OLG Köln, Beschluss vom 03.11.2003 - 2 Wx 26/03
Fundstelle
openJur 2011, 24719
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 11 T 53/03

Das Beschwerdegericht ist auch unter Beachtung von § 12 FGG nicht stets gehalten, eine vom Amtsgericht durchgeführte Beweisaufnahme zu wiederholen. Eine Beweiserhebung ist vielmehr abzuschließen, wenn nach pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters von einer weiteren oder von einer erneuten Beweisaufnahme ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht erwartet werden kann.

Im FGG-Verfahren ist § 377 Abs. 3 ZPO entsprechend anzuwenden, so dass es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht, ob es einen Zeugen mündlich oder schriftlich vernimmt.

Das Ergebnis einer ohne Aussagegenehmigung durchgeführte Vernehmung eines der Verpflichtung zur Verschwiegenheit unterliegenden Zeugen (hier Notar) darf im Rahmen der Entscheidung verwertet werden.

Ein Motivirrtum kann auch bei einem grundlegenden Irrtum des Erblassers über die Entwicklung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des von der Erbfolge ausgeschlossenen Kindes gegeben sein. Insoweit können auch nach dem Erbfall eintretende Umstände Berücksichtigung finden.

Tenor

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 25. Juli 2003 gegen den Beschluß der 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2. Juli 2003 - 11 T 53/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde einschließlich der der Beteiligten zu 2) in diesem Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat die Beteiligte zu 1) zu tragen.

Gründe

1.

Die zwischen dem 28. und 30. April 2002 verstorbene Erblasserin hat ein handschriftliches Testament mit folgendem Inhalt hinterlassen:

"Mein letzter Wille

Hiermit erhebe ich alle bisher errichteten Testamente

auf und will es so angesehen wissen, als ob ich bisher

keine Testamente errichtet hätte.

Ich setze hiermit meine Tochter

N G, geb. L

H-Str. 39

xxxx M

als Alleinerbin ein, meine Tochter

C P, geborene L

B-Straße 37, xxx1 C

erhält ihren Pflichtteil, 25 % vom Verkauf der Wohnung.

Falls meine Tochter N das Erbe nicht antreten kann,

setze ich an ihrer Stelle J und I G als

Erben ein. Sollte meine Tochter C das Erbe nicht

antreten können, so erbt meine Tochter N alles.

M, den 30.4.2000

Margot L

Anlage: Schenkungsurkunde"

Als Anlage zu diesem Testament ist eine als Schenkungsurkunde bezeichnete und ebenfalls das Datum "30.4.2000" tragende handschriftliche Erklärung der Erblasserin eröffnet worden. Inhalt dieser Erklärung ist die Schenkung näher bezeichneter Gegenstände (Wohnungseinrichtung, Schmuckstücke etc.) an die Töchter mit der Maßgabe, daß diese Gegenstände der Erblasserin bis zu ihrem Tode zu ihrem persönlichen Gebrauch zur Verfügung bleiben sollten.

Am 31. Oktober 2002 hat die Beteiligte zu 1) mit notarieller Urkunde des Notars D in M (Urkundenrolle-Nr.: ........./2002; Bl. 33 ff. d.BA. 10 VI 371/02) bei dem Amtsgericht Leverkusen (Nachlaßgericht) die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt. Unter dem 11. März 2003 hat die Beteiligte zu 2) (notarielle Urkunde vom 7. März des Notars Dr. E in C; Urkundenrolle-Nr.: ......1/2003; Bl. 64 ff. d.BA. 10 VI 371/02) die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins mit dem Inhalt beantragt, daß die Beteiligten zu 1) und 2) die Erblasserin zu je 1/2-Anteil beerbt haben.

