LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.08.2003 - L 18 KN 27/03
Fundstelle
openJur 2011, 26788
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. S 15 KN 55/02
  • nachfolgend: Az. B 8 KN 10/03 R
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13.02.2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin Zahlungen aus dem ihr zuerkannten Recht auf Hinterbliebenenrente beanspruchen kann.

Die am 00.00.1925 geborene und nach § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) als Spätaussiedlerin anerkannte Klägerin und ihr am 00.00.1929 geborener Ehemann S S lebten in der UdSSR. Im September 1998 reisten sie aus Kasachstan in die Bundesrepublik Deutschland ein. Beide waren ausschließlich in ihrer früheren Heimat beschäftigt und haben keine deutschen Versicherungszeiten zurück gelegt.

Aufgrund der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anzurechnenden Zeiten bewilligte die Beklagte den Eheleuten nach ihrer Einreise jeweils Regelaltersrente, begrenzt auf insgesamt 40 Entgeltpunkte (EP) nach § 22b Abs. 3 FRG. Jeder von beiden hatte ohne die Begrenzung mehr als 30 nach dem FRG zu berücksichtigende EP. Am 00.00.1999 verstarb der Ehemann (im folgenden Verstorbener). Am 14.08.1999 beantragte die Klägerin die Zahlung einer Hinterbliebenenrente. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 04.10.1999 erkannte die Beklagte einen Anspruch auf große Witwenrente an, der jedoch aufgrund der eigenen Altersrente der Klägerin, die zwischenzeitlich berechnet worden war und unter Berücksichtigung der Begrenzug auf 25 EP nicht zu einem Zahlbetrag führte.

Im März 2002 beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 30.08.2001 (B 4 RA 118/00 R in SozR 3-5050 § 22b Nr. 2) die "Neufeststellung" der Witwenrente. Mit Bescheid vom 15.08.2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da § 22b FRG auch die Begrenzung auf insgesamt 25 EP beim Zusammentreffen von Versicherten- und Hinterbliebenenrente bestimme. Dem Urteil des BSG werde über den Einzelfall hinaus nicht gefolgt. Nach der Gesetzesbegründung zu § 22b FRG habe die Rente aus Zeiten nach dem FRG ungefähr auf den Betrag begrenzt werden sollen, der als Eingliederungshilfe gezahlt werde. Dass der Gesetzgeber Hinterbliebene anders habe behandeln wollen als andere Alleinstehende, sei nicht ersichtlich. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.10.2002).

Im Klageverfahren sind die Beteiligten bei ihren Auffassungen geblieben.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 15.08.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 04.10.1999 aus der Versicherung des verstorbenen Versicherten große Witwenrente unter Berücksichtigung von 25 Entgelt- punkten des verstorbenen Versicherten nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 46 bzw. 67 SGB VI zu leisten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 13.02.2003 stattgegeben und sich zur Begründung auf das Urteil des BSG berufen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen.

