OLG Hamm, Urteil vom 04.08.2003 - 3 U 138/02
Fundstelle
openJur 2011, 24935
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 9 O 84/01
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 02. Mai 2002 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des Landgerichts Detmold teilweise abgeändert und neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 100.491,74 &...8364; nebst 4,5 % Zinsen seit dem 07.03.2001 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger aus übergeleitetem Recht die im Wege der Sozialhilfe getätigten Aufwendungen für die Fremdunterbringung des am 12.12.1982 geborenen M. I., geb. C, für die Zeit vom 01.06.2000 bis zum 12.12.2000 zu erstatten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen der Kläger 80 % und die Beklagten 20 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 64 % und die Beklagten zu 36 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite jeweils zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugunsten der Beklagten zugelassen.

Tatbestand

Der klagende Landschaftsverband verlangt - gemäß den §§ 90, 28 BSHG übergeleiteten - Schadensersatz für Aufwendungen, die er im Wege der Eingliederungshilfe für Behinderte gemäß §§ 39 ff. BSHG für den am 12.12.1982 geborenen, an Trisomie 21 leidenden M.I., geb. C, in der Vergangenheit erbracht hat. Der Überleitung zugrunde liegt eine durch rechtskräftiges Urteil des Senats vom 22.04.1991 (3 U 129/85) ausgesprochene Feststellung, wonach die Beklagten aufgrund ärztlicher Falschbehandlung während der Schwangerschaft verpflichtet sind, der Kindesmutter C allen Unterhaltsaufwand zu ersetzen, die diese für ihren Sohn M. erbringen muss.

Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Mit der Berufung wiederholen die Beklagten ihre Rechtsauffassung, dass sich im vorliegenden Fall der Anspruchsübergang auf den Kläger nach § 116 SGB X und nicht nach § 90 BSHG richte. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Anspruchsübergang sei der Beginn der Sozialhilfeleistungen ab März 1987. Die Vorschriften des SGB X schlössen ihre Haftung aus, da allein M.I. Empfänger der Leistungen des Klägers sei und diesem kein Schadensersatzanspruch gegen sie zustehe. Ein Übergang von Ansprüchen der Kindesmutter C auf den Kläger komme nicht in Betracht, da Frau C keine Sozialhilfe gewährt worden sei.

Im Übrigen bestehe ein Erstattungsanspruch auch deshalb nicht, weil es der Kläger versäumt habe, die Leistungsfähigkeit des Kindesvaters zu überprüfen. Zudem hätten die Kindergeldzahlungen angerechnet werden müssen. Die Beklagten wiederholen auch die Einrede der Verjährung und meinen, dass gemäß §§ 218 Abs. 2, 197 BGB (a. F.) eine 4-jährige Verjährungsfrist gelte, da es sich bei der Sozialhilfe um eine regelmäßig wiederkehrende Leistung handele. Schließlich wiederholen die Beklagten ihr Bestreiten hinsichtlich der Höhe des Ersatzanspruches und machen geltend, dass die Einnahmen, die auf Seiten von M.I. berücksichtigt wurden, zu niedrig angesetzt worden seien. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass es keine weitergehenden Einnahmen gab. Schließlich berufen sich die Beklagten darauf, dass die Wirkung der Überleitungsanzeigen zeitlich begrenzt sei.

Die Beklagten beantragen,

das am 02.Mai 2002 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des Landgerichts Detmold abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt nach Rücknahme des weiter gehenden, erstinstanzlich nicht beschiedenen Feststellungsantrages,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt das angegriffene Urteil. Er vertritt die Auffassung, dass die Vorschriften des SGB X unanwendbar seien, da der Schadensfall vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.07.1983 eingetreten sei. Auch bestehe ein Unterschied bei Leistungen von Sozialversicherungsträgern und von Sozialhilfeträgern insofern, als die Sozialhilfeleistungen nur subsidiär gewährt würden und deshalb nicht als eigenes Einkommen des Kindes anzusehen seien. Der Kläger behauptet, dass er durchaus Ermittlungen hinsichtlich des Vaters von M.I. eingeleitet habe, jedoch weder Name noch Aufenthalt hätten ermittelt werden können. Es bestehe vermutlich ebenso wie bei der Kindesmutter keine Leistungsfähigkeit. Der Kläger meint weiter, dass durch die Feststellung im Urteil des Senates vom 21.01.1991 der Verjährungseintritt für die geltend gemachten Ansprüche ausgeschlossen sei. Soweit die Beklagten die Anspruchshöhe bestritten haben, hält er die Feststellungen des Landgerichts für zweifelsfrei.

Gründe

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

I.

Der Senat hat eine eigene Entscheidung getroffen, weil der Rechtsstreit entscheidungsreif war. Er hat von der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung an das Landgericht absehen, obwohl das landgerichtliche Urteil an einem schweren Verfahrensfehler leidet.

Denn das Urteil ist unter offensichtlichem Verstoß gegen § 309 ZPO ergangen, weil es nicht von der Besetzung der Zivilkammer erlassen wurde, vor der die letzte mündliche Verhandlung am 14.03.2002 stattfand, sondern von der Besetzung aus dem Verhandlungstermin am 13.12.2001 (vgl. Zöller - Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 309 Rdn. 5), wobei in diesem Termin nicht einmal die Anträge seitens der Parteien gestellt wurden.

Unabhängig davon, ob wegen des Stützens der angefochtenen Entscheidung auf die mündliche Verhandlung im Jahre 2001 die Vorschriften des bis zum 31.12.2001 geltenden Berufungsrechtes Anwendung finden sollten und daher nicht schon wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (n. F.) eine Zurückverweisung zu unterbleiben hätte, macht der Senat jedenfalls von seiner Befugnis zur eigenen Entscheidung gemäß § 540 ZPO (a. F.) Gebrauch. Dies erscheint auch deshalb sachdienlich, weil die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nach entsprechender Erörterung dieser Vorgehensweise zugestimmt haben.

II.

Das Zahlungsbegehren des Klägers ist aufgrund einer positiven Vertragsverletzung der mit den Beklagten seinerzeit geschlossenen Behandlungsverträge i. V. m. §§ 90 Abs. 1 BSHG, 398, 412 BGB teilweise begründet, teilweise allerdings - wegen Verjährung (s. Ziff. 4) - unbegründet.

1.) Die Einstandspflicht der Beklagten hinsichtlich des Frau C entstehenden Unterhaltsaufwands für das Kind M.I. jeweils aufgrund einer schuldhaften Verletzung der mit ihr seinerzeit geschlossenen Behandlungsverträge ist im Urteil des Senats vom 21.01.1991 (Aktenzeichen 3 U 129/85) rechtskräftig festgestellt worden.

Ohne Erfolg wenden die Beklagten zunächst ein, dass die Feststellung nicht denjenigen Schaden erfasse, der sich daraus ergebe, dass die Kindesmutter die Aufnahme und Versorgung des Kindes abgelehnt habe. Dieses Verhalten ändert nichts an ihrer aus §§ 1601, 1610, 1612 Abs. 1 BGB resultieren Verpflichtung zur Gewährung von Unterhalt, den sie, da sie keinen Naturalunterhalt leisten wollte, in Geld zu erbringen hatte. Daraus folgt, dass auch der Aufwand, der sich daraus ergibt, dass eine Versorgung des Kindes durch die Mutter gerade nicht stattfindet, zu dem Unterhalt des Kindes zählt, zu dessen Ersatz die Beklagten nach dem Feststellungsausspruch im Vorprozess gegenüber der Mutter verpflichtet sind. Könnte etwa der Kläger seine Aufwendungen von der Kindesmutter selbst ersetzt verlangen und würde diese selbst in Höhe der von ihr geleisteten Zahlungen sodann Erstattung von den Beklagten verlangen, so wäre trotz des in der Ablehnung der Versorgung des Kindes liegenden Willensentschlusses der Kindesmutter der Kausalzusammenhang schon deshalb nicht unterbrochen, weil eine psychisch vermittelte Kausalität vorliegt. Denn der Entschluss der Mutter, die Betreuung des Kindes abzulehnen, ist gerade durch die Verletzungshandlung der Beklagten herausgefordert worden, ohne dass die Reaktion der Kindesmutter als ungewöhnlich und außerhalb der Lebenserfahrung liegend bezeichnet werden kann (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., vor § 249, Rdn. 77 m. w. N.).

