OLG Köln, Beschluss vom 04.10.2017 - 27 UF 7/17
Fundstelle
openJur 2017, 484
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 318 F 31/15
Tenor

1.

Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 31.10.2016 - 318 F 31/15 - wird zurückgewiesen.

2.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Kindesmutter auferlegt.

3.

Verfahrenswert: 3.000,- €

Gründe

I.

Zum Sachverhalt wird zunächst verwiesen auf die Darstellung im angefochtenen Beschluss, durch den nach vorangegangener einstweiliger Anordnung vom 12.11.2014 (Amtsgericht Köln 318 F 116/14) auch im vorliegenden Hauptsacheverfahren der Kindesmutter die elterliche Sorge für das betroffene Kind L entzogen worden ist, ferner auf den genannten Beschluss des Amtsgerichts vom 12.11.2014, auch und insbesondere zur persönlichen Vorgeschichte der Kindesmutter und ihrer vier älteren Kinder (M, geboren am 15.07.2000 und selbst Mutter eines im Jahr 2015 geborenen Kindes, T, geboren am 19.12.2004, T2, geboren am 08.02.2006, und B, geboren am 20.04.2009, die sämtlich nicht bei der Mutter leben).

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere der Gründe des angefochtenen Beschlusses, wird auf diesen Bezug genommen.

Bezüglich der Entwicklung von L ist zu ergänzen, dass diese nach den Berichten der Fachkräfte eine sehr positive Entwicklung nimmt. Die Pflegemütter lassen sich von ihr mit "Mama" und "Mami" ansprechen. Sie selbst rufen L mit dem Namen "G". Nach ihrer Schilderung hat die Kindesmutter die Mitwirkung an der Namensgebung verweigert, so dass sie schließlich, da sie das Kind mit Namen hätten ansprechen wollen, den Namen G gewählt hätten. L wisse aber, dass sie L heiße, und höre auf beide Namen.

Hinsichtlich der persönlichen Lebensumstände der Mutter ist auszuführen, dass sie am 05.08.2016 das weitere Kind T3 geboren hat, welches seit seiner Geburt bei ihr lebt. Nachdem sie zunächst unmittelbar nach der Geburt mit T3 untergetaucht war, hat sie mit Hilfe einer ehrenamtlich tätigen Familie (Familie N) eine Wohnung gefunden, in der sie seither lebt. Sie bezieht Leistungen nach SGB II. Über einige Monate erhielt sie Leistungen der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH); zudem wurde und wird sie durch die ehrenamtlich tätige Familie N intensiv betreut und unterstützt. Die Betreuung und Versorgung T3s vermochte sie jedenfalls während der Betreuung durch die SPFH, wohl auch in der Folgezeit, problemlos und ohne jeden Grund zur Beanstandung zu bewältigen. T3 entwickelt sich nach den vorliegenden Berichten sehr gut und war jedenfalls bei der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Parallelverfahren ihn betreffend am 05.04.2017 (Oberlandesgericht Köln 27 UF 132/16) ersichtlich in bester Verfassung.

Im vorgenannten Termin ist der Kindesmutter die zuvor entzogene elterliche Sorge für T3 zurückübertragen worden.

Vorliegend wendet sich die Kindesmutter gegen den Beschluss zur Entziehung der elterlichen Sorge für L. Sie erstrebt die Rückübertragung der Sorge, wünscht längerfristig die Rückführung des Kindes und kurzfristig die Ermöglichung deutlich umfangreicherer, ausgedehnter Umgangskontakte als bislang.

Sie verweist darauf, die Situation gegenüber der erstinstanzlich erfolgten Begutachtung im Dezember 2015 habe sich wesentlich verändert, so bewältige sie inzwischen seit der Geburt des Kindes T3 dessen Betreuung problemlos und sei nach Einschätzung der als SPFH eingesetzten Personen ohne weiteres in der Lage, neben T3 außerdem noch L zu betreuen und zu versorgen.

Unter grundrechtlichen Gesichtspunkten sei die Gewährung notwendiger Hilfen vorrangig vor der Trennung eines Kindes von seinen Eltern. Bereits bezüglich des Kindes T3 habe die Mutter gezeigt, dass sie Hilfen annehme und gut kooperiere. Sie habe das Kinderzimmer vorbereitet, ab dem Sommer 2017 stünden Kindergartenplätze für T3 wie auch für L bereit.

Der Vater des Kindes L ist nicht bekannt; der von der Mutter zunächst benannte Herr S ist jedenfalls nicht der Vater.

Die Kindesmutter beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 31.10.2016, zugestellt am 07.11.2016, Aktenzeichen 318 F 31/15, aufzuheben,

ihr das Sorgerecht für das Kind L, geboren am 01.08.2014, mit sofortiger Wirkung zurückzuübertragen,

die schrittweise Rückführung des Kindes zu ihr anzuordnen,

ein die Rückführung vorbereitendes - gegebenenfalls begleitetes - Umgangsrecht mindestens im 14-tägigen Turnus anzuordnen.

Das beteiligte Jugendamt, der Vormund und der Verfahrensbeistand beantragen jeweils,

die Beschwerde der Kindesmutter zurückzuweisen.

Das beteiligte Jugendamt verteidigt den angefochtenen Beschluss und beantragt Zurückweisung der Beschwerde unter Verweis auf das erstinstanzlich eingeholte Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Psych. K (erstellt im Dezember 2015), welches erhebliche Defizite der Mutter darstellt.

Die von der Mutter angestrebte Herausnahme des Kindes aus dem Haushalt der Pflegeeltern berge die Gefahr schwerwiegender psychischer Schäden für das Kind. Eine Rückführung sei nicht zu verantworten.

Auch wenn es der Mutter gelinge, das Wohl des jüngsten Kindes T3 zu sichern, habe dies keine Aussagekraft für L. Es bestehe selbst bei optimalem Rückführungsszenario ein hohes Risiko für die Entwicklung einer psychischen Störung wegen der Trennung von den bisherigen Bindungspersonen. Kinder unter 3 Jahren könnten eine solche kognitiv noch nicht verstehen, so dass ein bleibender Einfluss auf das Gefühlsleben des Kindes bis ins Erwachsenenalter bestehe.