Zuvor hatte die Beteiligte zu 2) bereits mit einem am 28. Juni 2002 bei dem Nachlaßgericht eingegangenen Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 27. Juni 2002 (Bl. 1 ff. d.GA.) die in dem Testament ihrer Mutter enthaltene Verfügung, derzufolge die Beteiligte zu 1) zur alleinigen Erbin bestimmt worden ist, gemäß § 2078 BGB wegen eines Motivirrtums angefochten. Zur Begründung der Anfechtung hat sie ausgeführt, die Erblasserin habe sie nur deshalb auf den Pflichtteil gesetzt, damit für ihre - der Beteiligten zu 2) - Gläubiger über den Pflichtteil hinaus keine Vollstreckungsmöglichkeit in den Nachlaß bestehen sollte. So sei sie aus einer für ihren geschiedenen Ehemann im Jahre 1980 eingegangenen Bürgschaft wegen titulierter Forderungen in Höhe von 44.335,00 EUR in Anspruch genommen worden.

Die Verbindlichkeiten hätte sie als Mutter von vier minderjährigen Kindern nicht zurückführen können, zumal der geschiedene Ehemann seiner Unterhaltszahlungsverpflichtung nicht nachgekommen sei. Insoweit habe sich die Erblasserin in einem Irrtum befunden, da es ihr, der Beteiligten zu 2), durch Verhandlungen mit den Gläubigern gelungen sei, sich von der Schuldenlast zu befreien. Bei Kenntnis dieses Umstandes hätte die Erblasserin ihre Töchter zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Diese sei immer bestrebt gewesen, ihre Kinder gleich zu behandeln. So habe die Erblasserin mit ihren beiden Töchtern besprochen, daß die Beteiligte zu 1) die Beteiligte zu 2) "im Innenverhältnis und hinter den Kulissen so stellen sollte, daß beide Schwestern die Mutter zu gleichen Teilen beerben." Die Beteiligte zu 1) hat das Bestehen entsprechender Absprachen bestritten und die Ansicht vertreten, eine Anfechtung wegen des behaupteten Motivirrtums komme schon deshalb nicht in Betracht, weil sich die Überschuldung erst nach dem Erbfall erledigt habe.

Tatsächlich hat die Hauptgläubigerin der Beteiligten zu 2) erst nach dem Tode der Erblasserin mit Schreiben vom 21. Juni 2002 auf ihre Rechte aus dem Vollstreckungsbescheid verzichtet und den Originaltitel an den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) übersandt. Zugleich hat die Beteiligten zu 2) mit einer weiteren Gläubigerin im August 2002 die Ablösung der Schulden durch Zahlung eines einmaligen Ablösebetrages von 1.250,00 EUR vereinbart.

Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 10. Dezember 2002 (Bl. 18 ff. d.GA.) Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und durch Einholung einer schriftlichen Aussage des Notars Dr. E. Mit Beschluß vom 24. Februar 2003 (Bl. 61 ff. d.GA.) hat es den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) mit der Begründung zurückgewiesen, die Beteiligte zu 2) habe die Einsetzung der Beteiligten zu 1) als Alleinerbin wirksam angefochten. Gegen diesen Beschluß hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 26. März 2003 (Bl. 72 ff. d.GA.) Beschwerde eingelegt, der das Landgericht mit Beschluß vom 2. Juli 2003, 11 T 53/03, (Bl. 381 ff. d.GA.) nicht stattgegeben hat. Die Beschwerdekammer hat insoweit ausgeführt, die Erblasserin sei zu der letztwilligen Verfügung durch einen Motivirrtum im Sinne des § 2078 Abs. 2 BGB bestimmt worden, nämlich durch die irrige Annahme, der Eintritt gesetzlicher Erbfolge oder die testamentarisch angeordnete Einsetzung der Töchter zu gleichen Teilen könne wegen der hohen Verschuldung der Beteiligten zu 2) nur dazu führen, daß deren Erbteil den Gläubigern zugute komme. Die vom Amtsgericht durchgeführte Beweisaufnahme habe ergeben, daß diese Vorstellung der Erblasserin entscheidender Beweggrund für die Enterbung war. Die Befürchtung der Erblasserin habe sich als unzutreffend erwiesen, da der Hauptgläubiger auf die Geltendmachung der titulierten Forderung endgültig verzichtet und den Vollstreckungstitel herausgegeben habe. Der Umstand, daß dies erst nach dem Erbfall geschehen sei, stehe hier einer Anfechtung nicht entgegen.