2.) Die Passivlegitimation der Beklagten zu 1) als Träger des Kreiskrankenhauses M3 und damit Vertragspartners der Kindesmutter ist gegeben. Den erstinstanzlich erhobenen Einwand, dass die Haftung auf den jetzigen Krankenhausträger, die M GmbH übergegangen sei, verfolgt die Beklagte zu 1) nicht weiter. Ihr Vorbringen war im Übrigen auch nicht ausreichend, um einen Schuldnerwechsel im Sinne des § 415 Abs. 1 Satz 2 BGB schlüssig darzulegen. Denn durch das Schreiben der neuen Krankenhausträgerin vom 20.04.1995 ist der Kläger schon nicht über die Absicht zur Übernahme der Haftung durch die GmbH informiert und zur Abgabe einer entsprechenden Genehmigungserklärung aufgefordert worden. Auch aus der maßgeblichen Sicht der M2 GmbH als Erklärungsempfänger konnte daher die unabhängig vom Feststehen eines materiellen Anspruchs zulässige Überleitungsanzeige vom 13.07.1995 nicht als Willenserklärung im Hinblick auf eine Genehmigung des Schuldnerwechsels angesehen werden. Darüber hinaus erscheint fraglich, ob der Kläger anstelle von C berechtigt sein konnte, eine Genehmigungserklärung abzugeben.

3.) Der Kläger ist aktivlegitimiert. Die Schadensersatzansprüche der Kindesmutter C gegen die Beklagten sind auf ihn übergegangen.

Durch die bestandskräftigen Überleitungsbescheide vom 13.07.1995 gegen die Beklagten zu 2) und 3) und vom 10.01.2000 gegen den Beklagten zu 1) hat der Kläger die Schadensersatzansprüche der Kindesmutter gegen die Beklagten wirksam auf sich übergeleitet, § 90 Abs. 1 BSHG.

a) Der Übergang der Ansprüche auf den Kläger ist nicht durch gesetzliche Regelungen ausgeschlossen.

Ein Vorrang des § 116 SGB X in Verbindung mit § 90 Abs. 4 Satz 2 BSHG besteht schon deshalb nicht, weil gemäß § 120 Abs. 1 SGB X die Vorschrift des § 116 SGB X erst ab dem 01.07.1983 wirksam wurde. Zum Zeitpunkt des Behandlungsfehlers im August 1982 (Versäumnis der rechtzeitigen Amniozentese) oder am 12.12.1982 (Geburtstermin) galten noch die Vorschriften der RVO.

Ob für die streitgegenständlichen Ansprüche die Regelung des § 1542 Abs. 1 RVO einschlägig ist, kann dahinstehen. Denn auch die Anwendbarkeit dieser seinerzeit geltenden Vorschrift würde nicht dazu führen, dass ein Rechtsübergang der Schadensersatzansprüche von Frau C auf den Kläger deshalb nicht stattfinden kann, weil die Gewährung der Sozialhilfe an M.I. erfolgte und diesem selbst wegen der fehlerhaften Behandlung innerhalb der Schwangerschaft seiner Mutter keine eigenen Ansprüche gegen die Beklagten zustehen. Dies folgt schon daraus, dass der Zweck des § 90 Abs. 4 Satz 2 BSHG nicht darin besteht, den Sozialhilfeträger durch die Anwendbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften schlechter zu stellen, als er bei bloßer Anwendbarkeit der Regelung des § 90 Abs. 1 BSHG stünde, und ihm den Regress gegen einen Schädiger zu versagen, wenn der Schadensersatzanspruch nicht dem Hilfeempfänger selbst, sondern dessen Unterhaltsverpflichteten wegen des eingetretenen Unterhaltsschadens zusteht. Die Vorschriften der §§ 90 BSHG, 1542 RVO oder auch 116 SGB X verfolgen vielmehr gerade das Ziel, zu verhindern, dass ein Schädiger durch die Gewährung öffentlicher Leistungen von seiner Einstandspflicht entlastet und die Solidargemeinschaft mit diesen Kosten belastet wird (vgl. BGHZ 67, S. 138 (150); 79, S. 26 (34); Schneider in Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kapitel 73, TZ 8). Mit der Einführung des § 90 Abs. 4 Satz 2 BSHG war daher keine Verschlechterung der Rechtsposition des Sozialhilfeträgers beabsichtigt, falls der Regressanspruch nicht dem Hilfeempfänger selbst, sondern seinem Unterhaltsschuldner zusteht. Vielmehr sollte durch den Verweis auf § 116 SGB X lediglich eine Erleichterung für den Sozialhilfeträger geschaffen werden, wonach in den Fällen, in denen bereits § 116 SGB X einen Rechtsübergang vorsieht, die Notwendigkeit einer Überleitungsanzeige entfällt (vgl. Schneider in Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, Kapitel 81, TZ 9 f.).

Nichts anders ergibt sich auch aus der von den Beklagten angeführten Entscheidung des OLG Naumburg vom 12.12.2000 (VersR 2001, S. 341, Annahme der Revision wurde vom BGH abgelehnt, VersR 2002, S. 192). Zwar hat das OLG Naumburg der gesetzlichen Krankenkasse den Regress gegen den verantwortlichen Arzt wegen ihrer Aufwendungen für ein infolge fehlerhafter ärztlicher Diagnose behindert geborenes Kind versagt. Diese Entscheidung ist aber aufgrund des Umstands ergangen, dass das betroffene Kind innerhalb einer Familienversicherung krankenversichert war und § 10 Abs. 5 SGB V hier anordnet, dass die Krankenkassenleistungen gegenüber dem Kind selbst erbracht werden. Entfällt hiermit die Bedürftigkeit des Kindes im Umfang der Leistungen der Krankenkasse, besteht auch kein Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber seinen Eltern. Erst das Nichtbestehen des Unterhaltsanspruchs führt dazu, dass die erbrachte Sozialleistung nicht kongruent zu dem Schadensersatzanspruch der Eltern gegen den Arzt ist, sodass ein Übergang nach der Vorschrift des § 116 SGB X nicht möglich ist.

Diese Fallkonstellation ist mit derjenigen im vorliegenden Rechtsstreit nicht vergleichbar. Denn die Aufwendungen für die behindertengerechte Unterbringung des Kindes in den verschiedenen Behinderteneinrichtungen, die der Kläger nunmehr von den Beklagten ersetzt verlangt, werden nicht aufgrund eines eigenen Leistungsanspruchs des Kindes gegen den Kläger erbracht, da der Kläger gemäß § 2 BSHG nur nachrangig für den Lebensunterhalt des Kindes aufzukommen hat. Damit stand - wie bereits oben ausgeführt wurde - M.I. in gleicher Höhe ein Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern zu, weil er wegen der nur subsidiär erbrachten Leistungen des Sozialhilfeträgers weiterhin bedürftig bleibt. Das hierbei entstehende Auseinanderfallen des Inhabers des Unterhaltsanspruchs (minderjähriges unverheiratetes Kind) einerseits und des Schadensersatzanspruches (Eltern) andererseits wird von der Regelung der §§ 90 Abs. 1 Satz 1, 28 Abs. 1 BSHG ausdrücklich erfasst.

Die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 31.07.2003 geben keinen Anlass zu einer abweichenden Bewertung.

b) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 90 Abs. 1 S. 1 BSHG sind gegeben. Die Vorschrift behandelt gerade auch den Fall, dass die Eltern des minderjährigen und unverheirateten Hilfeempfängers einen Anspruch gegen einen anderen haben. M.I. wurde auch Hilfe in besonderen Lebenslagen (§ 27 Abs. 1 Ziff. 3, 40, 40 a BSHG) gewährt. Für die Zeit nach Eintreten der Volljährigkeit des M.I. ist die Klage hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zurückgenommen worden.

Hinsichtlich der Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 S. 1 BSHG, an den § 90 Abs. 1 S. 1 BSHG anknüpft (vgl. OVG Münster, NJW 1992, S. 1123), ist bereits zweifelhaft, ob angesichts der bestandskräftigen Überleitungsanzeigen eine Prüfung dieser Voraussetzungen im Einziehungsprozess noch vorzunehmen ist (vgl. wegen der hierzu vertretenen Auffassungen die Nachweise bei Oestreicher/Schelter/Kunz, Bundessozialhilfegesetz, Stand Juni 2002, § 90 Rdn. 37 ff.). Diese Frage kann vorliegend aber dahinstehen, weil auch insofern die Überleitungsanzeige rechtmäßig ist. Nicht zweifelhaft ist, dass M.I. während der Dauer der Hilfegewährung minderjährig und unverheiratet war. Eine vorrangige Inanspruchnahme seiner Eltern kam nicht in Betracht.