Das Jugendamt und der Beistand weisen darauf hin, dass die Mutter im Zeitpunkt der Geburt Ls die Voraussetzungen für ein Zusammenleben in der Haft in der JVA Fröndenberg nicht erfüllt habe und auch die Prognosen (insbesondere im Hinblick auf die Vorgeschichte der älteren Kinder der Kindesmutter) negativ gewesen seien. Um dem Kind die unter diesen Umständen zu befürchtenden weitere Beziehungsabbrüche zu ersparen, sei es nicht, wie sonst häufig bei Inobhutnahmen, zunächst in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht worden.

Selbst wenn aber seinerzeit die Inobhutnahme und Fremdunterbringung nicht das mildeste Mittel gewesen seien, wie die Sachverständige annehme, wovon der Beistand indes nicht ausgeht, könne eine Rückführung nicht erfolgen, wenn das Kindeswohl dadurch konkret gefährdet würde. Angesichts der sicheren und tragfähigen Bindung zu den Pflegeeltern werde eine Herausnahme zu einer tiefgreifenden emotionalen Verunsicherung führen, was die aktuell gesunde Entwicklung zur Disposition stellen und das Kindeswohl in nicht vertretbarem Umfang gefährden würde. Zudem bestünden Zweifel, ob die Kindesmutter bei einer Rückführung über das hier erforderliche gesteigerte Maß an Einfühlungsvermögen in die Situation und Befindlichkeit Ls verfüge, zumal sie die Pflegeeltern wie auch deren gleichgeschlechtliche Partnerschaft nicht akzeptiere.

Obgleich mit massiven Trauer- und Wutreaktionen Ls zu rechnen sei, gehe die Mutter davon aus, L wolle bei ihr als leiblicher Mutter leben und werde den Übergang problemlos meistern. Derzeit werde daher das Wohl des Kindes bei einem Wechsel in nicht mehr hinnehmbarem Umfang gefährdet.

Unter diesen Umständen sei auch kein Raum für das mildere Mittel einer Verbleibensanordnung gemäß § 1632 Abs. 4 BGB.

Das Jugendamt verweist in seiner weiteren Stellungnahme vom 22.06.2017 erneut auf das Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Psych. K, wonach eine Rückübertragung der elterlichen Sorge erst in Betracht komme, wenn sich die Kooperationsbereitschaft der Kindesmutter soweit entwickelt und stabilisiert habe, das sie in Bezug auf alle das Wohl und die gesunde Entwicklung Ls betreffenden Belange mit den jeweils zuständigen Fachkräften zuverlässig und zeitnah zusammenarbeite. Hierzu sei u.a. eine engmaschig und längerfristig angelegte Psychotherapie ebenso notwendig wie ein Anti-Aggressionstraining oder eine entsprechende Maßnahme, bis eine Nachreifung und Weiterentwicklung der Persönlichkeit eingetreten sei.

Bislang seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Zwar seien Basiskompetenzen im Bereich der Erziehung und Förderung eines Kleinkinds gegeben, aber in allen vom Kind zu bewältigenden Entwicklungsphasen sei fachliche Unterstützung nötig. An den besonderen Kompetenzen, die für die erhöhten Anforderungen im Zusammenhang mit der Rückführung notwendig seien, fehle es, nicht zuletzt im Hinblick auf die seit Jahren als unberechenbar und damit nicht tragfähig zu bewertende Kooperationsbereitschaft. Dadurch sei nicht gewährleistet, dass bestehende Defizite bei Bedarf zeitnah mit umfassender fachlicher Hilfe aus verschiedenen Fachgebieten aufgefangen bzw. reduziert werden.

Auch sei ohne die notwendige Therapie nicht zu erwarten, dass die Mutter die erforderliche Akzeptanz gegenüber den Pflegemüttern entwickle. Durch eine Abwertung dieser Personen seitens der Mutter werde aber das Kind verunsichert, in seiner Entwicklung nachhaltig gestört und so zusätzlich gefährdet.

Unter diesen Umständen sei eine Rückführung nicht zu verantworten, weil weiterhin eine Kindeswohlgefährdung bestehe.

Mangels absehbarer Rückführungsoption seien auch unrealistisch engmaschige Umgangskontakte nicht dem Kindeswohl dienlich.

Die derzeitigen Umgangskontakte - 1 x monatlich für 2 Stunden - erschienen bereits zu lang, da nach ca. 1,5 Stunden L verstärkt die körperliche Nähe der Pflegemutter suche. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Kindesmutter gegenüber dem Kind ihre Rolle als Mutter herausstreiche und damit bewusst oder unbewusst dessen Position in der Pflegefamilie in Frage stelle.

Der Beistand schildert zur aktuellen Entwicklung, die Kindesmutter habe erklärt, die (in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat betreffend T3 am 26.10.2016) angedachten weiteren Hilfen nicht in Anspruch genommen zu haben, da sie diese nicht benötige. Weitere Gründe habe sie nicht angegeben und auch den anwesenden Herrn N daran gehindert, hierzu Gründe mitzuteilen. Die Mitarbeiterinnen des H hätten keinen Bedarf mehr gesehen. Auch eine Therapie habe die Mutter nicht begonnen, sondern die von ihr aufgesuchte Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. C habe ihr erklärt, sie habe keine psychiatrische Erkrankung, sondern ihr Verhalten sei reaktiv aufgrund des Stresses wegen der Wegnahme der Kinder. Allein der Fortfall dieses Stresses könne ihr helfen.

Eine Gefährdung T3s ist nach Darstellung des Beistands nicht zu erkennen, dieser war altersgemäß entwickelt und in guter Verfassung.

