LG Hagen, Urteil vom 27.11.2015 - 8 O 166/11
Fundstelle
openJur 2017, 712
  • Rkr:
Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 361,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.06.2011 zu zahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, die Kläger gegenüber der Klinik XXX, von der Verbindlichkeit aus der Rechnung vom 11.03.2011, Rechnungsnummer 111784 in Höhe von 15.348,53 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.03.2011 freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Kläger nehmen den Beklagten auf Ersatz und Freistellung von Kosten wegen der Behandlung ihres Pferds in Anspruch.

Die Kläger sind Eigentümer des am 01.01.1999 geborenen Pinto-Wallachs und Westernreitpferds "Mister Little T Joker", genannt XXX (im Folgenden: Pferd P).

Der Beklagte betreibt einen Pferdepensionsbetrieb auf dem Hof seiner Ehefrau Monika G2 in Iserlohn.

Die Kläger stellten, ohne einen schriftlichen Vertrag geschlossen zu haben, ihr Pferd P im Stall des Beklagten unter und zahlten ein regelmäßiges Entgelt für die Unterstellung, das Versorgen mit Stroh und die Fütterung mit Heu und Silage. Das Misten und Einstreuen der Pferde sowie die Fütterung mit Kraft- und Weidefutter übernahmen die Kläger selbst. Der Beklagte packte gelegentlich von den Klägern in einem gesonderten Behältnis vor der Box gelagertes Kraftfutter in den Futtertrog. Zusätzlich verabreichten die Kläger das Kraftfutter "Nutristar" und ein Strukturenergetikum.

Am 16.01.2011 erkrankte P etwa zeitgleich mit zwölf anderen im Stall des Beklagten eingestellten Pferden. Die Pferde erkrankten in zwei Erkrankungswellen, die nur wenige Tage auseinander lagen. Die Tiere litten unter Schluckbeschwerden und verhielten sich apathisch, was unstreitig typische Symptome einer Botulismuserkrankung sind. Allen Tieren war gemein, dass sie mit der von dem Beklagten selbst hergestellten Silage gefüttert wurden. Bei Silage handelt es sich um ein durch Milchsäuregarung konserviertes aus Futterpflanzen gewonnenes Nutztierfutter. Die die Tiere betreuende Tierärztin Dr. I2 in Menden äußerte einen Botulismusverdacht, woraufhin die Pferdehalter jeweils ihre Tiere in medizinische Behandlung brachten.

Einige Pferde überlebten die Krankheit, einige mussten euthanasiert werden. Verschiedene Tiereigentümer strengten Schadensersatzverfahren gegen den Beklagten vor dem Landgericht Hagen (Az. 2 O 203/11, Berufung vor dem Oberlandesgericht Hamm zu Az. 21 U 29/12; 9 O 19/13; 10 O 253/11) und dem Amtsgericht Schwerte (Az. 7 C 145/11) an, da dieser vergiftete Silage verfüttert habe.

Paul überlebte seine Krankheit: Die Kläger verbrachten ihr Pferd in die Tierärztliche Klinik XXX, wo es in der Zeit vom 18.01.2011 bis zum 10.02.2011 behandelt wurde. Die Tierklinik diagnostizierte eine Botulismus-Erkrankung.

Die Tierklinik XXX stellte ihre Behandlung, eine "aufwändige Intensivtherapie" dem Kläger unter dem 11.03.2011 mit 15.448,53 EUR in Rechnung (Rechnungsnr. 111784). Die Kläger haben diese Rechnung bislang nur in Höhe von 100,00 EUR beglichen. Auf dem Briefkopf der Klinik findet sich jeweils keine Angabe einer Gesellschaftsform (etwa Bl. 5 ff., 18 ff. u. 188 ff. d.A.). Vielmehr ist über dem Namen Dr. Dr. habil., bzw. zwischenzeitlich Prof., WK, Fachtierarzt für Pferde und für Fortpflanzung, zu lesen: "Leiter" der Klinik. Unter seinem Namen sind abgedruckt noch die Namen zweier weiterer Oberärzte der Klinik.

Die Kläger stellten ihr Pferd anschließend im Februar und März 2011 noch zwei Mal in der Tierarztpraxis I2 und Dr. med. ved. E H vor. Diese berechnete der Klägerin ihre Tätigkeit mit von den Klägern bezahlten Rechnungen unter dem 28.02.2011 in Höhe von 160,43 EUR und unter dem 31.03.2011 in Höhe von 38,13 EUR.

Ferner waren den Klägern Fahrtkosten in Höhe von 663,00 EUR entstanden, die sie zum Transport des Pferdes in die Tierklinik aufwendeten.

Der Beklagte erklärt während der Tierklinikaufenthalts der Klinikleitung telefonisch und danach gegenüber diversen Pferdehaltern, alle Schäden seien durch seine Haftpflichtversicherung gedeckt. So sammelte er die verschiedenen Rechnungen ein, um sie bei seiner Versicherung einzureichen. Er sagte, es solle alles Menschenmögliche zur Rettung der Pferde unternommen werden. Dass diese Aussagen von dem Beklagten gemacht worden seien, bestätigte Dr. Dr. habil. K dem Prozessbevollmächtigten der Kläger unter dem 19.03.2012 schriftlich (Bl. 263 ff. d.A.).

Unter dem 03. und 10.12.2014 verzichtete der Kläger auf die Erhebung der Einrede der Verjährung hinsichtlich der Forderung vom 18.01.2011 von Dr. Dr. habil. WK, XXX, in Höhe von 15.348,53 EUR bis zum 21.12.2021 (Bl. 748 d.A.). Für Dr. Dr. habil. WK unterzeichnete "i.V." Rechtsanwalt N in Itzehoe. Der Verzicht wurde damit begründet, dass ansonsten Dr. Dr. habil. K gegen den Kläger zur Eintreibung der Forderung bis Jahresende 2014 vorgehen würde. Die Verzichtserklärung war einem Schreiben von Rechtsanwalt N unter dem 03.12.2014 beigefügt (Bl. 749 ff. d.A.). In diesem Schreiben findet sich der Hinwies, dass Rechtsanwalt N für Dr. Dr. habil. K handeln würde in dessen Eigenschaft als Inhaber der Tierklinik XXX.