Gegen diesen ihr am 11. Juli 2003 zugestellten Beschluß wendet sich die Beteiligte zu 1) mit der weiteren Beschwerde vom 25. Juli 2003 (Bl. 407 ff. d.GA.).

2.

Die gemäß § 27 Abs. 1 FGG statthafte, in rechter Form (§ 29 Abs. 1 Satz 2 FGG) eingelegte, an keine Frist gebundene weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

a)

Dem Landgericht ist darin zu folgen, daß die Beteiligte zu 2) die von der Erblasserin testamentarisch verfügte Einsetzung der Beteiligten zu 1) zur Alleinerbin wirksam, insbesondere form- und fristgerecht (§§ 2081, 2082 BGB) angefochten hat. Nach §§ 2078 Abs. 2, 2080 BGB kann eine letztwillige Verfügung von demjenigen, welchem die Aufhebung der Verfügung unmittelbar zustatten kommen würde, angefochten werden, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes bestimmt worden ist. Die Annahme des Landgerichts, die Erblasserin sei bei der Einsetzung der Beteiligten zu 1) zur Alleinerbin von der Vorstellung beherrscht gewesen, der Eintritt der gesetzlichen Erbfolge oder die testamentarisch angeordnete Einsetzung ihrer Töchter als Erbinnen zu gleichen Teile könne wegen der hohen Verschuldung der Beteiligten zu 2) nur dazu führen, daß das Vermögen den Gläubigern zugute komme, also der Beteiligten zu 2) selbst und damit der Familie verloren gehe, hält der rechtlichen Überprüfung stand. Das gleiche gilt für die Erwägungen, auf die das Landgericht seine Überzeugung gestützt hat, der Motivirrtum der Erblasserin sei mitbestimmend für die Einsetzung der Beteiligten zu 1) zur Alleinerbin gewesen.

aa)

Der Einwand der weiteren Beschwerde, die Beschwerdekammer habe die fehlerhafte Beweiswürdigung des Amtsgerichts geteilt und bei angemessener Berücksichtigung der Aussagen der Zeugen O und Q wäre man zu einem zu Lasten der Beteiligten zu 2) gehenden "non liquet" gekommen, geht fehl. Hiermit setzt die Beschwerdeführerin lediglich eine eigene Würdigung an die Stelle der rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, zeigt aber keinen Rechtsfehler des Tatrichters auf. Damit kann sie im Verfahren der Rechtsbeschwerde indes keinen Erfolg haben (vgl. BGH, FamRZ 1972, 561 [563 f.]; BayObLGZ 1982, 309 [317); OLG Zweibrücken, Rpfleger 2001, 350 [351]). Die Frage, ob ein Erblasser bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung von Fehlvorstellungen ausgegangen ist, liegt auf tatsächlichem Gebiet (vgl. BayObLG, FamRZ 1990, 211 [213]; BayObLG, FamRZ 1995, 1523 [1524]; BayObLG, FamRZ 1997, 772 [773]; BayObLG, FamRZ 1997, 1431 [1432]). Das Gericht der weiteren Beschwerde kann die Tatsachenfeststellung und -würdigung des Landgerichts gemäß den §§ 27 Abs. 1 FGG, 546, 559 ZPO nur auf Rechtsfehler, d. h. nur daraufhin überprüfen, ob der Tatrichter den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG) hat, ob die Vorschriften über die Form der Beweisaufnahme (§ 15 FGG) beachtet und ob der Tatrichter bei der Beweiswürdigung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, die Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen und ob er die Beweisanforderungen zu hoch oder zu niedrig angesetzt hat (st. Rspr. vgl. z.B. Senat, NJW-RR 1994, 396; BayObLG, NJW-RR 1990, 1419; BayObLG, NJW-RR 1992, 653 [654]; BayObLG, NJW-RR 1996, 583; BayObLG, Rpfleger 2001, 181; OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 350 [351]; Meyer-Holz in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflage 2003, § 27 Rn 42 ff. m.w.N.).

Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält einer entsprechenden Überprüfung stand. Insoweit ist es nicht erforderlich, daß die von der Beschwerdekammer auf der Grundlage der Bekundungen der Zeugen gezogenen Schlüsse die einzig möglichen und schlechthin zwingend sind. Darauf, daß auch eine andere Schlußfolgerung ebenso nahe oder noch näher gelegen hätte, kann die weitere Beschwerde als Rechtsbeschwerde gerade nicht gestützt werden (vgl. BGH, FGPrax 2000, 130; BayObLG FamRZ 1988, 1099 [1100]; BayObLG, FamRZ 1995, 1235 [1236]; Meyer-Holz in: Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 27 Rn 42 m.w.N. in FN 226). Das Beschwerdegericht war nicht gehalten, die von dem Amtsgericht durchgeführte umfassende Beweisaufnahme zu wiederholen und sämtliche bereits vernommenen Zeugen erneut zu vernehmen. Den Umfang der nach § 12 FGG gebotenen Ermittlungen bestimmt das Gesetz durch das Wort "erforderlich". Eine Beweisaufnahme ist daher abzuschließen, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Tatrichters von einer weiteren oder von einer erneuten Beweisaufnahme ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr erwartet werden kann (vgl. BayObLGZ 1983, 153 [161]; BayObLG, NJW-RR 1997, 7 [8]). So lag es hier. Auch die weitere Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die bei einer erneuten Vernehmung der Zeugen durch die Kammer zu einer weiteren Aufklärung des entscheidungserheblichen Geschehens geführt hätten.

bb)

Die Beschwerdekammer war ebensowenig verpflichtet, die umfassenden Ausführungen des Amtsgerichts zur Beweiswürdigung in den Gründen seines Beschlusses ausdrücklich zu wiederholen. Aus dem selben Grunde geht die Rüge der weiteren Beschwerde fehlt, es sei "nicht nachvollziehbar und ärgerlich", daß die Kammer zu den Einwendungen der Beteiligten zu 1) zum Beweisergebnis inhaltlich "nicht ein Wort verliere". Die Beschwerdekammer konnte vielmehr, wenn es die Beweiswürdigung der Vorinstanz als "in jeder Hinsicht überzeugend und gründlich" erachtete, zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auch zur Begründung seiner Entscheidung auf die verfahrensfehlerfrei getroffenen, von ihr uneingeschränkt geteilten Feststellungen der Vorinstanz Bezug nehmen (Sternal in: Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 25 Rn 29 m.w.N.). Entgegen der weiteren Beschwerde hat sich die Kammer zudem mit den Ausführungen der Erstbeschwerde zum Beweisergebnis und der Beweiswürdigung befaßt. Sie hat indes diese Einwendungen für nicht stichhaltig erachtet und zur Begründung ergänzend auf die schriftliche Stellungnahme des Zeugen Dr. E über ein mit der Erblasserin geführtes Gespräch verwiesen.

cc)