Mit der Berufung verweist die Beklagte ergänzend auf ein zwischenzeitlich ergangenes Urteil des Landessozialgerichtes (LSG) Schleswig-Holstein vom 12.12.2002 - L 5 KN 2/02 - (juris), das die von ihr vertretene Rechtsauffassung bestätige. Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber Hinterbliebene anders habe behandeln wollen als Alleinstehende. Soweit das BSG (aaO) von einem letztlich leeren Recht auf Witwenrente ausgehe, treffe dies nur dann zu, wenn bereits aus eigener Versicherung ein Anspruch auf Rente unter Berücksichtigung von 25 EP bestehe. Im Übrigen sei auch dem allgemeinen Rentenrecht die Reduzierung des Witwenrentenanspruchs in Anwendung der §§ 90, 97 SGB VI auf Null nicht fremd. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz vom 23.04.2003 Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13. Februar 2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und legt ergänzend ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 01.07.2003 - L 11 RJ 511/03 - vor, in dem der Entscheidung des BSG vom 30.08.2001 (a.a.O.) gefolgt wird. Dem von der Beklagten zitierten Urteil des LSG Schleswig-Holstein komme schon deshalb keine Bedeutung zu, weil das LSG darin offensichtlich davon ausgegangen sei, dass die Nichtanwendung des § 22b FRG beim Zusammentreffen einer Hinterbliebenenrente und einer Rente aus eigener Versicherung zu einer Rentenleistung auf der Basis von insgesamt 50 EP führe. Zu einer solchen Besserstellung der Hinterbliebenen komme es aber nicht, weil die Hinterbliebenenrente wegen des Rentenartfaktors von 0,6 auf 60 % begrenzt sei und für Hinterbliebene bei zwei Renten mit jeweils maximal 25 EP daher im Ergebnis lediglich 15 zusätzliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen seien.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Akte der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 15.08.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2002 im Sinne des § 54 Abs.2 S.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Dieser Bescheid ist rechtswidrig. Sie hat einen Anspruch auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des Verstorbenen unter Abänderung des Bescheides vom 04.10.1999 und unter Berücksichtigung von 25 EP nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Der Senat folgt, ebenso wie das Sozialgericht, im Ergebnis der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 30.08.2001 - B 4 RA 118/00 R in SozR 3-5050 § 22b Nr. 2) und des LSG Baden-Württemberg.

Zutreffend hat das Sozialgericht dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 44 Abs.1 S.1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) vorliegen. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Der Bescheid vom 04.10.1999 ist in dem vorgenannten Sinn rechtswidrig. Die Beklagte hat § 22b Abs. 1 S. 1 FRG unrichtig angewandt. Nach dieser Bestimmung werden für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz für einen Berechtigten höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zugrunde gelegt. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 22b Abs.1 S.1 FRG bestehen nicht (vgl. dazu BSG Urteil vom 30.08.2001 - B 4 RA 87/00 R - in SozR 3-5050 § 22b Nr. 1; LSG NRW vom 10.07.2002 - L 8 RJ 3/02 -; LSG NRW vom 29.11.2002 - L 13 RJ 30/02 - in juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.10.2000 - L 12 RA 2663/99 - in juris) und wurden von den Beteiligten auch nicht geltend gemacht.

§ 22b Abs.1 S.1 FRG, der durch Art.3 Nr.5 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) mit Wirkung vom 07.05.1996 (Art.12 Abs.2 WFG) eingefügt worden ist, erfasst die am 24.09.1998 in die Bundesrepublik Deutschland zugezogene Klägerin. Die Vorschrift gilt gemäß Art.6 § 4b des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes - FANG - i.d.F. des Art.4 Nr.4 WFG für Berechtigte, die - wie die Klägerin - nach dem 06.05.1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben.

Im Ergebnis zutreffend hat das Sozialgericht erkannt, dass § 22b Abs.1 S.1 FRG nicht beim Zusammentreffen von "eigenen" Renten und abgeleiteten Renten anwendbar ist (übereinstimmend mit BSG vom 30.08.2001 - B 4 RA 118/00 R - a.a.O., so auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 01.07.2003 - L 11 RJ 511/03 -; Landessozialgericht für das Land Brandenburg Urteil vom 26.08.2003 - L 2 RJ 78/03; abweichend: LSG NRW Urteil vom 30.07.2003 - L 8 RJ 64/03, anhängig BSG B 13 RJ 44/03 R; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 12.12.2002 - L 5 KN 2/02 rechtskräftig; Bönisch, Die Begrenzung der Entgeltpunkte für Zeiten nach dem Fremdrentengesetz, in: Mitteilungen der LVA Oberfranken/Mittelfranken 2000, S. 149 ff (153), sowie Göhde, Zur Anwendung der Begrenzung auf 25 Entgeltpunkte nach § 22b Abs.1 FRG bei mehreren Renten eines Berechtigten, in: Mitteilungen der LVA Rheinprovinz 7-8/2002, S. 313 ff; Kommentar zum Recht der Gesetzlichen Rentenversicherung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Stand Januar 1998, § 22b FRG Anmerkung 4.51).