Die Kläger behaupten, ihr Pferd sei an Botulismus erkrankt. Bei der ebenfalls im Stall des Beklagten eingestellten und zeitgleich mit P erkrankten Stute "Tino’s R S" sei - unstreitig - im Darm der Nachweis für eine Botulismus-Intoxikation erbracht worden. Die Diagnose sei durch klinische Untersuchungen, Laboranalysen und die konkreten Krankheitsverläufe bestätigt worden. Andere Erkrankungen könnten zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Schließlich hätten die Pferde positiv auf die Botulismustherapie reagiert. Auch die pathologische Untersuchung von zwei Tierkörpern (u.a. des Pferds "B") habe keine Hinweise auf andere Erkrankungen ergeben. Dass die Botulismuserkrankung in zwei Wellen aufgetreten sei, finde seinen Grund in der Tatsache, dass die Pferde der zweiten Erkrankungswelle die Bakterien zunächst mit der Nahrung aufgenommen und die Bakterien später im Darm ihr Gift produziert hätten.

Das Pferd P habe über die von dem Beklagten erzeugte und zur Fütterung dargereichte Silage Botulismus-Neurotoxine oder Clostridiumbotulinum-Bakterien mit toxikoinfektiösen Folgen aufgenommen. Nur die Silage komme als Auslöser der Erkrankung in Betracht. Der Beklagte habe die Silage auf Weiden erzeugt, die mit Mist gedüngt worden seien, der wiederum teilweise auch tote Ratten, Mäuse und Schwalben enthalten habe. Ferner habe die Silage einen zu hohen Erdanteil aufgewiesen. Sie sei nass, übelriechend, von brauner bis schwarzer Farbe und mit einem hohen Erdanteil durchsetzt gewesen. Der für die Silageherstellung typische Luftabschluss bilde einen idealen Nährboden für die von den Tierkadavern ausgehenden Bakterien, die die Silage verunreinigten und schließlich nach der Nahrungsaufnahme bei den Pferden zu Vergiftungen führe. Teile der Silage des Beklagten hätten Listeria manocytogens enthalten.

Dass die toxische Silage des Beklagten Ursache für die Botulismuserkrankung des Pferdes gewesen sei, könne man zum einen an der Vielzahl der in einem direkten zeitlichen Zusammenhang erkrankten Pferde und zum anderen daran ablesen, dass alle 13 erkrankten Pferde die Silage und das Stroh des Beklagten gefressen hätten. Andere Nahrungsquellen wie Futtermöhren kämen als Krankheitsquelle nicht in Betracht, da nicht alle Pferde - außer der Silage des Beklagten - dasselbe zu sich genommen hätten.

Die Kläger behaupten überdies, ihr Pferd habe neben der Silage keine von einem Dritthändler bezogenen Möhren bekommen. Es habe allenfalls gelegentlich, von den Klägern selbst gestellte Karotten und Äpfel gefressen. Nur in einem Ausnahmefall habe es nach der Rückkehr aus der Tierklinik Gelbrüben von einem Lieferanten für Wurzelgemüse erhalten.

Der Beklagte habe die für die Herstellung der Silage erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. So habe er den bei der Erzeugung von Tierfutter unerfahrenen Zeugen I3 unbeaufsichtigt auf seinem Hof arbeiten und verdorbene, gar vergiftete Silage an die Pferde verfüttern lassen.

Die Kläger meinen, selbst wenn die Botulismusbelastung der Silage nicht erkennbar gewesen sei, hafte der Beklagte als Landwirt, weil die Belastung allein seiner Einflusssphäre zuzuordnen sei. Insofern sei das ProdHaftG anwendbar.

Die Kläger behaupten, ihr Pferd habe einen weit über dem Schlachtpreis liegenden Marktwert. Es habe schließlich - unstreitig - im Jahre 2009 auf sechs Turnieren der Leistungsklasse LK3 und im Jahre 2010 auf vier Turnieren Wettkämpfe bestritten.

Die Kläger sind der Ansicht, der Beklagte habe eine Haftungs- und Zahlungszusage übernommen, indem er gegenüber den Klägern und anderen Pferdehaltern sowie der Tierklinik erklärt habe, seine Versicherung werde schon für den Schaden aufkommen.

Ursprünglich haben die Kläger wörtlich beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

an die Klägerin 16.310,09 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Mit Schriftsatz unter dem 09.09.2011 (Bl. 57 d.A.) haben die Kläger darauf hingewiesen, dass die Rechnung der Tierklinik XXX noch nicht beglichen worden sei. Zugleich haben die Kläger die Klage umgestellt und beantragen nunmehr wörtlich,

den Beklagten zu verurteilen,

an die Klägerin 861,56 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen,

die Klägerin gegenüber der Klinik XXX, XXX, von der Verbindlichkeit aus der Rechnung vom 11.03.2011, Rechnungsnummer 111784 in Höhe von 15.348,53 EUR zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.03.2011 freizustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält sich nicht für einstandspflichtig.

Die Kläger seien bereits jeweils nicht in voller Höhe der Klageforderung aktivlegitimiert, da zum einen die Rechnung der Tierklinik XXX an den Kläger und zum anderen die Rechnung der Tierärzte I2 und Dr. med. vet. Dr an die Klägerin adressiert sei.

Der Beklagte behauptet, das Pferd sei nicht an Botulismus erkrankt. Vielmehr kämen auch noch eine euqine grass sickness, eine atypische Weidemyopathie, eine Myoglobinerie oder eine equine-Motoneuron-Krankheit in Betracht.

Jedenfalls sei die Botulismuserkrankung nicht durch die Silage des Beklagten verursacht worden. Der Beklagte behauptet, die Stalleinsteller hätten häufig von einem Dritthändler bezogene, unzureichend gelagerte und deshalb verdorbene Mohrrüben an die Pferde verfüttert. Die Karotten seien möglicherweise mit dem Clostridium botulinum infiziert gewesen. Der Beklagte habe nach der ersten Erkrankungswelle am 15. und 16.01.2011 die Heusilage durch die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und durch die miGmbH untersuchen lassen. Dabei sei kein Botulismusgiftstoff gefunden worden. Außerdem spreche der Krankheitsverlauf P gegen eine Botulismusintoxikation. Die Kläger hätten weder einen Labornachweis für die Botulismus-Toxine noch den Nachweis erbracht, dass sich etwaige Toxine aus der Grassilage des Beklagten entwickelt hätten.