Es ist im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes rechtlich nicht zu beanstanden, daß die Kammer - wie auch zuvor bereits das Amtsgericht - von einer persönlichen Vernehmung des Zeugen Dr. E, der als Notar die Erblasserin vor ihrem Tode beraten hat, abgesehen und seine zu den Akten gelangte schriftliche Stellungnahme in die Auslegung des Willens der Erblasserin einbezogen und darin eine zusätzliche Bestätigung des Auslegungsergebnisses erblickt hat. Es stand gemäß § 377 Abs. 3 ZPO, gegen dessen entsprechende Anwendung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine Bedenken bestehen (Schmidt in: Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 15 Rn 27), im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob das Gericht den Zeugen mündlich oder schriftlich vernimmt (vgl. allgemein: MünchKomm, ZPO, 2. Auflage 2000, § 377 Rn 7; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 25. Auflage 2003, § 377 Rn 2). Das von dem Tatrichter insoweit ausgeübte Ermessen begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Eine Anordnung einer schriftlichen Beantwortung einer Beweisfrage setzt nur voraus, daß eine solche Vernehmung nach Inhalt der Beweisfrage und Person des Zeugen in Betracht kommt. Entgegen der weiteren Beschwerde schließt allein der Umstand, daß der Zeuge der einen Partei bekannt ist, für sich noch nicht eine entsprechende Beweisanordnung durch das Gericht aus. Nur besondere persönliche Bindungen des Zeugen zu einem der Verfahrensbeteiligten, wie zum Beispiel durch Vormundschaft oder Freundschaft, lassen es für die Wahrheitserforschung geboten erscheinen, den Zeugen ummittelbar mündlich zu vernehmen (OLG Koblenz, OLGZ 1994, 460; MünchKomm/Damrau, a.a.O., § 377 Rn 7). Diese bestanden indes hier nicht. Die Erblasserin war auf Empfehlung eines Steuerberaters bei dem Zeugen erschienen. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Notar hatte der Zeuge die Erblasserin beraten. Schließlich war der Zeuge Dr. E als Notar von seiner Person her ohne Bedenken in der Lage, die in sein Wissen gestellten Fragen schriftlich zu beantworten. Die Beweisfragen eigneten sich zur schriftlichen Beantwortung. Zudem war der Sachverhalt weder besonders kompliziert, noch bedurften die eindeutigen Fragen in dem Beweisbeschluß einer näheren Erläuterung durch das Gericht, so daß sich aus diesem Grunde eine schriftliche Beantwortung verbot.

Obwohl der Zeuge keine Entscheidung nach § 18 Abs. 2 BNotO des zuständigen Präsidenten des Landgerichts über die Befreiung von der Verschwiegenheit eingeholt hatte, durfte die Kammer aus der schriftlichen Aussage des Zeugen Dr. E bei der Beweiswürdigung Schlüsse ziehen. Das Ergebnis einer ohne Aussagegenehmigung durchgeführten Vernehmung eines der Verpflichtung zur Verschwiegenheit unterliegenden Zeugen darf im Rahmen der Entscheidung verwertet werden, wobei die Verwertbarkeit auch dann besteht, wenn keine Genehmigung erteilt worden wäre (BGH, NJW 1952, 151; Schmidt in: Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 15 Rn 33; MünchKomm/Damrau, ZPO, 2. Auflage 2000, § 376 Rn 17; Zöller/Greger, ZPO, 23. Auflage 2002, § 376 Rn 9).

dd)

Die von der Beschwerdekammer getroffenen Feststellungen rechtfertigen weiterhin die Annahme des Landgerichts, die Erblasserin habe sich in einem grundlegenden Irrtum über die künftige Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisses eines Erben befunden. Ein Motivirrtum im Sinne des § 2078 Abs. 2 BGB kann auch bei einem grundlegenden Irrtum des Erblassers über die künftige Entwicklung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisses des von der Erbfolge ausgeschlossenen Kindes gegeben sein. Das folgt schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, weil in § 2078 Abs. 2 BGB von der "Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes" die Rede ist (Senat, FamRZ 1990, 1038 [1039]; OLG Frankfurt, FamRZ 1997,1433 [1435]).

Die letztwillige Verfügung beruhte auch auf diesem Irrtum. Die Erblasserin hätte bei Kenntnis der künftigen Entwicklung eine andere testamentarische Verfügung getroffen. In diesem Falle hätte sie die beide Kinder zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Die von ihr befürchtete Gefahr einer Vollstreckungsmöglichkeit der Gläubiger in den Nachlaß bestand nicht mehr. Diese auf dem tatsächlichen Gebiet liegenden Feststellungen der Beschwerdekammer, die diese auf der Grundlage der vom Amtsgericht durchgeführten Beweiserhebungen getroffen hat, sind rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Unrecht rügt die weitere Beschwerde insoweit, das Landgericht habe keine weiteren Ermittlungen hinsichtlich des tatsächlichen Zeitpunkts der Errichtung der auf den 30. April 2000 datierten letztwilligen Verfügung erhoben. Weitere Ermittlungen waren hier nicht erforderlich. Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen für die Errichtung des Testaments 2 Zeitpunkte in Betracht. Entweder hatte die Erblasserin die testamentarische Verfügung tatsächlich an dem angegebenen Datum oder sie hat diese, nach dem Gespräch mit dem Notar, welches Anfang des Jahres 2002 stattfand, errichtet und wegen des gewollten Zusammenhangs zu der Schenkungsurkunde auf den 30. April 2000 rückdatiert. Für das von dem Landgericht festgestellte Motiv der Erblasserin, ihre Tochter zu enterben, nämlich die Angst vor einer Vollstreckung der Gläubiger der Beteiligten zu 2) in den Nachlaß, ist es indes ohne Bedeutung, an welchem Tag genau das Testament errichtet wurde.

Eine Anfechtung der Erbeinsetzung scheidet entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin auch nicht deshalb aus, weil die Erblasserin "trotz ihrer eigenen, subjektiv erheblichen Zweifel über die Sachlage eine Verfügung errichtet hat, ohne durch Bedingung, Nacherbeneinsetzung, Testamentsvollstreckung oder ähnliches den Eventualitäten vorzubeugen". Die insoweit von der weiteren Beschwerde herangezogene Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLGZ 1993, 248 [253]) ist vorliegend nicht einschlägig. Das Landgericht hat hier gerade keine erhebliche Zweifel der Erblasserin an der Überschuldung der Tochter, an der Wirksamkeit der eingegangenen Bürgschaftsverpflichtungen sowie an der Möglichkeit eines Zugriffs der Gläubiger auf das Erbe festgestellt. Soweit die Beteiligte zu 1) nunmehr geltend macht, die Erblasserin habe die von dem Notar vorgeschlagenen anderweitige testamentarische Gestaltung durch Nacherbfolge und Testamentsvollstreckung nicht gewählt, weil sie die Kinder der Beteiligten zu 2) als Erben ausgeschlossen wissen wollte, kann dieser neue tatsächliche Sachvertrag im Rechtsbeschwerdeverfahren keine Berücksichtigung finden (§ 27 Abs. 1 FGG, § 559 ZPO).

ee)

Schließlich ist das Landgericht in rechtlich nicht angreifbarer Weise zu dem Ergebnis gelangt, daß sich die Vermögensverhältnisse der Beteiligten zu 2) tatsächlich nach Errichtung der testamentarischen Verfügung in einer von der Erblasserin damals nicht zu erwartenden Weise geändert haben. Insoweit handelt es sich ebenfalls um eine Tatfrage, deren Beurteilung und Würdigung in den Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der Tatsacheninstanzen fällt und die nur eingeschränkt im Rechtsbeschwerdeverfahren überprüfbar ist.

Rechtsfehler sind dem Landgericht insoweit nicht unterlaufen. Die Beschwerdekammer hat ohne Verstoß gegen die Denkgesetze festgestellt, daß sich die ausweglose wirtschaftliche Situation der Beteiligten zu 2) durch den Verzicht der Gläubigerin auf die im Jahre 1984 titulierte Forderung, die sich mittlerweile auf 44.335,00 EUR belief, und durch den mit der Verbandsgemeinde erzielten Vergleich entscheidend geändert hatte. Entgegen der Ansicht der weiteren Beschwerde ist es hierbei ohne Bedeutung, daß die Beteiligte zu 2) ihre Gläubiger nicht über die testamentarische Verfügung ihrer Mutter informierte. Es sind bereits keine Anzeichen dafür ersichtlich, daß die Gläubiger bei entsprechender Kenntnis hinsichtlich ihrer Forderungen eine andere Entscheidung getroffen hätten. So waren sowohl für die Bank als auch die Gemeinde die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten zu 2) nicht von Bedeutung. Die Bank hat bereits auf den Hinweis des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Sittenwidrigkeit der Ehegattenbürgschaft auf die Forderung verzichtet. Die Gemeinde hat sich mit der Zahlung eines Vergleichsbetrages zufrieden gegeben, ohne die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin weiter zu hinterfragen.

Das Beschwerdegericht war auch von Amts wegen nicht gehalten, über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten zu 2) weitere Ermittlungen durchzuführen. Eine Aufklärungs- und Ermittlungspflicht kann dem Gericht nur auferlegt werden, soweit der Vortrag der Beteiligten oder der Sachverhalt als solcher bei sorgfältiger Überlegung dazu Anlaß geben. Insbesondere für Fälle, bei denen, wie hier, Vorgänge aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich aufzuklären sind, besteht eine erhöhte Darlegungslast der Beteiligten (Senat, FamRZ 2003, 1481 [1482] m.w.N.). Vorliegend haben sich für die Kammer aus den Akten keine Anknüpfungspunkte für eine weitere Ermittlung ergeben. Die Beteiligte zu 1) zeigt ebenfalls keine Umstände auf, die eine noch bestehende "Überschuldung" ihrer Schwester hindeuten könnten. Sie beschränkt sich darauf, den Vortrag der Gegenseite zur Entschuldung "mit Nichtwissen" zu bestreiten.

ff)

Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die Anfechtung wegen eines Motivirrtums im Sinne des § 2078 Abs. 2 BGB auch nicht daran scheitern lassen, daß die Hauptgläubigerin der Beteiligten zu 2) erst nach dem Erbfall auf die ihr aus dem Titel zustehenden Rechte verzichtet hat und damit erst zu diesem Zeitpunkt die Veränderung der wirtschaftlichen Situation eingetreten ist. Zwar kann eine Anfechtung gemäß § 2078 Abs. 2 BGB dann nicht zum Erfolg führen, wenn die getroffene Verfügung dem Willen entspricht, den der Erblasser zur Zeit des Eintritts des Erbfalls gehabt hat. Denn es würde dem Willen des Erblassers und damit dem gesetzgeberischen Zweck der Regeln über die Testamentsanfechtung nicht gerecht werden, wenn man die Anfechtung durchgreifen lassen wollte, obwohl die letztwillige Verfügung nach der zur Zeit des Erbfalls gegebenen Sachlage dem Willen des Erblassers entspricht und er die von einem Irrtum beeinflußte Verfügung bewußt gelten lassen, es also letzten Endes trotz seines Irrtums bei ihr belassen wollte (BayObLG, FamRZ 1995, 247 [248]).

Hieraus kann indes entgegen der weiteren Beschwerde nicht der allgemeine Grundsatz hergeleitet werden, daß nur eine Entwicklung der Tatsachen bis zum Erbfall herangezogen werden kann (so etwa Erman/Schmidt, BGB, 10. Auflage 2000, § 2078 Rn 9; Bestelmeyer, Rpfleger 1992, 321 [326]; Grunewald, NJW 1991, 1208 [1211 f.]; eingeschränkt: MünchKomm/Leipold, BGB, 3. Auflage 1997, § 2078 Rn 35). Dem Vertrauensschutz für den Erben kommt bereits im Hinblick auf die lange Anfechtungsfrist des § 2082 Abs. 3 BGB nicht die Bedeutung zu, die die Beschwerdeführerin annehmen möchte. Dem Wortlaut des Gesetzes ist eine entsprechende Einschränkung ebensowenig zu entnehmen. Es liegt auch nicht fern, daß sich ein Erblasser über das Geschehen nach dem Erbfall bestimmte Vorstellungen macht. Der Gesetzgeber hatte den Fall, daß die veränderten Umstände erst nach dem Tod des Erblassers eintreten, gesehen und die Irrtumsanfechtung auch für diesen Fall bewußt gebilligt (vgl. Mugdan, Die Gesamten Materialien zum BGB für das Deutsche Reich, Band V, 1899, S. 26; S. 541). Allerdings meinte man, der Erblasser müsse von dem entscheidenden Umstand eine positive Vorstellung gehabt haben. Dieses einschränkende Erfordernis ist mittlerweile fallen gelassen worden. So hat die Rechtsprechung die Anfechtung nicht daran scheitern lassen, daß die nicht bedachten Änderungen der Verhältnisse erst nach dem Erbfall eingetreten sind (RG, JW 1922, 1344 für den inflationsbedingten Wertverfall des Kapitals; BGH, DB 1966, 379; BGH, NJW 1985, 2025 für den Verstoß des Erben nach dem Erbfall gegen einen im Testament festgehaltenen Wunsch des Erblassers; BayObLG, JFG 3, 144 [150] für den Fortbestand der Währungs- und Wirtschaftsverhältnisse; BayObLGZ 1971, 149; OLG München, NJW 1983, 2577 für die spätere Zugehörigkeit des Erben zur Hare-Krishna-Sekte). Mithin kann im Rahmen der Testamentsanfechtung wegen Motivirrtums auch die nach dem Erbfall eintretende Veränderung von Umständen berücksichtigt werden, wenn sie den Erblasser bei Kenntnis zum Zeitpunkt des Todes zu einer anderen Abfassung der letztwilligen Verfügung veranlaßt hätte (KG, KGR 1995, 33 [34]; OLG Frankfurt, OLGR 1993, 101 [102]; OLG Frankfurt, FamRZ 1993, 613; LG Gießen, FamRZ 1992, 603; Bamberger/Roth/Litzenburger, BGB, 2003, § 2078 Rn 11; Palandt/Edenhofer, BGB, 62. Auflage 2003, § 2078 Rn 4; Soergel/Loritz, BGB, 13. Auflage 2003, § 2078 Rn 13; Staudinger/Otte, 13. Auflage 2003, § 2078 Rn 16; sowie: Senat, OLGZ 1969, 290; OLG Karlsruhe, OLGZ 1981, 399 [407] jeweils für die ergänzende Testamentsauslegung).

