OLG Hamm, Urteil vom 06.07.2017 - 5 U 152/16
Fundstelle
openJur 2017, 622
  • Rkr:
Verfahrensgang

Als Anknüpfungspunkt einer Duldungspflicht gem. § 1004 Abs. 2 BGB aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann in Betracht kommen, dass der gestörte Eigentümer das streitgegenständliche Grundstück mit dem Nachteil einer Baulast erworben hat.

Die Einrede aus § 242 BGB kann dem Eigentümer jedoch nicht von dem Störer entgegengehalten werden, der sich selbst treuwidrig verhalten hat.

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 17.11.2016 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Essen unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen in Bezug auf die Klageanträge abgeändert und insoweit wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 3. wird verurteilt, es zu unterlassen, das Flurstück 5XX der Gemarkung I, Flur 5X, zum Gehen oder Fahren zu benutzen.

Dem Beklagten zu 3. wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen ihn festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszugs werden den Parteien wie folgt aufgegeben:

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen diese selbst als Gesamtschuldner 10 % und die Beklagte als Gesamtschuldner 90 %. Der Beklagte zu 3. trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1., 2. und 3. tragen diese selbst 87% und die Kläger als Gesamtschuldner 13%.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden wie folgt verteilt:

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen diese selbst als Gesamtschuldner ¾, der Beklagte zu 3. ¼. Der Beklagte zu 3. trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1., 2. und 4. werden den Klägern als Gesamtschuldner auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wir nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Unterlassung des Begehens und Befahrens eines Wegegrundstücks der Kläger durch die Beklagten.

Die Kläger sind Eigentümer des streitgegenständlichen Wegegrundstücks Gemarkung I, Flur 5X, Flurstück 5XX (ehemals 4XX), über das ihre angrenzenden Grundstücke, Flurstück 5XX (Kläger zu 5. und 6.), 5XX (Kläger zu 3. und 4.) und 5XX (Kläger zu 1. und 2.) erschlossen werden.

Die Beklagten sind Eigentümer der Wohnungseigentumsanlage „J“, (Flurstück 4XX) in I1. Im hinteren Teil des Grundstücks sind 5 Stellplätze; ein weiterer Stellplatz befindet sich vor dem Haus. Die rückwärtigen Stellplätze werden seit der Fertigstellung der Anlage im Jahre 1988 über das streitgegenständliche Flurstück 5XX erreicht. Dieses wiederum wird von der Straße „J“ über einen auf dem Flurstück 4XX befindlichen Weg angefahren, an dem ein dingliches Wegerecht zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer der Flurstücke 5XX-5XX besteht.

Im Oktober 2010 erwarben die Kläger die vorgenannten Flurstücke von dem Zeugen F, der die Aufteilung des ehemals einheitlichen Grundstücks in die drei Grundstücke der Kläger sowie in das hier in Rede stehende Flurstück 5XX veranlasste. In den weitgehend identischen notariellen Kaufverträgen wurde ausdrücklich u.a. hinsichtlich des Flurstücks 5XX auf die Baulast hingewiesen, welche die O zu Lasten des Flurstücks 4XX (heute 5XX) durch Verpflichtungserklärung vom 23.10.1987 (Bl. 56 d.A.) gegenüber der Stadt I1 übernahm mit dem Inhalt „Übernahme und Verpflichtung des Wegerechts als Zufahrt zu den Stellplätzen des Grundstücks ...Flurstück 4XX“. In den notariellen Kaufverträgen (K3, Bl. 57 ff. d.A.) heißt es wie folgt:

„(3) Den Käufern ist weiter bekannt, dass folgende durch Baulasten gesicherte Verpflichtungen am vertragsgegenständlichen Grundstück bestehen:

… 6) Verpflichtungserklärung vom 20.10.1987 ...

Die Käufer verpflichten sich, zusammen mit den künftigen anderen Miteigentümern, alle Anlagen und Einrichtungen oder Bauteile auf dem im Lageplan Nr. 4 gekennzeichneten Grundstück die gleichzeitig der Nutzung bzw. Bewirtschaftung eines oder mehrerer benachbarter Grundstücke dienen, dauerhaft zu erhalten. Änderung an derartigen Anlagen dürfen nur vorgenommen werden, wenn die Belange der übrigen Beteiligten nicht beeinträchtigt werden. ...

Die Verpflichtung, die Benutzung und das Betreten des Grundstücks Nr. 4 zu gestatten, obliegt den Erwerbern auch dann, wenn Einrichtungen von Nachbargrundstücken betroffen sind, deren Bedienung und Zugänglichkeit nur über das Grundstück Nr. 4 gewährleistet ist.

Die Käufer verpflichten sich, als zukünftige Miteigentümer des Grundstücks Nr. 4 weiter, sofern die Eintragung von Dienstbarkeiten bzw. von Baulasten erforderlich sein sollten, zur Abgabe alle dazu notwendiger Erklärungen in der vorgeschriebenen Form abzugeben …

Die Käufer verpflichten sich, die sich aus § 8 dieses Vertrages ergebenden Verpflichtungen und Bestimmungen, soweit sie nicht mit dinglicher Wirkung für und gegen Rechtsnachfolger wirken und kraft Gesetzes auf die Rechtsnachfolger übergehen, ihren Rechtsnachfolgern mit entsprechender Weitergabeverpflichtung aufzuerlegen.“

Vor der Eintragung der Kläger in das Grundbuch unterzeichnete der Zeuge F am 14.04.2011 eine weitere Verpflichtungserklärung (Baulast) zu Lasten des streitgegenständlichen Flurstücks 5XX (vgl. Bl. 153 d.A.), in welcher es wie folgt heißt:

„…2. für die neue Flurstückskonstellation wird die Verpflichtung übernommen, dass die im beigefügten Lageplan grün gekennzeichnete Flurstücksfläche 5XX, zu Gunsten der Flurstücke 4XX, 4XX, 4XX sowie 5XX, 5XX, 5XX gemäß §§ 4 u. 5 BauO NRW als Geh-, Fahr- und Leitungsrecht nach dem jeweiligen Stand der Technik zur Verfügung gestellt wird.…“

Ab 2013 erschwerten bzw. blockierten die Kläger die Zufahrt zu den Stellplätzen der Beklagten, was ihnen im Wege der einstweiligen Verfügung vom Amtsgericht Marl untersagt wurde; Widerspruch und Berufung blieben erfolglos. Zwischen den Klägern und dem Beklagten zu 3. kam es ferner zu zahlreichen Auseinandersetzungen, wovon jedenfalls eine zu einer rechtskräftigen Verurteilung des Beklagten zu 3. führte (vgl. Bewährungsbeschluss des AG Marl 18 Cs-40 Js 1550/13-443/13, Bl. 227 d.A.).