Zweifel seien aber geboten im Hinblick auf notwendige Kooperation und Hilfen für den Fall einer Rückführung Ls. Selbst wenn die Mutter beide Kinder versorgen und betreuen könne, sei jedoch wesentlich, wie sich das auf Ls emotionales Wohl auswirke. Diese sei von der ersten Lebensminute an in der Obhut der Pflegeeltern, die ihre primären Bindungspersonen darstellten. Sie sei überdurchschnittlich gut entwickelt, körperlich wie auch geistig. Demgegenüber bestehe zur leiblichen Mutter noch keinerlei Bindung.

Die Pflegemütter beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen,

hilfsweise,

gemäß § 1632 Abs. 4 BGB das Verbleiben von L, geboren am 01.08.2014, in ihrer Pflegefamilie anzuordnen.

Die Pflegeeltern schildern, L habe auf die Umgangskontakte zunächst mit Fieberschüben (die sie bislang üblicherweise nach Impfungen und beim Zahnen, nicht aber bei grippalen Infekten erleide) reagiert, zuletzt auch mit Schlafstörungen und häufigem Weinen.

Sie tragen zu ihrem nunmehr hilfsweise gestellten Antrag gemäß § 1632 Abs. 4 BGB vor, eine Rückführung komme nach der Rechtsprechung nur unter Berücksichtigung der gewachsenen Bindungen des Kindes an die Pflegefamilie in Betracht, wenn die Beeinträchtigungen des Kindes noch hinnehmbar seien. Außerdem erfordere dies eine gesteigerte Erziehungsfähigkeit des Elternteils, zu dem die Rückführung erfolgen solle, weil zurückgeführte Kinder schwer zu erziehen seien. An dieser besonderen Fähigkeit der Kindesmutter fehle es, vielmehr bestünden Zweifel, ob auch nur eine ausreichende Erziehungsfähigkeit vorhanden sei, da die drei älteren Kinder durch schwere Vernachlässigung erhebliche Schäden in ihrer Entwicklung erlitten hätten. Auch besuche die Mutter sie nicht regelmäßig, obgleich die Mädchen dies wünschten. Zudem habe die Mutter weder die zahlreichen Hilfsangebote wahrgenommen noch die dringend angeratene und notwendige Psychotherapie begonnen. Stabile Arbeitsbündnisse mit den zuständigen Fachkräften seien nicht möglich. Selbst wenn die Inobhutnahme rechtswidrig gewesen sein sollte - was nicht der Fall gewesen sei -, dürfe bei der jetzigen Beurteilung allein das Kindeswohl eine Rolle spielen und nicht die Frage der seinerzeitigen Inobhutnahme. Da das Kindeswohl den maßgeblichen Richtpunkt bilde, könne eine Rückführung daher derzeit nicht erfolgen. Diese bewirke einen Beziehungsabbruch, welcher als gravierendes Risiko für die kindliche Persönlichkeitsentwicklung gelte und eine Bindungsstörung mit weitreichenden negativen Folgen bis ins Erwachsenenleben hinein zur Folge haben könne. Selbst wenn daher die elterliche Sorge oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter zurückübertragen würde, sei eine Verbleibensanordnung gemäß § 1632 Bas. 4 BGB geboten.

Die Kindesmutter verweist zu den Stellungnahmen der beteiligten Fachkräfte erneut darauf, die Inobhutnahme Ls sei widerrechtlich geschehen, und führt hierzu näher aus.

Die vom Beistand empfohlene Reduzierung der Umgangskontakte sei im Gutachten nicht angeraten worden, auch seien die Kontakte beanstandungsfrei verlaufen. Wenn das Kind Stressreaktionen zeige, so habe diese nicht die Mutter, sondern möglicherweise die Pflegeeltern ausgelöst, denen es vollständig an Akzeptanz der Kindesmutter mangele.

Eine gut vorbereitete und begleitete Rückführung bei Mitwirkung und wechselseitiger Akzeptanz der leiblichen Mutter und der Pflegeeltern müsse nicht zu einem traumatischen Bindungsabbruch führen, sondern könne vom Kind mit entsprechender Unterstützung bewältigt werden. Hierzu legt sie ein Attest des Herrn Dr. N (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) vor.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 28.08.2017 alle Beteiligten und außerdem die Sachverständige Dipl.-Psych. K angehört.

Wegen aller weitergehenden Einzelheiten des Vorbringens im Beschwerdeverfahren wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze und Stellungnahmen der Beteiligten, insbesondere die eingehenden Darstellungen des Verfahrensbeistands und des Jugendamts, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.08.2017 verwiesen.

II.

1.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

2.

Sie ist indes in der Sache nicht begründet.

Das Amtsgericht hat mit zutreffenden, sehr eingehend dargestellten Gründen, auf die zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen werden kann, der Kindesmutter die elterliche Sorge für L gemäß § 1666 BGB entzogen.

Der Senat schließt sich den Ausführungen des Amtsgerichts - auch und gerade im Hinblick auf die seither eingetretenen Entwicklungen - jedenfalls für den jetzigen Zeitpunkt in vollem Umfang an. Aktuell würde eine Rückübertragung der elterlichen Sorge, welche von der Kindesmutter mit dem erklärten Ziel der Rückführung des Kindes angestrebt wird, zu einer massiven Gefährdung des Kindeswohls führen.

a.

Jedenfalls im Zeitpunkt der Inobhutnahme bestand für L eine erhebliche Gefahr, weil die Mutter eine Freiheitsstrafe verbüßte und ein Zusammenleben von Mutter und Kind für viele Monate - maximal für die weitere Haftdauer von mehr als einem Jahr - nicht möglich war, zumal ein Wechsel der Mutter in die Justizvollzugsanstalt Fröndenberg (mit der Möglichkeit des Zusammenlebens von Mutter und Kind) nicht in Betracht kam aus Gründen, die in der Person der Mutter lagen. Damit bestand für das Kind eine in solchem Maß vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen, seelischen oder körperlichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen ließ (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 22.05.2014 - 1 BvR 2882/13 -, FamRZ 2014, 1266 f.; BVerfG, Beschl. v. 07.04.2014 - 1 BvR 3121/13 -, FamRZ 2014, 907 ff.; BVerfG, Beschl. v. 24.03.2014 - 1 BvR 160/14 -, FamRZ 2014, 1005; BVerfG, Beschl. v. 29.01.2010 - 1 BvR 374/09 -, FamRZ 2010, 713 f.; ebenso z.B. BGH, Beschl. v. 26.10.2011 - XII ZB 247/11 -, FamRZ 2012, 99 ff.; BGH, Beschl. v. 15.12.2004 - XII ZB 166/03 -, FamRZ 2005, 344 f.). Auch bei der gebotenen Abwägung sämtlicher Umstände unter Berücksichtigung der besonderen Situation und Bedürfnisse des Kindes und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit waren daher die Inobhutnahme und der Sorgeentzug im damaligen Zeitpunkt unumgänglich.

b.

Da der Sorgeentzug seinerzeit - zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 12.11.2014 im Verfahren 318 F 118/14, dann im vorliegenden Hauptsacheverfahren durch den hier angefochtenen Beschluss - gemäß § 1666 BGB erfolgt ist, wäre die begehrte Rückübertragung der gesamten elterlichen Sorge dann geboten, wenn bei der Mutter eine Gefährdung des Kindeswohls nicht mehr gegeben ist. Demgegenüber ist ohne Belang, ob die Lebensbedingungen, insbesondere die Förderung, in gleicher Qualität gegeben wäre wie bei den Pflegeeltern. Der Sorgeentzug darf daher nur aufrechterhalten werden, wenn eine Kindeswohlgefährdung auch aktuell fortbesteht bzw. im Fall der Rückführung gegeben wäre. Dabei ist stets zu prüfen, ob nicht - gegebenenfalls mit umfangreichen Hilfen - das Zusammenleben des Kindes mit der Mutter wieder hergestellt werden kann.

Letzteres kann indes nicht bejaht werden. Vielmehr ist aktuell unverändert von einer gravierenden Gefährdung des Kindeswohls bei Rückübertragung der elterlichen Sorge oder wesentlicher Teile derselben auf die Mutter auszugehen, und zwar auch bei unterstellter Gewährung sämtlicher denkbarer öffentlicher Hilfen.

(1).

Die Kindesmutter trägt zwar vor, das sei der nicht Fall und zeige sich vor allem darin, dass sie ihr jüngstes Kind T3 seit der Geburt völlig beanstandungsfrei betreue und versorge. In gleicher Weise könne sie dies auch für L leisten. In der Tat funktioniert die Betreuung und Versorgung des jüngsten Kindes T3 - wie bereits seit Herbst 2016 und in der mündlichen Verhandlung betreffend T3 am 05.04.2017 auch für den Senat erkennbar - sehr gut; sogar die SPFH wurde als jedenfalls im seinerzeit geleisteten Umfang als bei weitem nicht erforderlich, von den bei der Kindesmutter tätigen Mitarbeiterinnen sogar als insgesamt nicht notwendig angesehen. Die SPFH-Mitarbeiterinnen haben angegeben, die Mutter sei unschwer in der Lage, neben T3 auch das ältere Kind L zu betreuen und zu versorgen.

Letzteres mag hinsichtlich der rein faktischen Versorgung zutreffen. Von Bedeutung ist aber vor allem, dass es nicht allein auf die tatsächliche Versorgung Ls ankommt, sondern wesentlich auch auf deren geistigseelisches Wohlergehen, denn anders als T3, der nie von der Mutter getrennt war, hätte L im Falle einer Rückführung den Verlust ihrer bisherigen Bindungspersonen zu verkraften, was eine ungleich intensivere und feinfühligere Betreuung erforderlich machen würde. Dass die Kindesmutter dies gewährleisten könnte, kann derzeit nicht hinreichend verlässlich angenommen werden.

(2).

Zwar ist die Entwicklung seit Erlass des angefochtenen Beschlusses insoweit erfreulich als inzwischen die Kindesmutter ihre persönliche und wirtschaftliche Situation (mit intensiver Hilfe der ehrenamtlich tätigen Familie N) erheblich stabilisiert hat, T3 gut versorgt und auch mit L einige Umgangskontakte stattgefunden haben, so dass diese die Mutter nunmehr zumindest kennt. Die Kontakte sind auch weitestgehend gut verlaufen, selbst wenn die Mutter ganz vereinzelt in geringem Rahmen ein nicht optimales Verhalten gezeigt hat (z.B. L weiter zu kitzeln, obgleich diese sich zur Pflegemutter zurückgezogen hatte).

Dass L zunächst mit Fieberschüben reagiert hat, deren Ursache im Übrigen nicht geklärt und möglicherweise allergischer Art war, steht dem nicht entgegen. Auch das Kind registriert sicherlich in altersentsprechender Weise, dass es sich bei den Treffen mit der ihm zunächst fremden Kindesmutter in ungewohnter Umgebung um einerseits höchst relevante, andererseits aber von den Pflegeeltern nicht wirklich gebilligte Vorgänge handelt, so dass eine "gestresste" Reaktion nicht verwunderlich sein dürfte.

(3).

Weniger erfreulich und maßgeblich für die jetzt zu treffende Entscheidung ist hingegen, dass die Mutter seit nunmehr nahezu einem Jahr die von der Sachverständigen für dringend erforderlich erachteten Maßnahmen, nämlich eine umfassende Diagnostik und darauf aufbauend intensive Psychotherapie zur Bearbeitung der von der Sachverständigen eingehend dargestellten Defizite, außerdem ein Anti-Aggressions-Training bzw. eine vergleichbare Maßnahme, bislang noch nicht einmal begonnen hat. Eine solche umfassende Diagnostik und Therapie muss jedoch nach den plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen sowohl in ihrem schriftlichen Gutachten als auch in ihren ergänzenden Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einer Rückführung Ls notwendigerweise vorausgehen.

Denn nur dadurch kann eine Nachreifung und Fortentwicklung ihrer Persönlichkeit gelingen, welche sie nach der überzeugenden Erläuterung der Sachverständigen erst in die Lage versetzen könnten, sodann - unter Inanspruchnahme umfassender Hilfen - die mit der Rückführung Ls zwingend verbundenen Schwierigkeiten ohne Gefährdung des Kindeswohls zu bewältigen.

Hinzu kommt, dass sie die Hilfen bezüglich des Kindes T3 umfassend beendet hat, nunmehr jegliche Hilfen und sonstige Maßnahmen als überflüssig ablehnt und sogar den ehrenamtlich tätigen Herrn N daran gehindert hat, gegenüber dem Beistand die Beweggründe hierfür näher zu erläutern. Es war zwar seitens der im Rahmen der Hilfen tätigen Personen mitgeteilt worden, sie benötige diese nicht, hingegen war von Seiten des Jugendamts angeraten worden, die Hilfen zwar im Zeitumfang stark zu reduzieren, aber nicht vollständig einzustellen. Warum die Kindesmutter nicht bereit ist, diese Unterstützung anzunehmen, die sie in ihrer Erziehungsfähigkeit voranbringen und damit auch die Voraussetzungen für eine Rückführung von L verbessern könnte, erschließt sich in keiner Weise. Auch in der mündlichen Verhandlung hat die Kindesmutter ihre diesbezügliche Verweigerungshaltung nicht zu begründen vermocht.

Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden kann, dass die Kindesmutter zeitnah die Voraussetzungen einer Rückführung in ihrer eigenen Person herbeizuführen vermag und sodann die nötige Kooperation in Bezug auf L - wieder - stattfinden wird.

(a).

Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Mutter - nahezu ein Jahr nach der Verhandlung im Parallelverfahren betreffend T3 am 26.10.2016 - ihre Zusagen, sich um die unumgänglich notwendige Diagnostik und Therapie sowie ein Anti-Aggressionstraining oder eine vergleichbare Maßnahme zu bemühen, nicht in die Tat umgesetzt hat, sondern dies nach wie vor für nicht erforderlich erachtet.

Die Mutter hat zwar - sicher nicht zuletzt mit Hilfe der ehrenamtlich tätigen Familie N - eine durchaus positive Entwicklung genommen. Das ist jedoch im Hinblick auf die besonderen Anforderungen, die mit einer Rückführung Ls verbunden wären, bei weitem nicht ausreichend. Denn wesentlich notwendig ist vor allem eine umfassende Diagnostik mit anschließender Absolvierung einer langfristigen Therapie.

Bedauerlicherweise sind bis auf den (auch nur vorübergehenden) Einsatz der SPFH sämtliche von der Sachverständigen - und gleichermaßen bereits vor mehreren Jahren von zwei in unterschiedlichen früheren gerichtlichen Verfahren betreffend die älteren Kinder der Kindesmutter beauftragten weiteren Sachverständigen - für erforderlich erachteten Maßnahmen unterblieben.

Maßgeblich ist, dass die Mutter zwar bereits in der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2016, also vor nahezu einem Jahr, zugesichert hat, sich um die dringend angeratene stationäre Diagnostik (welche nach Angabe der Sachverständigen durchaus unter Mitnahme des Kindes T3 erfolgen kann) und anschließende Psychotherapie, das Anti-Aggressionstraining und weitere Maßnahmen zu bemühen, ohne dass seither auch nur irgendetwas davon umgesetzt worden ist. Soweit sie angibt, bei zwei Psychotherapeuten vorgesprochen zu haben, welche beide erklärt hätten, sie benötige keine Therapie, liegt lediglich von einer Ärztin eine solche Stellungnahme vor. Aus dieser ergibt sich indes nicht, dass der Ärztin auch das zum vorliegenden Verfahren erstinstanzlich eingeholte Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Psych. K oder eines der beiden erwähnten Gutachten aus den früheren Verfahren vorgelegen hätte. Anderenfalls hätte es nahegelegen, dass die Ärztin im einzelnen erläutert, weshalb sie - anders als drei gerichtlich beauftragte Sachverständige - keinen Therapiebedarf bei der Kindesmutter sieht. Ausführungen hierzu enthält die ärztliche Stellungnahme indes nicht, so dass mangels anderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden muss, dass ihr die gutachterlichen Ausführungen nicht vorlagen. Zudem hat die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung plausibel deutlich gemacht, dass angesichts des fehlenden Problembewusstseins der Mutter jeder Therapeut eine Therapie ablehnen oder beenden würde.

Gerade diese Tatsache der entgegen der Zusagen der Kindesmutter nach wie vor unterbliebenen Diagnostik und Therapie hat die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar als äußerst kritisch bewertet, weil die für eine Rückführung Ls unumgängliche beständige Kooperationsbereitschaft der Kindesmutter anders kaum herbeigeführt werden könne und vor allem bei der Kindesmutter keinerlei Problembewusstsein vorhanden sei.

Hierzu haben der Vertreter des beteiligten Jugendamts sowie der Vormund in der mündlichen Verhandlung erneut darauf hingewiesen, dass die Kindesmutter die Verantwortung für die Lebenssituation Ls allein dem Jugendamt zuweise, ohne die erheblichen eigenen Anteile an der Entwicklung - so etwa bereits im Zeitpunkt der Geburt die Situation der Inhaftierung und die auch seinerzeit mangels hinreichender Kooperation nicht zur Verfügung stehende Möglichkeit eines Zusammenlebens mit L in der Justizvollzugsanstalt Fröndenberg, ebenso nur beispielhaft die mangelnde Mitwirkung im Zusammenhang mit der Gestaltung der Umgangskontakte während der Haft - zu sehen.

Dem schließt sich der Senat an.

Die eindringlich angeratene Therapie sollte (und müsste) eine Veränderung bei der Kindesmutter dahin bewirken, dass sie zum einen eigene Anteile an der bisherigen Entwicklung überhaupt zu sehen und sodann kritisch zu bewerten, zum anderen die Erkenntnis des Hilfebedarfs und eine beständige, nicht ständigen Schwankungen unterworfene Kooperationsbereitschaft zu entwickeln vermag. An alldem fehlt es bislang grundlegend, und aus diesem Grund kann eine Rückführung Ls in absehbarer Zeit nicht in Betracht kommen.

Zu der für eine Rückführung zunächst erforderlichen Weiterentwicklung und Nachreifung der Kindesmutter gehört überdies auch die Akzeptanz der Pflegeeltern als für L maßgebliche Bindungspersonen, an der es ebenfalls mangelt.

Umgekehrt ist allerdings auch von den Pflegeeltern die entsprechende Akzeptanz und Würdigung der leiblichen Mutter zu fordern.

(b).

Die von der Mutter angestrebte Rückführung Ls erfordert die Berücksichtigung verschiedener Problemkreise, welchen die Mutter keine oder jedenfalls bei weitem nicht die gebotene Beachtung schenkt.

(aa).

Zunächst liegt eine erhebliche Schwierigkeit darin, dass L - trotz einiger (viel zu weniger) inzwischen stattgefundener Umgangskontakte - die Kindesmutter noch wenig kennt und eine Beziehung, wohl auch aus Sicht der Mutter, erst aufgebaut werden muss. Das sieht die Mutter durchaus und erstrebt deshalb keine "plötzliche" Rückführung des Kindes, auch wenn sie meint, L müsse doch erkennen und begreifen, dass sie die leibliche Mutter sei.

Die Mutter hätte bei einer Rückführung zum einen den erst 1-jährigen T3 und zum anderen die 3-jährige L zu versorgen und zu betreuen, auch wenn für beide Kindergartenplätze vorhanden sein sollten.

Allerdings erscheint mehr als zweifelhaft, ob die Mutter die Tragweite dieser Problematik zur Gänze erfasst und sodann nach einer denkbaren Rückführung auch (im Alltag) zu bewältigen vermag. L dürfte sich (auch nach den Schilderungen des Helfersystems) der "Trotz-Phase" nähern bzw. bereits in diese eingetreten sein, was dann zu massiven Schwierigkeiten führen kann, sofern L erzieherische Maßnahmen der Mutter nicht akzeptieren sollte, weil sie (nur) die Pflegeeltern als ihre "eigentlichen" Eltern ansieht.

Allein hieraus resultiert ein absehbar erheblicher Hilfebedarf, so dass umfangreiche fachliche Hilfen erforderlich wären, um die mit einem denkbaren Wechsel Ls zu erwartenden erheblichen Schwierigkeiten zu bewältigen. Davon, dass die Mutter einerseits deren Erfordernis erkennt und andererseits die Hilfen verlässlich, kooperativ und über einen notwendigerweise langen Zeitraum annehmen wird, kann bei ihrer derzeitigen Sicht der Dinge nicht ausgegangen werden.

(bb).

Weiterhin ist bedeutsam, dass L 3 Jahre alt ist, also unabhängig von der "Trotz-Phase" außerdem bereits altersbedingt einer ungleich intensiveren Förderung bedarf als der erst 1 Jahr alte T3, wenngleich in der mündlichen Verhandlung betreffend T3 am 05.04.2017 vor dem Senat deutlich wurde, dass die Kindesmutter den kleinen Sohn nicht nur körperlich gut versorgt, sondern ihm auch angemessene Zuwendung, Ansprache und Förderung zuteil werden lässt.

Zweifelhaft bleibt jedoch, ob sie in der Lage ist, in gleicher Weise die ältere L - neben der Versorgung von T3 - in der gebotenen Weise zu fördern und zu unterstützen, bzw. ob und in welchem Umfang hier Hilfen nötig sind und ob sie bereit ist, diese anzunehmen.

Zwar ist der vom Bundesverfassungsgericht stets betonte Grundsatz zu beachten, dass für ein Kind kein Anspruch auf "Optimal-Eltern" bzw. optimale Förderung besteht, sondern es zum Lebensschicksal des Kindes gehört, in welche Familie es hineingeboren ist. Indes handelt es sich vorliegend nicht um die Frage, ob L bei den Pflegeeltern "besser aufgehoben" ist, sondern darum, ob im Fall einer Rückübertragung der elterlichen Sorge mit dem Ziel einer Rückführung eine Gefährdung des Kindeswohls zu besorgen ist. Diese Frage ist aus den dargestellten Gründen derzeit zu bejahen.

(cc).

Dass die Kindesmutter unter diesen Umständen - nämlich dem (ähnlich wie bei dem älteren Kind B) nunmehr erneuten Fortfall jeglicher Kooperationsbereitschaft und bei Fehlen jeglicher persönlicher Einsicht in die eigenen Anteile und die Erfordernisse therapeutischer Hilfe - in der Lage sein wird, mit den anstehenden diversen Schwierigkeiten mit L zurechtzukommen, erscheint aktuell ausgeschlossen.

Denn als Voraussetzung einer Rückführung müsste zunächst nicht nur eine weitere Annäherung von Mutter und Kind erreicht werden, sondern müssten dann im weiteren vor allem die Umstände einer solchen Rückführung für L möglichst erträglich gestaltet werden, was neben der vorerwähnten Diagnostik und Therapie auch die Annahme umfassender Hilfen hierzu durch die Mutter sowie eine gute Kooperation der Mutter und der Pflegemütter voraussetzt. Schon zu letzterem sind offenbar weder die Mutter noch die Pflegemütter bereit.

Die Mutter verkennt ersichtlich, dass eine Rückkehr Ls in ihren Haushalt aus den vorgeschilderten Gründen weitaus gravierende Veränderungen und Schwierigkeiten mit sich bringen würde als lediglich die Versorgung zweier statt eines Kleinkinds, die sie - für sich genommen - möglicherweise bewältigen könnte.

(4).

Nicht zuletzt aufgrund der bei der Mutter noch fehlenden Voraussetzungen besteht zugleich jedenfalls derzeit eine gravierende Gefährdung Ls im Fall einer Trennung von den bisherigen Pflegepersonen ohne entsprechende geeignete umfassende Vorbereitung und Unterstützung.

Bei der Frage einer Aufrechterhaltung der Trennung eines Kindes von seinen Eltern sind die neu gewachsenen Bindungen des Kindes zu seinen Pflegepersonen zu berücksichtigen, welche - selbst bei Aufrechterhaltung von Kontakten zur Pflegefamilie - bei einer Rückführung nahezu abgebrochen werden. Ein Beziehungsabbruch ist stets kindeswohlschädlich. Allerdings darf diese Tatsache nicht generell dazu führen, dass ein Wechsel immer dann ausgeschlossen ist, wenn das Kind in den Pflegepersonen die "sozialen" Eltern gefunden hat (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 22.05.2014 - 1 BvR 2882/13 -, FamRZ 2014, 1266 ff.), wie es bei L der Fall ist, die ihr gesamtes bisheriges Leben mit den jetzigen Pflegepersonen verbracht hat und allein diese als ihre Eltern ansieht.

Soweit das BVerfG außerdem besonders strenge Maßstäbe setzt, wenn die ursprüngliche Wegnahme des Kindes ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 1666 BGB erfolgte, ist ein solcher Fall hier nicht gegeben; die damalige Inobhutnahme war bereits im Hinblick auf die Inhaftierung der Kindesmutter nicht, auch nicht mit umfangreichen Hilfen, abwendbar.

Eine Rückführung kann daher nicht erfolgen, wenn gerade aus der Rückführung eine Kindeswohlgefährdung - evtl. Traumatisierung - resultieren würde (vgl. BVerfG a.a.O., juris Rz. 31). Denn eine Herausnahme aus der Pflegefamilie kann nur erfolgen, wenn die damit verbundenen körperlichen, seelischen oder geistigen Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung der Grundrechtsposition des Kindes noch hinnehmbar sind (BVerfG a.a.O.). Maßgeblich ist hier - wie auch in der zitierten Entscheidung (BVerfG a.a.O., juris Rz. 48 ff.) -, wie sich einerseits die Mutter entwickelt hat und andererseits die Umgangskontakte gestalten.

Umgangskontakte haben erst wenige stattgefunden, so dass insoweit noch keine umfassende Beurteilung der Beziehungsentwicklung zwischen L und der Mutter möglich ist.

Die Entwicklung der Mutter ist, wie ausgeführt, noch nicht derart positiv, dass unter diesem Gesichtspunkt eine Rückführung in Betracht kommt.

Zudem ist der Verlust des bisherigen Lebensumfelds für ein längerfristig fremduntergebrachtes Kind wie L im Fall einer Rückführung zwar grundsätzlich nicht vermeidbar und dem betroffenen Kind, sofern es in der Lage ist, dies zu verkraften, auch zuzumuten. Dann allerdings müssen alle Bedingungen so günstig wie möglich für das Kind gestaltet werden. An letzterem fehlt es jedoch vorliegend in erheblichem Umfang, und zwar vor allem von Seiten der Mutter. Wenn und solange diese nicht bereit ist, zuvor die erforderlichen umfassenden therapeutischen Hilfen und sonstige Unterstützungen anzunehmen, um zunächst die von der Sachverständigen geschilderte notwendige Nachreifung ihrer Persönlichkeit herbeizuführen, muss eine massive Gefährdung Ls im Fall einer Rückführung bejaht werden.

Selbst wenn die Mutter zeitnah mit einer Therapie beginnen würde, wofür nicht einmal Anhaltspunkte bestehen, könnte dem Kind keinesfalls zugemutet werden, in die Phase der erst noch anzubahnenden, erst im Lauf der Zeit zu erreichenden Fortentwicklung der Persönlichkeit der Mutter hinein rückgeführt zu werden.

Nach dem Eindruck des Senats in der mündlichen Verhandlung scheint die Kindesmutter ernsthaft anzunehmen, die von ihr angestrebte Rückführung werde für sie einerseits und L andererseits problemlos zu meistern und all dies trotz der fehlenden persönlichen Weiterentwicklung der Mutter ohne nennenswerte fachkundige Hilfen zu bewältigen sein. Dass sich die Kindesmutter ernsthaft mit den besonderen Herausforderungen, die die Rückführung eines unmittelbar nach der Geburt in Obhut genommenen und seither fest in eine Pflegefamilie integrierten Kindes mit sich bringt, und den daraus resultierenden Gefahren für das Kind auseinander gesetzt hat und diese einzuschätzen vermag, ist nicht zu erkennen. Ihre Sicht der Dinge hat mit der Realität sowohl der Mutter als auch des Kindes nichts zu tun, wie die Sachverständige bereits in ihrem Gutachten, aber auch nochmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, lebensnah und plausibel geschildert hat.

(5).

Wie bereits in der Vergangenheit hat sich erneut gezeigt, dass die Kooperationsbereitschaft der Kindesmutter mit den Hilfeträgern unverändert nicht durchgängig und beständig vorhanden ist, sondern erheblichen Schwankungen unterliegt. Das mag für den jüngeren T3, der seit Geburt bei der Mutter lebt und aktuell als einziges Kind von der Mutter betreut wird, noch hingenommen werden können, es ist jedoch für die ältere L, die in einer völlig anderen Situation, nämlich der eines Wechsels ihres gesamten Lebensumfelds, zur Mutter wechseln würde, in keiner Weise akzeptabel. Wie die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert hat und sich auch aus allen Berichten ergibt, betrachtet L allein die Pflegeeltern als ihre Eltern, sind diese ihre existentiellen Bindungspersonen und ist sie in das soziale Netz der Pflegefamilie vollständig integriert. Im Hinblick auf die von der Sachverständigen als hoch bezeichnete Trennungsempfindlichkeit eines so jungen Kindes müssen daher optimale Bedingungen für eine Rückführung bestehen, um eine solche überhaupt ins Auge zu fassen. Daran fehlt es bei der Kindesmutter in verschiedenen Bereichen, insbesondere - wie von der Sachverständigen - geschildert - an einer stationären Diagnostik und anschließenden therapeutischen Unterstützung zur Förderung ihrer Kooperationsbereitschaft, aber auch ihrer Emotionsregulation und allgemein ihrer Nachreifung.

c.