b)

Schließlich hat das Landgericht rechtsfehlerfrei angenommen, daß die von der Beteiligten zu 2) erklärte Anfechtung nicht gemäß § 242 BGB ausgeschlossen war. Zwar kann ein Anfechtungsberechtigter eine testamentarische Verfügung dann nicht nach § 2078 Abs. 2 BGB anfechten, wenn er die Voraussetzungen für das Anfechtungsrecht durch ein gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten selbst herbeigeführt hat (BGHZ 4, 91 [96]; BGH, FamRZ 1973, 539 [541]; BayObLG, FamRZ 2000, 1053 [1055]; Bamberger/Roth/Litzenburger, a.a.O., § 2078 Rn 8; Staudinger/Otte, a.a.O., § 2080 Rn 27), wobei der Einwand der rechtsmißbräuchlichen Ausübung nur ausnahmsweise eingreift (BayObLG, FamRZ 2000, 1053 [1055]). Das Landgericht hat jedoch hier einen Mißbrauch des Anfechtungsrechts rechtsfehlerfrei verneint. Die Anfechtungsberechtigte hat, wie vorstehend aufgezeigt, ihre Gläubiger bereits nicht über ihre Vermögensverhältnisse getäuscht.

Entgegen der Ansicht der Beteiligten 1) kann ein Verstoß gegen Treu und Glauben auch nicht darin gesehen werden, daß die Beteiligte zu 2) die "Vollziehung des vor dem Landgerichts in einem einstweiligen Verfügungsverfahren abgeschlossenen Vergleichs" vereitelt. Der Beteiligte zu 2) ist es aufgrund des in dem einstweiligen Verfügungsverfahren, 4 O 334/02 Landgericht Köln, geschlossenen Zwischenvergleichs nicht verwehrt, Einwendungen gegen die Erteilung des von der Beschwerdeführerin beantragten Alleinerbscheins zu erheben. Die Beteiligten haben in dem einstweiligen Verfügungsverfahren keine Vereinbarung über die Beantragung eines Erbscheins getroffen und zudem die Frage der Wirksamkeit der Testamentsanfechtung offen gelassen. Außerdem ist die Erteilung des Erbscheins unabhängig von der der Beteiligten zu 1) eingeräumten Möglichkeit zu sehen, die zum Nachlaß gehörende Wohnung eigenständig zu verkaufen.

3.

Die weitere Beschwerde muß daher zurückgewiesen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde :

bis 32.000,00 EUR (wie Vorinstanz)