Weder der Wortlaut des § 22b FRG noch der Gesetzeszusammenhang oder Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für eine Anwendung der Norm auch bei einem Zusammentreffen eigener und abgeleiteter Rentenrechte.

Der Wortlaut des § 22b Abs.1 S.1 FRG und insbesondere die Begriffe "anrechenbare Zeiten", "Berechtigter" und "Entgeltpunkte", stehen einer Anwendung der Norm auf Hinterbliebenenrenten zwar nicht zwingend entgegen (so LSG NRW, Urteil vom 30.07.2003 - L 8 RJ 64/03, anhängig BSG B 13 RJ 44/03 R; weitergehend LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.; anders BSG a.a.O.); sie gebieten jedoch auch keine Anwendung der Norm auf Hinterbliebene.

Der Begriff "Berechtigter" wird im FRG nicht ausschließlich für Personen mit eigenem Rentenstammrecht verwendet. Er bezeichnet vielmehr in zahlreichen Vorschriften (z.B. § 14a - eingefügt jedoch erst mit Art. 7 Nr. 1 G v. 21.3.2001 I 403 m.W.v. 1.1.2002; und § 31 FRG) allgemein Personen, auf die die Regelungen des FRG anwendbar sind. Dass er dabei auch die Hinterbliebenen umfasst, ergibt sich aus § 14a FRG. Berechtigte im Sinne des FRG sind daher diejenigen, die unter den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes fallen und ein "Recht" hieraus herleiten, ohne dass es sich zwingend um ein eigenes oder ein abgeleitetes handeln muss. Einen Bezug zu einem eigenen oder abgeleiteten Recht hätte der Gesetzgeber auch nicht allein durch die Verwendung des Begriffes "Versicherter" erreichen können (so aber LSG NRW, Urteil vom 30.07.2003 - L 8 RJ 64/03, anhängig BSG B 13 RJ 44/03 R; LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.), da jeder nach dem FRG Berechtigte Versicherter ist, sofern ihm kraft Bundesrecht eine Beitragszeit - auch ohne Beitragszahlungen - zuerkannt worden ist (vgl. BSG vom 14.05.03 - B 4 RA 6/03 R - in Juris). Erst dadurch, dass sie zu den FRG-Berechtigten gehören, finden über § 14 FRG die allgemeinen Vorschriften Anwendung.

Auch der Begriff "anrechenbare Zeiten" lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass § 22b FRG sich lediglich auf das Zusammentreffen mehrerer Renten aus eigener Versicherung bezieht (LSG NRW, Urteil vom 30.07.2003 - L 8 RJ 64/03, anhängig BSG B 13 RJ 44/03 R). Zwar beruht der Wert der Hinterbliebenenrente - wie der 4. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 30.08.2001 (B 4 RA 118/00 R a.a.O.) ausführt - nicht auf einer durch eigene Versicherungsleistung erworbenen individuellen Rangstelle, sondern leitet sich entsprechend ihrer Unterhaltsersatzfunktion aus der Rente "des Versicherten" oder Berechtigten ab. Die Bestimmung der Höhe der Hinterbliebenenleistung setzt aber notwendigerweise die Feststellung der "anrechenbaren Zeiten" voraus. Gleiches gilt für den in § 22b FRG verwendeten Begriff "Entgeltpunkte", deren Ermittlung ebenfalls zur Feststellung des Wertes einer Hinterbliebenenrente erforderlich ist.

Auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift und dem Gesetzeszusammenhang ergibt sich nicht, dass sich § 22b Abs. 1 S. 1 FRG auch auf Renten aus unterschiedlichen Versicherungen, also eigenen und abgeleiteten Rechten, bezieht.

Zwar hat der Gesetzgeber mit der Einführung des § 22b FRG ein radikal geändertes Grundsicherungs-Konzept verfasst, das allenfalls dem äußeren Anschein nach noch in Zusammenhang mit dem im SGB VI ausgestalteten System der gesetzlichen Rentenversicherung steht (hierzu und zum folgenden BSG vom 30.08.2001 - B 4 RA 87/00 R - a.a.O.). Mit Inkrafttreten der Norm folgen die vordergründig fortgeltenden gleichstellenden Zuordnungsregelungen zum Kernsystem der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr dem seit dem 1. Januar 1959 (Art 7 § 3 Satz 1 FANG vom 25. Februar 1960, BGBl I S 93) geltenden und seither in wechselnden Ausgestaltungen konkretisierten Eingliederungsprinzip; im Gewande der gesetzlichen Rentenversicherung ist jetzt ausschließlich eine nach unten offene "Grundsicherung" eingeführt. Die Vorschriften über den Wert der Rangstelle sind allein in den völlig neuen Zusammenhang der Ermittlung eines auf der Grundlage von höchstens 25 EP zu bestimmenden Werts der besonderen "Spätaussiedlerrente" gestellt. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass damit auch die Hinterbliebenenversorgung insoweit eingeschränkt werden sollte, dass ein Hinterbliebener insgesamt nicht mehr Leistungen als solche nach 25 EP insgesamt erlangen sollte. § 14 FRG verweist im Gegenteil weiterhin auf die allgemeinen Vorschriften, soweit sich durch die nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt. Eine Einschränkung der Hinterbliebenenversorgung hat der Gesetzgeber ausdrücklich erst mit dem später eingefügten § 14a FRG kodifiziert, der auf den vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Wenn der Gesetzgeber hier eine Klarstellung für erforderlich gehalten hat, hätte sie sich auch für den Fall angeboten, dass er einem nach dem FRG Berechtigten, unabhängig von der zugrunde liegenden Rentenberechtigung(en) bwz. Rentenarten, maximal eine Rentenleistung nach 25 EP hätte gewähren wollen. Eine ausdrückliche Einschränkung der Höhe nach, nämlich auf maximal 25 EP unabhängig davon, ob dieser Begrenzung zwei Rentenarten (§ 33 SGB VI) zu Grunde liegen, sieht das Gesetz aber nicht vor. Auch der beabsichtigte Zweck, die Rentenleistung im Sinne einer Sozialrente oder Grundsicherung zu beschränken führt nicht dazu, dass auch beim Zusammentreffen von "eigenen" und abgeleiteten Rentenansprüchen nur eine maximale Leistung nach 25 EP zu zahlen ist. Denn auch das FRG geht weiterhin von eigenständigen Hinterbliebenenleistungen aus. Dies wird z.B. in §§ 1 Buchstabe e, 14a FRG deutlich. Auch die Beklagte hat zutreffend zumindest dem Grunde nach einen Hinterbliebenenrentenanspruch erkannt. Dieser Anspruch ist nach ständiger Rechtsprechung kein auf eigener Leistung beruhender Anspruch, auch wenn die Hinterbliebenenrente aus Beiträgen der Versicherten und der Arbeitgeber finanziert wird. Es fehlt - grundsätzlich - an einem hinreichenden personalen Bezug zwischen der Beitragsleistung des Versicherten und der später an seine Hinterbliebenen geleisteten Rente. Die Hinterbliebenenrente ist eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung, die der Sicherung der Familienangehörigen im Rahmen des dem Sozialversicherungssystem eigenen Gedankens des sozialen Ausgleichs dient, zumal sie ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt wird (BVerfG, Beschluss vom 18.02.1998, 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 in: BVerfGE 97, 271-297 und SozR 3-2940 § 58 Nr. 1 m.w.N. BVerfG, 30.09.1987, 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256 (300f)).

Auch wenn also die nach dem FRG Berechtigten nunmehr eine "Sozialrente" eigener Art weitgehend losgelöst von dem Rentensystem nach dem SGB VI und lediglich eine Grundsicherung, angelehnt an die Eingliederungshilfe bzw. Sozialhilfe beziehen, ändert dies nichts daran, dass der grundsätzliche Anspruch auf Hinterbliebenenrente auch und gerade nach dem FRG besteht (vgl. BSG vom 06.12.79 - GS 1/79 - BSGE 49, 176, 183) und diese Leistung selbst schon eine fürsorgerisch motivierte Leistung ist, die der Sicherung auch von Familienangehörigen dienen soll. Die Höhe dieser Leistungen ist bereits begrenzt durch die Regelungen des allgemeinen Rentenrechts des SGB VI, so durch den geringeren Rentenartfaktor (§§ 67, 82 SGB VI) und die Anrechnung von Einkommen (§ 97 SGB VI). Eine weitere Begrenzung der Höhe nach hätte zumindest einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Dies zumal deshalb, weil sich die Höhe der Hinterbliebenenrente u.a. nach der individuellen Versicherungsbiografie des Verstorbenen in Anwendung des FRG richtet. Das bedeutet, dass § 22b Abs.1 Satz 1 FRG bei der Ermittlung der EP Anwendung findet, so dass aus der Versicherung des Verstorbenen maximal 25 EP bei der Berechnung der Witwenrente Berücksichtigung finden.

Zwar wird aus dem Gesetzeszusammenhang (§ 22b Abs. 3 FRG) deutlich, dass der Gesetzgeber Alleinstehende nur mit maximal 25 EP ausstatten will (so LSG NRW Urteil vom 30.07.2003 - L 8 RJ 64/03, anhängig BSG B 13 RJ 44/03 R; LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.). Nach dieser Vorschrift werden bei Ehegatten und in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Berechtigten, deren jeweilige Rente nach Abs.1 und 2 festgestellt worden ist, höchstens insgesamt 40 EP zugrunde gelegt (§ 22b Abs.3 S.1 FRG), wie auch im Fall der Klägerin und des Verstorbenen zu dessen Lebzeiten geschehen. Hintergrund der Kürzung von eigentlich 50 auf 40 EP ist der Umstand, dass diese Personen durch das Zusammenleben Kosten der Haushaltsführung einsparen.

Hieraus kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, dass deshalb, weil schon bei lebenden Ehegatten eine Beschränkung auf maximal 40 EP als Maß der Existenzsicherung festgesetzt ist, dieses nach dem Tod des einen Berechtigten für den Überlebenden erst recht begrenzt werden müsse, da sich die Haushaltsführungskosten mit dem Tod des Ehepartners zwangsläufig verringern (so aber LSG NRW Urteil vom 30.07.2003 - L 8 RJ 64/03, anhängig BSG B 13 RJ 44/03 R und LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.). Denn trotz der "Reduzierung" der FRG-Rente auf maximal 25 EP bleibt der Bezug zu den allgemeinen Rentenregelungen des SGB VI, die den Anspruch auf Hinterbliebenenrente normieren. Der Gesetzgeber unterscheidet durch das Institut der Hinterbliebenenrenten gerade zwischen Alleinstehenden und Verwitweten; für letztere übernimmt die Solidargemeinschaft eine - weitere - Fürsorgefunktion, für erstere nicht.

In Anbetracht der sehr uneinheitlichen Rechtsprechung des Landessozialgerichts und der Tatsache, dass der für Streitsachen zwischen den vorliegend Beteiligten zuständige Senat des BSG über die hier zugrunde liegende Rechtsfrage noch nicht entschieden hat und dass die Argumente der Beklagte bezüglich des gesetzgeberischen Willens durchaus Gewicht haben können, hat der Senat die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.