Nach alldem wird eine Rückübertragung der Sorge mit dem Ziel einer Rückführung erst dann in Betracht kommen, wenn zur Wahrung des Kindeswohls die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen sind.

Zum einen und vorrangig wäre Voraussetzung, dass eine weitere Stabilisierung der Mutter, insbesondere durch erfolgreiche therapeutische Behandlung der nach wie vor vorhandenen Defizite, erfolgt ist. Das ist bislang nicht ansatzweise ersichtlich, vielmehr sieht die Mutter - insoweit gegenüber dem Zeitpunkt der Gutachtenerstellung unverändert - den bei ihr bestehenden erheblichen (Be-) Handlungsbedarf in keiner Weise.

Derzeit bestehen die erheblichen Defizite der Mutter, wie sie die Sachverständige im Gutachten geschildert hat, zumindest zu einem erheblichen Teil fort, auch wenn sich manches geändert hat und die Kindesmutter jedenfalls seit der Geburt von T3 durchaus nennenswerte Fortschritte gemacht, sich insgesamt deutlich persönlich weiterentwickelt hat, nicht zuletzt wohl durch die Unterstützung der ehrenamtlich tätigen Familie N. Das allein reicht jedoch, wie die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals eingehend geschildert hat, unter den im Übrigen gegebenen Umständen nicht aus, um eine Kindeswohlgefährdung für L abzuwenden.

Zum anderen muss durch die Umgangskontakte zwischen Mutter und Kind eine so stabile Beziehung aufgebaut werden, dass eine dem Kindeswohl nicht schädliche Rückführung konkret ins Auge gefasst werden kann, was indes noch längst nicht erreicht und abzuwarten ist.

Entscheidend ist, dass eine Rückführung ohne entsprechende vorherige Weiterentwicklung der Mutter einerseits und umfassende Hilfen andererseits, deren Erfordernis sie nicht einmal erkennt, zu einer gravierenden Gefährdung des Kindeswohls führen würde.

d.

Das mit Schriftsatz vom 04.08.2017 Attest des Herrn Dr. N vom 10.07.2017 enthält weitgehend allgemeine Ausführungen und lässt nicht darauf schließen, dass dieser die Kindesmutter überhaupt einmal persönlich gesehen bzw. kennengelernt, viel weniger in irgendeiner Form untersucht / exploriert hat. Es entfaltet daher für das Verfahren keine nennenswerte Relevanz.

3.

Unter diesen Umständen ist - selbst mit Rücksicht auf die engen Grenzen, welche nach dem Vorgesagten mit Rücksicht auf Art. 6 GG bei einem (Teil-) Sorgeentzug sowie einer Fremdunterbringung zu beachten sind - eine zeitnahe Rückführung mit dem Kindeswohl nicht zu vereinbaren und kommt daher aktuell auch eine Rückübertragung der elterlichen Sorge oder wesentlicher Teile der Sorge nicht in Betracht.

Den vorstehend geschilderten Bewertungen der Sachverständigen wie auch der übrigen beteiligten Fachkräfte schließt sich der Senat an, wie er bereits in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht hat.

Auf dieser Grundlage war der angefochtene Beschluss aufrechtzuerhalten. Angesichts der von der Sachverständigen geschilderten Persönlichkeit der Mutter mit den bestehenden Defiziten und im Hinblick auf die perspektivisch zweifelhafte Kooperation mit den Hilfeträgern muss damit gerechnet werden, dass das Kindeswohl massiv gefährdet würde, würde die Sorge (oder wesentliche Teile) bereits jetzt zurückübertragen.

4.

Im Hinblick auf die Zurückweisung der Beschwerde bedurfte es einer Entscheidung über den Hilfsantrag der Pflegeeltern auf Erlass einer Verbleibensanordnung gemäß § 1632 Abs. 4 BGB nicht.

5.

Mit Rücksicht auf die bestehende Situation einer nicht absehbaren Rückführung des Kindes war auch eine gerichtliche Regelung der Umgangskontakte nicht veranlasst. Der nunmehr bestellte Vormund hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, nach Kenntnisnahme sämtlicher Umstände - auch des Sachverständigen-Gutachtens und der darin enthaltenen, in der mündlichen Verhandlung näher erläuterten Empfehlungen - die Frage der Umgangskontakte erneut prüfen zu wollen. Da somit noch nicht feststeht, welche Umgangsregelung der Vormund künftig ins Auge fassen wird, besteht - mit Rücksicht auf die Tatsache, dass keine zeitnahe Rückführung Ls in Betracht kommt - derzeit keine Veranlassung für eine gerichtliche Bestimmung des Umgangs.

6.

Eine gerichtliche Anhörung des betroffenen Kindes kam aufgrund des noch sehr jungen Alters nicht in Betracht. Vorliegend geht es um objektive Gefährdungen des Kindeswohls für den Fall einer Rückführung, welche das Kind schon nicht zu begreifen, viel weniger zu beurteilen vermag. Zudem vermitteln der Beistand wie auch das beteiligte Jugendamt, die Kontakt zum Kind haben, dessen Entwicklung und Bedürfnisse in ihren Berichten; auch die in der mündlichen Verhandlung anwesenden Pflegeeltern haben von der Entwicklung des Kindes berichtet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde war nicht gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

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