OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.10.2017 - 15 B 1093/17
Fundstelle
openJur 2018, 6914
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 14 L 3083/17

Die Konzentrationswirkung eines Planfeststellungsbeschlusses kann auch die Freistellung von der Niederschlagswasserüberlassungspflicht enthalten.

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird geändert.

Im Wege der einstweiligen Anordnung wird festgestellt, dass das Grundstück G. -H. -Straße, L. (Gemarkung X.--, Flur 71, Flurstück 188) ab Erstellung der betriebsfertigen Anlage zur Entsorgung des Niederschlagswassers auf diesem Grundstück nach Maßgabe des Planfeststellungsbeschlusses der Bezirksregierung L. vom 7. März 2008 nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang an die von der Antragsgegnerin betriebene öffentliche Entwässerungseinrichtung unterliegt, soweit es um Niederschlagswasser geht.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Instanzen auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe

1. Die Beschwerde der Antragstellerin hat mit dem Hauptantrag Erfolg.

Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe führen zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist zulässig (dazu a) und begründet (dazu b).

a) Der Eilantrag ist zulässig. Insbesondere hat die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO an der streitigen Feststellung, dass sie ab Erstellung der betriebsfertigen Anlage zur Entsorgung des Niederschlagswassers auf dem Grundstück G. -H. -Straße, L. (Gemarkung X.--, Flur 71, Flurstück 188; im Folgenden: Vorhabengrundstück) nach Maßgabe des Planfeststellungsbeschlusses der Bezirksregierung L. vom 7. März 2008 nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang an die von der Antragsgegnerin betriebene öffentliche Entwässerungseinrichtung unterliegt, soweit es um Niederschlagswasser geht. Dieser Feststellungsantrag ist auch nicht nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO subsidiär.

Die - hier gestellte - konkrete Frage nach dem Bestehen eines bestimmten Anschluss- und Benutzungsverhältnisses ist prinzipiell ein Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO, an dessen Feststellung ein berechtigtes Interesse gegeben ist.

Vgl. insoweit auch OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 2016 - 15 A 872/15 -, juris Rn. 38

Der Grundsatz der Subsidiarität aus § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO steht der Zulässigkeit dieses Feststellungsantrags nicht entgegen. Die Antragstellerin kann aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falls nicht darauf verwiesen werden, zunächst den Erlass einer Anschlussverfügung durch die Antragsgegnerin abzuwarten, um anschließend gegen diese im Wege des nachträglichen (Anfechtungs-)-Rechtsschutzes vorzugehen.

Vgl. zur Subsidiarität wiederum etwa OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 2016 - 15 A 872/15 -, juris Rn. 41 ff., m.w.N.

Dies folgt aus denselben Gründen, aus denen ein Anordnungsgrund zugunsten der Antragstellerin zu bejahen ist. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 1. b) bb) verwiesen.

b) Der Eilantrag ist auch begründet.

Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen vor. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch (dazu aa) als auch einen die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Anordnungsgrund (dazu bb) glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

aa) Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, d. h. wenn der geltend gemachte materielle Anspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit besteht.

Vgl. zuletzt OVG NRW, Beschlüsse vom 24. August 2017 - 15 B 940/17 -, juris Rn. 7, vom 29. Juni 2017 - 15 B 200/17 -, juris Rn. 25, und vom 8. Mai 2017 - 15 B 417/17 -, juris Rn. 8.

Dies ist hier der Fall.

Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie einen Anspruch auf die mit dem Hauptantrag begehrte Feststellung hat. Das Vorhabengrundstück unterliegt ab Erstellung der betriebsfertigen Anlage zur Entsorgung des Niederschlagswassers auf diesem Grundstück nach Maßgabe des Planfeststellungsbeschlusses der Bezirksregierung L. vom 7. März 2008 nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang an die von der Antragsgegnerin betriebene öffentliche Entwässerungseinrichtung, soweit es um Niederschlagswasser geht. Die Freistellung der Antragstellerin von der Niederschlagswasserüberlassungspflicht folgt aus dem Planfeststellungsbeschluss vom 7. März 2008. Dieser stellt - wie es auch in seinem Tenor unter Ziffer 1 heißt - die Zulässigkeit des Vorhabens der Antragstellerin (Neubau eines KV-Terminals in L. -O. ) im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange fest. Neben dieser Planfeststellung sind aufgrund der Konzentrationswirkung aus § 18 Satz 3 AEG, § 75 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 VwVfG andere behördliche Entscheidungen, insbesondere öffentliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen nicht erforderlich. Durch die Planfeststellung werden - vorbehaltlich spezialgesetzlicher Einschränkungen - alle öffentlichrechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt (§ 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG).

Gemäß § 18 Satz 3 AEG, § 75 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 VwVfG tritt in Bezug auf das eisenbahnrechtliche Vorhaben - hier der Antragstellerin - und seine notwendigen Folgemaßnahmen eine Zuständigkeitskonzentration bei der Planfeststellungsbehörde - hier der Bezirksregierung L. - ein. Die Sachentscheidungskompetenz der Planfeststellungsbehörde wird um die jeweilige Entscheidungskompetenz derjenigen Behörden erweitert, deren Entscheidung von dem Planfeststellungsbeschluss eingeschlossen wird. Die nach Bundes- oder Landesrecht an sich zuständigen Behörden verlieren insoweit ihre Entscheidungsbefugnis. Es bedarf auch nicht ihrer Zustimmung zu der Entscheidung der Planfeststellungsbehörde. Da die Konzentrationswirkung kraft Gesetzes eintritt, erübrigt es sich, die ersetzten Entscheidungen im verfügenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses auszusprechen. Die Planfeststellungsbehörde trifft keine an sich selbständigen Entscheidungen, die nur äußerlich zur Planfeststellung zusammengefasst sind, sondern eine einzige (Gesamt-)-Entscheidung. Diese schließt eine Vielzahl gesonderter (Teil-)Entscheidungen ein. Wird der Planfeststellungsbeschluss bestandskräftig, kann nicht gerügt werden, dass die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung anderer im Planfeststellungsbeschluss aufgehender behördlicher Entscheidungen von der Planfeststellungsbehörde nicht oder nicht zutreffend geprüft worden seien.

Vgl. Vallendar, in: Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 18 Rn. 29; Ramsauer/Wysk, in: Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 75 Rn. 12; zur Konzentrationswirkung eines Planfeststellungsbeschlusses und dessen Legalisierungswirkung siehe auch BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2007 - 9 A 22.06 -, juris Rn. 14, Beschluss vom 15. September 1995 - 11 VR 16.95 -, juris Rn. 34.

Die Genehmigungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses erfasst das Vorhaben als solches, d. h. alle zum Vorhaben gehörenden baulichen und sonstigen Anlagen, wie sie insbesondere aus dem Bauwerksverzeichnis hervorgehen.

Vgl. Ramsauer/Wysk, in: Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 75 Rn. 9.

Von der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses ist - soweit hier von Interesse - lediglich die wasserrechtliche Erlaubnis und Bewilligung nach § 8 Abs. 1 WHG ausgenommen. Nach § 19 Abs. 1 WHG entscheidet die Planfeststellungsbehörde, wenn für ein Vorhaben, mit dem die Benutzung eines Gewässers verbunden ist, ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt wird. Die Erteilung der insoweit erforderlichen Erlaubnisse oder Bewilligungen obliegt danach der Planfeststellungsbehörde. Die wasserrechtliche Entscheidung behält ihre Selbständigkeit.

Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, juris Rn. 450; Hess. VGH, Urteil vom 17. November 2011 - 2 C 2165/09.T -, juris Rn. 100; Vallendar, in: Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 18 Rn. 31; Ramsauer/Wysk, in: Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 75 Rn. 12d; Berendes, in: Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2011, § 19 Rn. 6 ff.

