OLG Köln, Urteil vom 18.03.2003 - 9 U 5/02
Fundstelle
openJur 2011, 26248
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 24 0 336/98
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4.10. 2001 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 0 336/98 -

teilweise abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die jeweiligen Sicherheitsleistungen dürfen auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse

erbracht werden.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte als Teilkaskoversicherer wegen der nach seiner Behauptung am 24.10.1997 in G. / Polen erfolgten Entwendung eines Daimler Benz 300 CE - W 14 Cabrio ( amtliches Kennzeichen xx - xx xxxx) auf Entschädigung in Anspruch.

Am 24.10.1997 zeigte der Kläger bei der Polizeikommandantur in G. den Diebstahl des Wagens an. Am 3.11.1997 erstattete er Anzeige bei der Polizei in G.. In dem vom Kläger ausgefüllten Fragebogen zum Diebstahlschaden der Beklagten vom 3.11.1997 trug der Kläger unter anderem folgendes ein (Bl. 48 GA): Auf die Frage "Wie viele Originalschlüssel haben Sie erhalten ? "Drei". Die Frage "Wurden Ersatzschlüssel gefertigt ? warum ?" beantwortete er mit "Nein". Zur Frage nach Abhandenkommen von Schlüsseln... heißt es " Ein Schlüssel bei meinem Wohnungswechsel im Januar 1997 ".

Die Beklagte ließ ein Schlüsselgutachten von dem Sachverständigen H. anfertigen (vgl. Bl. 53 ff GA) . Dieser stellte fest, dass es sich bei den zwei vorgelegten Schlüsseln um einen Original - Hauptschlüssel mit schwarzer eckiger Kunststoffreide sowie um einen nach Code-Nummer hergestellten Nachschlüssel auf Basis Huf-Rohling handelte. Der Hauptschlüssel weise Duplizierspuren auf, die von keinen Gebrauchsspuren überlagert seien. Sonst seien bei beiden Schlüsseln starke Gebrauchsspuren vorhanden.

Der Kläger hat behauptet, der Wagen sei ihm am 24.10.1997 in D. - G. gestohlen worden. Er habe ihn gegen 18.10. Uhr unmittelbar im Stadtzentrum verschlossen abgestellt. Als er um 19.15 Uhr zurückgekommen sei, habe er das Fahrzeug nicht mehr aufgefunden. Ein Schlüssel sei offenbar bei dem Umzug des Klägers von G. nach B. im Januar 1997 abhanden gekommen. Es stehe nicht einmal fest, dass der entwendete Wagen mit Hilfe eines Nachschlüssels gestohlen worden sei. In seiner Besitzzeit sei kein Nachschlüssel gefertigt worden. Ein Unfallschaden sei ordnungsgemäß repariert gewesen. Den Entschädigungsbetrag hat der Kläger unter Berücksichtigung einer Selbstbeteiligung von 1.000,00 DM auf 53.347,83 DM beziffert.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 53.347,83 DM nebst

10,25 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich auf das fehlende äußere Bild der Entwendung, Vortäuschung des Versicherungsfalles und Obliegenheitsverletzung durch falsche Angaben, insbesondere zu den Schlüsselverhältnissen, berufen.

Das Landgericht hat den Kläger persönlich angehört (Bl.105, 106) und ein Gutachten des Sachverständigen S. zum Wiederbeschaffungswert eingeholt. Sodann hat das Landgericht unter Abweisung der Klage im übrigen die Beklagte verurteilt, an den Kläger 45.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit 8.12.1998 zu zahlen. Es hat das äußere Bild auf Grund der Angaben des Klägers bei seiner Anhörung als nachgewiesen angesehen, da der Kläger glaubwürdig sei.

Gegen das ihr am 8.10.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 8.11.2001 Berufung eingelegt und diese mit am 10.12.2001 (Montag) eingegangenem Schriftsatz begründet. Sie macht geltend, das äußere Bild sei nur unklar dargelegt und schon gar nicht nachgewiesen. Der Kläger sei nicht uneingeschränkt glaubwürdig, weil er unter anderem zu den Schlüsselverhältnissen falsche Angaben gemacht habe.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung insgesamt

abzuweisen

und ihr zu gestatten, eine Sicherheitsleistung

durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen

Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und ihm zu gestatten, Sicherheit auch durch die Bürgschaft

einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse

oder Genossenschaftsbank zu leisten.

Der Kläger macht geltend, wenn er im Fragebogen zum Diebstahlschaden gegenüber der Beklagten und bei seiner Anhörung vor dem Landgericht den Abstellort mit "öffentlicher Parkplatz in G. (D.)" bezeichnet habe, so stelle er nunmehr klar, dass es sich um die Innenstadt von G. gehandelt habe und nicht um die davon zu unterscheidende Stadt D.. Zu den Schlüsselverhältnissen liege eine Falschangabe nicht vor. Er habe beim Kauf drei Schlüssel erhalten und habe diese für Originale gehalten und halten können. Im übrigen könne der Ersatzschlüssel ohne weiteres zu einer Zeit hergestellt sein, als der Kläger noch nicht im Besitz des Wagens und der Schlüssel gewesen sei. Die Feststellungen des Sachverständigen H. könnten auch dann eingetreten sein, wenn das Kopieren vor dem Erwerb stattgefunden habe und der Kläger den vom Sachverständigen H. als Hauptschlüssel Nummer 1 bezeichneten Schlüssel lediglich als Ersatzschlüssel verwendet und - wie bei der Anhörung erklärt - eingesetzt habe und im übrigen für die Benutzung des Wagens nur den zweiten - anhand der Code-Nummer hergestellten - Schlüssel verwendet habe.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung und anschließende Anhörung des Sachverständigen H.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.1.2003, Bl. 336 ff GA, Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen. Die beigezogenen Akten 58 UJs 1092/97 StA Essen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist begründet.

1. Ein Anspruch auf Entschädigung nach § 12 Abs. 1 I b) AKB steht dem Kläger gegen die Beklagte wegen des behaupteten Schadenereignisses vom 24.10.1997 auf Grund der zwischen den Parteien bestehenden Teilkaskoversicherung nicht zu.

a) In der Diebstahlversicherung gewährt die Rechtsprechung dem Versicherungsnehmer Beweiserleichterungen. Er muss lediglich einen Sachverhalt darlegen und beweisen, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Fahrzeugentwendung zulässt (vgl. BGH, VersR 1984, 29). Diese Absenkung des Beweismaßes beruht auf einer aus dem Versicherungsvertrag zu entnehmenden materiellrechtlichen Risikoverteilung. Es wird kein Vollbeweis verlangt, sondern nur der Nachweis des äußeren Bildes einer Fahrzeugentwendung. Dazu reicht es in der Regel aus, dass bewiesen wird, dass der Versicherungsnehmer sein Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und dort später nicht wieder aufgefunden hat (vgl. BGH, r+s 1995, 288). Für diesen Mindestsachverhalt muss der Versicherungsnehmer allerdings den Vollbeweis erbringen (vgl. BGH, r+s 1993,169). Ist ein Zeuge vorhanden, so kann der Beweis für das Abstellen und Nichtwiederauffinden durch diesen geführt werden. Kann der Versicherungsnehmer den Nachweis des äußeren Bildes nicht durch Zeugen erbringen, so kann der Beweis durch eigene Angaben des nach § 141 ZPO anzuhörenden Versicherungsnehmers erbracht werden (vgl. BGH, r+s 1991, 221; r+s 1992, 221; Senat, r+s 2000, 320).

Wenn die Vernehmung eines vorhandenen Zeugen den erforderlichen Nachweis nicht erbracht hat, kann unter Umständen auf die Angaben des Versicherungsnehmers zurückgegriffen werden (vgl. OLG Hamm, r+s 1997, 491; r+s 1995, 126; Römer, NJW 1996, 2329 (2331) ). Ein Versicherungsnehmer ohne jeden Zeugen ist wegen der vergleichbaren Situation genauso zu behandeln wie derjenige Versicherungsnehmer, dessen Zeuge ausfällt.

Der Nachweis des äußeren Bildes durch eigene Angaben des Versicherungsnehmers setzt aber voraus, dass dieser uneingeschränkt glaubwürdig ist. Es dürfen keine Zweifel an der persönlichen Glaubwürdigkeit und an der Richtigkeit der Sachverhaltsschilderung bestehen (vgl. BGH, r+s 1997, 277; Senat, r+s 2000, 320; Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 49, Rn. 26 - 28 ). Welche Gesichtspunkte von Bedeutung sind, ist Frage des Einzelfalls. Solche Umstände, die bei einer Gesamtschau gewichtige Zweifel an der Redlichkeit hervortreten lassen, sind vorliegend gegeben. Aus diesem Grund konnten die eigenen Angaben des Klägers nicht zum Beweis des äußeren Bildes berücksichtigt werden. Er hat falsche Angaben zu den Schlüsselverhältnissen gemacht. Solche im Zusammenhang mit einer Entwendung stehende Umstände sind für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von erheblicher Wichtigkeit.

b) Der Kläger, der ein Duplizieren eines Schlüssels während seiner Besitzzeit in Abrede stellt, hat bei seiner Anhörung vor dem Landgericht angegeben (Bl.105 GA), er habe in der Regel den ersten Originalschlüssel benutzt. Der zweite Schlüssel sei von ihm in der Zeit des Besitzes des Wagens allenfalls vier bis fünf Mal gebraucht worden.

Diese Angaben sind nicht zutreffend, wie sich aus der Anhörung des Sachverständigen H. ergibt. Dieser hat ausgeführt, dass er auf dem Originalschlüssel Kopierspuren festgestellt habe, und zwar auf der Vorderseite. Nach dem Kopieren des Schlüssels habe keine einzige Schließung mehr stattgefunden.

Der Gutachter hat dies im einzelnen anhand der gefertigten Fotos begründet. Die Zuhaltungsplättchen hätten bei einer Benutzung kontaktieren müssen. Sie stünden unter Federdruck und würden auf die Schafteinschnittoberfläche gedrückt. Wenn sie über das feine, durch den Abtastfinger aufgeworfene Material glitten, fügten sie diesem zwangsläufig Rückverformungen zu. Solche habe er selbst bei 400-facher Vergrößerung nicht erkennen können. Der Abtastfinger hinterlasse Materialspitzen. Wenn nur eine weitere Schließung erfolge, würden diese geglättet. An keiner Stelle habe eine solche Glättung festgestellt werden können. Damit stehe fest, dass keine Schließung nach dem Kopieren erfolgt sei. Dies steht aber im Gegensatz zu den Angaben des Klägers.

Für die Einholung eines Obergutachtens bestand keine Veranlassung. Der Sachverständige H. verfügt über besondere Sachkunde auf dem Gebiet der Begutachtung von Schließeinrichtungen. Seine Ausführungen waren nachvollziehbar und überzeugend, so dass es eines weiteren Gutachtens nicht bedurfte (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 412, Rn 3).

Damit haben sich die Erklärungen des Klägers zu den Schlüsselverhältnissen als falsch erwiesen und ist er nicht als uneingeschränkt glaubwürdig anzusehen, so dass seine eigenen Angaben nicht Grundlage für den Nachweis des äußeren Bildes der Entwendung sein können.

2. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO

n. F. lagen nicht vor.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 23.008,13 EUR (45.000,00 DM)