OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.05.2005 - 20 B 507/05
Fundstelle
openJur 2011, 33848
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Streitwert beträgt auch im Beschwerdeverfahren 9.598,90 EUR.

Gründe

Die Beschwerde mit dem Begehren,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und die sofortige Vollziehung des Bescheids des Antragsgegners vom 1. April 2004 anzuordnen,

hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat beschränkt ist, § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, ergibt keine Gründe, die es rechtfertigen, das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers im Ergebnis anders zu beurteilen als das Verwaltungsgericht.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag im Rahmen einer Interessenabwägung gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt, weil das Ergebnis einer abschließenden Prüfung des streitigen Bescheids nicht offensichtlich und ein besonderes Interesse des Antragstellers an der sofortigen Ausnutzbarkeit des Bescheides nicht festzustellen sei. Dabei hat es offene Fragen zur Rechtmäßigkeit sowohl in normativer Hinsicht Konformität der als einem Übergang der Milchquote auf den Antragsteller entgegenstehend betrachteten innerstaatlichen Normen mit europarechtlichen Vorgaben - als auch in tatsächlicher Hinsicht - eine bezogen auf den Zeitpunkt des Endes des Pachtvertrages in Kürze erfolgende Aufnahme der Milchproduktion durch den Antragsteller - gesehen und die mit der Milchproduktion bei nicht abschließend geklärter Quote verbundenen Risiken für den Antragsteller und den Beigeladenen mit der Folge gleichgeachtet, dass es bei der Regel der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs des Beigeladenen bleibe.

Der Antragsteller hält dem zunächst entgegen, die einschlägigen rechtlichen Aspekte seien so weit geklärt, dass keine einem Schluss auf offensichtliche Rechtmäßigkeit des Bescheides entgegenstehenden Punkte mehr verblieben. Ob das in dieser Allgemeinheit zutrifft, braucht hier nicht geklärt zu werden. Auch wenn zugrunde gelegt wird, dass sowohl für den grundsätzlichen Übergang der Quote auf den Antragsteller als Verpächter, § 12 Abs. 2 MilchAbgV, als auch für den Ausschluss eines Übernahmerechts des Beigeladenen als Pächter, § 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 MilchAbgV, die Absicht ausreicht, in nächster Zukunft Milch zu erzeugen und zu vermarkten, verbleiben in tatsächlicher Hinsicht Bedenken. Der Antragsteller greift dazu in der Beschwerdebegründung den vom Verwaltungsgericht angesprochenen Aspekt der bis zur ersten Milchlieferung verstrichenen Zeit auf und verweist dazu auf eine - schwerlich als einschlägig zu betrachtende - Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, auf Probleme mit der als Käufer vorgesehenen Molkerei sowie auf die Unzumutbarkeit einer mit dem Risiko des endgültigen Ausbleibens einer Quote behafteten Milchlieferung. Damit ist jedoch nur ein Ausschnitt aus dem Spektrum der Umstände aufgegriffen, die für die Überzeugungsbildung zur Absicht des Antragstellers im Zeitpunkt des Endes des Pachtvertrages von Bedeutung sind. Jedenfalls insofern kann von einer offensichtlichen Rechtmäßigkeit des Bescheides des Antragsgegners vom 1. April 2004 nicht ausgegangen werden. Die insbesondere vom Beigeladenen im Widerspruch und in den gerichtlichen Verfahren aufgezeigten Umstände aus der Vorgeschichte der Beendigung des Pachtvertrages und der Gestaltung der Betriebsabläufe durch den Antragsteller hinterlassen auch unter Berücksichtigung der Entgegnungen des Antragstellers Zweifel daran, dass der Antragsteller bei Ablauf des Pachtvertrags tatsächlich Milcherzeuger werden und die Quote nicht nur zu einer anderweitigen wirtschaftlich vorteilhaften Nutzung erlangen wollte. Zu verweisen ist auf das anfängliche Bemühen, sich mit dem Beigeladenen auf eine Erhöhung des Pachtzinses zu einigen, auf die recht kurzfristig vor Pachtende erfolgte Regelung der Modalitäten der Milchviehhaltung durch den Vertrag vom 22. März 2004, auf die kurze Kündigungsfrist dieses Vertrages, auf die in Menge und Qualität unspezifizierte Regelung der Grundfutterversorgung in dem Vertrag, auf das Fehlen jeglicher Darlegungen zu einer Ausrichtung des angeblich als Vollerwerbslandwirt geführten Betriebs des Antragstellers auf eine künftige Milchviehversorgung und schließlich auch auf den prompten Widerspruch gegen die Nebenbestimmung im strittigen Übertragungsbescheid. Die aufgezeigten Umstände mögen - wie der Antragsteller hervorgehoben hat - als solche jeweils nicht zu beanstanden sein, sondern im Rahmen der ihm überlassenen Betriebsgestaltung und Rechtswahrnehmung liegen. Das aber ist unerheblich; denn im vorliegenden Zusammenhang geht es hinsichtlich der angesprochenen Punkte nicht um die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit und auch nicht um das Erfüllen oder Nichterfüllen einzelner tatbestandlicher Voraussetzungen, sondern allein um den indiziellen Aussagewert für oder gegen eine bestimmte Planung des Antragstellers. Die nach den genannten Anhaltspunkten mögliche Schlussfolgerung, es gehe darum, mit überschaubarem finanziellen Risiko sowie sachlichen Aufwand die Verfügungsmöglichkeit über die Quote zu erlangen, wird in ihrer Tragfähigkeit durch andere Aspekte zwar durchaus infrage gestellt, zu einem Ausräumen der Bedenken reicht das aber nicht. Die Investitionen zur Herrichtung der Anlage im angepachteten Stall können sich je nach den damals gehegten Vorstellungen über die wirtschaftlich vorteilhafte Nutzung der Quote als nicht beachtlich erweisen. Weit bedeutsamer dürfte der behauptete Referenzmengenerwerb an der Börse sein, da hiermit ein zeitlich befristeter Ausschluss von der Nutzung der Quote als Anbieter an der Börse verbunden ist, § 8 Abs. 3 Satz 3 MilchAbgV. Allerdings ist dazu zu bedenken, dass der Erwerbszeitpunkt mehr als ein halbes Jahr nach dem Pachtende liegt, auf das für die Milcherzeugereigenschaft abzustellen ist, und zwischenzeitliche Entwicklungen zu geänderten Vorstellungen über die künftige Struktur des landwirtschaftlichen Betriebs des Antragstellers geführt haben können. Gleiches gilt für den aus dem Umfang der Milchproduktion ersichtlichen Aufbau eines Milchviehbestandes.

Es ist auch nicht festzustellen, dass der Antragsteller ein so gewichtiges Interesse an der sofortigen Ausnutzung der Quote hat, dass es trotz verbleibender Zweifel am Ausgang des Hauptsacheverfahrens angebracht wäre, die Interessen des Beigeladenen dahinter zurücktreten zu lassen. Das gilt auch, wenn - wie vom Antragsteller geltend gemacht - von prinzipieller Gleichrangigkeit der Stellung des Belasteten wie des Begünstigten bei einem Verwaltungsakt mit Doppelwirkung ausgegangen wird. Soweit das Verwaltungsgericht ein besonderes Interesse des Antragstellers verlangt hat, beruht dies auf dem in der Verwaltungsgerichtsordnung angelegten Rechtsschutzsystem, nach dem es in der Zeit der rechtlichen Überprüfung grundsätzlich beim bisherigen Zustand verbleiben soll; da der strittige Bescheid dazu dient, einen Vorteil bei der Ablieferung von Milch an eine Molkerei vom Beigeladenen zum Antragsteller zu verlagern, entspricht es der dem Gesetz zugrunde liegenden Entscheidung, den Vorteil dem Beigeladenen zu belassen, wenn seine Belange nicht durch die des Begünstigten übertroffen werden. Dass im Ansatz ein gleich starkes Interesse am Behalten und Erhalten der Quote anzunehmen ist, hat das Verwaltungsgericht zutreffend zugrunde gelegt. Die Erwägung des Antragstellers, eine Milchlieferung nach Anordnung der sofortigen Vollziehung verbleibe auch bei nachträglicher Aufhebung des strittigen Bescheides abgabenfrei, überzeugt nicht, hat zudem deshalb kein Gewicht, weil nicht einzusehen ist, warum Entsprechendes nicht auch für eine Leistung des Beigeladenen auf einen noch nicht als außer Kraft getreten zu betrachtenden Zuteilungsbescheid gelten sollte. Ebenso ist nicht ersichtlich, insbesondere nicht präzise dargetan und glaubhaft gemacht, warum die Belastung durch eine Sicherheitsleistung, die die Molkerei bei einer nicht durch Quote gedeckten Milchanlieferung verlangt, sich hinsichtlich des Anfallens wie der betrieblichen Auswirkungen beim Beigeladenen anders darstellen soll als beim Antragsteller. Was schließlich die Möglichkeit betrifft, an der Zuteilung nicht genutzter Anlieferungs-Referenzmengen nach § 14 MilchAbgV teilzunehmen, ist zunächst einzustellen, dass der Antragsteller nunmehr - freilich nur mit der an der Börse erworbenen Quote - teilnehmen kann. In der Interessengewichtung ist freilich vor allem maßgeblich, dass der Antragsteller über das Aufzeigen der gesetzlichen Möglichkeit hinaus nicht glaubhaft gemacht hat, welche faktischen Auswirkungen sich ergeben, also dass es tatsächlich in einem Umfang zu Unterlieferungen kommt, die dazu führen, den Beigeladenen in nennenswertem Umfang auch dann von der Abgabenpflicht freizustellen, wenn ihm schon jetzt nur die nicht vom Antragsteller gepachtete Quote verbleibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. In der Streitwertfestsetzung folgt der Senat dem Verwaltungsgericht und verweist auf den angefochtenen Beschluss.

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