Bezüglich der Kindesmutter C ist bereits von Seiten der Beklagten vorgetragen worden, dass diese am 09.01.1997 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat und die Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 02.11.1992 nicht ausgleichen konnte. Schon diese Umstände sprechen dafür, dass jedenfalls ab Ende 1992 keine Leistungsfähigkeit der Kindesmutter bestand. Hinsichtlich des vorangegangenen Zeitraums ergibt sich aus der Exploration des Sachverständigen Prof. Dr. N3h vor seinem Gutachten vom 28.12.1989, dass die Kindesmutter seit 1984 nicht mehr erwerbstätig war und im Jahr 1985 eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezog. Auch insoweit bestehen deshalb keine ernsthaften Zweifel an der Leistungsunfähigkeit der Mutter. Letztlich kann aber die Leistungsfähigkeit der Kindesmutter dahinstehen. Denn selbst wenn man unterstellt, dass die Kindesmutter trotz bestehender (Teil-) Leistungsfähigkeit keine Unterhaltsleistungen erbracht hat, so hatte M.I. einen Anspruch gem. § 29 BSHG auf Hilfegewährung (vgl. Oestreicher/Schelter/Kunz, Bundessozialhilfegesetz, Stand Juni 2002, § 29 Rdn. 3), woraus gem. § 29 S. 2 BSHG ein entsprechender Aufwendungsersatzanspruch für den Kläger resultiert. Auch dieser Anspruch rechtfertigt die Überleitung der Ansprüche gem. § 90 Abs. 1 S. 3 BSHG (vgl. auch Oestreicher/Schelter/ Kunz, a.a.O., § 90 Rdn. 64 ff.).

Vom Fehlen der Leistungsfähigkeit des Kindesvaters ist auszugehen, da dieser unbekannt ist. Es kann nicht sein, dass der Sozialhilfeträger aufgrund eines möglicherweise bestehenden, aber nicht realisierbaren Ersatzanspruches gegen den namentlich nicht bekannten Vater gehindert wäre, von einer Inanspruchnahme der Unterhaltsregressschuldner abzusehen oder in ihrem Interesse aufwändige Nachforschungen über Identität, Aufenthalt und Leistungsfähigkeit des Kindesvaters anzustellen. Zu weiteren Maßnahmen gegenüber der Kindesmutter ist der Kläger in Ermangelung einer Rechtsgrundlage, aufgrund derer der Kläger von der Kindesmutter verlangen könnte, die Identität des Vaters oder zumindest die Namen sämtlicher Männer, mit denen sie in der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr hatte, preiszugeben, nicht verpflichtet. Ein entsprechender Anspruch des Kindes gegen die Mutter (vgl. Palandt - Diederichsen, a.a.O., vor § 1591, Rdn. 2 ff.), ist höchstpersönlich und kann nicht auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden (vgl. auch Oestreicher/ Schelter/Kunz, a.a.O. § 90 Rdn. 50).

Schließlich ist die Wirkung der Überleitungsanzeigen auch nicht gemäß § 90 Abs. 2 BSHG begrenzt, da nach den vorliegenden Bescheiden und Aufstellungen die Sozialhilfeaufwendungen für M.I. durchgängig erfolgten; die Pause vom 01.01.1999 bis 04.02.1999 ist unschädlich.

4.) Die übergeleiteten Ansprüche des Klägers sind aber teilweise hinsichtlich der bis Ende 1996 erbrachten Aufwendungen verjährt.

Die Verjährungsfrist für die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche (Stammrecht) beträgt aufgrund der rechtskräftigen Feststellung im Vorprozess grundsätzlich gemäß §§ 195, 218 Abs. 1 BGB (§§ des BGB sind solche der bis 31.12.2001 gültigen Fassung, da die Vertragsabschlüsse der Behandlungsverträge vor dem 01.01.2002 erfolgten) 30 Jahre. Für die einzelnen Erstattungsansprüche wegen der Aufwendungen für die Unterbringung und Versorgung des Kindes beträgt die Verjährungsfrist jedoch nur vier Jahre. Denn insofern ist die Vorschrift des § 197 BGB (direkt oder in Verbindung mit § 218 Abs. 2 BGB) anwendbar. Bei den genannten Einzelansprüchen handelt es sich um Unterhaltsbeiträge oder regelmäßig wiederkehrende Leistungen im Sinne der genannten Normen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass hierzu u. a. auch Rückstände auf monatliche Renten gemäß §§ 842, 843 BGB gehören (vgl. BGH, VersR 1980, S. 927; NJW-RR 2000, S. 1412 = VersR 2000, S. 1116) oder Erstattungsansprüche wegen geleisteten Unterhalts durch den Geschäftsführer ohne Auftrag (vgl. OLG Nürnberg, FamRZ 1960, S. 167) zu zählen sind. Der Normierung einer kurzen Verjährungsfrist für Einzelansprüche trotz nicht verjährten Stammrechts liegen die Erwägungen zu Grunde, dass der Schuldner davor bewahrt werden soll, nach einer Reihe von Jahren wegen sich inzwischen beträchtlich summierter Forderung in Anspruch genommen zu werden, mit der er nicht mehr gerechnet hat und deren vollständige Befriedigung ihn dann wirtschaftlich überfordern würde. Das Verhalten des Gläubigers, der Rückstände aus regelmäßig wiederkehrenden Leistungen auflaufen lässt, verdient hingegen keinen Schutz (vgl. auch BGHZ 28, S. 144 ff. = NJW 1959, S. 229). Diese Erwägungen greifen auch im vorliegenden Fall ein. Wirtschaftlich und aus Sicht der Beklagten macht es keinen Unterschied, ob die vom Kläger als Gläubiger in beträchtlicher Höhe geltend gemachten Rückstände auf einer Rentenzahlungsverpflichtung gemäß §§ 842, 843 BGB beruhen oder auf einer Schadensersatzverpflichtung gerichtet auf den Ersatz eines Unterhaltsschadens. Dass es dabei ohne Bedeutung ist, dass der geschuldete Betracht nicht in jedem Monat in gleicher Höhe angefallen ist und dass auch das Absinken des Erstattungsbetrages in einem Monat auf ein Minimum nichts am Charakter einer wiederkehrenden Leistung ändert, folgt aus den Erwägungen für die Normierung der kurzen Verjährungsfrist und ist vom BGH (NJW 1959, S. 230) auch bereits entschieden worden.

Die Verjährung ergreift die Erstattungsansprüche wegen der Aufwendungen, die der Kläger bis Ende 1996 hatte. Denn gemäß § 201 BGB begann die Verjährung spätestens mit Ablauf des 31.12.1996 und war mit Ablauf des 31.12.2000 vollendet. Die erst am 13.02.2001 bei Gericht eingegangene Zahlungsklage konnte den Verjährungseintritt nicht mehr gemäß § 209 Abs. 1 BGB unterbrechen.

5.) Die daher allein ersatzfähigen Gesamtaufwendungen für M.I. für die Unterbringung in den Einrichtungen xx, xx1 und xx2 im Zeitraum 01.01.1997 bis 31.05.2000 betragen entsprechend der Berechnung des Klägers 234.563,73 DM = 119.930,53 &...8364;. Soweit die Beklagten die Höhe der Aufwendungen mit Nichtwissen bestreiten, ist dies unsubstanziiert und daher unbeachtlich.

Zwar bestehen Bedenken dagegen, dass der Kläger sich selbst Bescheinigungen ausstellen kann, die er sodann als Beweismittel gegenüber den Beklagten einsetzen kann. Jedoch ist von der Richtigkeit der Berechnungen des Klägers auszugehen. Der Kläger hat die Anträge und Bewilligungsbescheide für die Unterbringung von M.I. in den verschiedenen Einrichtungen vorgelegt, ebenso die Festsetzungen hinsichtlich der Tagessätze. Mit diesen Bescheiden und den daraus folgenden nachvollziehbaren Berechnungen haben sich die Beklagten nicht auseinandergesetzt. Auch nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung am 26.02.2003 haben sie nicht erklärt, wieso die angegebenen Unterbringungszeiten oder die geltend gemachten Tagessätze für die Unterbringung unrichtig sein sollten.

Hinzu kommen weitere Aufwendungen für Fahrtkostenerstattung, Bekleidungsbeihilfen oder Klassenfahrten des Kindes in Höhe von 5.078,-- DM = 2.596,34 &...8364;. Der Kläger hat nach entsprechendem Hinweisbeschluss des Senats vom 21.05.2003 in seinem Schriftsatz vom 08.07.2003 hinreichend belegt, dass Aufwendungen in dieser Höhe nach dem 01.01.1997 angefallen sind. Dass diese Kosten grundsätzlich angefallen sind, ist auch nach der Lebenserfahrung anzunehmen.

Von dem zu ersetzenden Betrag in Höhe von insgesamt 122.526,87 &...8364; waren zunächst die unstreitig dem Kläger nach dem 01.01.1997 zugeflossenen Einnahmen in Höhe von 19.359,36 DM = 9.898,28 &...8364; abzuziehen. Weitere Einnahmen sind von den darlegungspflichtigen Beklagten nicht schlüssig dargelegt worden; ihr bloßes Bestreiten mit Nichtwissen ist daher nicht ausreichend.

Darüber hinaus war auch der von den Beklagten zur Aufrechnung gestellte Betrag in Höhe von 23.737,66 DM = 12.136,87 &...8364; abzuziehen. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass den Beklagten entsprechende Kostenerstattungsansprüche gegen C aus dem Vorprozess zustehen, die von dieser nicht beglichen wurden; dementsprechend hat das Landgericht die Klage - vom Kläger nicht durch Berufung oder Anschlussberufung angegriffen - abgewiesen. Es kann aber auch nicht angenommen werden, dass sich die Aufrechnung gegen die verjährten Ansprüche gerichtet hat. Vielmehr ist aufgrund der gleichzeitigen Geltendmachung von Aufrechnung und Verjährungseinrede in der Klageerwiderung vom 23.04.2001 gemäß §§ 396 Abs. 1 Satz 2, 366 Abs. 2 BGB davon auszugehen, dass sich die Aufrechnung in erster Linie gegen die nicht verjährte Forderung des Klägers richtet (vgl. RG, JW 1938, S. 2041; Palandt - Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 396 Rdn. 1).

Damit verbleibt ein Anspruch in Höhe von insgesamt 100.491,74 &...8364;, welchen die Beklagten dem Kläger schulden. Zudem sind sie verpflichtet, dem Kläger auch die nach dem 01.06.2002 bis zur Volljährigkeit von M.I. am 12.12.2002 entstehenden Aufwendungen zu erstatten, weshalb der Feststellungsantrag ebenfalls begründet ist.

6. Der Zinsanspruch des Klägers beruht auf §§ 284, 288 BGB. Die Höhe des Zinssatzes ist durch die Bescheinigung vom 04.09.1999 schlüssig dargelegt worden, ohne dass die Beklagten die Richtigkeit der darin enthaltenen Angaben substanziiert bestritten hätten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war zugunsten der Beklagten gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, da dies zur Fortbildung des Rechts erforderlich erscheint. Der vorliegende Fall wirft die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung - soweit dem Senat ersichtlich - noch nicht geklärte Frage auf, ob der Schadensersatzanspruch von Eltern, gerichtet auf die Freistellung von Unterhaltslasten für ihr Kind, von einem Sozialhilfeträger im Wege des Rechtsübergangs gegen den Schädiger geltend gemacht werden kann. Insofern soll den Beklagten die Möglichkeit gegeben werden, die Übertragbarkeit der in den Entscheidungen des OLG Naumburg vom 12.12.2000 (VersR 2000, S. 341) und des BGH (VersR 2002, S. 192) aufgestellten Grundsätze auf die vorliegende Fallkonstellation überprüfen zu lassen.

Für den Kläger lagen die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO nicht vor. Der Rechtsstreit besitzt insofern keine grundsätzliche Bedeutung, da über die Besonderheiten eines Einzelfalles zu entscheiden war. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch nicht zum Zwecke der Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Der Senat hatte weder über offene, bislang von der Rechtsprechung nicht abschließend oder kontrovers entschiedener Rechtsfragen zu befinden, noch ist er von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte oder von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen.