FG Köln, Beschluss vom 28.06.2004 - 10 Ko 1603/04
Fundstelle
openJur 2011, 27276
  • Rkr:
Tenor

Die zu erstattenden Kosten werden auf 265,45 EUR festgesetzt.

Die Kosten des Erinnerungsverfahrens hat der Erinnerungsgegner zu tragen.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Prozessbevollmächtigten eine Erledigungsgebühr zusteht.

Mit seinem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2000 begehrte der Kläger die Berücksichtigung von 10.985 DM Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung (97 Fahrten á 216 km zur krankheitsbedingten Pflege seiner Mutter) und zusätzlich die Berücksichtigung eigener Krankheitskosten von 3.129 DM als außergewöhnliche Belastung. Im anschließenden Klageverfahren 7 K 3420/02 beschränkte sich das Begehren des Klägers zunächst auf die Berücksichtigung der Fahrtkosten zur Pflege der Mutter. Im Erörterungstermin vom 27. Januar 2003, bei dem sowohl der Erinnerungsführer als auch der Prozessbevollmächtigte anwesend waren, sagte der Erinnerungsgegner nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage die Berücksichtigung von 2.920 DM Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung zu. Außerdem verpflichtete sich der Erinnerungsgegner, die eigenen Krankheitskosten des Erinnerungsführers von 3.192 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Ferner sagte der Vertreter des Erinnerungsgegners für das Folgejahr 2001 verbindlich zu, die Fahrtkosten insoweit als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, als sie über normale Besuchsfahrten einmal alle zwei Wochen hinausgingen. Anschließend wurde der Rechtsstreit von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt. Entsprechend der Anregung der Beteiligten wurden die Kosten des Verfahrens mit Beschluss vom 17. Februar 2003 dem Kläger zu 1/4 und dem Beklagten zu 3/4 auferlegt.

Mit seinem Kostenfestsetzungsantrag beantragte der Prozessbevollmächtigte, die zu erstattenden Kosten unter Berücksichtigung einer Erledigungsgebühr festzusetzen. Im vorliegend streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. Oktober 2003 wurden die zu erstattenden Kosten auf 191,50 EUR festgesetzt. Eine Erledigungsgebühr wurde dabei nicht berücksichtigt. Der Kostenbeamte vertrat die Ansicht, eine Erledigungsgebühr entstehe nicht, wenn die Behörde unter dem Eindruck schriftlicher oder mündlicher Ausführungen während des Prozesses oder auf Anregung des Berichterstatters einlenke.

II. Die Erinnerung ist begründet. Die für die Entstehung einer Erledigungsgebühr erforderlichen Mitwirkung liegt auch dann vor, wenn der Prozessbevollmächtigte einem Erledigungsvorschlag des Berichterstatters zustimmt, bei dem das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits nicht unwesentlich eingeschränkt wird.

1. Erledigt sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Zurücknahme oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts, so erhält der Rechtsanwalt, der bei der Erledigung mitgewirkt hat, eine volle Gebühr (§ 24 BRAGO). Nach welchen Gesichtspunkten der Begriff "mitwirken" an der Erledigung auszulegen ist, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum nicht einheitlich beurteilt.

a) Nach einer teilweise vertretenen Rechtsauffassung fällt die Erledigungsgebühr bereits an, wenn der Prozessbevollmächtigte in der Klagebegründung Argumente vorträgt, die das Gericht oder die Verwaltungsbehörde mit der Folge der Erledigung ohne Urteil überzeugen (vgl. insoweit die Nachweise bei Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Rz 99). Dagegen spricht jedoch, dass die Erledigungsgebühr einen Ersatz für die Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO darstellt, die in öffentlichrechtlichen Streitsachen nur ausnahmsweise in Betracht kommt (vgl. § 23 Abs. 3 BRAGO). Auch die Vergleichsgebühr wird nicht bereits durch die allgemeine Prozessführung (Klageerhebung und Begründung derselben) verdient; erforderlich ist vielmehr eine darüber hinausgehende Mitwirkung beim Abschluss oder bei der Vorbereitung eines Vergleichs, auch wenn die Vergleichsbereitschaft des Gegners durch die allgemeine Prozessführung gefördert wird (vgl. FG Köln, Beschluss vom 2. Juli 2001 10 Ko 2725/01, EFG 2001, 1321; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO, 8. Aufl. § 23 Rz. 21).

Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte im finanzgerichtlichen Verfahren gegenüber einem Rechtsanwalt privilegiert werden sollte, der im Zivilprozess eine auf einen Vergleich gerichtete Tätigkeit entfaltet. Deshalb kommt als "Mitwirkung bei der Erledigung" nur eine besondere Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten in Betracht, die die materielle Erledigung des Rechtsstreits ohne Urteil herbeiführt und die über die bereits mit der Prozess- oder Verhandlungsgebühr abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgeht (BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1969 VII B 45/68, BStBl II 1970, 251). Es versteht sich von selbst, dass der Prozessbevollmächtigte in möglichst überzeugender Weise die rechtlichen Argumente vorträgt, die der Klage seines Mandanten zum Erfolg verhelfen können. Dies ist keine besondere Leistung, die nicht bereits mit der Prozessgebühr abgegolten wäre.

b) Die Erledigungsgebühr ist danach keine reine Erfolgsgebühr, sondern eine besondere Tätigkeitsgebühr, die anlässlich einer nichtstreitigen Erledigung im Rahmen des Klageverfahrens verdient werden kann. Sie entsteht weder, wenn sich die Sache bereits im Rahmen des Verwaltungsvorverfahrens erledigt noch dann, wenn lediglich die Äußerungen des Berichterstatters im Rahmen eines Erörterungstermins das Finanzamt zur Rücknahme oder Änderung des Bescheides veranlasst haben. Ebenso wenig genügt es, dass das Finanzamt unter dem Eindruck der Klagebegründung bzw. eines diese ergänzenden Schriftsatzes oder aufgrund eines Hinweises auf die Rechtslage/Rechtsprechung den Bescheid aufhebt bzw. ändert und damit den Kläger klaglos stellt (FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. September 1995 1 Ko 2/95, EFG 1995, 1077 und Außensenate Stuttgart, Beschluss vom 2. Oktober 1985 XII Ko 1/85, EFG 1986, 309; Niedersächsisches FG, Beschluss vom 17. Juli 1995 IX 3/94 Ko, 1077; FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. Februar 1987 3 Ko 2/87, EFG 1987, 322; FG Bremen, Beschluss vom 16. Dezember 1993 292138 E 2, EFG 1994, 316; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Rz 100).

c) Das erforderliche Mitwirken kann beispielsweise in dem Unterbreiten eines Erledigungsvorschlags bestehen. Denkbar ist auch ein Einwirken auf eine vorgesetzte Behörde, das die Aufhebung/Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts nach sich zieht. Auch die mit einer zusätzlichen Beratungsleistung verbundene Prüfung, ob das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits nicht unwesentlich eingeschränkt werden soll, kann eine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende Tätigkeit sein, die den besonderen Erfolg der Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung fördert und ermöglicht. Ein entsprechendes Einwirken auf den Steuerpflichtigen, der außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits zuzustimmen, ist eine besondere Leistung, die nicht mit der allgemeinen Prozessgebühr abgegolten ist. Aus Gründen der Praktikabilität und Vereinfachung nimmt das Gericht nicht unwesentliche Einschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens an, wenn es um mehr als 10% eingeschränkt wird.

2. Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte in der Weise bei der materiellen Erledigung mitgewirkt, dass er auf den Erinnerungsführer eingewirkt hat, das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits nicht unwesentlich (über 30%) einzuschränken. Damit hat er die Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung hinreichend gefördert und ermöglicht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten.