OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.03.2006 - 10 A 4924/05
Fundstelle
openJur 2011, 42167
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Mega-Light-Werbeanlage im Stadtgebiet von L. .

Sie betreibt ein Unternehmen der Außenwerbung. Zum Zwecke der Errichtung von Anlagen der Außenwerbung mietet sie Grundstücke an, um die Werbeflächen weiterzuvermieten.

Die Klägerin beantragte am 9. Februar 2004 beim Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines einseitigen "Mega-Light auf Monofuß für hinterleuchtete Wechselwerbung" auf dem Grundstück M. Straße 1-3 in L. (Gemarkung O. , Flur 88, Flurstück 1184). Dabei handelt es sich um einen hinterleuchteten Schaukasten (2,79 m H x 3,75 m B x 0,55 m T) mit einem Werbeplakatwechselsystem für vier Plakate (8,87 m² Aufsichtsfläche). Die Plakate wechseln in vertikaler Laufrichtung. Die Verweildauer für die einzelnen Plakate sowie die Wechselzeit (3 Sek.) von einem zum nächsten Plakat sind programmierbar. Die Wechselvitrine steht auf einem 2,5 m hohen Monofuß (mit einseitigem Wechslermodul). Anders als bei einer Prismenwendeanlage erfolgt der Bildwechsel nicht in einem kurzen Moment, sondern durch Einziehen der Plakate, so dass - bis der Bildwechsel erfolgt ist - zwei Werbeplakate teilweise gleichzeitig sichtbar sind.

Die Werbeanlage soll westlich der M. Straße und südöstlich der Einmündung des T. Weges auf einer privaten Grünfläche straßennah so errichtet werden, dass die Werbebotschaft für die auf der M. Straße von Nordwesten kommenden Verkehrsteilnehmer wegen der nahezu rechtwinkligen Ausrichtung zur Straße gut sichtbar ist. Der geplante Aufstellungsort befindet sich ca. 10 m vor der nördlichen Außenwand des ca. 10 m breiten und ca. 50 m langen neungeschossigen Gebäudes M. Straße 1-3, dessen Erdgeschoss überwiegend kleinflächig gewerblich genutzt wird. Südwestlich schließt sich ein ein- bis zweigeschossiger Gebäudekomplex an, der in den Erdgeschossen ebenfalls gewerblich genutzt wird. Weiter westlich folgen zwei viergeschossige Hausgruppen, die ebenfalls im Erdgeschoss gewerblich genutzt werden und im Übrigen der Wohnnutzung dienen. Wegen des dort vorhandenen Gewerbes, das jeweils durch Eigenwerbung auf sich hinweist, wird auf die von dem Beklagten eingereichte Nutzungskarte verwiesen. Ca. 20 m westlich des geplanten Aufstellungsortes befindet sich ein ungenutztes ehemaliges Tankstellengelände mit verfallenen Gebäuden. Der sich weiter westlich anschließende Bereich beidseitig des T. Weges sowie nordwestlich der M. Straße sowie nördlich des Parkgürtels dient ausschließlich dem Wohnen sowie der Unterbringung von Schulen und Kindergärten.

Östlich der ca. 29 m breiten M. Straße und westlich der S-Bahn-Trasse befindet sich auf einem ehemaligen Bahngelände ein intensiv genutztes Gewerbegebiet mit einer Vielzahl von Werbeanlagen. Fremdwerbung findet sich auch im südlich anschließenden Bereich des Parkhügels und der U-Bahnstation H.--- ----straße /Q. .

Mit Bescheid vom 19. Mai 2004, abgesandt am 2. Juni 2004, lehnte der Beklagte die Erteilung einer Baugenehmigung mit der Begründung ab, der Aufstellungsort der Werbeanlage liege in einem unbeplanten Bereich nach § 34 Abs. 2 BauGB, der dem Charakter eines allgemeinen Wohngebietes entspreche. Die M. Straße habe trennende Wirkung hinsichtlich der unterschiedlichen Nutzungen auf der nordöstlichen Seite (Gewerbegebiet) und auf der südwestlichen Seite (allgemeines Wohngebiet). Nach § 13 Abs. 4 BauO NRW seien Werbeanlagen hier nur an der Stätte der Leistung zulässig.

Die Klägerin erhob am 29. Juni 2004 Widerspruch. Sie legte Fotos der Umgebung vor, um zu belegen, dass sich der geplante Aufstellungsort der Werbeanlage in einem Mischgebiet befinde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2004 wies die Bezirksregierung L. den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Werbeanlage solle unzulässigerweise in einem allgemeinen Wohngebiet errichtet werden.

Die Klägerin hat am 9. Oktober 2004 Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, bei der näheren Umgebung handele es sich nicht um ein allgemeines Wohngebiet, sondern um ein Mischgebiet.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 19. Mai 2004 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung L. vom 16. September 2004 zu verpflichten, der Klägerin die Baugenehmigung zur Errichtung einer Werbeanlage (Mega-Light auf Monofuß, beleuchtet) gemäß Antrag vom 29. Januar 2004 - richtig vom 9. Februar 2004 - auf dem Grundstück Gemarkung O. , Flur , Flurstück , M. Straße 1-3, in L. zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide verwiesen. Zusätzlich hat er ausgeführt, die geplante Werbeanlage verdecke die Aussicht auf begrünte Flächen.

Nach Ortsbesichtigung durch den Berichterstatter der Kammer hat das Verwaltungsgericht den Beklagten durch Urteil vom 18. Oktober 2005 unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung für die Werbeanlage zu erteilen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die beantragte Werbeanlage sei bauplanungsrechtlich zulässig. Der Aufstellungsort liege nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO in einem faktischen Wohngebiet. Dort sei sie nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb ausnahmsweise zulässig. Das Ermessen des Beklagten sei auf Null reduziert, da er Werbeanlagen bestimmter Anbieter in allgemeinen Wohngebieten ohne weiteres zulasse. Die geplante Werbeanlage verstoße auch nicht gegen Bauordnungsrecht, insbesondere nicht gegen § 13 Abs. 4 Satz 1 BauO NRW. Zwar seien nach dieser Vorschrift in allgemeinen Wohngebieten nur Werbeanlagen an der Stätte der Leistung sowie Anlagen für amtliche Mitteilungen und zur Unterrichtung der Bevölkerung über kirchliche, kulturelle politische, sportliche und ähnliche Veranstaltungen zulässig. Werde diese Vorschrift so verstanden, wie sie die Rechtsprechung bisher angewendet habe, stelle sie eine kompetenzwidrig erlassene landesrechtliche Regelung über die Zulässigkeit einer bestimmten Art der baulichen Nutzung in bestimmten Baugebieten dar und sei verfassungswidrig. Welche Arten der baulichen Nutzung in den jeweiligen Baugebieten zugelassen werden können, habe der Bundesgesetzgeber in der Baunutzungsverordnung abschließend festgelegt. Wer bodenrechtliche Regelungen treffen wolle, habe sich des hierfür in der Baunutzungsverordnung zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumentariums zu bedienen. Dem Landesgesetzgeber fehle auch die Gesetzgebungskompetenz, "mittelbar" bodenrechtliche Regelungen zu treffen. Er sei nicht befugt, im Gewande bauordnungsrechtlicher Gestaltungsvorschriften bodenrechtliche Regelungen zu treffen. Infolgedessen sei § 13 Abs. 4 S. 1 BauO NRW verfassungskonform in Anlehnung an das Bauplanungsrecht so auszulegen, dass es bauplanungs- und bauordnungsrechtlich nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen komme.

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung hat der Beklagte gegen das ihm am 11. November 2005 zugestellte Urteil am 9. Dezember 2005 erhoben und mit am 10. Januar bei Gericht eingegangenen Schriftsatz wie folgt begründet: Die beantragte Werbeanlage verstoße gegen § 13 Abs. 4 Satz 1 BauO NRW. Die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung bestehe nicht, da der Landesgesetzgeber sich beim Erlass dieser Vorschrift im Rahmen der ihm zukommenden Gesetzgebungsbefugnis gehalten habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe in ständiger Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass die unterschiedliche Zielsetzung des Bauplanungsrechts einerseits und des Bauordnungsrechts andererseits hinsichtlich ein und desselben Gegenstandes oder Sachverhaltes eine sowohl planungsrechtliche und daher bundesrechtliche als auch eine bauordnungsrechtliche und mithin landesrechtliche Regelung ermögliche oder erforderlich machen könne. Nach dieser Maßgabe habe das Bundesverwaltungsgericht im Jahre 1965 die Vorgängervorschrift zum § 13 Abs. 4 Satz 1 BauO BRW ausdrücklich für verfassungskonform erklärt. Hieran sei festzuhalten. Im Übrigen verdecke das beantragte Vorhaben Grün und verstoße somit auch gegen § 13 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz BauO NRW.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hält an ihrer Meinung fest, der Aufstellungsort liege in einem Mischgebiet.

Der Vorsitzende des Senats hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen und Fotos vom geplanten Aufstellungsort und der Umgebung anfertigen lassen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 7. Februar 2006 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Unrecht unter Aufhebung seines Bescheides vom 19. Mai 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2004 verpflichtet, der Klägerin auf ihren Bauantrag vom 9. Februar 2004 eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Mega-Light Wechselwerbeanlage auf dem Grundstück M. Straße 1-3 in L. zu erteilen.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat die Erteilung der Baugenehmigung zu Recht abgelehnt.

Bei der Mega-Light Werbeanlage handelt es sich um eine bauliche Anlage i.S.d. § 2 Abs. 1 BauO NRW, deren Errichtung nach § 63 Abs. 1 BauO NRW baugenehmigungsbedürftig ist. Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben öffentlichrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Das ist hier entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts der Fall. Die Errichtung der Werbeanlage, deren Aufstellungsort in einem allgemeinen Wohngebiet liegt, ist bauplanungs- und bauordnungsrechtlich unzulässig.

Die Mega-Light-Werbeanlage unterliegt dem Anwendungsbereich der Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen. Nach § 1 Abs. 1 BauO NRW gilt dieses Gesetz für bauliche Anlagen und Bauprodukte. Es gilt auch für Grundstücke sowie für andere Anlagen und Einrichtungen, an die in diesem Gesetz oder in Vorschriften aufgrund dieses Gesetzes Anforderungen gestellt werden. Bei der Mega-Light- Werbeanlage handelt es sich einerseits nach § 2 Abs. 1 BauO NRW um eine bauliche Anlage, weil sie über den Monofuß mit dem Erdboden verbunden und aus Bauprodukten hergestellt ist. Bauprodukte sind auch aus Baustoffen und Bauprodukten vorgefertigte Anlagen, die hergestellt werden, um mit dem Erdboden verbunden zu werden (§ 2 Abs. 9 Nr. 2 BauO NRW). Das ist hier der Fall. Andererseits handelt es sich bei dem Mega-Light wegen seiner werblichen Funktion offenkundig um eine Anlage der Außenwerbung, an die in der Landesbauordnung Anforderungen gestellt werden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW). Nach § 13 Abs. 1 BauO NRW sind Werbeanlagen alle ortsfesten Einrichtungen, die der Ankündigung oder Anpreisung oder als Hinweis auf Gewerbe oder Beruf dienen und vom öffentlichen Verkehrsraum aus sichtbar sind. Hierzu zählen insbesondere Schilder, Beschriftungen, Bemalungen, Lichtwerbungen, Schaukästen sowie für Zettel- und Bogenanschläge oder Lichtwerbung bestimmte Säulen, Tafeln und Flächen. Die streitige Anlage ist auch nicht nach § 1 Abs. 2 oder § 13 Abs. 6 BauO NRW vom Anwendungsbereich der Landesbauordnung ausgenommen, weil die Ausschlusstatbestände dieser Vorschriften nicht gegeben sind.

Bei der Mega-Light-Werbeanlage handelt es sich um ein genehmigungsbedürftiges Vorhaben gemäß § 63 Abs. 1 BauO NRW. Danach bedarf u.a. die Errichtung baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW der Baugenehmigung, soweit in den §§ 65 - 67, 69 und 80 BauO NRW nichts anderes bestimmt ist. Da die Werbeanlagen betreffenden Freistellungstatbestände des § 65 Abs. 1 Nr. 33 - 35 BauO NRW nicht erfüllt und die anderen genannten Vorschriften nicht einschlägig sind, ist das streitige Vorhaben baugenehmigungspflichtig.

Die Werbeanlage unterliegt dem vereinfachten Genehmigungsverfahren. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW wird dieses für die Errichtung von baulichen Anlagen sowie anderen Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW durchgeführt, soweit sie nicht nach den §§ 65 - 67 BauO NRW genehmigungsfrei sind. Das ist hier, wie bereits ausgeführt wurde, nicht der Fall.

Nach § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW prüft die Bauaufsichtsbehörde im vereinfachten Genehmigungsverfahren nur die Vereinbarkeit des Vorhabens mit

den Vorschriften der §§ 29 - 38 des Baugesetzbuches,

den §§ 4, 6, 7, 9 Abs. 2, §§ 12, 13 und 51, bei Sonderbauten auch mit § 17 BauO NRW,

den örtlichen Bauvorschriften nach § 86 BauO NRW,

anderen öffentlichrechtlichen Vorschriften, deren Einhaltung nicht in einem anderen Genehmigungs-, Erlaubnis- oder sonstigen Zustimmungsverfahren geprüft wird.

Aus dem so umschriebenen Prüfungsumfang folgt, dass die Bauaufsichtsbehörde im Grundsatz zunächst eine doppelgleisige präventive Prüfung durchzuführen hat, die einerseits das Planungsrecht des Bundes und andererseits das Bauordnungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen zum Gegenstand hat. Die Zweiteilung des von der Sache her einheitlichen Baurechts in Bundes- und Landesbaurecht folgt aus den Vorschriften des Grundgesetzes über die Gesetzgebungszuständigkeit, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seinem Rechtsgutachten vom 16. Juni 1954 - 1 PBvV 2/52 - (BVerfGE 3, 407 ff.) über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass eines Baugesetzes interpretiert hat. Danach verleiht das Grundgesetz weder dem Bund noch den Ländern eine umfassende Gesetzgebungskompetenz für die Materie Baurecht als Ganzes. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG besitzt der Bund unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Bodenrecht. Für das "Baupolizeirecht im bisher gebräuchlichen Sinne" steht hingegen den Ländern die Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 70 Abs. 1 GG zu. Zur Begründung hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, der Begriff "Bodenrecht" könne nicht diejenigen Materien mit umfassen, die in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG selbstständig neben dem "Bodenrecht" aufgeführt seien. Zur Materie "Bodenrecht" gehörten vielmehr nur solche Vorschriften, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung hätten, also die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regelten. Gegenstand des Bodenrechts sei insbesondere auch das Planungsrecht. Hingegen umfasse die als "Baupolizeirecht im bisherigen Sinne" bezeichnete Gesetzgebungsmaterie der Länder alles das, was als Aufgabenbereich der Polizeibehörden mit Bezug auf die Errichtung und Erhaltung von Bauwerken herkömmlich anerkannt worden sei. Darüber hinaus seien gerade im Bereich des Bauwesens den Polizeibehörden durch Sondergesetze weitere Befugnisse eingeräumt worden, die nicht mehr der Gefahrenabwehr im engeren Sinne dienten, sondern ästhetische oder der allgemeinen Wohlfahrt dienende Absichten verfolgten.

Vgl. BVerfG, a.a.O, S. 424, 430 ff.

Das Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts hat vielfältige Kritik erfahren, die (bisher) keine Berücksichtigung gefunden hat.

Dazu und zu weiteren Nachweisen vgl. Schulte, Rechtsgüterschutz durch Bauordnungsrecht, Berlin 1982 S. 57 f. sowie derselbe in: Reichel/ Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, München 2004, Kap. 1 Rdnr. 339 f.

Auch später hat das Bundesverfassungsgericht an der in seinem Rechtsgutachten vorgenommenen Verteilung der Gesetzgebungskompetenz für das Baurecht auf Bund und Länder festgehalten. Es hat entschieden, dass sich die vom Grundgesetz vorgenommene Aufteilung der Kompetenz für das Baurecht zwischen Bund und Ländern zulässigerweise dahin ausgewirkt habe, dass die Genehmigungsbehörde einen Rechtsvorgang zum einen aus planungsrechtlicher Sicht nach Bundesrecht, zum anderen aus bauordnungsrechtlicher Sicht nach Landesrecht zu beurteilen habe. So hat es ausgeführt: "Das Bundesbaugesetz enthält wegen der Kompetenzbegrenzung des Bundes keine Bestimmungen, die in die Kompetenz der Länder für das Bauordnungsrecht eingreifen. Es enthält also keine Vorschriften über die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen. Auch aus § 29 Abs. 4 BBauG ergibt sich, dass die Vorschriften des Bauordnungsrechts unberührt bleiben".

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 1975 - 2 BvL 9/74 -, BVerfGE 40, 261, 266.

Durch die beschriebene bundesstaatlich bedingte Zweiteilung der einheitlichen Baurechtsmaterie kommt es zu verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Schnittstellen zwischen dem Baugesetzbuch des Bundes und den Bauordnungen der Länder. Nach der Streichung der sog. Vorbehaltsklausel bezüglich eines bauaufsichtlichen Verfahrens in § 29 Abs. 1 BauGB in der ab dem 1. Januar 1998 geltenden Fassung des BauROG stehen der bauplanungsrechtliche und der bauordnungsrechtliche Vorhabensbegriff selbstständig nebeneinander.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 2001 - 6 C 18/00 -, NVwZ 2001, 1046.

Nach § 29 Abs. 2 BauGB (früher § 29 Abs. 4 BauGB) bleiben die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlichrechtliche Vorschriften unberührt. Diese Klausel darf nicht dahin missverstanden werden, mit ihr sei das Verhältnis zwischen beiden Regelungsbereichen abschließend geregelt. § 29 Abs. 2 BauGB schließt ebenso wenig wie die landesrechtlichen Vorbehaltsklauseln in der Baunutzungsverordnung aus, dass Kollisionen zwischen Bauplanungs- und Bauordnungsrecht auftreten können, die durch die Teilung der einheitlichen Baurechtsmaterie bedingten Schwierigkeiten der "Überschneidung" oder "Verzahnung" vom Bauplanungs- und Bauordnungsrecht, das zudem unter der Maßgabe des Art. 31 GG "Bundesrecht bricht Landesrecht" steht, ausgelöst werden. Dies spiegelt sich auch in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wieder. Da die §§ 30 - 37 BauGB unter städtebaulichen Gesichtspunkten abschließend sind, dürfen die Länder diese Vorschriften nicht durch Regelungen modifizieren, die städtebaulichen Charakter haben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1983 - 4 C 17.81 -, BRS 40 Nr. 92 = DVBl. 1983, 893.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Bausenate des OVG NRW seit langem angeschlossen haben, gehören Werbeanlagen als solche weder allein zum Bauplanungsrecht noch allein zum Bauordnungsrecht. Sie sind vielmehr je nach der gesetzgeberischen Zielsetzung sowohl einer bauplanungsrechtlichen als auch einer bauordnungsrechtlichen Regelung zugänglich.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 1972 - IV C 11.69 -, BVerwGE, 40, 94 = BRS 25 Nr. 127.

Die Klägerin hat nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung für die Mega-Light-Werbeanlage. Danach ist die Baugenehmigung nur zu erteilen, wenn dem Vorhaben öffentlichrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Das ist hier jedoch der Fall. An dem geplanten Aufstellungsort ist die Mega-Light-Werbeanlage bauplanungsrechtlich und bauordnungsrechtlich nicht zulässig. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Anspruchs auf Erteilung einer Baugenehmigung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 1973 - IV B-19.73 -, BRS 27 Nr. 133; OVG NRW, Beschluss vom 16. Juli 1998 - 10 A 3179/98 -; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Loseblatt, Stand: Oktober 2005, § 75 Rdnr. 184.

Die beantragte Werbeanlage ist - entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts - bereits planungsrechtlich unzulässig.

Bei der Mega-Light-Werbeanlage, die auf einem Monofuß auf einer Rasenfläche vor dem neunstöckigen Wohn- und Geschäftshaus M. Straße 1 - 3 in L. aufgestellt werden soll, handelt es sich auch um ein Vorhaben im Sinne des Bauplanungsrechts. Nach § 29 Abs. 1 BauGB gelten für Vorhaben, die u.a. die Errichtung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, die §§ 30 - 37 BauGB. Der Begriff "bauliche Anlage" im Sinne dieser Vorschrift gehört dem Bundesrecht an. Bei ihm handelt es sich um einen selbstständigen bauplanungsrechtlichen Vorhabensbegriff, der vom bauordnungsrechtlichen Vorhabensbegriff zu unterscheiden ist und sich mit diesem nicht vollständig deckt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 1971 - IV C 33.69 -, BVerwGE 39, 154 und Urteil vom 31. August 1973 - IV C 33.71 -, BVerwGE 44, 59.

Demgemäß ist bundesrechtlich zu beurteilen, ob die streitige Werbeanlage eine bauliche Anlage im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist. Dem steht nicht entgegen, dass Anlagen der Außenwerbung im landesrechtlichen Bauordnungsrecht vielfältige Regelungen erfahren haben.

Das Vorhaben der Klägerin betrifft eine Anlage, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden ist. Erforderlich ist insoweit eine bautechnische Betrachtungsweise. Die besondere Art der Verbindung, die konkrete konstruktive Beschaffenheit oder die Größe der Werbeanlage sind hingegen keine qualifizierenden Merkmale. Die Mega-Light-Werbeanlage soll auch auf Dauer über einen Monofuß mit dem Erdboden verbunden werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird eine Anlage in diesem Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB nur erfasst, wenn sie gemäß § 1 Abs. 3 BauGB eine städtebauliche (bauplanungsrechtliche) Relevanz besitzt. Nur dann ist sie auch eine bauliche Anlage im Sinne des Bauplanungsrechts. Das ist der Fall, wenn die Anlage geeignet ist, ein Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnde verbindliche Bauleitplanung hervorzurufen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 1973 - IV C 33.71 -, BVerwGE 44, 59.

Ob eine Anlage geeignet ist, das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen, ist auf der Grundlage einer das einzelne Objekt verallgemeinernden Betrachtungsweise zu beantworten. Die Genehmigung betrifft zwar das einzelne Vorhaben. Seine städtebauliche Relevanz erschließt sich jedoch vor allem dadurch, dass es in seiner Typisierbarkeit zu betrachten ist. Eine städtebauliche Relevanz der einzelnen Anlage ist dann anzunehmen, wenn sie gerade in ihrer gedachten Häufung das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Planung hervorruft. Städtebauliche Relevanz besteht deshalb dann, wenn die Anlage - auch und gerade in ihrer unterstellten Häufung - Belange erfasst oder berührt, welche im Hinblick auf das grundsätzliche Gebot des § 1 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 6 BauGB auch städtebauliche Betrachtung und Ordnung verlangen. Hierzu zählt auch das Ortsbild der Gemeinde (vgl. §§ 1 Abs. 6 Nr. 5, 34 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BauGB). Für das Ortsbild ist in aller Regel auch eine Außenwerbung relevant. Ihr eigentliches Ziel ist es gerade, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken; in diesem Sinne muss sie im vorhandenen Ortsbild gerade "auffallend" wirken. Eine derartige städtebauliche Relevanz besitzt die Mega-Light-Werbeanlage bereits aufgrund ihrer Höhe, ihrer Werbefläche, die neben der Anbringung auf einem 2,50 m hohen Monofuß besonders auffällig dadurch wirkt, dass sie durch bewegliche Werbebotschaften die besondere Aufmerksamkeit von Betrachtern auf sich lenkt. Sie kann auch tatsächlich Gegenstand planerischer Festsetzungen sein und ist damit konkret bauplanerisch beurteilungsfähig.

Bei der Mega-Light-Werbeanlage handelt es sich nicht um eine Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 1 BauNVO. Sie dient der wechselnden Fremdwerbung und damit - anders als eine Werbung an der Stätte der Leistung - nicht dem im Baugebiet gelegenen Grundstück. Es gibt keinen Funktionszusammenhang zwischen der Nutzung des Wohn- und Geschäftshauses M. Straße 1 - 3 in L. und der geplanten Außenwerbung. Liegen die besonderen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 BauNVO nicht vor, so ist das Vorhaben vielmehr nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 2 ff. BauNVO zu beurteilen, wenn es im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt oder der Regelung des § 34 Abs. 2 BauGB unterfällt. Eine Werbeanlage, welche als Anlage im erörterten bautechnischen Sinne anzusehen ist und Fremdwerbung zum Gegenstand hat, stellt bauplanerisch eine eigenständige "Hauptnutzung" dar. Daran besteht kein Zweifel, wenn die Werbeanlage - wie hier - als eine selbstständige, also freistehende Anlage errichtet werden soll.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992 - 4 C 27.91 -, BRS 54 Nr. 126.

Eine Werbeanlage der Fremdwerbung kann, wenn sie bauliche Anlage gemäß § 29 Abs. 1 BauGB ist, nach der Art der baulichen Nutzung im System des § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. den §§ 2 ff. BauNVO bauplanungsrechtlich zugeordnet werden. Die Werbeanlage, welche als Außenwerbung der Fremdwerbung zu dienen bestimmt ist, kann daher als ein Fall gewerblicher Nutzung über bauplanerische Festsetzungen nach den §§ 2 ff. BauNVO entweder zugelassen oder ausgeschlossen werden. Die Gemeinde kann hierzu gegebenenfalls auch von der Möglichkeit des § 1 Abs. 5 - 10 BauNVO Gebrauch machen. Im Übrigen richtet sich die bauplanungsrechtliche Beurteilung nach den jeweils zulässigen Nutzungsarten im festgesetzten Baugebiet. Eine Regelungslücke im System der Baunutzungsverordnung besteht damit nicht. In einer derartigen Beschränkung der Außenwerbung als Fremdwerbung auf den planerisch festgesetzten Gebietscharakter liegt kein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist der Gesetzgeber und damit auch der Verordnungsgeber ermächtigt, die Nutzung des Grundeigentums näher auszugestalten. Nicht zweifelhaft ist, dass die Verwirklichung städtebaulicher Ordnung und Entwicklung ein verfassungslegitimes Ziel darstellt. Damit wird die Fremdwerbung nicht allgemein unterbunden, sondern nur der jeweiligen städtebaulichen Nutzungsweise zugeordnet.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992, a.a.O.

Der geplante Aufstellungsort der Werbeanlage liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Ein Bebauungsplan existiert für das hier fragliche Gebiet nicht.

Die nähere Umgebung entspricht einem allgemeinen Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO. Infolgedessen beurteilt sich gemäß § 34 Abs. 2 BauGB die Zulässigkeit der Werbeanlage ihrer Art nach allein danach, ob sie nach der Baunutzungsverordnung in dem Wohngebiet allgemein zulässig ist; auf die nach der Baunutzungsverordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Abs. 1 BauGB, im Übrigen ist § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anzuwenden. Die maßgebliche nähere Umgebung umfasst hinsichtlich des Merkmals der Art der baulichen Nutzung die Bebauung südwestlich der M. Straße und nordwestlich der Straße Q. . Der Senat kann letztendlich offen lassen, wie weit vom Aufstellungsort der geplanten Werbeanlage nach Nordwesten, Westen und Südwesten die Gebietsgrenze zu ziehen ist, weil sich hier ausschließlich Wohngebiete anschließen, die durch Geschosswohnungsbau bis hin zu freistehenden Ein- und Mehrfamilienhäusern geprägt ist. Fallentscheidend ist jedoch, dass einerseits die 29 m breite M. Straße das Wohngebiet deutlich zu dem nordöstlich der M. Straße gelegenen intensiv genutzten Gewerbegebiet mit einer Vielzahl von Eigen- und Fremdwerbeanlagen abgrenzt. Eine derartige trennende Wirkung hat auch die Straße Q. in südöstlicher Richtung. Dadurch ist der Bereich rund um die U-Bahn-Haltestelle H1.------straße /Q. mit dort vorhandenen Fremdwerbeanlagen bis hin zu einer Mega-Light-Werbeanlage deutlich von dem Wohngebiet abgesetzt. Durch die trennende Wirkung der breiten Hauptverkehrsstraßen sind die jenseits der genannten Straßen stattfindenden gewerblichen Nutzungen nicht der näheren Umgebung des Aufstellungsortes und des sich dahinter befindenden großflächigen Wohngebietes zuzuordnen. Nach dem Eindruck, den der Berichterstatter im Ortstermin gewonnen und dem Senat vermittelt hat und der durch das vorhandene Kartenmaterial bestätigt wird, ist der Aufstellungsort der Werbeanlage Teil des Wohngebietes. Er wird nicht durch die beschriebenen gewerblichen Bereiche planungsrechtlich beeinflusst. Eine dafür erforderliche wechselseitige bodenrechtliche Prägung in Richtung Mischgebiet bzw. Gemengelage findet nicht statt. Die Beurteilung der näheren Umgebung als ein faktisches allgemeines Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO wird - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht dadurch in Frage gestellt und in Richtung auf ein Mischgebiet nach § 6 BauNVO beeinflusst, dass im Erdgeschoss des neunstöckigen Wohn- und Geschäftshauses M. Straße 1 - 3, im eingeschossigen Teil des Gebäudes M. Straße Nr. 110 und in den beiden viergeschossigen östlich davon gelegenen Hausgruppen im Erdgeschoss gewerbliche Nutzung stattfindet. Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung und nach Auswertung der von dem Beklagten vorgelegten Nutzungskarte ist nicht zweifelhaft, dass hier neben der dominierenden Wohnnutzung nur solche sonstigen Nutzungen anzutreffen sind, die allgemein im WA zulässig sind. Dabei handelt es sich um die der Versorgung des Gebietes dienende Läden wie zum Beispiel ein Minimal-Markt und Bäckereien, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe wie Friseure und Elektriker (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO), um Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke wie eine Karateschule (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). Dieser Gebietscharakter wird auch nicht durch die vorhandene Zweigstelle der Stadtsparkasse und das heruntergekommene ehemalige Tankstellengelände in Frage gestellt. Beide Nutzungen können nach § 4 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zugelassen werden, ohne dem Gebietscharakter zu widersprechen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 23/86 -, BRS 50 Nr. 75 = NVwZ 1990, 755, Urteil vom 21. März 2003 - 4 C 1.02 -, NVwZ 2002, 1118 und Schulte in Reichel/Schulte, a.a.O. Kap. 4 Rn. 155 ff. (158).

Die beschriebene Ansammlung gewerblicher Nutzungen in den Erdgeschossen der genannten Gebäude ist als Nahversorgungsschwerpunkt für ein großstädtisches allgemeines Wohngebiet nicht untypisch. Sie dient der Versorgung der Wohnbevölkerung, die sich hier überwiegend fußläufig mit Artikeln des täglichen Bedarfs eindeckt und wohnortnahe Dienstleistungen in Anspruch nimmt.

Die genannten kleinteiligen Gewerbebetriebe verfügen durchweg über Eigenwerbeanlagen, die als Nebenanlagen gemäß § 14 Abs. 1 BauNVO in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig sind. Auch die von der Klägerin angesprochenen Litfaßsäulen können zur Information der Bevölkerung in einem allgemeinen Wohngebiet planungsrechtlich zulässig sein. Dieser vorrangige Zweck schließt eine Fremdwerbung auf den jeweils freien Flächen der Säule nicht aus.

Die Einordnung des hier fraglichen Bereiches als allgemeines Wohngebiet scheitert auch nicht an der Lärmbelastung, die zweifelsfrei von der M. Straße und der Straße Q. auf die Wohnnutzung einwirkt. Straßenverkehr und Straßenverkehrslärm wirken typischerweise in allen Gebieten der Baunutzungsverordnung auf die dort zulässige Nutzung ein, ohne dass dadurch der Gebietscharakter verändert würde.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. November 2005 - 10 D 76/03.NE -; die abweichende Meinung des VG Weimar - Urteil vom 19. März 2003 - 1 K 740/02.We -, Urteilsabdruck S. 7 f. - ist abzulehnen.

Liegt der geplante Aufstellungsort der Mega-Light-Werbeanlage somit im einem faktischen allgemeinen Wohngebiet, unterfällt die beabsichtigte Hauptnutzung den Anforderungen des § 4 BauNVO. An dem geplanten Aufstellungsort ist die Mega-Light-Werbeanlage bauplanungsrechtlich nicht zulässig. Nach § 4 Abs. 2 BauNVO ist eine gewerbliche Nutzung nicht allgemein, sondern nur in den Fällen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO (- die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe -) zulässig. Das klägerische Vorhaben wird hiervon nicht erfasst.

Dieses ließe sich mithin nur im Wege der ermessensbezogenen Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO verwirklichen. Danach können sonstige nicht störende Gewerbebetriebe ausnahmsweise zugelassen werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992, a.a.O.

Zwar verwendet die Baunutzungsverordnung insoweit nur den Begriff des Gewerbebetriebes. In einem engeren Verständnis ist eine Anlage der Außenwerbung kein Betrieb. Aber mit dem Begriff des Betriebs umschreibt die Baunutzungsverordnung nur in typisierender Weise eine Zusammenfassung gewerblicher Nutzungsweisen, um diese Nutzung von anderen Nutzungsarten sinnvoll abgrenzen zu können.

Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass Fremdwerbung im reinen Wohngebiet ausnahmslos und im allgemeinen Wohngebiet regelmäßig ausgeschlossen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 1992, a.a.O., amtlicher Leitsatz Nr. 2 Satz 2.

Auch wenn die Klägerin im Verwaltungsverfahren keinen Antrag auf ausnahmsweise Zulassung der Werbeanlage im allgemeinen Wohngebiet gestellt hat und der Beklagte - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine entsprechende Ermessensentscheidung getroffen hat, prüft der Senat anhand der genannten rechtlichen Maßstäbe, ob die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zulässigkeit der Fremdwerbeanlage im allgemeinen Wohngebiet gegeben sind. In aller Regel muss nämlich ein Antrag nach § 31 BauGB nicht gesondert gestellt werden.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 1990 - 4 B 56.90 -, BRS 50 Nr. 171 = NVwZ-RR 1990, 529.

Für die Erteilung einer Ausnahme fehlt es hier bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen. Bei der Beantwortung der Frage, ob es sich bei einem Vorhaben um einen "nicht störenden" Gewerbebetrieb handelt, sind alle mit der Zulassung des Betriebs nach seinem Gegenstand, Struktur und Arbeitsweise typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung zu berücksichtigen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 1990 - 4 B 121.90 -, BRS 50 Nr. 58 = BauR 1991, 49.

Dabei ist nicht nur auf Immissionen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes abzustellen, sondern auch auf optische Auswirkungen des Vorhabens. Auch diese können den Gebietscharakter eines Wohngebiets, nämlich die dort zu gewährleistende Wohnruhe, stören. Ein Vorhaben kann durchaus auch durch seine optische Erscheinung gebietswidrig laut wie die Erzeugung von Geräuschen sein. Weyreuther spricht in diesem Zusammenhang von 'knalliger' Außenwerbung.

Vgl. Weyreuther, Bundes- und Landesbaurecht, BauR 1972, 1 (4) und OVG NRW, Beschluss vom 25. Februar 2003 - 10 B 2417/02 -, BRS 66 Nr. 89 = BauR 2003, 1011 (1016) m.w.N.

Die Qualifizierung der Auswirkungen eines Gewerbebetriebes als "nicht störend" i.S. von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO hängt davon ab, ob diese Auswirkungen gebietsverträglich sind.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 - 4 C 1.02 -, BRS 65 Nr. 63 = BauR 2002, 1497 = NVwZ 2002, 1118 m.w.N.

Bei der zur Genehmigung gestellten Mega-Light-Werbeanlage handelt es sich schon bei einer typisierenden Betrachtung um eine störende gewerbliche Nutzung. Dies folgt aus der besonderen Auffälligkeit einer derartigen Werbeanlage. Sie wirkt durch Beleuchtung, beweglichen Wechsel von Werbebotschaften, ihre Anbringungshöhe auf einem 2,50 m hohen Monofuß und ihre Werbefläche von ca. 8,8 qm besonders störend auf die Wohnruhe ein. Nichts anderes gilt bei einer Betrachtung im Einzelfall. Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin wirkt die Werbeanlage - auch wenn sie im rechten Winkel zur M. Straße aufgestellt werden soll - in das allgemeine Wohngebiet hinein. Sie ist nämlich auch von der Wohnbebauung im Einmündungsbereich des T. Weges in die M. Straße aus sichtbar.

Liegen somit bereits die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme nicht vor, ist für die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu einer Ermessensreduzierung auf Null für die Erteilung einer Ausnahme von vornherein kein Raum. Mit seiner Begründung verlässt das Verwaltungsgericht die konkrete Beurteilung der streitigen Werbeanlage und widerspricht seiner vorher selbst vorgenommenen Qualifizierung der näheren Umgebung als allgemeines Wohngebiet. Mit der Einbeziehung der außerhalb des Wohngebietes liegenden Werbeanlagen in die Betrachtung setzt es sich über die vorher festgestellte trennende Wirkung der M. Straße und der Straße Q. hinweg, indem es für die Beurteilung der Fremdwerbeanlagen ein eigenes größer gezogenes Gebiet in den Blick nimmt.

Die beantragte Werbeanlage ist auch bauordnungsrechtlich unzulässig. Sie verstößt gegen § 13 Abs. 4 Satz 1 BauO NRW. Nach dieser Vorschrift sind in Kleinsiedlungsgebieten, Dorfgebieten, reinen Wohngebieten, allgemeinen Wohngebieten und besonderen Wohngebieten nur Werbeanlagen an der Stätte der Leistung sowie Anlagen für amtliche Mitteilungen und zur Unterrichtung der Bevölkerung über kirchliche, kulturelle, politische, sportliche und ähnliche Veranstaltungen zulässig; die jeweils freie Fläche dieser Anlagen darf auch für andere Werbung verwendet werden.

Wie bereits ausgeführt soll die Mega-Light Werbeanlage in einem allgemeinen Wohngebiet errichtet werden. Sie hat Fremdwerbung zum Gegenstand und dient somit nicht der Werbung an der Stätte der Leistung. Bei ihr handelt es sich auch nicht um eine Anlage für amtliche Mitteilungen und zur Unterrichtung der Bevölkerung zu den in der Vorschrift genannten Zwecken.

§ 13 Abs. 4 Satz 1 BauO NRW ist verfassungsgemäß und bedarf - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht einer restriktiven verfassungskonformen, am Bodenrecht orientierten Auslegung.

Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits die Vorgängervorschrift des § 13 BauO NRW, den für den hier relevanten Zusammenhang im Wesentlichen wortgleichen § 15 BauO NRW (vom 25. Juni 1962, GV.NW. 1962 S. 373) auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft.

Es ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vorschrift Normen des Baugestaltungsrechts enthalte, das zu dem den Ländern vorbehaltenen Bauordnungsrecht gehöre und dass die in der genannten Norm enthaltene Beschränkung von Werbeanlagen in Baugebieten, die hinsichtlich der Erhaltung des Orts- oder Landschaftsbildes besonders schutzwürdig erschienen, aus verfassungsrechtlicher Sicht (Art. 3 GG, Anspruch auf Gleichbehandlung, Art. 12 GG, Freiheit der Berufsausübung, Art. 14 GG, Gewährleistung des Eigentums) nicht zu beanstanden sei.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1965 - IV C 73.65 -, BRS 16 Nr. 75.

Zur Begründung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:

"Der Landesgesetzgeber hat sich beim Erlass der streitigen Rechtsvorschrift (§ 15 BauO NRW) im Rahmen der ihm zukommenden Gesetzgebungsbefugnis gehalten. Vorschriften über Anlagen der Außenwerbung gehören grundsätzlich zum Baugestaltungsrecht, das als Teil des den Ländern vorbehaltenen Bauordnungsrechts (BVerfGE 3,407 [430 ff.] Baupolizeirecht im bisher gebräuchlichen Sinne) anzusehen ist. Artikel 74 Nr. 18 GG beschränkt die (konkurrierende) Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes auf Rechtsetzung bodenrechtlichen Inhalts. § 9 Abs. 1 BBauG gilt daher - abgesehen von der grundsätzlich zum Städtebaurecht gehörenden Regelung der Art und des Maßes der baulichen Nutzung und der Bauweise - nicht für die äußere Gestaltung baulicher Anlagen und erst recht nicht für Anlagen der Außenwerbung, die keine baulichen Anlagen sind. Insoweit überlässt § 9 Abs. 2 BBauG den Landesregierungen, zu bestimmen, dass auch Festsetzungen über die Gestaltung baulicher Anlagen in den Bebauungsplan aufgenommen werden können. Auch die Bestimmungen der BauNVO stehen unter dem Gesichtspunkt der bundesrechtlichen Regelung der landesrechtlichen Regelung nicht entgegen. Im Vordergrund ergibt sich dies daraus, dass die hier streitigen Werbeanlagen eindeutig keine baulichen Anlagen sind. Für solche Werbeanlagen gelten die nach der bundesrechtlichen Zuständigkeit auf städtebauliche Gesichtspunkte beschränkten Regelungen der §§ 14 und 15 BauNVO nicht, wie dies hinsichtlich der allgemeinen Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen in § 15 Abs. 3 BauNVO sogar ausdrücklich hervorgehoben ist.

Besteht aber bundesrechtlich im Blickpunkt auf die Verteilung der Gesetzgebungsbefugnis in der Verfassung eine Regelungsbefugnis des Bundes nur für die bodenrechtlich relevanten Anlagen, können die vom Städtebaurecht nicht erfassten Werbeanlagen - nur solche sind hier zu beurteilen - landesrechtlich geregelt werden. Diese Erkenntnis gilt auch gegenüber den Ausführungen im Urteil des I. Senats vom 3. September 1963 (BVerwGE 16, 301); für die Regelungen der Außenwerbung an den Bundesfernstraßen ist in Art. 74 Nr. 22 GG eine für diese Sondergebiet weitergehende konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes geschaffen."

Das Bundesverwaltungsgericht hat in späteren Entscheidungen seine vorstehenden Ausführungen präzisiert und teilweise klargestellt. Im Urteil vom 28. April 1972 - IV C. 11.69 -, a.a.O., hat es ausgeführt:

"Der erkennende Senat hat im Anschluss an die Ausführungen des BVerfG in dessen Rechtsgutachten vom 16. Juni 1954 - I PBvV 2/52 - (BVerfGE 3, 407) wiederholt hervorgehoben, dass das nach Art. 70 Abs. 1 GG grundsätzlich den Ländern zustehende Recht der Gesetzgebung für das Gebiet des Baurechts durch die (konkurrierende) Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nur im Hinblick auf die Rechtsetzung bodenrechtlichen, insbesondere also planungsrechtlichen (städtebaurechtlichen) Inhalts eingeschränkt ist (Art. 74 Nr. 18 GG), auf den herkömmlich mit Bauordnungsrecht bezeichneten Gebieten dagegen Einschränkungen nicht unterliegt. Der Senat hat ferner in ständiger Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass die Regelung baurechtlich relevanter Vorgänge unter planungsrechtlichen Gesichtspunkten durch den Bundesgesetzgeber deren Regelung unter bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten durch den Landesgesetzgeber nicht notwendig ausschließt. Vielmehr ist umgekehrt davon auszugehen, dass die unterschiedliche Zielsetzung des Bauplanungsrechtes einerseits und diejenige des Bauordnungsrechts andererseits hinsichtlich ein und desselben Gegenstandes oder Sachverhaltes eine sowohl planungsrechtliche und daher bundesrechtliche als auch eine bauordnungsrechtliche und mithin landesrechtliche Regelung ermöglichen oder erforderlich machen kann (vgl. z.B. Urteil vom 28. April 1967 - IV C. 10.65 -, BVerwGE 27, 29 [31]; Urteil vom 23. August 1968 - IV C 103.66 -, BBauBl. 1971, 277; Beschluss vom 15. April 1971 - IV B 105.70 -, Buchholz 406.11, § 173 BBauG Nr. 7). Es bedarf deshalb hier keiner Entscheidung, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt das BBauG Werbeanlagen zum Gegenstand seiner Regelung gemacht hat. Dabei würde es sich jedenfalls um planungsrechtliche Vorschriften handeln, die eine Sperre zu Lasten einer bauordnungsrechtlichen Regelung durch den Landesgesetzgeber nicht bewirken könnten.

Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu früheren Entscheidungen des erkennenden Senats, in denen die Kollision landesrechtlicher Vorschriften über Anlagen der Außenwerbung mit bundesrechtlichen Vorschriften des Planungsrechts auch mit der Begründung verneint worden ist, die in jenen Fällen umstrittenen Werbeanlagen seien im Sinne des BBauG keine baulichen Anlagen (Urteil vom 25. Juni 1965 - IV C 73.65 -, BVerwGE 21, 251; Urteil vom 5. Oktober 1966 - IV C 164.65 -). Die dazu gemachten Ausführungen beruhen auf den Besonderheiten der seinerzeit gegebenen Sachverhalte, nicht aber auf einer von den vorstehenden Erwägungen in grundsätzlicher Hinsicht abweichenden rechtlichen Beurteilungen. Soweit das Urteil vom 5. Oktober 1966 mit seiner Wendung, Vorschriften über nichtbauliche Anlagen der Außenwerbung "gehörten" zum Bauordnungsrecht, Anlass zu dem Umkehrschluss gegeben haben könnte, dass Werbeeinrichtungen, soweit sie als bauliche Anlagen zu werten sind, demgegenüber in den Regelungsbereich des Bauplanungsrechts fallen, ist einer solchen Auslegung bereits mit den oben erwähnten Urteilen vom 28. April 1967 und vom 23. August 1968 der Boden entzogen worden. Ungeachtet der hier nicht entscheidungserheblichen Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Werbeeinrichtungen als bauliche Anlagen zu qualifizieren sind, sind sie als solche weder dem einen noch dem anderen Regelungsbereich vorbehalten, sondern in dem Maße, in dem sie überhaupt unter baurechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen sind, je nach der gesetzgeberischen Zielsetzung sowohl einer bauplanungsrechtlichen als auch einer bauordnungsrechtlichen Regelung zugänglich."

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem - oben bereits teilweise wiedergegebenen - Urteil vom 25. Juni 1965 zur Verfassungsmäßigkeit des § 15 BauO NRW alter Fassung weiter ausgeführt:

"Aber auch aus der Sicht der Verfassungsgarantien des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG), der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) bestehen keine Bedenken gegen die Gültigkeit des vom OVG angewandten Landesrechts.

Das Eigentum gewährt - sein Inhalt und seine Schranken werden durch die Gesetze bestimmt - keine unbeschränkte Herrschaftsbefugnis. Zu den Gesetzen, die seinen Inhalt und seine Schranken bestimmen, gehören im Vordergrund die baugestalterischen Regelungen dahin, ob und gegebenenfalls in welcher Weise bebaute und unbebaute Grundstücke zum Zweck der Werbung genutzt werden können. Auch die Regelungen in diesem Zusammenhang - wie überhaupt die ganze Ordnung der Baugestaltung - bestimmen und begrenzen den Inhalt des Eigentums. Das erkennende Gericht hat sich seit langen Jahren (beginnend mit BVerwGE 2, 172 [174, 179]) dazu bekannt, dass das baupflegerische Ziel, eine Beeinträchtigung des vorhandenen oder durch Planung gestalteten Charakters eines Baugebiets zu verhindern, ein begründetes öffentliches Anliegen ist. Bei seiner normativen Ausgestaltung müssen allerdings die berechtigten Belange der an der Außenwerbung interessierten Wirtschaft angemessen berücksichtigt werden. Verfassungsrechtlich gegenüber der Eigentumsgarantie beständige Gestaltungen des Inhalts und der Schranken des Eigentums auf diesem Gebiet müssen auf sachgerechten Erwägungen beruhen und eine angemessene Abwägung der Belange des Einzelnen und der Allgemeinheit erkennen lassen. Von diesem Ausgangspunkt aus würde - dazu hat sich das erkennende Gericht in der genannten Entscheidung ausdrücklich bekannt - eine Norm des Baugestaltungsrechts, die in ihrem gesamten räumlichen Geltungsbereich die Außenwerbung ohne Einschränkung und ohne jede Unterscheidung verbieten würde, gegenüber der Eigentumsgarantie der Verfassung keinen Bestand haben können. Dagegen erscheint es durchaus vertretbar, die Zulässigkeit von Werbeanlagen überhaupt oder auch nur die Zulässigkeit bestimmter Werbeanlagen von der Art des Baugebiets abhängig zu machen. Einer solchen Regelung liegen durchaus sachgerechte Erwägungen zugrunde: Eine Werbeanlage, die in einem Gewerbe- oder Industriegebiet als angemessen empfunden werden kann und deshalb dort aus verfassungsrechtlicher Sicht eine generelle Untersagung nicht rechtfertigt, kann in einem reinen - insbesondere ländlichen - Wohngebiet unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des begründeten öffentlichen Anliegens einer Sicherung des vorhandenen oder durch Planung erstrebten Charakters eines Baugebietes nicht hinnehmbar sein. Die Beeinträchtigung des Orts- und Straßenbilds durch eine Werbeanlage hängt also entscheidend von der durch die Bauordnung gewährleisteten Funktion des im Einzelfall betroffenen Gebiets ab. Ebenso wie eine städtebauliche Regelung in einem schutzwürdigen Baugebiet funktionsfremde bauliche Anlagen ausschließen kann, erscheint auch eine ergänzende baugestalterische Regelung sachgerecht, die funktionsfremde Werbeanlagen aus dem Gebiet verweist. In der Ausgestaltung der rechtlichen Ordnung der Nutzung einzelner Baugebiete für Werbezwecke ist der hier zuständige Landesgesetzgeber in erheblichem Umfange frei. Jedenfalls kann nicht von ihm gefordert werden, bei jeder einzelnen Anlage der Außenwerbung eine konkrete Prüfung vorzunehmen, ob sie - die einzelne Anlage - das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild stört. Mit Art. 14 Abs. 1 GG ist auch noch die in § 15 Abs. 4 BauO NW getroffene Regelung vereinbar, die durch Rechtssatz für eine bestimmte Gruppe von Fällen bestimmt, in welchen Gebieten gewisse Arten von Werbeanlagen zulässig oder verboten sind. Hier hat der Gesetzgeber selbst in zulässiger Weise die Entscheidung darüber getroffen, ob die einzelne Werbeanlage sich einwandfrei in ihre Umgebung einfügt. Die von ihm bei der Schaffung des gesetzlichen Tatbestands verwendeten, eindeutig aus der Norm ersichtlichen Maßstäbe (Art des Baugebiets und Art der Werbeanlage) erscheinen nicht willkürlich, sondern sachgerecht. Nach der Lebenserfahrung werden in reinen Wohngebieten in der Regel nur für Zettel- und Bogenanschläge bestimmte Werbeanlagen und Hinweisschilder an der Stätte der Leistung und in Dorfgebieten, Kleinsiedlungsgebieten und allgemeinen Wohngebieten nur für Zettel- und Bogenanschläge bestimmte Werbeanlagen, außerdem noch Werbeanlagen an der Stätte der Leistung den öffentlichen baupflegerischen Belangen nicht entgegenstehen. Im Übrigen hat § 86 Abs. 2 BauO NRW gegenüber der grundsätzlichen Verbotsregelung noch Befreiungstatbestände geschaffen. Alles in allem enthält daher die streitige Vorschrift eine zulässige Bestimmung des Eigentumsinhalts im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt aber auch, dass die Klägerin sich hier zu Unrecht auf Art. 12 GG beruft. Ihr durch diese Verfassungsnorm grundsätzlich geschütztes Recht, für Dritte Werbung zu betreiben, enthält nicht die Befugnis, sich über die - nach den vorstehenden Ausführungen verfassungskonform - dem Eigentum gezogenen Schranken hinweg zu setzen.

Auch der Anspruch der Klägerin auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 GG) ist nicht verletzt. … Die landesrechtliche Regelung lässt die nach der Lebenserfahrung zutreffende Vorstellung des Gesetzgebers erkennen, dass in reinen und allgemeinen Wohngebieten, Dorfgebieten und Kleinsiedlungsgebieten Werbeanlagen grundsätzlich nur in der Art und in der Zahl zulässig sind, dass dem Informationsbedürfnis der Bewohner dieser Gebiete Rechnung getragen wird. Diese Grenzziehung wird der besonderen Funktion dieser vorwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete durchaus gerecht. Eine Beschränkung der Werbeanlagen [und Hinweise] auf Anlagen an der Stätte der Leistung enthält einen einleuchtenden Grund für die gesetzliche Differenzierung. Die ansässigen Betriebe, für die - nach der gesetzlichen Regelung grundsätzlich ausschließlich - geworben werden kann, sind aufgrund der Ordnung der Bebauung in diesem Gebiet städtebaurechtlich zulässig. Sie unterscheiden sich damit sehr wesentlich von den Betrieben, die nach der gültigen baulichen Ordnung für das Gebiet dort keinen Platz haben. Unter diesen Umständen erscheint es auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung vor dem Gesetz sachgerecht, wenn der Landesgesetzgeber in der Erkenntnis, dass Werbeanlagen und Hinweise in diesen Gebieten im Interesse der Aufrechterhaltung ihres baulichen Charakters insgesamt nur untergeordnete Bedeutung beanspruchen dürfen, sie weitgehend den im Baugebiet vorhandenen "Stätten der Leistung" vorbehält, also solchen baugebietsbelegenen Betrieben, die sich in die rechtsverbindliche bauliche Ordnung des betroffenen Gebietes einfügen."

Nach dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die es soweit ersichtlich nicht aufgegeben hat - und der sich das OVG NRW in seiner Rechtsprechung über Jahrzehnte angeschlossen hat - ist auch § 13 Abs. 4 Satz 1 BauO NRW verfassungsgemäß. Dieser entspricht der Regelung des § 15 BauO NRW 1962. Lediglich die Dorfgebiete und die Besonderen Wohngebiete sind zusätzlich in den Gesetzestext aufgenommen worden. Bereits der Regelung des § 15 Abs. 4 Musterbauordnung 1960 lag die Überlegung zugrunde, dass die besondere Aufgabe, die den Baugebieten, die vornehmlich dem Wohnen dienen, im menschlichen Zusammenleben zukommt, in ihrem Wesen auch nicht durch Werbeanlagen beeinträchtigt werden darf. Mit Ausnahme von Bayern, Hessen und Brandenburg finden sich auch in den übrigen Bauordnungen der Länder vergleichbare Vorschriften.

Vgl. hierzu Schulte in Reichel / Schulte, a.a.O., Kapitel 4, Rdnr. 92 und 152 ff.

Das Verwaltungsgericht stützt seine abweichende Meinung - ohne sich mit der hier wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorläufervorschrift des § 13 Abs. 4 Satz 1 BauO NRW überhaupt auseinander zu setzen - auf Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juli 1997 und 31. Mai 2005.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 1997 - 4 NB 15.97 -, BRS 59 Nr. 19 und vom 31. Mai 2005 - 4 B 14.05 -, BauR 2005, 1768 = ZFBR 2005, 559. Auch Jäde, - Wie verfassungswidrig ist das Bauordnungsrecht?, ZfBR 2006, 9 (18) - setzt sich nicht mit den Entscheidungen des BVerwG vom 25. Juni 1965 und 28. April 1972 inhaltlich auseinander.

Dort hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass Bundesrecht nicht entgegenstehe, wenn Landesrecht die Gemeinde ermächtige, mit örtlichen Baugestaltungsvorschriften über die Verunstaltungsabwehr hinaus positive Gestaltungsziele zu verfolgen. Die Gemeinde sei jedoch nicht befugt, im Gewand der bauordnungsrechtlicher Gestaltungsvorschriften, die in einem Bebauungsplan enthalten sind, bodenrechtliche Regelungen zu treffen. Wenn sie derartige Regelungen treffen wolle, habe sie sich des hierfür zur Verfügung stehenden bodenrechtlichen Instrumentariums zu bedienen. Der Senat hält diese Rechtsprechung für zutreffend. Er kann den genannten Entscheidungen jedoch nicht die vom Verwaltungsgericht formulierten Sätze entnehmen, dem Landesgesetzgeber fehle auch die Gesetzeskompetenz, nur "mittelbar" bodenrechtliche Regelungen zu treffen, indem er in erster Linie eine gestalterische Zielsetzung verfolge. Die genannten Entscheidungen verhalten sich gerade nicht zu einer dem § 13 Abs. 4 Satz 1 BauO NRW entsprechenden Vorschrift. Sie sind zur positiven Gestaltungspflege ergangen und betreffen die Konkurrenz von Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung in Bebauungsplänen mit örtlichen Bauvorschriften, die unter dem Vorwand baugestalterischer Regelungen in Wahrheit gemeindeumfassend bestimmte bodenrechtlich ansonsten zulässige Nutzungen ausschließen. Im Übrigen erscheint der Begriff der "mittelbar bodenrechtlichen Regelung" als Abgrenzungskriterium wenig geeignet. Jede baurechtliche oder sonstige öffentlichrechtliche Vorschrift, die im Ergebnis zur Ablehnung eines Bauantrages führt, hätte im Ergebnis eine derartige Wirkung, weil auf einem bestimmten Grundstück ein beabsichtigtes Vorhaben nicht verwirklicht werden darf.

Da die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW nicht vorliegen, hat die Klägerin auch keinen Anspruch darauf, dass ihre Werbeanlage im Wege der Abweichung zugelassen wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.