Dementsprechend hat die Bezirksregierung L. mit dem Planfeststellungsbeschluss vom 7. März 2008 auch eine wasserrechtliche Erlaubnis zum Betrieb einer Niederschlagswasserentsorgungsanlage zur Versickerung des Niederschlagswassers auf dem Vorhabengrundstück erteilt. Dies zugrunde gelegt, schließt der Planfeststellungsbeschluss vom 7. März 2008 die Freistellung von der Niederschlagswasserüberlassungspflicht durch die Antragsgegnerin nach § 53 Abs. 3a) Satz 1 LWG NRW a. F./§ 49 Abs. 4 Satz 1 LWG n. F., § 6 Abs. 1 Satz 3 der Abwassersatzung der Antragsgegnerin (im Folgenden: AWS) ein. In der Folge unterliegt die Antragstellerin im Hinblick auf das auf dem Vorhabengrundstück anfallende Niederschlagswasser nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang an die von der Antragsgegnerin betriebene öffentliche Entwässerungseinrichtung.

Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses vom 7. März 2008 ist nach dem Erläuterungsbericht zum Vorhaben der Antragstellerin, bei dem es sich um eine geprüfte Anlage zum Planfeststellungsbeschluss handelt, auch eine besondere Einrichtung der Regenwasserableitung (siehe Seite 19 des Erläuterungsberichts, Ziffer 7.5). Danach wird das Niederschlagswasser der Kran-Module A und B sowie der übrigen Straßenverkehrs- und Abstellflächen getrennt über Hauptsammler gefasst und jeweils einer als Stauraumkanal konzipierten Regenwasserrückhaltung zugeführt. Zur weiteren Behandlung der Niederschlagswasserabflüsse werde das vorgereinigte Oberflächenwasser einer Retentionsbodenfilteranlage zugeleitet. Das im Retentionsbodenfilter zwischengespeicherte Wasser durchsickere eine ca. 80 cm dicke Filterschicht, werde über Drainagen gedrosselt, einem Wasseraktivkohlefilter zugeführt und anschließend über ein nachgeschaltetes Versickerungsbecken in den Untergrund infiltriert. Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses ist außerdem ein Entwässerungskonzept, in dem die geplante Umsetzung der Entwässerung weitergehend erläutert wird. Demzufolge soll die ordnungsgemäße Beseitigung des auf dem Vorhabengrundstück anfallenden Niederschlagswassers über ein Trennsystem geregelt werden. Dazu werde das Niederschlagswasser mit Hilfe von Rückhaltesystemen und Retentionsbodenfiltern etc. versickert (siehe zur Anlagenbeschreibung dieses "Entwässerungssystems Niederschlagswasser" im Einzelnen den Abschnitt 4.1 des Entwässerungskonzepts). Das gleichfalls zum Planfeststellungsbeschluss gehörende Bauwerksverzeichnis führt solchermaßen unter Nr. 5 die Betriebsanlagen auf, aus denen sich die planfestgestellte Niederschlagswasserbeseitigungsanlage auf dem Vorhabengrundstück zusammensetzt.

Mit Blick darauf kann sich aus der Nebenbestimmung Ziffer 6.4.2 zum Planfeststellungsbeschluss vom 7. März 2008 mit dem Inhalt

"Anschlusskanäle an die öffentliche Entwässerungsanlage sind bei den Stadtentwässerungsbetrieben L. , AöR (T. ) rechtzeitig zu beantragen. Die derzeitige Kanalplanung der T. ist zu berücksichtigen (s. Anlage 2). Für das Areal ist die Entwässerung entsprechend § 51 a LWG NRW mittels Versickerung vorrangig zu betreiben."

nichts anderes ergeben. Sie vermag die Reichweite der Legalisierungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses von vornherein nicht einzuschränken. Sie besagt (entgegen dem beschriebenen Regelungsmodell der Konzentrationswirkung) zudem auch nicht, dass die in Rede stehende Entscheidung über die Freistellung von der Niederschlagswasserüberlassungspflicht bei der Antragsgegnerin verbleiben soll.

