 Js 792/98
Tenor

Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Amtsgerichts Detmold vom 1. März 1999 wird das Verfah-ren eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten erwach-senen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

Das Amtsgericht Detmold hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt und angeordnet, dass ihm vor Ablauf von noch zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Auf die hiergegen gerichtete auf den Strafausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Detmold das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass die Strafaussetzung zur Bewährung entfällt.

Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, der mit näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der gegen den Angeklagten in diesem Verfahren ergangenen Urteile und gemäß § 206 a StPO zur Einstellung des Verfahrens. Die vom Revisionsgericht von Amts wegen vorzunehmende Prüfung, ob der Verurteilung des Angeklagten ein Prozesshindernis entgegensteht, hat ergeben, dass sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht die jeweilige Hauptverhandlung gegen den Angeklagten hinsichtlich der ihm durch Anklageschrift vom 7. Dezember 1998 zur Last gelegten Straftaten durchgeführt haben, obwohl eine Verfahrensvoraus-

setzung - nämlich der Eröffnungsbeschluss - gefehlt hat und auch nicht in zulässiger Weise nachgeholt worden ist (vgl. BGHSt 29, 224).

Mit der unter dem 7. Dezember 1998 zum Strafrichter erhobenen Anklage legt die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last, an vier näher bezeichneten Tagen in P vorsätzlich ein Kraftfahrzeug geführt zu haben, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatte. Der prozessordnungsgemäße Fortgang eines Strafverfahrens setzt nach Erhebung der Anklage voraus, dass das Gericht über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Eröffnung des Hauptverfahrens entscheidet. Es befindet darüber, ob aufgrund des Ergebnisses der Ermittlungen bei vorläufiger Tatbewertung eine Verurteilung des Angeschuldigten möglich erscheint (BGHSt 23, 304, 306). Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens gibt das zuständige Gericht zu erkennen, dass es nach Durchsicht der Akten die Verurteilung für hinreichend wahrscheinlich hält. Durch diese Kontrollkompetenz soll verhindert werden, dass das Gericht gezwungen ist, eine Hauptverhandlung mit allen Nachteilen und Konsequenzen für den Betroffenen durchzuführen, wenn es abweichend von der Staatsanwaltschaft die Anklage nicht für schlüssig oder den Tatverdacht nicht für ausreichend hält (vgl. BGHSt 29, 224, 229).

Angesichts der Bedeutung dieser richterlichen Entschließung für das weitere Verfahren ist der Eröffnungsbeschluss in schriftlicher Form abzufassen (BGH DRiZ 1981, 343; NJW 1987, 2751; OLG Hamm MDR 1993, 893; BayObLG StV 1990, 395, 396; OLG Zweibrücken, NStZ-RR 1998, 74 m.w.N.). Damit wird indes nicht gefordert, dass dieser einen der Vorschrift des § 207 Abs. 1 StPO entsprechenden Wortlaut haben müsste. Es genügt vielmehr auch ein anders formulierter Beschluss, wenn ihm die Willenserklärung des Gerichts zu entnehmen ist, dass dieses die Anklage nach Prüfung der Voraussetzungen zulassen wollte, und die Entscheidung die mit dem Eröffnungsbeschluss verbundene Schutzfunktion für den Angeklagten einhält (vgl. OLG Hamm, JR 1991, 33, 34; BayObLG bei Rüth DAR 1985, 233, 245).

Diesen Anforderungen genügt der in Betracht kommende "Beschluss" vom "4. Januar 1998" nicht. Bei den Akten befindet sich ein Beschlussfragment, für das der amtliche Vordruck

StP 18 "Eröffnungsbeschluss und Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung (§§ 203, 207, 213 StPO) - Amtsgericht -" verwandt worden ist. Das Beschlussformular enthält lediglich einige handschriftliche Eintragungen, die ersichtlich nicht von der Strafrichterin, sondern offensichtlich von einer/einem Geschäftsstellenbediensteten stammen. Es ist insoweit in entsprechenden Vordruckfeldern mit signifikanter Handschrift das Aktenzeichen "5 Ds 17 Js 792/98", ferner gegen "./. D v.R" wegen "FoFE" sowie als Anklagebezeichnung Staatsanwaltschaft "DT" vom "7.12.98" Aktenzeichen "17 Js 792/98" eingetragen. Mit zwei "x"-Kreuzen ist gekennzeichnet, dass das Hauptverfahren gegen den Angeklagten vor dem Strafrichter eröffnet werde. Die Worte "Die Untersuchungshaft" sind gestrichen. Als Ort und Tag des Beschlusses ist handschriftlich aufgeführt "DT", ferner ist ein Datumsstempel mit "04. JAN. 1998" aufgedrückt. Der Beschluss ist nicht unterschrieben. Auf der Rückseite des Beschlussformulars hat die Richterin mit ihrer Schrift und einem anderen Schreibmittel den Vordruck zur Terminsverfügung ausgefüllt und unter Hinzusetzung ihres Stempels vom "04. JAN. 1999" unterschrieben. Die Geschäftsstelle hat den Vorgang mit Stempel vom "4. JAN. 1998" an die Kanzlei gegeben und am 5. Januar 1999 den "Ab-Vermerk" gefertigt.

Bei dieser Sachlage kann nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden, dass die Amtsrichterin das Verfahren tatsächlich nach pflichtgemäßer und eigenständiger Prüfung des Akteninhalts eröffnet hat. Die Beschlussfassung enthält weder die Unterschrift der Richterin noch sonst die geringste Spur ihrer richterlichen Tätigkeit in bezug auf das Zustandekommen der Eröffnungsentscheidung und kann schon deshalb nicht Grundlage des weiteren Verfahrens sein. Das bloße Ausfüllen des Formulars durch - hier offensichtlich - die Geschäftsstelle besagt insoweit nichts. Es kann sich um einen Entwurf handeln, der erstellt worden ist, bevor eine richterliche Prüfung der Anklage stattgefunden hat.

Die fehlende Eröffnungsentscheidung ist durch die Termins- und Ladungsverfügung vom 4. Januar 1999 nicht wirksam ersetzt worden, auch wenn sie von der für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Strafrichterin unterschrieben worden ist (vgl. dazu OLG Zweibrücken, a.a.O. m.w.N.; OLG Frankfurt NJW 1991, 2849). Die Termins- und Ladungsverfügung setzt vielmehr einen wirksam gefassten Eröffnungsbeschluss voraus. Erforderlich bleibt aus Gründen der Rechtssicherheit, dass der fragliche Beschluss aus sich heraus oder in Verbindung mit sonstigen Urkunden mit Sicherheit erkennen lässt, dass der zuständige Richter die Eröffnung der Hauptverhandlung beschlossen hat. Der ausschließlich die Hauptverhandlung vorbereitenden Termins- und Ladungsverfügung kann jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen weder eindeutig noch schlüssig entnommen werden, dass das Gericht damit inhaltlich (auch) einen Eröffnungsbeschluss fassen wollte und auch gefasst hat (vgl. OLG Zweibrücken, a.a.O.).

Da ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 1. März 1999 auch in der amtsgerichtlichen Hauptverhandlung ein Eröffnungsbeschluss nicht nachgeholt worden ist (vgl. BGHSt 29, 224; 33, 167) - es wurde lediglich der Anklagesatz der Anklageschrift vom 07.12.1998 verlesen -, besteht ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis, das zur Verfahrenseinstellung führt. Eine Zurückverweisung kommt nicht in Betracht (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 203 Rdnr. 3 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.