Möglicherweise sei das Pferd mit Arsen vergiftet worden.

Selbst wenn P wirklich an Botulismus erkrankt sei, hätten die Kläger andere Ursachen dieser multifaktoriellen Erkrankung nicht ausgeschlossen. Es komme eine Vielzahl von Infektionsvektoren in Betracht. So sei es am 22.07.2009 in der unmittelbaren Nähe des landwirtschaftlichen Betriebs des Beklagten bei der Firma X zu einem Brand gekommen. Die Weiden des Beklagten seien zunächst wegen einer eventuellen Verunreinigungsgefahr gesperrt, nach zwei Wochen aber durch mündliche Erklärung des Veterinäramtes des Märkischen Kreises wieder freigegeben worden. Trotz der Freigabe habe der Beklagte den ersten Schnitt der Weiden nicht an die Tiere verfüttert.

Die Botulismustoxine könnten sich auch in den Bewegungsflächen der Pferde, sog. Paddocks, befunden haben, wo in den Sand eingetretener Pferdekot den idealen Nährboden bilde. Insbesondere in eingetretenen Unebenheiten könne sich verseuchtes Wasser sammeln, was die Pferde aufnehmen hätten können.

Der Beklagte habe, wozu sich die Kläger allesamt mit Nichtwissen erklären, ausreichende Vorsichtsmaßnahmen unternommen, um ein Ausmähen (d.h. mechanisches Töten) von Wild zu vermeiden. Er habe die Grünflächen vor jedem Schnitt gründlich untersucht. Im Frühjahr habe er die Grünflächen maschinell abgeschleppt, um eventuelle Aufhäufungen von Maulwürfen oder Wühlmäusen einzuebnen und so zu verhindern, dass beim Grünschnitt Erde eingemäht werde. Er sei die Weide vor dem Mähen mit Jagdhunden abgegangen und habe rings um die Schnittflächen von Menschenhand berührte Papiertüten aufgestellt, um das Wild optisch und olfaktorisch abzuschrecken. Außerdem habe er in der Mitte der Weide eine sog. Sicherheitsaufmähung vorgenommen. Dies bedeute, dass er in der Mitte der Weide zu mähen beginne und den Mähradius nach außen vergrößere. So würden Tiere nach außen weggedrängt. Ferner habe er beim Schneiden mittels Schlepper und Trommelschneidwerk seitlich einen Wildretter mitgeführt, der vor dem Schneidwerk hockendes Wild wegtreibe. Außerdem habe er vor dem Heuwenden auf Krähen und Greifvögel geachtet, die sich auf im Gras befindliche Tierkadaver gestürzt hätten. Schließlich habe er nach dem Öffnen der Silageballen in jedem Einzelfall eine visuelle und olfaktorische Prüfung vorgenommen, wozu sich die Kläger mit Nichtwissen erklären.

Im Zusammenhang mit dem X-Brand im Januar 2011 seien die Silage, das Oberflächen- und Brunnenwasser des Beklagten laboratorisch untersucht worden. Es habe sich dabei kein Botulismusbefund gezeigt.

Der Beklagte bestreitet die medizinische Erforderlichkeit der in der Tierklinik erbrachten tierärztlichen Leistungen. Ferner behauptet der Beklagte, der Wert des streitgegenständlichen Pferdes liege nur minimal über dem Schlachtpreis von 250 bis 350 EUR, aber auf jeden Fall deutlich unter 1.000 EUR. Das Pferd sei ein bloßes Freizeitpferd ohne jede sportliche Ambition und habe keine Reitausbildung genossen. Die Behandlungskosten der Tierklinik überstiegen den Wert des Pferdes um mehr als 200 %. Der Beklagte meint daher, die Kläger verstießen gegen ihre Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB, wenn sie die vollen Behandlungskosten ersetzt verlangten. Auch § 251 Abs. 2 S. 2 BGB ergebe nichts anderes. Das erkrankte Pferd habe euthanasiert werden müssen.

Einen weiteren Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit macht der Beklagte daran fest, dass die Kläger versäumt hätten, einen Antrag bei der Tierseuchenkasse auf Regulierung des Schadens zu stellen.

Der Beklagte ist der Ansicht, der Pferdeeinstellvertrag sei kein Verwahrungsvertrag, sondern habe seinen Schwerpunkt im Mietrecht. Deshalb seien Forderungen jedenfalls verjährt. Außerdem seien die Forderungen der Tierklinik XXX deshalb verjährt, weil der klägerische Verjährungsverzicht nur durch Dr. Dr. habil. K, nicht aber im Namen der Tierklinik angenommen worden sei. Überdies sei nicht ersichtlich, dass Rechtsanwalt N dazu ermächtigt gewesen sei, für und gegen jenen wirkende Erklärungen abzugeben.

Die Klage ist dem Beklagten am 08.06.2011 zugestellt worden.

Das Gericht hat die Parteien persönlich angehört in den mündlichen Verhandlungen vom 06.10.2011 (Bl. 64 ff. d.A.), 29.03.2012 (Bl. 282 ff. d.A.), 25.08.2014 (Bl. 570 ff. d.A.) und 27.11.2015 (Bl. 874 ff. d.A.). Zudem hat es Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens durch den Direktor der Klinik für Pferde der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und Fachtierarzt für Pferde Prof. Dr. med. vet. Dipl. G sowie diesen persönlich in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2015 angehört. Für das Ergebnis der persönlichen Anhörungen wird auf das jeweilige Sitzungsprotokoll sowie für das Ergebnis der Beweisaufnahme auf das schriftliche Gutachten unter dem 14.09.2015 (Bl. 700 ff. d.A.) sowie das Sitzungsprotokoll vom 27.11.2015 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet

Die Klage ist zulässig. Die Umstellung des Klageantrags, statt an die Kläger, die noch nicht beglichene Forderung der Tierklinik Kaufungen an diese selbst zu erfüllen, ist jedenfalls sachdienlich im Sinne von § 263, 2. Alt. ZPO, da ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Ansprüchen besteht (vgl. Becker-Eberhard, in: MünchKomm, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 263 Rn. 31 ff.; Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 263 Rn. 13). Ferner liegt auch kein Fall einer gewillkürten Prozessstandschaft vor, da die Kläger den Beklagten auf Freistellung einer eigenen Verbindlichkeit in Anspruch nehmen, mithin keine fremde Forderung im eigenen Namen einklagen.

Die Erklärung der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2015, die Klage in Höhe von 500,00 EUR zurückzunehmen, ist als zulässige Erledigungserklärung zu verstehen, die freilich einseitig geblieben ist.

Eine Klagerücknahme ist in dieser Erklärung entgegen dem protokollierten Wortlaut nicht zu erkennen.

Zwar ist es einem Kläger grundsätzlich aufgrund dessen Prozessautonomie möglich, die Klage insgesamt oder teilweise zurückzunehmen. Doch sobald sich ein Beklagter auf die Klage eingelassen hat, wird dem Kläger diese Möglichkeit versagt, es bedarf gemäß § 269 Abs. 1 ZPO einer Einwilligung des Beklagten. Da der Beklagte sich hier bereits zu der Klage inhaltlich eingelassen hat, gar in der mündlichen Verhandlung vom 25.08.2014 die Anträge gestellt worden sind, haben die Kläger nicht mehr die Möglichkeit einer einseitigen Klagerücknahme (vgl. Becker-Eberhard, in: MünchKomm, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 269 Rn. 21 ff.; Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 269 Rn. 13). Dies gilt auch für eine - die hier gegebene - Beschränkung im Sinne § 264 Nr. 2, 2. Alt. ZPO (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2012, 85, 86 f.; Becker-Eberhard, in: MünchKomm, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 264 Rn. 23; Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 264 Rn. 4a). Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich der Klagerücknahme widersprochen.

Auch haben die Kläger keinen Verzicht im Sinne von § 306 ZPO erklärt, da ein Verzicht nur hinsichtlich auf selbständige und abtrennbare Teile des Streitgegenstands erklärt zu werden vermag (vgl. Musielak, in: MünchKomm, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 306 Rn. 3; ferner Elzer, in: BeckOK, ZPO, 18. Ed. 2015, § 306 Rn. 15). Dies ist, obgleich die Selbstbeteiligung nach ProdHaftG auch weitergehend von § 280 Abs. 1 S. 1 BGB als vom Gesichtspunkt des Vertretenmüssens abhängige Schadensposition umfasst sein könnte, bei der hiesigen klägerischen Erklärung nicht der Fall.

Vielmehr wollten die Kläger eine einseitige Erledigungserklärung abgeben. Deren Abgabe ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich (Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 91a Rn. 37). § 264 Nr. 2 ZPO erlaubt eine derartige Erklärung (Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 91a Rn. 34). Durch die teilweise Erledigungserklärung haben die Kläger einen Teil ihrer ursprünglichen Leistungsklage in eine Feststellungsklage geändert.

Das für den Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der Feststellung folgt aus der Weigerung des Beklagten, sich der klägerischen Erledigungserklärung anzuschließen, und aus dem berechtigten klägerischen Begehren, in diesem Prozess eine abschließende Entscheidung über die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu erhalten. Dieses Vorgehen ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, wie § 264 Nr. 2 ZPO zeigt, zumal die Interessen des Beklagten hinsichtlich der Kostentragung sich nach allgemeinen Vorschriften richten (vgl. Lackmann, in: Musielak/Voit, 12. Aufl. 2015, § 91a Rn. 28; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 91a Rn. 34).

Die damit einhergehende nachträgliche objektive kumulative Klagehäufung ist gemäß den §§ 260, 261 Abs. 2, 263, 2. Alt. ZPO zulässig.

Die Klage ist überwiegend begründet.

Der Leistungsantrag ist begründet.

Die Kläger können von dem Beklagten Freistellung von der Tierarztrechnung in Höhe von 15.348,53 EUR und daneben Ersatz der weiteren Schäden abzüglich einer Selbstbeteiligung in Höhe von 500,00 EUR, also in Höhe von 361,56 EUR verlangen aus § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG.

Der Beklagte hat durch die Verwendung der selbst hergestellten Silage in seinem Betrieb ein Produkt in Verkehr gebracht, das einen Fehler aufwies, da es mit dem Botulismusgift verseucht war. Dadurch wurde die Gesundheit des Pferds P beeinträchtigt, also eine Sache im Sinne des ProdHaftG beschädigt (§ 90a BGB), die zugleich nicht das fehlerhafte Produkt selbst war (§ 1 Abs. 1 S. 2, 1. Hs. ProdHaftG). Weiter wurde die beschädigte Sache, das Pferd P, als Freizeitpferd für den privaten Gebrauch gewöhnlicherweise im allgemeinen und von den Klägern im Besonderen verwendet (2. Hs.).

Es handelte sich bei der Silage um einen beweglichen körperlichen Gegenstand, mithin eine Sache (§ 90 BGB) und daher um ein Produkt (§ 2 ProdHaftG; vgl. Graf v. Westphalen in: Foerste/Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, 3. Aufl. 2012, § 47 Rn. 4). Landwirtschaftliche Produkte sind ausdrücklich, obgleich industriell gefertigt, nicht vom Anwendungsbereich des ProdHaftG ausgenommen worden (dazu und zu den Erwägungen Oechsler, in: Staudinger, ProdHaftG, 2014, Einleitung Rn. 18). Auch bei Kleinbetrieben findet das ProdHaftG Anwendung (BGH NJW 1992, 1039, 1041).

Der Beklagte ist Hersteller im Sinne des § 4 Satz 1 ProdHaftG, da er die Futterpflanzen geerntet und durch einen Gärungsprozess und luftdichten Abschluss zu Silage verarbeitet, mithin aus Materialien ein Endprodukt hergestellt hat (vgl. Graf v. Westphalen in: Foerste/Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, 3. Aufl. 2012, § 49 Rn. 4; Oechsler, in: Staudinger, ProdHaftG, 2014, § 4 Rn. 8 f.; Wagner, in: MünchKomm, ProdHaftG, 6. Auf. 2013, § 4 Rn. 6 f.).

Das Produkt hatte einen Fehler, da es nicht die Sicherheit bot, mit der ein objektiver Nutzer zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens billigerweise rechnen durfte (§ 3 Abs. 1 ProdHaftG; vgl. Graf v. Westphalen in: Foerste/Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, 3. Aufl. 2012, § 48 Rn. 9 ff.; Oechsler, in: Staudinger, ProdHaftG, 2014, § 3 Rn. 15 ff.; Wagner, in: MünchKomm, ProdHaftG, 6. Auf. 2013, § 3 Rn. 4 ff.). Der Halter eines Pferdes darf erwarten, dass sein Tier in einer Pferdepension mit Silage gefüttert wird, die kein todbringendes Gift in sich trägt. So war es aber hier: Nach der Überzeugung des Gerichts war die Silage mit dem Botulismusgift belastet. Den darlegungs- und beweisbelasteten Klägern (§ 1 Abs. 4 S. 1 ProdHaftG) ist der Beweis geglückt.

Nach dem in § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist Beweis erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist. Die danach erforderliche Überzeugung des Richters gebietet keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, es reicht vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit aus, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 286 Rn. 13; Prütting, in: MünchKomm, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 286 Rn. 16 ff.).

Der Sachverständige hat auf Grundlage der Silagefütterung, der Symptomatiken und des Krankheitsverlaufs zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass das Pferd Paul am Botulismus erkrankt war. Begründet hat er dies damit, dass das Botulismustoxin üblicherweise über das Futter aufgenommen werde. Die Inkubationszeit sei umso kürzer, je mehr das Tier von dem Toxin aufgenommen habe. Als Symptome hat er benannt die verkürzte Futter- und Wasseraufnahme, gefolgt von einer gesenkten Kopf-Hals-Stellung und einer Weitung der Pupillen. Hinzu kämen Zittern und Muskelschwäche sowie eine reduzierte Darmmotorik, jedoch ohne Gleichgewichtsstörungen oder Koliken. Gefahren bestünden auch durch Lungenentzündungen. Durch ein Festliegen und eine Lähmung der Atemmuskulatur könne der Tod eintreten. Diesen Krankheitsverlauf weise auch P auf, ohne dass das Vollbild einer Botulismuserkrankung vollständig bejaht werden müsse. Zwar sei das Toxin nicht bei Paul, aber doch bei einem anderen Pferd aus dem Bestand gefunden worden, was dieselben Symptome gezeigt habe.

Alle diese Pferde hätten das Botulismustoxin über die gleiche Futterquelle, die von dem Beklagten produzierte Silage aufgenommen. Die Sporen des Bakteriums seien sehr widerstandsfähig und könnten unter sauerstofffreien Bedingungen in einer feuchten und eiweißhaltigen Umgebung Jahre überdauern. Diese Umstände würden durch eine Kontamination mit Tierkadavern oder Düngung geschaffen. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige es ausgeschlossen, dass das Botulismusgift über anderweitige Quellen hätte aufgenommen werden können (vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 17.12.2001, Az. 19 U 43/01 - juris Rn. 37 ff.; ferner LG Bielefeld, Urt. v. 27.03.2003, Az. 6 O 202/02 - juris Rn. 12 ff.).

Unter Berücksichtigung der klinischen und labordiagnostischen Befunde von P und der anderen Pferde und aufgrund der fehlenden pathologischhistologischen Veränderungen bei der Sektion des Pferdes "Tinos R S" seien eine Equine Grass sickness und eine Equine motorische Nervernzell-Degeneration und eine atypische Myopathie sowie eine Myoglobinurie als Krankheitsbilder bei Paul auszuschließen.

Das Gericht macht sich die Ausführungen des Sachverständigen zu Eigen. Der Sachverständige ist für die Begutachtung qualifiziert als Fachtierarzt für Pferde und Hochschullehrer an sowie Direktor der gerichtsbekannt als höchstrenommiert geltenden Klinik für Pferde in Hannover. Das Gutachten ist in sich schlüssig und nachvollziehbar: Insbesondere ist der Sachverständige von zutreffenden Tatsachen ausgegangen und hat die daraus gezogenen Konsequenzen logisch und widerspruchsfrei dargestellt. Einwände der Parteien und Nachfragen des Gerichts hat er in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts in beeindruckender Weise auszuräumen und zu beantworten vermocht.

Die Ersatzpflicht ist auch nicht nach § 1 Abs. 2 ProdHaftG ausgeschlossen.

Die Enthaftungstatbestände der Nrn. 1 u. 3 greifen nicht.

Der Beklagte hat (Nr. 1) die Silage in den Verkehr gebracht, indem er sie im eigenen Betrieb verfütterte. Inverkehrbringen meint die willentliche Auslieferung an eine andere Person, also das Verlassen von Herrschafts- und Organisationssphäre des Herstellers (Graf v. Westphalen in: Foerste/Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, 3. Aufl. 2012, § 46 Rn. 20; Oechsler, in: Staudinger, ProdHaftG, 2014, § 1 Rn. 54; Wagner, in: MünchKomm, ProdHaftG, 6. Aufl. 2013, § 1 Rn. 27 "Eigenge- oder verbrauch"). Darunter fällt auch das Verwenden eines Produkts im Rahmen einer Tätigkeit, die erst selbst in Kontakt mit dem Abnehmer gerät (EuGH NJW 2001, 2781 Rn. 18 - Henning Veedfald/Århus Amtskommune; Graf v. Westphalen in: Foerste/Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, 3. Aufl. 2012, § 46 Rn. 24 jeweils für Perfusionsflüssigkeit bei einer Transplantation; Oechsler, in: Staudinger, ProdHaftG, 2014, § 1 Rn. 54; Wagner, in: MünchKomm, ProdHaftG, 6. Aufl. 2013, § 1 Rn. 27). Es kann schließlich keinen Unterschied machen, ob der Beklagte die Silage den Klägern zur Verfügung gestellt hätte, um das Pferd zu füttern, oder selbst durch Mitarbeiter das Pferd füttern ließ (vgl. die Argumentation bei Oechsler, in: Staudinger, ProdHaftG, 2014, § 1 Rn. 54). Anderenfalls würde dem Hersteller eine nicht durch das Gesetz vorgesehene Entlastungsmöglichkeit eingeräumt, deren Vorliegen mitunter vom Zufall abhinge. Im Gegenteil: Es muss wegen der weiterreichenden Einflussmöglichkeiten des Herstellers auf sein Produkt und dessen Anwendung erst recht eine Herstellerhaftung dem Grunde nach bestehen, eine Exkulpationsmöglichkeit nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB darf nicht geschaffen werden.

Zugleich hat der Beklagte (Nr. 3) die Silage im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zur Gewinnerzielung hergestellt (vgl. Graf v. Westphalen in: Foerste/Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, 3. Aufl. 2012, § 46 Rn. 43 ff.).

Auch die Voraussetzungen der Nr. 2 sind nicht erfüllt. Es ist nicht den Umständen nach davon auszugehen, dass die Silage den Schaden noch nicht hatte, als der Beklagte sie in den Verkehr brachte, gleichsam sie verfütterte.

Schließlich liegen auch die Merkmale der Nr. 5 nicht vor. Dieser Ausschlusstatbestand, nachdem eine Haftung nicht eintritt, wenn der Produktfehler nach dem verfügbaren Stand von Wissenschaft und Technik nicht zu erkennen war, bezieht sich nur auf sog. Konstruktions- (Entwicklungs-)fehler, nicht aber sog. Fabrikationsfehler. Ein solcher tritt bei der Herstellung des Produkts ein, betreffen daher bestimmte Chargen oder Exemplare einer Serie, weil sie z. B. auf einer Fehlfunktion der produzierenden Maschine oder auf einem Fehlverhalten der beteiligten Personen beruht, während das Herstellungsverfahren an sich ordnungsgemäß ist (vgl. Oechsler, in: Staudinger, ProdHaftG, 2014, § 3 Rn. 104 ff.; Wagner, in: MünchKomm, ProdHaftG, 6. Aufl. 2013, § 3 Rn. 30 ff.). Dieser Fehler liegt hier vor: Grundsätzlich ist - den Vortrag des Beklagten als wahr unterstellt - der Produktionsprozess ordnungsgemäß, obgleich dennoch die Silage mit den Botulismustoxinen verseucht war.

Ob der Beklagte tatsächlich sich so verhalten hat, wie vorgetragen, ist indes unerheblich. Denn ausdrücklich ist nach der höchstrichterlichen, obgleich im Schrifttum kritisierten Rechtsprechung ein Produktionsausreißer nicht von dem Enthaftungstatbestand umfasst (BGH NJW 1995, 2162, 2163 - Mineralwasserflasche II; Überblick bei Graf v. Westphalen in: Foerste/Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, 3. Aufl. 2012, § 46 Rn. 65 ff.; kritisch Oechsler, in: Staudinger, ProdHaftG, 2014, § 1 Rn. 118).

Diese Rechtsprechung trifft zu. Denn sie deckt sich mit dem Wortlaut des Gesetzes, den Aussagen der Gesetzesverfasser (zitiert bei BGH NJW 1995, 2162, 2163; a.A. im Bezug auf die zugrundeliegende Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte Oechsler, in: Staudinger, ProdHaftG, 2014, § 1 Rn. 118) und auch dessen Telos, eine verschuldensunabhängige Haftung für Produkte zu schaffen (BGH NJW 1995, 2162, 2163). Zugleich wird die fehlende Enthaftungsmöglichkeit durch folgende Überlegung deutlich: Wenn ein Ausreißer vorliegt, muss dieser als solcher auch in der Qualitätskontrolle auffallen, sodass er für den Hersteller erkennbar ist (Graf v. Westphalen in: Foerste/Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, 3. Aufl. 2012, § 46 Rn. 67). Dies liegt bei der Silage nicht anders

Ein Vertretenmüssen des Herstellers vergleichbar § 280 Abs. 1 S. 2 BGB wird nicht gefordert, sodass offen bleiben kann, ob der Beklagte bei der Heuernte und der Verfütterung (§ 278 BGB) die im Verkehr übliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat (§ 276 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 BGB).

Auf Rechtsfolgenseite hat der Beklagte den den Klägern entstandenen Schaden zu ersetzen (§§ 249, 251 Abs. 1 BGB): Der Beklagte hat den Klägern abzüglich der Selbstbeteiligung die Zahlungen auf die Tierarztrechnungen zu erstatten und sie von noch offenen Forderungen freizustellen.

Sofern der Beklagte die Aktivlegitimation der Kläger bestritten hatte, hat er in der mündlichen Verhandlung vom 25.08.2014 (Bl. 1 des Protokolls, Bl. 570 d.A.) dies unstreitig gestellt. Demnach hat das Gericht, auch wenn die Rechnungen entweder an Kläger oder Klägerin adressiert sind, zugrunde zu legen, dass beide Personen Vertragspartner der Tierbehandlungsverträge wurden. Sofern die Kläger demnach in ihren Anträgen Zahlung an bzw. Freistellung der "Klägerin" begehren, hat das Gericht diese Anträge nach dem wohlverstandenen wirtschaftlichen Interesse der Kläger dahingehend auszulegen (§§ 133, 157 BGB), dass nicht "Klägerin", sondern "Kläger" gemeint ist. Andernfalls hätte der Kläger nicht auch Klage zu erheben brauchen, was er nach wirtschaftlichen Aspekten unterlassen hätte.

Hinsichtlich der Selbstbeteiligung in Höhe von 500,00 EUR in Fällen einer Sachbeschädigung haben die Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt (§ 11 ProdHaftG).

Die Heilbehandlung ist nicht im Sinne von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB unverhältnismäßig. Aufgrund der emotionalen Bindungen kann der tatsächliche Wert eines Tieres nicht den Maßstab für dessen Genesung bilden. Dabei hat das Gericht auch den Gesundheitszustand und das Alter Pauls zu berücksichtigen (vgl. LG Traunstein, Urt. v. 22.03.2007, Az. 2 O 719/05 - juris Rn. 24 ff.), wobei aber auch Behandlungen verhältnismäßig sind, die wenig Erfolg versprechen (Schiemann, in: Staudinger, BGB, 2005, § 251 Rn. 28 f.). Bei dem streitgegenständlichen Ross handelte es sich nicht um ein Tier, das gesundheitlich vor der Vergiftung gesundheitlich schon angeschlagen oder altersschwach gewesen wäre, sodass grundsätzlich insoweit keine Einschränkungen zu machen sind.

Leitend für die Abwägung hat letztlich der Tierschutz, die Möglichkeit der Schmerzlinderung und Heilung, zu sein (vgl. Schiemann, in: Staudinger, BGB, 2005, § 251 Rn. 27), sodass es auf eine bloße Wertrelation nicht maßgeblich ankommt (Darstellung bei Grüneberg, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 251 Rn. 7; das sechsfache als nicht unverhältnismäßig sieht an OLG München, Urt. v. 11.04.2011, Az. 21 U ...#/... - juris Rn. 6). Den Klägern war nicht zuzumuten, ihr Pferd allein aus wirtschaftlichen Aspekten einschläfern zu lassen, zumal die Behandlung, wenn auch langsam, Erfolge zeitigte.

Doch auch die schnöde Wertrelation führt nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit: In der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2015 hat der Beklagte den Wert von Paul auf 2.000,00 EUR beziffert (Bl. 2 des Protokolls, Bl. 874 d.A.). Die Behandlungskosten waren etwa acht Mal so hoch. Dies steht nicht völlig außer Verhältnis vor dem Hintergrund, dass es sich bei P um ein liebgewonnenes Lebewesen handelt.

In diesem Fall hat sich der Beklagte jedenfalls gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) an seinen Aussagen gegenüber der behandelnden Klinik und den Klägern festhalten zu lassen, es solle möglichst eine Heilung angestrebt werden. Damit hat er den Gedanken des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB auf seine konkreten Einstandspflicht angewendet, wobei seine (enttäuschte) Hoffnung, die Versicherung werde einspringen, in diesem Zusammenhang unbeachtlich ist.

Die Verursachung der Behandlungskosten verstieß nicht gegen die Schadensminderungspflicht des § 254 Abs. 2 S. 1, 2. Alt. BGB. Sie waren nach Überzeugung des Gerichts allesamt für eine Behandlung P notwendig und angemessen. Insofern brauchten die Kläger, vergleichbar dem Rechtsgedanken von § 251 Abs. 2 S. 2 BGB nicht die billigste "Reparatur" der Sache zu wählen, sondern durften alle nach dem jetzigen Stand der medizinischen Wissenschaft sich bietenden Mittel anwenden, hatten gleichsam zu veranlassen, was bei gleicher Gesundheitsstörung ein verständiger Pferdefreund tun würde (vgl. Schiemann, in: Staudinger, BGB, 2005, § 254 Rn. 81 und 89).

Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, sodass sich das Gericht seine Feststellungen zu Eigen macht: Insgesamt sei das therapeutische Vorgehen schlüssig und entspreche weitgehend den wissenschaftlich anerkannten Empfehlungen. Die abgerechneten Leistungen seien krankheitsbedingt erforderlich gewesen. Zum einen hätten die im Körper von P befindlichen Toxine neutralisiert, zum anderen seine Lebensfunktion aufrechterhalten und Begleitsymptome behandelt werden müssen. Hierzu sei eine Vergabe von Antiseren gegen alle Toxintypen angezeigt gewesen, da schließlich der Botulismus nicht sicher diagnostiziert gewesen sei. P sei zur Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen per Magensonde Weichfutter sowie per Infusion Flüssigkeit und Elektrolyte zugeführt worden. Zugleich seien Breitspektrumantibiotika verwandt worden, um eine Lungenentzündung zu verhindern. Notwendig sei auch die Intensivüberwachung gewesen. Sofern er in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2015 (Bl. 2 des Protokolls, Bl. 874 d.A.) ergänzt hat, die Verabreichung antitoxinhaltigen Plasmas sei nach wissenschaftlichen Standards keine indizierte Behandlung, hat er doch ausgeführt, dass er die Idee grundsätzlich begrüße und sie für aus der Not geboren halte, zumal diese sich im Rahmen der Therapiefreiheit bewege. Insofern gilt auch hier der Gedanke des § 251 Abs. 2 S. 2 BGB. Letztlich stellt die Verabreichung des Plasmas damit eine Verstärkung der Behandlungsmethoden dar, erhöhte also den Erfolg der anderen Behandlungen, deren Kosten sich ohne jedweden vertretbaren Versuch der Rettung im Ergebnis als nutzlos aufgewandt bei einem Verstreben des Tiers herausgestellt hätten.

Die Kläger haben auch nicht im Sinne von § 254 Abs. 2 S. 1, 2. Alt. BGB gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, indem sie keinen Antrag auf Entschädigung bei der Tierseuchenkasse der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Münster stellten (§ 15 des Ausführungsgesetzes zum Tiergesundheitsgesetz und zum U [AG TierSG TierNebG NRW]). Denn dieser Antrag wäre von dem Beklagten als etwaigem Mitglied der Landwirtschaftskammer, aber nicht den Klägern als Pferdehaltern zu stellen gewesen.

Auch bedeutet es keinen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1, 2. Alt. BGB , dass die Kläger gegenüber der Tierklinik XXX nicht die Einrede der Verjährung erhoben, sondern diese gar abbedingten (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1996, 1338; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 254 Rn. 45; vgl. ferner für Rechtsbehelfe Schiemann, in: Staudinger, BGB, 2005, § 254 Rn. 93). Denn anderenfalls wären die Kläger selbst von der Tierklinik - unstreitig - in Anspruch genommen worden, wie sich aus dem Schreiben von Rechtsanwalt N ergibt. Dieser handelte auch ausweislich seines Schreibens unter dem 03.12.2014 im Namen und mit Vertretungsmacht von Dr. Dr. habil. K.

Zu diesem Zeitpunkt hätten die Kläger nicht die Einrede der Verjährung zu erheben brauchen, statt die Verzichtserklärung zu erheben. Denn die Forderung war noch nicht verjährt (§§ 194 Abs. 1, 195, 199 Abs. 1 BGB), wäre erst mit dem Jahreswechsel undurchsetzbar geworden.

Doch auch nach dem 31.12.2014 konnten die Kläger nicht die Einrede der Verjährung erheben, da sie mit dem Verjährungsverzicht gebunden waren. Dieser wurde namens Dr. Dr. habil. K unterzeichnet, der gegenüber den Klägern stets als "Inhaber" und "Leiter" der Klinik aufgetreten war. Unabhängig davon, dass der Beklagte seinen nicht belegten Vortrag, es handele sich bei der Tierklinik um eine H, nicht hinreichend substantiiert hat, wäre jedenfalls nach den Grundsätzen des sog. unternehmensbezogenen Geschäfts (dazu Ellenberger, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 164 Rn. 2; Schilken, in: Staudinger, BGB, 2014, § 164 Rn. 1; vgl. ferner OLG Hamm, Urt. v. 28.04.2011, Az. 2 U 244/10 - juris Rn. 35 ff.; C, Jura 2015, 438 ff.) durch das Handeln von Dr. Dr. habil. J die Tierklinik aus Sicht des Rechtsverkehrs in Bezug genommen worden. Denn die Beklagten mussten wegen des Briefkopfs und der sonstigen vorangegangenen Erklärungen ausgehen, wenn Dr. Dr. habil. J schon nicht selbst Vertragspartner war, so doch jedenfalls stets für die Tierklinik handeln wollte und durfte. Demnach kommt es nicht darauf an, ob Dr. Dr. habil. J Einzelvertretungsmacht hatte oder zudem noch vertretend für etwaige weitere Gesellschafter der Tierklinik handeln wollte.

Der Beklagte kann, da er selbst nicht Schuldner der Tierklinik, sondern nur Schuldner der Kläger ist, die Einrede der Verjährung im Sinne von § 214 Abs. 1 BGB nicht erheben (vgl. Peters/Jacoby, in: Staudinger, BGB, 2014, § 214 Rn. 8 ff.). Die Verjährung der Forderung gegen den Beklagten nach § 6 Abs. 1, 1. Hs. ProdHaftG selbst ist wegen der Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1, 1. Var. BGB) gehemmt. Der Einstellvertrag unterliegt nicht den kurzen Verjährungsfristen des Mietvertragsrechts (§ 548 BGB), da er als (entgeltlicher) Verwahrungsvertrag im Sinne von § 688 BGB einzuordnen ist (vgl. OLGR Brandenburg 2007, 85 f.; OLG Hamm, Beschl. v. 27.08.2013, Az. 21 U 29/12 sub 1 a; ausführlich Barnert AUR 2009, 349 ff.). Denn vertragsprägend war nicht allein die Zuverfügungstellung einer Pferdebox (dann Mietvertrag), sondern darüber hinaus die Inobhutnahme und das Füttern von P.

Der Zinsanspruch folgt in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus den §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB analog § 187 Abs. 1 BGB ab dem auf die Rechtshängigkeit der Klage (§ 261 Abs. 1 ZPO) folgenden Tag, den 09.06.2011. Der Antrag des Klägers ist nach dessen wohlverstanden wirtschaftlichen Interesse (§§ 133, 157 BGB) hinsichtlich Zinshöhe dahingehend auszulegen. Der zu viel verlangte Zinstag ist hingegen, wenn schon nicht der Auslegung fähig, so doch jedenfalls nicht zuzusprechen. Der Beklagte befand sich mit der Freistellung in Verzug, sodass es auch gerechtfertigt erscheint, ihm eine Verzinsungspflicht aufzuerlegen (vgl. Bittner, in: Staudinger, BGB, 2014, § 257 Rn. 21).

Der Feststellungsantrag ist hingegen unbegründet.

Die Klage hat sich nicht nach Rechtshängigkeit in Höhe von 500,00 EUR erledigt. Ein erledigendes Ereignis ist eine Tatsache mit Auswirkungen auf die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Zulässigkeit oder Begründetheit einer Klage (BGH NJW 2007, 3721, 3722; Lindacher, in: MünchKomm, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 91a Rn. 4 ff.; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 91a Rn. 3). Dazu zählt ein Hinweis des Gerichts auf die Selbstbeteiligung nach § 11 ProdHaftG nicht. Denn die Voraussetzungen dieser Rechtsfolge bestanden auch schon vor der Klageerhebung. Vielmehr stellt die Erledigungserklärung nur die - zulässige - Reaktion auf die Rechtsansicht des Gerichts dar, eine ersichtlich lang werdende Beweisaufnahme hinsichtlich des Exkulpationsversuchs des Beklagten nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu umgehen, sich gewissermaßen von dieser freizukaufen. Einer Beweisaufnahme hinsichtlich des erledigenden Ereignisses (dazu BGH NW 1992, 2235, 2236) bedarf es wegen dieser Rechtsfrage also nicht.

Die Kostentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 u. 2 ZPO.

Dem Beklagten brauchte kein Schriftsatznachlass gewährt zu werden.

Grundsätzlich besteht eine Hinweispflicht für Gesichtspunkte, die eine Partei für erkennbar unerheblich gehalten hat (§ 139 Abs. 2 S. 1 ZPO; hierzu und zum Folgenden Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 139 Rn. 6), wofür sogar eine Vermutung in dem Fall besteht, dass der Gesichtspunkt nicht angesprochen wurde, da sich niemand selbst benachteiligen möchte. Dies gilt umso mehr, wenn das Gericht im Prozessverlauf es hat zu erkennen geben, dass es auf den Gesichtspunkt nicht ankomme. Da letzteres nicht der Fall ist, kommt es darauf an, ob der Beklagte das ProdHaftG für nicht entscheidungsrelevant gehalten hat. Daran hat das Gericht bereits Zweifel, da Gegenstand des Verfahrens auch der Beschluss des OLG Hamm vom 27.08.2013, Az. 21 U 29/12, der mehrfach zur Akte gereicht worden ist, gewesen ist. In diesem weist das Gericht (sub 1 d) darauf hin, dass das ProdHaftG anwendbar sein könne, wenngleich es den Fehlerbegriff des § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG abweichend von dem erkennenden Gericht zu definieren scheint. Letztlich kommt es aber nicht darauf an, da der Beklagte durch eingehenden und von ihm erfassten Vortrag der Gegenpartei zutreffend über die Rechtslage unterrichtet worden ist (vgl. BGH NJW 2007, 759 Rn. 19; NJW-RR 2008, 581 Rn. 2; Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 139 Rn. 6a; Wagner, in: MünchKomm, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 139 Rn. 18 f.). Mehrfach ist die Anwendbarkeit des ProdHaftG nämlich von Kläger (etwa Bl. 588, 592, 743 d.A.) und Beklagtem (etwa Bl. 313 d.A.) angesprochen worden. Insbesondere hat der Beklagte die Anwendbarkeit des ProdHaftG bestritten. Das Gericht hat dennoch keinen Zweifel daran, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagtem sich über die Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen zu jeder Zeit des Prozesses im Klaren gewesen ist.

Der Streitwert wird bis zum 27.11.2015 auf 16.310,00 EUR, danach auf 15.810,00 EUR festgesetzt.

Dr. C

als Einzelrichter