Das Wort "vorrangig" hat die Bezirksregierung L. - wie den Wortlaut der Nebenbestimmung Ziffer 6.4.2 im Übrigen - aus der Stellungnahme der Stadt L. im Planfeststellungsverfahren vom 12. Dezember 2006 übernommen. Es bringt im beschriebenen Gesamtzusammenhang der Regelungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses nicht zum Ausdruck, die Versickerung des Niederschlagswassers bedeute für die Antragstellerin lediglich eine Option, die gleichsam unter dem Vorbehalt der Befreiung von dem Anschluss an den öffentlichen Regenwasserkanal stehe. Dagegen spricht auch die der Stellungnahme der Stadt L. vom 12. Dezember 2006 beigefügte Anlage 3, die eine Äußerung ihres Umwelt- und Verbraucherschutzamts - Untere Wasser- und Abfallwirtschaftsbehörde - zum Vorhaben der Antragstellerin aus wasserwirtschaftlicher Sicht enthält. Die Untere Wasser- und Abfallwirtschaftsbehörde verhält sich darin ausdrücklich zu der von der Antragstellerin ins Auge gefassten örtlichen Niederschlagswasserbeseitigung über eine Anlage zur Versickerung des Niederschlagswassers und der diesbezüglich mit der Planfeststellung zu erteilenden wasserrechtlichen Erlaubnis. Der geplanten Versickerung stimmt sie im Rahmen der vorgelegten Entwässerungskonzeption zu.

Im Anschluss daran kann sich der Passus der Nebenbestimmung Ziffer 6.4.2, Anschlusskanäle an die öffentliche Entwässerungsanlage seien rechtzeitig bei der Antragsgegnerin zu beantragen, deren derzeitige Kanalplanung zu berücksichtigen sei, nicht auf die Niederschlags-, sondern allenfalls auf die Schmutzwasserbeseitigung beziehen. Im Übrigen war durch den zweiten Satzteil insoweit augenscheinlich, wie die Beschwerde vorträgt, die Kanalbaumaßnahme der Antragsgegnerin im Bereich der H. Straße gemeint, auf welche die Antragstellerin Rücksicht nehmen musste, soweit sich diese mit ihrer Gleisanlage kreuzte.

Unterstrichen wird dieser Befund durch Ziffer 6.5 der Bewertung der Umweltauswirkungen bezüglich des Schutzguts Wasser in der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses. Dort heißt es, Beeinträchtigungen dieses Schutzguts könnten insgesamt ausgeglichen werden. Dabei werde das Niederschlagswasser im versiegelten Bereich durch eine nachfolgende Behandlung wieder so aufbereitet, dass es versickern könne.

Dies verdeutlicht überdies der 3. Änderungsbeschluss der Bezirksregierung L. vom 26. Januar 2011. Dieser lässt eine zeitlich begrenzte Änderung der Entwässerung zu, die durch einen Teilausbau des KV-Terminals erforderlich werde. Die ursprüngliche Entwässerungsplanung durch eine Vor-Ort-Versickerung sei allerdings zu realisieren, wenn die beiden Module A und B umgesetzt würden.

Aus diesem Grund hat die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin am 30. September 2010 auch nur einen vorübergehenden Kanalanschlussschein für die erste Inbetriebnahmestufe beantragt und am 24. November 2010 einen solchen erhalten. Dies hat die Antragstellerin in dem mit dem Antrag zur Ausstellung des Kanalanschlussscheins vorgelegten Erläuterungsbericht klargestellt. Entsprechendes gilt für den weiteren Antrag der Antragstellerin auf Ausstellung eines Kanalanschlussscheins vom 11. Oktober 2012 und den daraufhin ausgestellten Kanalanschlussschein vom 29. November 2012.

Demgegenüber kann sich die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg darauf berufen, die Entscheidung für das Trennkanalisationssystem sei bereits lange vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses getroffen, sie sei am Planfeststellungsverfahren selbst nicht beteiligt und die Freistellungsvoraussetzungen der § 53 Abs. 3a) Satz 1 LWG NRW a. F./§ 49 Abs. 4 Satz 1 LWG n. F., § 6 Abs. 1 AWS seien im Planfeststellungverfahren nicht geprüft worden. Zum einen kann gegen einen - wie hier - bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss - wie oben ausgeführt - nicht eingewandt werden, er sei materiell rechtswidrig. Zum anderen hat die Stadt L. in der vorerwähnten Stellungnahme vom 12. Dezember 2006 - ohne dass es darauf noch ankäme - die vom Vorhaben der Antragstellerin berührten wasserwirtschaftlichen Belange in das Planfeststellungsverfahren eingeführt, so dass die Bezirksregierung L. diese berücksichtigen konnte.

Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Antragstellerin gegenüber anderen Grundstückseigentümern ergibt sich daraus nicht. Deren (Grundstücks-)Situation ist mit derjenigen der Antragstellerin nicht ohne Weiteres vergleichbar. Die Antragstellerin verfügt über einen Planfeststellungsbeschluss, infolgedessen sie sowohl zur Niederschlagswasserbeseitigung als auch wegen der dem Planfeststellungsbeschluss innewohnenden Planbefolgungspflicht,

vgl. zu dieser BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2007 - 9 A 22.06 -, juris Rn. 16,

zum Bau der planfestgestellten Niederschlagswasserbeseitigungsanlage verpflichtet ist.

In allen übrigen Fällen bleibt es hinsichtlich der Freistellungsbefugnis bei der regelmäßigen gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung und dem dafür nunmehr in § 49 Abs. 4 Satz 1 LWG NRW vorgesehenen materiellrechtlichen Prüfprogramm.

Vgl. zu diesem OVG NRW, Beschluss vom 24. Februar 2017 - 15 B 49/17 -, juris Rn. 7 ff.

Somit führt auch der von der Antragsgegnerin angeführte Beschluss des 20. Senats des beschließenden Gerichts vom 27. Mai 2013 - 20 A 2818/11 -, juris Rn. 9, nicht zu einer anderen Betrachtungsweise. Dieser besagt, dass eine mit der Gemeinde nicht identische Wasserbehörde die Freistellung von der Niederschlagswasserüberlassungspflicht weder selbst erteilen noch ersetzen kann. Damit ist eine anders gelagerte Fallgestaltung als die vorliegende angesprochen, in der die Freistellungsbefugnis der Planfeststellungsbehörde speziell aus der gesetzlich angeordneten Konzentrationswirkung der § 18 Satz 3 AEG, § 75 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwVfG bzw. aus § 19 Abs. 1 WHG resultiert.

bb) Die Antragstellerin hat einen die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Der Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO setzt neben einem mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bestehenden Anordnungsanspruch voraus, dass die gerichtliche Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, weil dem Antragsteller sonst schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 2017 - 15 B 417/17 -, juris Rn. 8.

Die Antragstellerin hat derartige Nachteile, die den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung erfordern, glaubhaft gemacht. Sie hat nachvollziehbar vorgetragen, dass sie die Gesamtanlage im Jahr 2018 oder spätestens im Jahr 2019 komplett fertigstellen will, um sie dann dem ausgewählten Betreiber übergeben zu können. Um diesen Zeitplan, der ein Vergabeverfahren für die Suche nach einem potentiellen Betreiber einschließe, einzuhalten, müsse sie jetzt die weiteren Bauarbeiten in Auftrag geben, zu denen auch die Herstellung der planfestgestellten technisch komplexen Niederschlagswasserentsorgungsanlage gehöre. Diesen Zeitplan kann die Antragstellerin nach Lage der Dinge absehbar nicht einhalten, wenn sie auf die Beschreitung des Rechtswegs in der Hauptsache verwiesen würde. Eine Umplanung der Niederschlagswasserbeseitigung kann der Antragstellerin schon deswegen nicht angesonnen werden, weil sie - wie unter 1. ausgeführt - Adressatin eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses - mit der ihm immanenten Planbefolgungspflicht - ist, der die Niederschlagswasserbeseitigung auf dem Vorhabengrundstück selbst in bestimmter Weise regelt. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist nach alledem notwendig, um den streitgegenständlichen materiellrechtlichen Anspruch der Antragstellerin sowie die für das Vorhaben getätigten Investitionen zu sichern, die sich nach dem Vorbringen der Antragstellerin auf etwa 53 Millionen € für das Gesamtprojekt - davon ca. 1.360.000 € eigens für die Entwässerungsanlage - belaufen,

2. Die von der Antragstellerin außerdem beantragte Beiladung der Bezirksregierung L. kann nach alledem schon mangels fortbestehenden Interesses der Antragstellerin an der Beiladung unterbleiben.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Der Senat macht insoweit von Amts wegen von seiner Abänderungsbefugnis gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG Gebrauch.

Wendet sich der Antragsteller - wie hier - gegen den Anschluss- und Benutzungszwang, will er damit finanzielle Aufwendungen vermeiden. Diese umfassen die Kosten für den Anschluss an die gemeindliche Kanalisation. Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung stehen die exakten Anschlusskosten in der Regel aber nicht fest. Deshalb ist in Streitigkeiten wegen Anschluss- und Benutzungszwangs regelmäßig auf den Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG zurückzugreifen. Die potentiellen Benutzungsgebühren sind demgegenüber nicht Streitgegenstand, so dass § 52 Abs. 3 GKG nicht herangezogen werden kann. Die Benutzungsgebühren müssten je nach Fallgestaltung auch erst allein zum Zwecke der Streitwertfestsetzung ermittelt werden. Dies würde den von § 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG gesetzten Prüfungsrahmen überschreiten.

Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 22. August 2017 - 15 E 648/17 -, und vom 1. April 2015 - 15 E 284/15 -, juris Rn. 6; Bay. VGH, Beschlüsse vom 12. September 2011 - 4 C 11.1625 -, juris Rn. 5, und vom 11. Februar 2008 - 4 C 07.3169 -, juris Rn. 4; siehe außerdem Ziffer 22.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2012/2013, der zwar auf die ersparten Anschlusskosten abhebt, aber einen Mindestwert von 5.000,- € vorschlägt.

Etwas anderes gilt allenfalls ausnahmsweise dann, wenn die voraussichtlichen Anschlusskosten von vornherein hinreichend belastbar beziffert werden können.

Vgl. insoweit OVG NRW, Beschlüsse vom 22. August 2017 - 15 E 648/17 -, vom 1. April 2015 - 15 E 284/15 -, juris Rn. 8, und vom 16. April 2008 - 15 E 246/08 -.

Gemessen daran ist der Streitwert für beide Instanzen auf den - wegen der begehrten Vorwegnahme in der Hauptsache nicht reduzierten - Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG von 5.000,- € festzusetzen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Sache für die Antragstellerin drückt sich weder in dem von ihr angegebenen Investitionsaufwand für die Entwässerungsanlage in Höhe 1.360.578,98 € oder in eventuell aufzubringenden zusätzlichen Rückbaukosten von etwa 300.000,- € noch in der Vermeidung jährlicher Niederschlagswassergebühren in einer Größenordnung zwischen 170.000,- € und 200.000,- € oder bei einer Nichtrealisierung der geplanten Niederschlagswasserbeseitigung in womöglich zurückzuzahlenden öffentlichen Fördermitteln aus. Vielmehr geht es der Antragstellerin um die Klärung der Frage, ob sie aufgrund des Planfeststellungsbeschlusses vom 7. März 2008 hinsichtlich der Niederschlagswasserbeseitigung nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang unterworfen ist. Für die Bezifferung der spezifischen wirtschaftlichen Bedeutung dieses Streitgegenstands gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte, weswegen der Auffangstreitwert anzusetzen ist.

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).