Der Beklagte zu 3. zog im 1. Halbjahr 2017 aus der von ihm bewohnten Wohnung „J“ aus.

Die Kläger sind der Ansicht gewesen, ein Recht der Beklagten zur Nutzung der Wegeparzelle bestehe unter keinem Gesichtspunkt. Weder sei ihnen ein vertragliches Wegerecht gewährt worden, noch könnten sie Rechte aus einem Vertrag zwischen den Klägern und Herrn F herleiten, ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter existiere nicht.

Ein Notwegerecht komme nicht in Betracht, da die Beklagten ihr Grundstück über die Straße „J“ erreichen könnten. Ein Anspruch auf Nutzung des Flurstücks 5XX ergebe sich auch nicht aus sonstigen Gründen, insbesondere nicht aus Baulasten; diese hätten nur den Zweck das Grundstück von Bebauungen freizuhalten, und vermittelten keinerlei privatrechtliches Wegerecht oder einen Duldungsanspruch. Auch lägen die Voraussetzungen der unvordenklichen Verjährung nicht vor; jedenfalls seit 2010 nutze niemand die streitgegenständliche Zuwegung zu dem Campingplatz, zumal dieser eine eigene Zufahrt habe und aufgrund eines bestehenden Höhenunterschiedes von einem halben Meter nicht über die streitgegenständliche Zufahrt befahren werden könne.

Es sei ihnen nicht zuzumuten, den Beklagten die Nutzung des Flurstückes 5XX zu erlauben, weil der Beklagte zu 3. ihnen gegenüber mehrfach ausfällig und gewalttätig geworden sei, wie z.B. durch Körperverletzung der Klägerin zu 1. was (unstreitig) zu der rechtskräftigen Verurteilung durch das Amtsgericht Marl geführt habe. Auch sei der Beklagte zu 3. am 29.12.2016 in der verkehrsberuhigten Straße „J“ so nah an dem Kläger zu 4. vorbei gefahren, dass der Seitenspiegel seines PKWs den rechten Arm des Klägers berührt habe und eingeklappt sei. Nachdem der Beklagte zu 3. zunächst aus seinem Auto ausgestiegen sei und den Kläger zu 4. angesprochen habe, sei er dann mit seinem PKW hinter dem Kläger zu 4. hergefahren und habe ihn mehrfach mit der Front seines PKWs an der Wade touchiert, einmal so heftig, dass er auf die Motorhabe des PKWs gefallen sei. Im späteren Verlauf habe der Kläger zu 4., als der Beklagte diesen hinter seinem PKW bemerkt habe, einer Kollision nur durch einen Sprung zur Seite entgehen können, als der Beklagte in der Einfahrt zu den Stellplätzen rückwärts auf ihm zugefahren sei. Daraufhin sei der  Beklagten zu 3. vorwärts auf den Kläger zu 4. zugefahren und habe diesen erneut mit seinem rechten Außenspiegel getroffen. Schon aus diesem Grunde scheide ein Nutzungsanspruch - zumindest des Beklagten zu 3. - aus einem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis oder nach Treu und Glauben aus.

Die Beklagten könnten ferner ohne weiteres auf ihrem Grundstück einen Weg zu den Stellplätzen hinter dem Haus herstellen oder Stellplätze vor dem Haus errichten; der öffentlichrechtlichen Verpflichtung könnten die Beklagten durch Zahlung einer Stellplatzablöse an die Stadt I1 genügen, deren Höhe nicht unverhältnismäßig sei.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, das Flurstück 5XX der Gemarkung I, Flur 5X, zum Gehen oder Fahren zu benutzen

sowie den Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen sie festgesetzt wird und die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen und widerklagend die Kläger zu verurteilen, ihnen ein grundbuchlich abgesichertes zivilrechtliches Wegerecht – hilfsweise gegen Zahlung einer angemessenen jährlichen Vergütung – über die angesprochene Wegeparzelle zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte sind der Ansicht gewesen, die sog. “unvordenkliche Verjährung“ sei eingetreten, da die streitgegenständliche Zuwegung schon seit etwa 1930 bestehe und seither durch „jedermann“ benutzt werde, insbesondere auch als Zuwegung zu dem angrenzenden Campingplatz. Ferner seien die klageweise geltend gemachten Ansprüche verjährt; der hier in Rede stehende Sachverhalt sei den Klägern jedenfalls seit Abschluss der notariellen Kaufverträge im Oktober 2010 hinreichend bekannt gewesen. Zudem seien die Kläger verpflichtet, die Nutzung der Wegparzelle durch die Beklagten zu dulden. Soweit die Kläger in den notariellen Kaufverträgen die Verpflichtungen nach § 8 übernommen hätten, handele es sich um einen sog. Vertrag zu Gunsten Dritter, nämlich der Beklagten. Aus den Verpflichtungen gemäß § 8 Ziffer 5 gehe hervor, dass zusätzlich eine zivilrechtliche Verpflichtung habe entstehen sollen, da eine öffentlichrechtlich übernommene Baulast bereits kraft Gesetzes auf die Rechtsnachfolger übergegangen wäre. Auch aus dem Gesichtspunkt des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses seien die Kläger zur Duldung verpflichtet. Sie hätten ihre Grundstücke bereits mit dem situationsbedingten Nachteil erworben. Zudem könnten die behaupteten Auseinandersetzungen mit dem Beklagten zu 3. kein Verbot gegenüber allen Miteigentümern rechtfertigen.

Ferner sei es - auch bei Durchführung erheblicher Baumaßnahmen - nicht möglich, eine Zuwegung zu den streitgegenständlichen Parkplätzen über ihr eigenes Grundstück zu schaffen; zumindest die Nutzer der mittleren Stellplätze müssten zum Rangieren das klägerische Grundstück benutzen. Auch sei es öffentlichrechtlich nicht zulässig, Stellplätze vor dem Haus zu errichten. Die Kosten für vorgenannte Maßnahmen seien auch nicht zumutbar.

Das vor Erhebung der Widerklage zuständige Amtsgericht Marl hat die Parteien persönlich angehört, die Zeugen M und F vernommen sowie ein Gutachten des Sachverständigen D eingeholt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung des Amtsgerichts Marl vom 14.01.2015 (Bl. 139 ff. der Akte) sowie die Gutachten des Sachverständigen D vom 13.08.2015 und 08.01.2016 verwiesen. Nach Erhebung der Widerklage hat das Amtsgericht Marl den Rechtsstreit durch Beschluss vom 13.05.2016 (Bl. 360R der Akte) an das Landgericht Essen verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage und die Widerklage abgewiesen. Es könne offen bleiben, ob sich aus den Verträgen mit dem Zeugen F Ansprüche der Beklagten ergäben. Ein Unterlassungsanspruch der Kläger nach § 1004 Abs. 2 BGB sei jedenfalls gemäß § 242 BGB ausgeschlossen. Es sei die öffentlichrechtliche Seite zu berücksichtigen und damit die den Störer begünstigende Baulast. Diese verfolge zwar in erster Linie öffentlichrechtliche Ziele; der Eigentümer handele aber rechtsmissbräuchlich, wenn er von dem Begünstigten fordere, ein Verhalten zu unterlassen, dass durch die Baulast gedeckt sei, solange keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Behörde die Baulast nicht durchsetzen oder auf sie verzichten werde. So liege der Fall hier. Auch hätten die Kläger den Beklagten den Abschluss eines angemessenen schuldrechtlichen Vertrages über die Nutzung des Grundstücks nicht angeboten.

Nach dem Gutachten des Sachverständigen D sei es nicht möglich, mit geringem Aufwand auf dem Grundstück der Beklagten eine Zufahrt zu den rückwärtigen Stellplätzen zu schaffen oder Stellplätze vor dem Haus herzustellen. Es komme nicht darauf an, dass die Beklagten ihre Pflicht, Stellplätze vorzuhalten, eventuell mit geringerem Aufwand ablösen könnten. Damit sei das Problem, wo sie ihre Fahrzeuge tatsächlich abstellen könnten, nämlich nicht gelöst. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Beklagten das Grundstück mit nutzbaren Stellplätzen erworben hätten, was den Klägern bei Erwerb ihres Grundstücks bekannt gewesen sei. Auch die angeblichen Verfehlungen des Beklagten zu 3. führten nicht dazu, dass die Beklagten sich nicht auf die Baulast berufen könnten.

Der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch auf Einräumung eines Wegerechts bestehe dagegen nicht.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter und verweisen darauf, dass aus der öffentlichrechtlichen Verpflichtung gegenüber der Baubehörde aus der Baulast keine zivilrechtliche Verpflichtung gegenüber dem jeweiligen Grundstückseigentümer hergeleitet werden könne. Die Grundsätze der BGH-Entscheidung vom 09.01.1981 (V ZR 58/79) seien nicht anwendbar, weil hier - anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall - durch das Herausgabeverlangen der Kläger keine baurechtswidrige Lage geschaffen werde. Denn den Beklagten sei es mit zumutbaren Kosten möglich, ihre Parkplätze ohne eine Nutzung des klägerischen Grundstückes vorzuhalten, nämlich durch Verlegung vor das Haus oder durch Errichtung einer Zuwegung auf ihrem Grundstück. Der Unterlassungsanspruch sei ungeachtet dessen, das die Baulast seit nunmehr 29 Jahren bestehe, auch nicht verwirkt, das nötige Umstandsmoment sei nicht gegeben. Aufgrund der  strafrechtlichen Verurteilungen des Beklagten zu 3. sei ihnen eine Nutzung des Grundstücks durch diesen nicht zuzumuten; Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz seien insoweit nicht geeignet. Schlussendlich habe sich das Landgericht in seiner Entscheidung nicht mit dem Umfang und Inhalt der Baulast auseinandergesetzt und habe ferner keine Feststellungen zur Möglichkeit der Abstandszahlung getroffen.

Die Kläger beantragen,

1.

unter Abänderung des am 17.11.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Essen zum Az. 9 O 179/16 die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, das Flurstück 5XX der Gemarkung I, Flur 5X, zum Gehen oder Fahren zu benutzen, sowie

2.

den Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen Sie festgesetzt wird.

Die Beklagten beantragen,

      die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil; hierzu vertiefen und ergänzen sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

II.

Die zulässige Berufung ist nur teilweise begründet.

1.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere war die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach § 53 JustG NW nicht erforderlich, da die vorliegende Streitigkeit aus §§ 1004, 903 BGB keine i.S.v. § 53 Abs. 1 JustG NW ist.

2.

Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet. Den Klägern steht nur bezüglich des Beklagten zu 3. ein Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Flurstücks 541 zum Gehen oder Fahren nach § 1004 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 903 BGB zu; im Hinblick auf die Beklagten zu 1., 2, und 4. sind die Kläger hingegen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zur Duldung der Nutzung verpflichtet.

a)

Die Kläger sind unstreitig Eigentümer des Flurstücks 5XX der Gemarkung I, Flur 5X. Ebenso unstreitig nutzen die Beklagten das vorgenannte Flurstück, um zu ihren hinter dem Haus gelegenen Parkplätzen zu gelangen bzw. von dort wieder zur Straße „J“. Diese Nutzung stellt eine Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB dar.

Unter der in § 1004 Abs. 1 BGB vorausgesetzten Beeinträchtigung des Grundstückseigentums in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes ist nämlich jeder dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Eingriff in die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht zu verstehen (vgl. dazu Palandt, BGB, 76. Auflage, § 1004, Rn. 6). Zu dem Zuweisungsgehalt des (Grundstücks-) Eigentums gehört insoweit nicht nur die Abwehr von Beeinträchtigungen der Sachsubstanz, sondern auch das Recht, darüber zu entscheiden, wer das Grundstück betreten darf und zu welchen Bedingungen dies ermöglicht werden soll. Gestattet der Eigentümer das Betreten oder Benutzen seines Grundstücks nur unter bestimmten Bedingungen, ist jede Abweichung hiervon ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Eigentums und damit eine Eigentumsbeeinträchtigung (BGH, Urteil vom 01. März 2013 – V ZR 14/12 –, Rn. 14, juris). Die Kläger können als Grundstückseigentümer also im Ausgangspunkt andere von jedweder Einwirkung auf ihr Eigentum ausschließen und brauchen eine Nutzung - in welcher Form auch immer - durch die Beklagten grundsätzlich nicht zulassen, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Kläger aus der Eigentumsbeeinträchtigung einen Schaden erleiden (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1990 – V ZR 282/88 – und Palandt, a.a.O., § 1004, Rn. 6).

b)

Die Beklagten sind unmittelbare Handlungsstörer, denn sie haben die Eigentumsbeeinträchtigung durch ihr Verhalten - nämlich das Begehen und Befahren des Flurstücks 5XX - selbst adäquat verursacht (vgl. Palandt, a.a.O., § 1004, Rn. 16).

c)

Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund der vorangegangenen Beeinträchtigungen durch die Beklagten vermutet. Nach Aktenlage ist zudem davon auszugehen, dass die Beklagten eine fortwährende Benutzung des Flurstücks beabsichtigen, um zu ihren Parkplätzen zu gelangen. Hieran hat insbesondere auch der Auszug des Beklagten zu 3. aus der Wohnung „J“ nichts geändert, da dieser - wie er im Senatstermin bekundet hat - Verwalter des Objektes ist und aufgrund dessen bei seinen regelmäßigen Besuchen weiterhin die streitgegenständliche Wegefläche nutzen will.

d)

Die Kläger sind jedoch zur Duldung dieser Nutzung gemäß § 1004 Abs. 2 BGB im Hinblick auf die Beklagten zu 1., 2. und 4. nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet.

Der Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt die Rechtswidrigkeit des beeinträchtigenden Zustandes voraus und entfällt daher, wenn die Eigentümer ihn dulden müssen. Dabei haben die Beklagten als Störer die Voraussetzungen für eine Duldungspflicht der Klägerin darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 02. Dezember 1988 – V ZR 26/88 –, Rn. 14, juris und Palandt, a.a.O., § 1004, Rn. 52; MüKoBGB/Baldus, 6. Auflage, § 1004, Rn. 309).

(a)

Eine Pflicht zur Duldung ergibt sich nicht aus einer schuldrechtlichen Vereinbarung oder einer langjährigen Gestattung. Eine direkte Vereinbarung zwischen den Parteien, die den Beklagten die Nutzung des Flurstücks erlaubt, ist nicht ersichtlich.

(b)

Auch ergibt sich eine Pflicht zur Duldung nicht aus den zwischen dem Voreigentümer Ernst und den jeweiligen Klägern geschlossenen notariellen Kaufverträgen über die Flurstücke 5XX, 5XX, 5XX und 5XX, denn diese sind keine (echten) Verträge zugunsten der Beklagten als Dritte i.S.v. § 328 BGB. Darüber, ob der Dritte nach § 328 BGB ein eigenes (Forderungs-)Recht erlangt, entscheidet der erkennbare Wille der Vertragsschließenden (vgl. Staudinger/Kaduk, BGB 12. Aufl. § 328 Rn. 2). Dass die Parteien der o.g. Kaufverträge, insbesondere durch die dortigen Regelungen in § 8, die Beklagten derart in den jeweiligen Vertrag einbeziehen wollten, dass die Kläger gegenüber den Beklagten eine (zusätzliche) zivilrechtliche Verpflichtung zur Gewährung eines Wegerechts an dem Flurstück 5XX übernehmen, konnten die Beklagten nicht darlegen und beweisen. Die vom Amtsgericht Marl vernommenen Zeugen M und F ließen sich beide dahingehend ein, dass im Rahmen der Beurkundung/des Vertragsabschlusses nicht über einen Vertrag zugunsten Dritter gesprochen und die Regelungen in § 8 der Verträge auf Wunsch des Herrn F in die Verträge aufgenommen worden seien, um sicher zu stellen, dass die Käufer (die hiesigen Kläger) hinreichend und klar über die Verpflichtungen aus der Baulast informiert werden. Eine Verpflichtung gegenüber den Beklagten sei, so die Aussage des Zeugen F, nicht gewollt gewesen, dieser habe gar keinen Kontakt zu den Nachbarn der zu verkaufenden Immobilie gehabt.

(c)

Ob zwischen den Parteien durch eine langjährige Duldung der Nutzung des Weges eine konkludente Nutzungsvereinbarung geschlossen worden ist, erscheint ebenfalls zweifelhaft. Jedenfalls entspräche eine solche konkludente Vereinbarung ihrer Rechtsnatur nach einem Leihvertrag im Sinne von § 598 BGB mit jederzeitigem Kündigungsrecht (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 24. Juli 2002 – 1 U 81/02 - 19, 1 U 81/02 –, Rn. 8, juris; OLG Hamm, NJW-RR 1987, 137, 138), von welchem die Kläger spätestens durch Erhebung der Klage Gebrauch gemacht hätten.

(d)

Neben der in einem dinglichen oder obligatorischen Rechtsverhältnis verkörperten Gestattung kommt noch eine untypische, meist gefälligkeitshalber erteilte Erlaubnis in Betracht. Selbst bei dem unterstellten Vorliegen einer solchen Erlaubnis könnten die Beklagten jedoch aus dieser keine Rechte herleiten, da der Gewährende - wie hier spätestens durch Erhebung der Klage geschehen - eine solche freiwillige Duldungsgestattung wegen § 903 BGB jederzeit frei widerrufen und Ansprüche aus § 1004 Abs. 1  BGB geltend machen kann (BGH, Urteil vom 15. November 2013 – V ZR 24/13 –, Rn. 27, juris; BGH, Urteil vom 16. Mai 2014 – V ZR 181/13 –, Rn. 21, juris; MüKoBGB/Baldus, 6. Auflage, § 1004, Rn. 206).

(e)

Auch können die Beklagten der auf § 1004 Abs. 1 BGB gestützten Unterlassungsklage kein Notwegrecht entgegengehalten. Die Voraussetzungen für ein Notwegrecht gem.  § 917 Abs. 1 S. 1 BGB liegen ersichtlich nicht vor; dem Grundstück der Beklagten fehlt nicht die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege im Sinne von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn das Grundstück der Beklagten - wenn auch nicht die hinter dem Haus gelegenen Stellplätze an sich - ist unstreitig über die öffentliche Straße „J“ erreichbar, wobei es nach der ständigen Rechtsprechung des BGH es ausreicht, wenn ein Grundstück angefahren werden kann, also eine Zufahrt zum Grundstück gegeben ist und der Eingangsbereich von dieser Stelle aus in zumutbarer Weise auch mit sperrigen Gegenständen erreicht werden kann. Eine Zufahrt auf das Grundstück, selbst wenn sich dort Garagen/Stellplätze befinden, ist nicht notwendig, wenn in der Nähe auf der Straße - wie hier - Parkmöglichkeiten bestehen (BGH, MDR 2014, 149 Rn. 11 f. - juris; BGH, NJW-RR 2009, 515, OLG Karlsruhe, Urteil vom 25. Januar 1995 – 6 U 198/93 –, Rn. 45, juris Palandt, a.a.O., § 917, Rn. 6 m.w.N.).

(f)

Eine Duldungspflicht der Kläger folgt auch nicht aus Gewohnheitsrecht. Gewohnheitsrecht entsteht durch längere tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird. Einen Unterfall bildet die sogenannte Observanz, bei der es sich um ein örtlich begrenztes Gewohnheitsrecht handelt (BGH, Urteil vom 21. November 2008 – V ZR 35/08 –, Rn. 12, juris). Es handelt sich hierbei also um eine dem Gesetz gleichwertige Rechtsquelle allgemeiner Art (vgl. Urteil des Senats vom 09.10.1986 – 5 U 88/86 –, NJW-RR 1987, 137, 138). Die Entstehung eines solchen Gewohnheitsrechts als gebietsspezifische Regelung eigener Art ist nicht ersichtlich. Aus der bloßen Handhabung durch die Parteien oder ihrer Rechtsvorgänger kann hierauf nicht geschlossen werden, denn darin manifestiert sich noch keine von einem Rechtsgeltungswillen der (örtlichen) Gemeinschaft getragene allgemein anerkannte Regel, das Flurstück einschränkungslos benutzen zu dürfen.

(g)

Eine Duldungspflicht der Kläger ergibt sich auch nicht daraus, dass der Weg im Gemeingebrauch steht und von jedermann ohne besondere Zulassung gemäß der Zweckbestimmung benutzt werden darf. Eine Benutzung innerhalb des Gemeingebrauchs gibt eine Einwendung nach § 1004 Abs. 2 BGB (vgl. (BGH, Urteil vom 04. Mai 1973 – V ZR 176/71 –, Rn. 15, juris; Palandt, a.a.O., § 903, Rn. 28). Um einen Gemeingebrauch in diesem Sinne handelt es sich allerdings nur, wenn der Weg dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist. Dagegen ist das tatsächliche Stattfinden öffentlichen Verkehrs - was hier streitig ist - für die Begründung eines Gemeingebrauchs allein nicht ausreichend (vgl. Palandt, a.a.O., § 903, Rn. 29 und BGH, Urteil vom 18. April 1956 – V ZR 183/54 –, Rn. 22, juris). Dies gilt auch dann, wenn sich die Benutzung über einen längeren Zeitraum erstreckt (vgl. Herber in: Kodal, Straßenrecht, 7. Auflage 2010, Kapitel 5 Rn. 5).

Vorliegend ist der in Rede stehende Weg jedoch nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet:

(aa)

Dass eine ausdrückliche Widmung des Flurstücks 5XX nach § 6 Abs. 1 StrWG NRW seit der Geltung des nordrheinwestfälischen Straßenrechts mit Inkrafttreten des Straßengesetzes des Landes am 01.01.1962 (§ 71 StrWG NRW) erfolgt ist, haben die hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten haben weder vorgetragen, noch ist dies sonst ersichtlich.

(bb)

Nach der Übergangsvorschrift des § 60 Satz 1, 1. Hs. StrWG NRW sind öffentliche Straßen im Sinne des Gesetzes allerdings auch diejenigen Straßen, Wege und Plätze, welche nach damaligem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besitzen. Für nicht förmlich nach nordrheinwestfälischem Straßenrecht gewidmete Straßen ist bezüglich der Frage der Öffentlichkeit einer Straße oder eines Weges, der vor dem 1. Januar 1962 vorhanden war, auf das Wegerecht abzustellen, unter dessen Geltung der Weg entstanden ist (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Juni 2000 – 11 A 1045/97 –, Rn. 56; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. November 2003 – 11 A 251/01 –, Rn. 73, juris). Dass der streitgegenständliche Weg bis 1962 die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besaß, ist ebenfalls nach Aktenlage nicht ersichtlich.

(cc)

Auch handelt es sich nicht um einen sogenannten „alten Weg“, bei dem sich die Annahme der Öffentlichkeit aus dem Rechtsinstitut der unvordenklichen Verjährung ergeben kann. Dieses Rechtsinstitut beruht darauf, dass bei „alten Wegen“ Widmungsakte im dargelegten Sinne häufig schwierig nachzuweisen sind. Das Rechtsinstitut der unvordenklichen Verjährung begründet insoweit eine widerlegliche Vermutung, dass eine Widmung erfolgt ist, wenn eine Straße seit „Menschengedenken“ von der Allgemeinheit unter zumindest stillschweigender Duldung des Grundstückseigentümers genutzt wird (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. November 2003 – 11 A 251/01 –, Rn. 106, m.w.N.; BGH, Teilurteil vom 12. Dezember 2008 – V ZR 106/07 –, Rn. 14, juris). Für die Annahme einer Widmung aufgrund unvordenklicher Verjährung ist allerdings erforderlich, dass der als Recht beanspruchte Zustand in einem Zeitraum von 40 Jahren als Recht besessen worden ist und dass weitere 40 Jahre vorher keine Erinnerung an einen anderen Zustand seit Menschengedenken bestand. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der 40-Jahre-Zeiträume ist dabei das Inkrafttreten des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 1962 (BGH, Teilurteil vom 12. Dezember 2008 – V ZR 106/07 –, Rn. 14 f., juris).

Danach ist hier keine Widmung des Flurstücks für den Gemeingebrauch kraft unvordenklicher Verjährung gegeben. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der 40-Jahre-Zeiträume ist das Inkrafttreten des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 1962. Somit begann der erste Zeitraum im Jahr 1882 zu laufen. Dass damals die Fläche, auf der heute die Zuwegung verläuft, ebenfalls als Zuwegung zu den Grundstücken der Parteien oder anderen Grundstücken diente, kann nicht festgestellt werden. Auch die Beklagten selbst gehen davon aus, dass eine entsprechende Nutzung erst im Jahre 1930 begann.

(h)

Eine Duldungspflicht der Kläger ergibt sich jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) aufgrund vorrangiger Interessen der Beklagten zu 1., 2. und 4.:

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Auch auf sie – so der BGH – ist allerdings der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für den Nachbarn die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammengefasst werden. Eine solche Pflicht ist mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann die Ausübung gewisser, aus dem Eigentum fließender Rechte aber ganz oder teilweise unzulässig werden (vgl. (BGH, Urteil vom 26. April 1991 – V ZR 346/89 –, Rn. 17; BGH, Urteil vom 06. Juli 2001 – V ZR 246/00 –, Rn. 15; BGH, Urteil vom 31. Januar 2003 – V ZR 143/02 –, Rn. 8, BGH, Urteil vom 11. Juli 2003 – V ZR 199/02 –, Rn. 16; BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 – IX ZR 216/06 –, Rn. 19, jeweils nach juris).

Dass die Beklagten ihre Stellplätze nur über den streitgegenständlichen Weg erreichen können, spielt dabei keine Rolle, weil die zum Notwegerecht in § 917 BGB getroffenen Regelungen eine spezialgesetzliche und abschließende Ausgestaltung des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses darstellen, die nicht mit Hilfe des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses umgangen oder erweitert werden können (BGH, Urteil vom 15. November 2013 – V ZR 24/13 –, Rn. 26, juris und Urteil des Senats vom 31. März 2014 – 5 U 168/13 –, Rn. 70, juris).

Als Anknüpfungspunkt einer Duldungspflicht nach Treu und Glauben kommt aber der Umstand in Betracht, dass die Kläger das streitgegenständliche Grundstück Nr. 5XX bereits mit dem situationsbedingten Nachteil der Baulast vom 20.10.1987 bzw. 14.04.2011 erworben haben.

Baulasten sind gem. § 93 Abs. 1 S. 1 BauO NW freiwillig übernommene, öffentlichrechtliche Verpflichtungen von Grundstückseigentümern gegenüber der Baubehörde zu einem ihr Grundstück betreffenden Tun, Dulden oder Unterlassen, das sich nicht schon aus öffentlichrechtlichen Vorschriften ergibt. Vorliegend haben die O und der vorherige Eigentümer des Flurstücks 5XX (vormals 4XX), der Zeuge F, jeweils durch Erklärungen vom 20.10.1987 bzw. 14.04.2011 eine Verpflichtung (Baulast) gegenüber der Bauaufsichtsbehörde der Stadt I übernommen. Ob diese Baulasten in das Baulastenverzeichnis der Stadt I eingetragen sind, kann dahinstehen, da die Grundlage der Baulast und ihre Entstehungsvoraussetzung die entsprechende Verpflichtungserklärung als öffentlichrechtliche Willenserklärung ist. Dem Baulastenverzeichnis und seinen Eintragungen kommt - so der BGH - nur deklaratorische Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 09. Januar 1981 – V ZR 58/79 –, BGHZ 79, 201-210, Rn. 34). Nach § 83 Abs. 1 S. 3 BauO NW wirkt die Baulast auch gegenüber den Klägern als Rechtsnachfolger mit dem Inhalt, wie er sich aus der Verpflichtungserklärung ergibt.

Ob und welche privatrechtlichen Folgen eine Baulast hat, insbesondere, ob sich aus ihr im vorliegenden Fall ein Besitzrecht des durch sie begünstigten Eigentümers eines Nachbargrundstücks (§ 986 Abs. 1 BGB) ergeben kann, ist gesetzlich nicht geregelt. Die Baulast verfolgt in erster Linie ein öffentlichrechtliches Ziel. Sie ermöglicht es der Baubehörde, bei der Erteilung von Genehmigungen Ausnahmen von bauordnungsrechtlichen (unter Umständen auch bauplanungsrechtlichen) Vorschriften zu gestatten, wenn deren Erfüllung durch die Baulast gesichert erscheint. Über die Baulast wird die aus öffentlichrechtlicher Sicht notwendige Verpflichtung zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen des Grundstückseigentümers der privaten Dispositionsbefugnis entzogen und damit auf Dauer auch gegenüber dem Rechtsnachfolger in das Grundeigentum gesichert. Nur beim Wegfall des notwendigen öffentlichrechtlichen Interesses kann und muss die Baubehörde auf die Baulast verzichten (§ 83 Abs. 3 BauO NW). Auch der BGH hat für eine Baulast nach nordrheinwestfälischem Recht deren öffentlichrechtlichen Charakter betont (unabhängig davon, dass sie unter Umständen aus privaten Interessen der beteiligten Grundstückseigentümer begründet wurde) und sie deshalb nicht als Recht eines Dritten im Sinne von § 434 BGB angesehen (Urteile vom 15. Juni 1965 - V ZR 20/63 - WM 1965, 1118/1119; und vom 10. März 1978 - V ZR 69/76 - NJW 1978, 1429/1430).

Inwieweit Baulasten privatrechtliche Duldungspflichten begründen, ist umstritten:

Teilweise werden von der Literatur eigene Rechte der durch die Baulast begünstigten Privatperson verneint, teilweise aber auch die Auffassung vertreten, der Begünstigte müsse nach dem Sinn und Zweck einer Baulast zur Erfüllung einer öffentlichrechtlichen Verpflichtung auch eine zivilrechtliche Handhabe besitzen, um das Grundstück in einem baulastgemäßen Zustand erhalten zu können. Daneben wird in der Literatur der Standpunkt vertreten, dass der Begünstigte zwar keinen eigenen Anspruch gegenüber dem Verpflichteten habe, der Begünstigte das Grundstück des Verpflichteten aber im Umfang der Baulast rechtmäßig benutze, mit der Folge möglicher Besitz- und Abwehrrechte (zum Vorstehenden im Ganzen m.w.N.: BGH, Urteil vom 09. Januar 1981 – V ZR 58/79 –, BGHZ 79, 201-210, Rn. 35).

Nach Ansicht des BGH begründet die von einem Grundstückseigentümer zugunsten eines anderen übernommene Baulast jedoch nur eine öffentlichrechtliche Verpflichtung, die weder dem Eigentümer des begünstigten Grundstücks einen Nutzungsanspruch gewährt noch grundsätzlich den Beklagten verpflichtet, die Nutzung zu dulden (BGH, Urteil vom 08. Juli 1983 – V ZR 204/82 –, BGHZ 88, 97-102); Staudinger/Karl-Heinz Gursky (2012) BGB § 1004, Rn. 187). Jedoch kann die Arglisteinrede - so der BGH - dem Herausgabeanspruch des Eigentümers entgegengesetzt werden (BGHZ 10, 69, 75; BGH, Urteil vom 09. Januar 1981 – V ZR 58/79 –, BGHZ 79, 201-210, Rn. 37 m.w.N.); für den Unterlassungsanspruch kann nichts anderes gelten. Denn das baulastwidrige Verlangen des Grundstückseigentümers kann in beiden Fällen rechtsmissbräuchlich sein (§ 242 BGB). Denn wenn sich jemand gegenüber der Baubehörde verpflichtet, seinem Nachbarn ein Nutzungsrecht zu gewähren, so liegt es nahe, dass er nicht in Widerspruch dazu Handlungen vornehmen darf, die den Nachbarn an der Ausübung gerade dieser Rechte hindern; das gilt jedenfalls, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Baubehörde die Baulast nicht durchsetzen oder auf sie verzichten wird. Denn es geht nicht an, zur Frage des Rechtsmissbrauchs allein die privatrechtlichen Beziehungen der Parteien zu berücksichtigen, die öffentlichrechtliche Seite jedoch ganz außer Betracht zu lassen (BGH, Urteil vom 09. Januar 1981 – V ZR 58/79 –, BGHZ 79, 201-210, Rn. 31 und 37; so auch LG Bochum, Urteil vom 18. Juli 2008 – 6 O 196/08 –, Rn. 41, juris).

Vorliegend hatten die O durch Verpflichtungserklärung vom 20.10.1987 (K2, Bl. 87 d.A.) und der Zeuge F durch Verpflichtungserklärung vom 14.04.2011 (Bl. 153 d.A.) die Verpflichtung übernommen, u.a. zugunsten des Grundstücks der Beklagten an dem streitgegenständlich Flurstück 5XX ein Wegerecht zur Verfügung zu stellen. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Beklagten die rückwärtigen Stellplätze erreichen und so die bauordnungsrechtlich erforderliche Anzahl von Stellplätzen vorhalten können. Anhaltspunkte dafür, dass die Baubehörde die Baulast nicht durchsetzen oder gar auf sie verzichten wird, bestehen nicht zumal sie sich im Jahre 2011 noch eine (aktualisierte) Verpflichtungserklärung erteilen ließ. Bei dieser Sachlage verletzen die Kläger mit ihrem Verlangen auf Unterlassung der Nutzung des Flurstücks 5XX zum Gehen und Fahren nicht nur ihre Verpflichtung aus der Baulast gegenüber der Behörde, sondern hindern zugleich auch die Beklagten an der Ausübung ihrer Rechte, die der Baulast entsprechen, nämlich des Geh- und Fahrrechts. Da auch bei der Beurteilung der Frage des Rechtsmissbrauchs die öffentlichrechtliche Seite neben der privatrechtlichen Seite nicht außer Betracht gelassen werden darf, ist ein solches Verhalten schon aus diesem Grunde rechtsmissbräuchlich.

Nach Ansicht des Senates kann das Verhalten der Beklagten darüber hinaus - worauf es im Ergebnis aber nicht ankommt - auch zivilrechtlich schon nicht als rechtswidrig angesehen werden. Denn wenn die Beklagten sich in Bezug auf das streitgegenständliche Wegegrundstück genauso verhalten, wie sie es „öffentlichrechtlich“ auf der Grundlage der Baulast dürfen (eigentlich sogar „sollen“), so müssen diese Befugnisse, die sich aus öffentlichem Recht ergeben, vor dem Hintergrund des Bestehens einer einheitlichen Rechtsordnung auch im Zivilrecht respektiert werden.

Ob die Beklagten - was streitig ist - die nach Baurecht erforderliche Anzahl an Stellplätzen auch ohne Inanspruchnahme des Flurstücks 5XX vorhalten könnten, indem sie entweder eine Zuwegung über ihr eigenes Grundstück errichten oder die Stellplätze vor das Haus verlegen, kann dahinstehen, da dies nichts an der vorstehenden Wertung ändern würde. Dies ergibt sich aus der auch hier zu beachtenden Funktion der Baulast, der Baubehörde bei der Erteilung von Genehmigungen Ausnahmen von bauordnungsrechtlichen (unter Umständen auch bauplanungsrechtlichen) Vorschriften zu gestatten, wenn deren Erfüllung durch die Baulast gesichert erscheint. Auf Grund dessen können die Beklagten, denen unter Berücksichtigung der Baulast eine Baugenehmigung für das Haus nebst Stellplätzen in der jetzigen Form gewährt wurde, schon aus Gründen des Bestandsschutzes nicht darauf verwiesen werden, die Erreichbarkeit bzw. Nutzbarkeit der notwendigen Anzahl der Stellplätze durch aufwendige und kostspielige Baumaßnahmen herzustellen, weil die Kläger das Verhalten, das ihren Verpflichtungen aus der Baulast entspricht, nicht mehr dulden wollen. Die Beklagten durften durch die Erteilung der mit der Baulast verknüpften Baugenehmigung nämlich darauf vertrauen, dass sie die öffentlichrechtlich notwendige Anzahl der Stellplätze geschaffen haben (vgl. § 75 Abs. 1 BauO NW) und nicht später - ohne Veränderung des baulichen Zustandes ihres Hauses - dazu gezwungen werden, entweder die Stellplätze aus öffentlichrechtlichen Gründen zu verlegen oder die Zufahrt über das Grundstück zu führen oder aber nachträglich noch eine Stellplatzablöse zu zahlen; zumal die Beklagten in sämtlichen Fällen mit Kosten belastet würden, die sie eigentlich bereits einmal bei Erwerb der Wohnung bzw. der vorhandenen Stellplätze bezahlt haben. Dagegen sind die Kläger, welche das Grundstück schon mit dem situationsbedingten Nachteil der Baulast erworben haben, hingegen nicht schutzwürdig. Denn sie verletzen mit dem Unterlassungsverlangen nicht nur ihre Verpflichtung aus der Baulast gegenüber der Behörde, sondern hindern zugleich die Beklagten an der Ausübung der Rechte, die der Baulast entsprechenden.

Auch kann den Beklagten hier, anders als in dem vom BGH am 08. Juli 1983 (Az. V ZR 204/82, BGHZ 88, 97-102) entschiedenen Fall nicht entgegengehalten werden, dass sie die Zahlung eines Entgeltes für die Nutzung des Flurstückes abgelehnt hätten, denn hier haben die Kläger den Beklagten schon nicht die Nutzung gegen Entgelt angeboten.

(aa)

An dieser Wertung vermag - in Bezug auf die Beklagten zu 1., 2. und 4. - auch der Verweis auf das schwierige Verhältnis zu dem Beklagten zu 3. und die zumindest  teilweise auch strafrechtlich relevanten Vorfälle nichts zu ändern. Denn das Verhalten des Beklagten zu 3. kann keine Auswirkungen auf die Rechte der übrigen Beklagten haben, welche keine Konflikte mit den Klägern haben.

(bb)

Jedoch führt das Verhalten des Beklagten zu 3. dazu, dass dieser den Klägern die Arglisteinrede (§ 242 BGB) nicht entgegenhalten kann, da er sich selbst treuwidrig verhalten hat bzw. sich seinerseits die Einrede aus § 242 BGB entgegenhalten lassen muss:

Der Senat geht davon aus, dass der auf dem Weg zu den streitgegenständlichen Parkplätzen befindliche Beklagte zu 3. den Kläger zu 4. am 29.12.2016 mehrfach mit seinem PKW angefahren und an der Hand verletzt hat. Den diesbezüglichen Vortrag der Kläger aus dem Schriftsatz vom 16.01.2016 haben die Beklagten - trotz eines ausdrücklichen Hinweises des Senates im Termin - nicht hinreichend substantiiert bestritten. Insoweit haben die Kläger sich nicht darauf beschränkt, darzulegen, dass der Kläger zu 4. an diesem Tage mehrfach von dem Beklagten zu 3. angefahren worden sei. Vielmehr haben sie in dem Schriftsatz vom 16.01.2016 über knapp 4 Seiten unter genauer Angabe der Anwesenden, der Zeit und der jeweiligen Orte den genauen Ablauf der Konfliktsituation darstellen lassen. Hierbei ließen sie auch detailreich schildern, durch welche aufeinanderfolgenden Handlungen der Beklagte zu 3. den Kläger zu 4. angegriffen und verletzt haben soll (vgl. Ausführungen auf S. 15-19 des Schriftsatzes vom 16.01.2016). Aufgrund dessen durften die Beklagten sich nicht darauf zurückziehen, den Vortrag der Kläger lediglich pauschal zu bestreiten. Ihr diesbezügliches Vorbringen beschränkt sich auf die Formulierung „angebliches Fehlverhalten“ sowie schlichten Bestreiten der klägerischen Darstellung ohne jede Angabe dazu, ob der Vorfall sich anders abgespielt hat als dargestellt oder ob etwa die Darstellung der Kläger insgesamt frei erfunden ist. Dies genügt dem an die Substantiierung auch eines bestreitenden Sachvortrages nicht. Die Beklagten sind darauf im Senatstermin hingewiesen worden, haben dies aber – ebenso wie der persönlich anwesende Beklagte zu 3. – nicht zum Anlass genommen, ihren Vortrag zu ergänzen.

Bereits dieses Verhalten des Beklagten zu 3. führt dazu, dass er sich gegenüber den Klägern nicht auf § 242 BGB berufen kann. Der Beklagte zu 3. hat sich im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Nutzung der Zuwegung selbst grob treuwidrig verhalten, was dazu führt, dass er seinerseits einem die Zuwegung betreffenden Unterlassungsanspruch der Kläger keine Treuwidrigkeit entgegenhalten kann.

Auf die Frage, ob die weiteren zahlreichen von den Klägern erhobenen Vorwürfe gegen den Beklagten zu 3., welche nach Ansicht des Senates - sofern sie denn bewiesen werden könnten - dem Arglisteinwand ebenfalls entgegenstehen würden, zutreffend sind, kommt es folglich nicht mehr an. Mithin kann es im Ergebnis auch dahinstehen, ob die mit rechtskräftigem Urteil belegte Körperverletzung der Klägerin zu 1. stattgefunden hat, was allerdings nahe liegt.

Schlussendlich ist der Anspruch der Kläger aus § 1004 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 903 S. 1 BGB gegen den Beklagten zu 3. auch nicht verjährt, denn hier entsteht der Anspruch mit jedem Befahren/Begehen des Flurstücks 5XX neu, so dass für jeden Vorfall eine neue Verjährungsfrist beginnt (BGH, NJW 90, 2555, Rn. 24, juris; Palandt, a.a.O. § 1004, Rn. 45). Aus gleichem Grund scheidet - mangels Zeitmoment - auch eine Verwirkung aus (BGH, NJW-RR 06, 235, Rn. 11, juris; Palandt, a.a.O. § 1004, Rn. 46).

3.

Folglich können die Kläger auch nur bezüglich des Beklagten zu 3. gem. § 890 Abs. 2 ZPO die Androhung der Festsetzung eines Ordnungsgeldes oder von Ordnungshaft verlangen.

4.

Die Kostenentscheidung resultiert aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

5.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

6.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.