VG Berlin, Beschluss vom 20.06.2017 - 10 L 667.17
Fundstelle
openJur 2017, 1191
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 30.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist eine entlang der Route der von der Beigeladenen beabsichtigten Transporte von Kernbrennstoffen belegene Gemeinde.

Die Beigeladene beantragte beim seinerzeit zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz mit Schreiben vom 27. März 2014 die Erteilung einer Beförderungsgenehmigung für die Transporte von bestrahlten Brennelementen vom stillgelegten und sich im Rückbau befindlichen Kernkraftwerk O... zum Zwischenlager N.... Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit erteilte die beantragte Beförderungsgenehmigung mit Bescheid vom 16. Mai 2017 und ordnete zugleich deren sofortige Vollziehung an. Genehmigt wurden mehrere Transporte auf der Straße und auf dem N... mittels Binnenschiffen in Transport- und Lagerbehältern des Typs CASTOR 440/84 mvK, Zulassung D/4328/B(U)F-85 (Rev.9). In den Nebenbestimmungen wurde hinsichtlich der Sicherungsmaßnahmen für die Transportdurchführung auf die Anforderungen des "Sicherungskonzepts zum Transport von bestrahlten Brennelementen von KWO zu GKN im Rahmen des Projekts BALON" Bezug genommen (Nebenbestimmung III.). Die Genehmigung ist bis einschließlich 13. November 2018 gültig.

Die Antragstellerin legte mit Schreiben vom 18. Mai 2017 Widerspruch gegen den Bescheid vom 16. Mai 2017 ein.

Sie hatte außerdem mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 bei der Antragsgegnerin den Zugang zu sämtlichen Antrags-/Genehmigungsunterlagen des hier streitgegenständlichen Genehmigungsverfahrens nach dem Umweltinformationsgesetz beantragt. Mit weiterem Bescheid vom 16. Mai 2017 gab die Antragsgegnerin dem Antrag teilweise statt und gewährte Einsicht in Unterlagen, die am 13. Januar 2017 bei ihr vorhanden waren. In der Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die zeitliche Beschränkung auf Unterlagen bis zum 13. Januar 2017 entspreche dem Antrag der Antragstellerin. Die begehrten Unterlagen könnten nicht ohne Schwärzungen herausgegeben werden. Die Schwärzungen seien zur Abwendung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich. Sie beträfen die Abschnitte über potentielle Sicherungs- bzw. Schutzmaßnahmen während und zwischen den Beförderungsvorgängen sowie schadensmaximierende Parameter für ein potentielles Freisetzungsszenario. Auch das Sicherungskonzept und die Korrespondenz mit den Sicherheitsbehörden könnten aus Gründen der Geheimhaltung nicht herausgegeben werden.

Die Antragstellerin wandte sich am 18. Mai 2017 mit zwei Eilanträgen an das Verwaltungsgericht Berlin. Das Eilverfahren VG 10 L 668.17, mit dem sich die Antragstellerin gegen die 6. Änderungsgenehmigung des Zwischenlagers gem. § 6 AtG gewandt hatte, hat die Kammer wegen örtlicher und instanzieller Unzuständigkeit (§§ 48 Abs. 1 Nr. 2, 52 Nr. 1 VwGO) gem. § 17a GVG an den VGH Baden-Württemberg verwiesen. Diesen Eilantrag (Az. 10 S 1271/17) hat die Antragstellerin am 14. Juni 2017 zurückgenommen.

Mit dem hiesigen Eilantrag macht sie einerseits geltend, ihr sei die Prüfung der Erfolgsaussichten von Rechtsbehelfen gegen die erteilte Beförderungsgenehmigung nur nach Einsicht in die Antrags-und Genehmigungsunterlagen möglich. Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes sei zu gewährleisten, dass sie die Möglichkeit erhalte, die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen zu überprüfen.

Andererseits wendet sich die Antragstellerin in der Sache gegen die erteilte Transportgenehmigung. Sie ist der Ansicht, ihre Antragsbefugnis ergebe sich aus der Möglichkeit einer Beeinträchtigung sowohl von in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken als auch ihrer öffentlichen Einrichtungen. Auch Sachgüter seien vor den Gefahren der Kernenergie zu schützen. Die Antragstellerin als an der Transportstrecke gelegene Gemeinde sei auch individualisiert in ihren Rechten betroffen. Da sich die Beförderungsgenehmigung auf ein Transport per Wasserweg auf dem Neckar beziehe, sei der Transportweg vorgegeben. Sie trägt unter Berufung auf eine von ihr eingeholte Stellungnahme einer Sachverständigen für Risiken von Atomanlagen (Dipl.-Physikerin O...) weiter vor, dass ein Anschlagsszenario mit Hohlladungsgeschossen oder Panzerabwehrlenkwaffen möglich sei. Ein solcher Beschuss könnte eine beträchtliche Menge an radioaktivem Material in die Atmosphäre freisetzen. Bei den im Bundesgebiet bestehenden Standortzwischenlagern, unter anderem in Brunsbüttel, würden durch Nachrüstungen weitere Vorkehrungen getroffen, die dem Schutz gegen derartige Szenarien dienten. Beim Transport der Behälter sei ein entsprechender baulicher Schutz nicht gegeben. Eine mögliche Schutzvorkehrung sei z.B. die Anbringung einer Schutzpanzerung. Unterlagen zu den Schutzmaßnahmen seien nicht vollständig übermittelt worden. Beispielsweise sei das Gutachten der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit im Verwaltungsvorgang insgesamt durch einen Platzhalter ersetzt, obwohl vergleichbare Gutachten in anderen Klageverfahren zumindest teilweise geschwärzt übermittelt worden seien.

Durch die mögliche Freisetzung ionisierender Strahlung würden subjektive Rechte der Antragstellerin verletzt. Hierzu gehörten die zahlreichen Grundstücke, die im Eigentum der antragstellenden Gemeinde stünden und im Einwirkungsbereich des geplanten Transportes lägen. Zwar könne sich die Gemeinde nicht auf Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz berufen, gleichwohl sei anerkannt, dass auch Gemeinden eine Verletzung ihres einfachgesetzlichen Eigentumsrechts abwehren könnten. So befände sich in 25 m Abstand vom Neckar auf einem Grundstück der Antragstellerin die Kläranlage des Zweckverbandes Klärwerk Neckarwestheim. Verpachtete Weinberge auf Grundstücken der Antragstellerin seien weitläufig entlang der Transportstrecke in einem Abstand von 25 m bis 200 m vom Neckar vorhanden. Durch die Hanglage könne es dort bei Westwind zu einer besonders intensiven Ablagerung von Caesium-137 kommen. In einer Entfernung von 700 m bis 1300 m vom Neckar gäbe es auf Grundstücken im Eigentum der Antragstellerin eine Kinderkrippe, mehrere Kindergärten sowie weitere kommunale Einrichtungen wie die Reblandhalle (eine Sport-und Mehrzweckhalle). Auch für diese Liegenschaften müsste die Nutzung bis zu einer erheblich aufwändigen Dekontamination vollständig eingestellt werden. Die Rechtsprechung gehe davon aus, dass unter den denkbar ungünstigen meteorologischen Bedingungen selbst noch in der Entfernung von 1,1 km der Eingriffsrichtwert für die Evakuierung um 12 Millisievert überschritten werden könne. Die Betroffenheit der Antragstellerin beziehe sich demnach nicht lediglich auf ein einzelnes, möglicherweise nur flüchtig passiertes Grundstück. Grundstücke im Eigentum der Antragstellerin befänden sich in großem Umfang und über lange Strecken entlang der zu benutzenden Transportstrecke über den Neckar. Es sei auch zu berücksichtigen, dass planmäßig insgesamt fünf Transportvorgänge mit jeweils drei Castor-Behältern durchgeführt werden sollten. Schließlich ergebe sich eine wehrfähige Rechtsposition der Antragstellerin aus ihrem durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz geschützten Selbstverwaltungsrecht. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass Gemeinden Eingriffe abwehren könnten, durch die kommunale Einrichtungen in ihrer Trägerschaft erheblich gestört würden. Aus den bereits dargestellten Gründen wäre eine weitere Nutzung etwa des Klärwerks oder der Kinderkrippe als kommunale Einrichtungen nicht mehr möglich, wenn aufgrund des dargestellten Anschlagsszenarios eine Kontamination der Grundstücke mit Caesium-137 erfolgen würde.

Die Genehmigung verstoße außerdem gegen den Grundsatz der standortnahen Entsorgung.

Die Antragstellerin ist schließlich der Ansicht, dass die Antragsgegnerin und die Beigeladene nicht substantiiert dargelegt hätten, dass die Transporte noch im Jahr 2017 stattfinden müssten.

Die Antragstellerin beantragt,

1.

im Wege einer Zwischenverfügung wird der Daher Nuclear Technologie GmbH aufgegeben, vor Zustellung einer Entscheidung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine Maßnahmen zur Vollziehung der Beförderungsgenehmigung der Antragsgegnerin vom 16. Mai 2017 zu unternehmen,

2.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die der Daher Nuclear Technologie GmbH am 16. Mai 2017 erteilte Genehmigung der Antragsgegnerin zur Beförderung von 15 Behältern (Bauart CASTOR 440/84 mvK) mit insgesamt 342 bestrahlten Brennelementen vom stillgelegten Kernkraftwerk Obrigheim in das Standort-Zwischenlager Neckarwestheim vom 16. Mai 2017 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Die Antragsgegnerin nimmt Bezug auf die Begründung ihres Bescheides vom 16. Mai 2017 und führt ergänzend aus, die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt. Sie ist der Ansicht, die Rechtsprechung habe die drittschützende Wirkung der atomrechtlichen Vorschriften nur für natürliche Personen und nicht für Gemeinden bejaht. Darüber hinaus sei zu beachten, dass die vorübergehende Natur von Transporten eine andere Art der Gefährdungsbeurteilung erfordere, als im Falle der Lagerung von Kernbrennstoffen. So seien Ausführungen aus Urteilen, die Fälle von Umgang mit Kernbrennstoffen in ortsfesten Anlagen beträfen, nicht ohne Weiteres übertragbar. Die personellen und technischen Sicherungsmaßnahmen seien im Falle der streitgegenständlichen Transporte ausreichend. Insbesondere sei das Szenario eines Angriffs mit panzerbrechenden Waffen mit Hohlladungsmunition während des Genehmigungsverfahrens geprüft und nicht dem Bereich des Restrisikos zugeordnet worden. Die Antragsgegnerin habe eine gutachterliche Stellungnahme der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) gGmbH eingeholt. Diese Begutachtung habe u.a. eine Bewertung der radiologischen Folgen eines Angriffs mit panzerbrechenden Waffen auf die streitgegenständlichen Transporte umfasst und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Sicherungsmaßnahmen eine erhebliche Freisetzung von Strahlung (mehr als 100 mSV) ausschlössen. Um den erforderlichen Schutz zu gewährleisten, sei z.B. die Einhausung mit ihren sicherungstechnischen Einrichtungen auf dem Schubleichter vorgesehen, in der sich die Transport- und Lagerbehälter während des Binnenschiffstransports befänden. Die Sicherheit sei auch durch den Einsatz von speziell geschulten und zuverlässigkeitsüberprüften Personal sowie durch Einrichtung von gesicherten Bereichen während des Transports auf der Straße gewährleistet. Schließlich sei durch die Polizeibegleitung sichergestellt, dass die Verzugszeit bis zum Eingreifen der Sicherheitskräfte auf Null reduziert sei.

Die Beigeladene beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie führt aus, das Kernkraftwerk O... habe am 11. Mai 2005 den Leistungsbetrieb eingestellt. Nach gegenwärtiger Planung solle der vollständige Rückbau des Kernkraftwerks im atomrechtlichen Rahmen bis spätestens zum Jahr 2025 abgeschlossen sein. Dies setze voraus, dass alle bestrahlten Brennelemente im Jahr 2017 aus der Anlage abtransportiert würden. Der Betreiber des Kernkraftwerks habe entschieden, die Zwischenlagerung der Brennelemente nicht im bestehenden Nasslager im Notstandsgebäude des Kernkraftwerks, sondern im Zwischenlager am Standort des ebenfalls von dem gleichen Betreiber betriebenen Kernkraftwerks Neckarwestheim fortzuführen. Der weitere ungehinderte Abbau des Kernkraftwerks O... inklusive des Notstandgebäudes sei nur möglich, wenn Brennelementfreiheit bestehe. Das Zwischenlager Neckarwestheim liege ca. 35 km Luftlinie vom Kernkraftwerk O... entfernt. Die Beigeladene sei mit der Durchführung des Transports von 342 bestrahlten Brennelementen vom Betreiber beauftragt.

Die Beigeladene ist der Ansicht, der Antragstellerin fehle schon die Widerspruchsbefugnis für den gegen die Beförderungsgenehmigung eingelegten Widerspruch. Die Antragstellerin trage nichts zur unzureichenden Schadensvorsorge vor. Der Einwand der Antragstellerin, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der standortnahen Entsorgung vorliege, betreffe keine der Genehmigungsvoraussetzungen der Transportgenehmigung gemäß § 4 Abs. 2 AtG, sondern die der Genehmigung des Zwischenlagers gemäß § 6 Abs. 1 AtG. Selbst wenn die Widerspruchsbefugnis bejaht würde, wäre der Widerspruch der Antragstellerin offensichtlich unbegründet. Durch die Zulassung des zu benutzenden Castor-Behälters sei die Beachtung der für den Verkehrsträger geltenden Rechtsvorschriften nachgewiesen. Die Tauglichkeit der in der Genehmigung bestimmten Behälter werde in einem gesonderten Verfahren geprüft und die Zulassung sei für die Beförderungsgenehmigung verbindlich. Die auf der Straße für die Beförderung einzusetzenden Fahrzeuge erfüllten zum Zeitpunkt des Transportes die Vorschriften für die Beförderung von Gütern der Klasse 7. Auch die Binnenschiffe erfüllten die gefahrgutsrechtlichen Vorschriften des Europäischen Übereinkommens über die Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen (ADN). Für einen Transport per Schiff auf Binnenwasserstraßen seien an den Standorten O... und Neckarwestheim im Jahr 2016 Probebeladungen in Castor-Behälter durchgeführt worden. Das Be- und Entladen des Schiffs sowie die Fahrt auf dem Neckar zwischen den beiden Kraftwerkstandorten sei Ende Februar 2017 mit leeren Castor-Behältern erfolgreich getestet worden. Im Übrigen bestünden jahrzehntelanger Erfahrungen mit Hochseetransporten von Kernbrennstoffen, z.B. zwischen dem europäischen Festland und dem Vereinigten Königreich sowie zwischen Japan und Europa.

Um den gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 5 AtG vorgesehenen erforderlichen Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter zu gewährleisten, habe das Bundesumweltministerium am 4. Dezember 2003 Richtlinien für den Schutz von radioaktiven Stoffen gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter bei der Beförderung erlassen. Diese, der Geheimhaltung unterliegende Richtlinie werde derzeit überarbeitet und führe zu vollkommen neuen und wesentlich verschärften Anforderungen. Die Beigeladene habe ihr Sicherungskonzept zum Transport auf der Grundlage des Entwurfes für die Überarbeitung der oben genannten Richtlinie erstellt. Im Auftrag des Antragsgegners habe die Gesellschaft für Anlagen-und Reaktorsicherheit das Sicherungskonzept geprüft. Als Ergebnis der Prüfung sei das Sicherungskonzept mehrfach überarbeitet worden und erfülle sämtliche Anforderungen der oben genannten Richtlinie nach dem Stand von Wissenschaft und Technik.

Die sofortige Vollziehung der Genehmigung liege im öffentlichen Interesse. Die Durchführung der Transporte sei aufgrund der nach der Erfahrung zu erwartenden Proteste nur mit erheblichen polizeilichen Schutzmaßnahmen möglich. Für die Planung und Organisation der Schutzmaßnahmen sei ein längerer Zeitraum erforderlich. Würde die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederhergestellt, würde der Stand des bisherigen komplexen Abstimmung- und Planungsprozesses weitgehend wertlos. Ferner sei auch die gesetzgeberische Wertung der neuen Fassung des § 7 Abs. 3 S. 4 AtG (noch nicht in Kraft getreten) zu beachten. Danach seien Anlagen, deren Berechtigung zum Leistungsbetrieb erloschen sei, unverzüglich stillzulegen und zurückzubauen. Der Abbau des Kraftwerks O... sei bereits weit fortgeschritten. Ein weiterer Abbau setze die Herstellung der Brennelementenfreiheit voraus. Darüber hinaus sei für die Beigeladene ein hohes Maß an terminlicher Sicherheit erforderlich, um erhebliche Ausfall- und Verlängerungskosten zu vermeiden. Ihre Dispositionen würden entwertet, wenn kein zeitnaher Transport gesichert sei. Hinzu komme das Interesse der Betreiberin des Kraftwerks O... als Entsorgungsverpflichtete, die die Auftraggeberin der Beigeladenen sei. Der Mehraufwand für den Abbau im Falle des verzögerten Abtransport der Brennelemente betrage ca. 2,8 Million € pro Monat. Dieser Schaden setze sich im Wesentlichen aus Fixkosten für Eigen- und Fremdpersonalkosten sowie Sachkosten zusammen. Die Fixkosten würden verursacht durch die notwendige Aufrechterhaltung der Infrastruktur des Kraftwerks O.... Hinzu kämen Sachkosten für Stromversicherungen und Heizstoffe. Die Fixkosten seien auf der Basis der derzeit tatsächlich entstehenden Kosten ermittelt. Die Eigenpersonalkosten betrügen ca. 1,62 Million € pro Monat, die Fremdpersonal- und Sachkosten ca. 1,14 Million € pro Monat.

Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 26. Mai 2017, bei Gericht eingegangen am 29. Mai 2017, die der Genehmigung zu Grunde liegenden Verwaltungsvorgänge in elektronischer Form übermittelt. Sie hat ausgeführt, dass Unterlagen, die als Verschlusssachen der Geheimhaltung unterlägen, entnommen worden seien. Die Entnahmen seien durch Platzhalter in der Gesamtunterlagen-Liste kenntlich gemacht. Die Unterlagen enthielten außerdem Schwärzungen betreffend personenbezogene Daten, Betriebs-und Geschäftsgeheimnissen Dritter sowie sicherungstechnisch relevanten Inhalte.

II.

1.

Mit dem Antrag zu 1) begehrt die Antragstellerin den Erlass einer Zwischenverfügung. Auf der Grundlage der §§ 80a Abs. 3 Satz 1 und 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht zum vorläufigen Schutz der Rechtsstellung eines Beteiligten vor der Schaffung vollendeter Tatsachen bis zur abschließenden Entscheidung über den Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO eine Zwischenregelung (einen sog. "Hängebeschluss") treffen. Ein solcher Beschluss dient der Durchsetzung des nach Art. 19 Abs. 4 GG von den Gerichten zu sichernden effektiven Rechtsschutzes des von einem belastenden Verwaltungsakt Betroffenen für die Dauer einer angemessenen Prüfung des Vorbringens aller Beteiligten - also zur Überbrückung des Zeitraums zwischen dem Eingang eines Eilantrags und der Entscheidung im Eilverfahren nach §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO. Unter Berücksichtigung der Effektivität verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes kann es geboten sein, für die Dauer des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens - zumindest soweit ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht offensichtlich aussichtslos oder rechtsmissbräuchlich ist - von Maßnahmen der Vollstreckung abzusehen, wenn anderenfalls schwere und unabwendbare Nachteile drohen (vgl. BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 11. Oktober 2013 - 1 BvR 2616/13 -, Rn. 7, juris). Ob eine solche Zwischenregelung - bei fehlender Entscheidungsreife - erforderlich ist, ist im Wege einer Interessenabwägung zu ermitteln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 2012 - 7 VR 7.12 -, juris Rn. 2 ff.; sowie VG Aachen, Beschluss vom 21. Februar 2017 - 6 L 252/17 -, Rn. 5, juris m.w.N.).

Vorliegend war der Erlass eines Hängebeschlusses nach Eingang des Eilantrages nicht erforderlich, weil die Beigeladene zugesichert hat, dass mit den hier streitgegenständlichen Transporten bis zu der für den 20. Juni 2017 angekündigten Entscheidung der Kammer im Eilverfahren nicht begonnen wird.

2.

Der Antrag zu 2) ist nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO statthaft.

Nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs anordnen oder wiederherstellen, wenn ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten begünstigenden Verwaltungsakt eingelegt hat. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Maßgebliches Kriterium innerhalb der im Rahmen des §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung sind regelmäßig die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig und wird die Antragstellerin hierdurch in eigenen, gerade ihrem Schutz dienenden Rechtsnormen verletzt, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Stellt der Verwaltungsakt sich demgegenüber als offensichtlich rechtmäßig dar, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, erfolgt eine allgemeine Interessenabwägung zwischen dem vom Antragsgegner geltend gemachten öffentlichen Interesse und dem privaten Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheides einerseits und dem privaten Interesse der Antragstellerin an dessen Suspendierung andererseits.

Der Antrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist gem. § 42 Abs. 1 VwGO analog antragsbefugt.

Die Antragstellerin ist als juristische Person des öffentlichen Rechts zwar in ihrer Antragsbefugnis erheblich eingeschränkt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich im Bereich der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben grundsätzlich nicht auf Grundrechte berufen (vgl. BVerfGE 21, 362 <369 ff.>; 68, 193 <205 ff.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Mai 2007 - 2 BvR 695/07 -, NVwZ 2007, S. 1176; stRspr). Die Antragstellerin als eine Gemeinde kann sich weder auf die Art. 14, Art. 2 Abs. 1 oder Art. 12 GG - berufen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 21. Februar 2008 - 1 BvR 1987/07 -juris m.w.N.) noch Rechte ihrer Bürger gleichsam in Prozessstandschaft geltend machen. Der Schutz von Leben und Gesundheit der Gemeindeeinwohner wird nicht vom Selbstverwaltungsrecht des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG umfasst. Gemeinden können auch nicht als "Sachwalter des öffentlichen Interesses" die Rechte ihrer Bürger wahrnehmen. Diese müssen vielmehr ihre Rechte selbst geltend machen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Mai 1999 - 10 S 2948/98 -, Rn. 6, juris m.w.N, sowie Kopp/Schenke, VwGO, 19. A., Rn 137 zu § 42 m.w.N.).

Die Antragstellerin ist ferner nicht antragsbefugt, soweit sie Bezug nehmend auf § 9 a Abs. 2 Satz 3 Atomgesetz (AtG) geltend macht, die erteilte Beförderungsgenehmigung verstoße gegen den Grundsatz der standortnahen Zwischenlagerung (siehe dazu auch § 4 Abs. 2 Nr. 7 AtG). Nach § 9 a Abs. 2 Satz 3 AtG hat der Betreiber einer Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität dafür zu sorgen, dass ein Zwischenlager nach § 6 Abs. 1 und 3 AtG innerhalb des abgeschlossenen Geländes der Anlage oder nach § 6 Abs. 1 AtG in der Nähe der Anlage errichtet wird (standortnahes Zwischenlager) und die anfallenden bestrahlten Kernbrennstoffe bis zu deren Ablieferung an eine Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle dort aufbewahrt werden. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 7 AtG ist die Genehmigung für die Beförderung von Kernbrennstoffen zu erteilen, wenn für die Beförderung bestrahlter Brennelemente von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität zu zentralen Zwischenlagern nach § 6 Abs. 1 nachgewiesen ist, dass eine Lagermöglichkeit in einem nach § 9a Abs. 2 Satz 3 zu errichtenden standortnahen Zwischenlager nicht verfügbar ist. Diese Normen sind nicht drittschützend.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass Drittschutz nur solche Rechtsvorschriften vermitteln, die nicht ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der Allgemeinheit, sondern zumindest auch dem Schutz individueller Rechte dienen. In diesem Sinne drittschützend ist eine Norm, die das geschützte Recht sowie einen bestimmten und abgrenzbaren Kreis der hierdurch Berechtigten erkennen lässt. Einen derartigen, von der Allgemeinheit abgrenzbaren Kreis von Berechtigten lassen die o.g. Vorschriften nicht erkennen. Ziel der Regelung ist nicht der Schutz individueller Rechte des Einzelnen durch entsprechende Maßnahmen der erforderlichen Vorsorge (vgl. etwa § 4 Abs. 2 Nr. 3 und 5 AtG, s. dazu unten), sondern eine erhebliche Verringerung von Transporten bestrahlter Brennelemente (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 14/6890 vom 14.September 2001 - S. 17 und 24). Diese Verringerung liegt im Interesse der Allgemeinheit, schutzwürdige Rechte Dritter sind damit indes nicht verbunden.

Eine Klage- bzw. Antragsbefugnis ergibt sich aber aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, Art. 28 Abs. 2 GG. Diese wird beeinträchtigt, wenn ein Vorhaben eine hinreichend bestimmte Planung nachhaltig stört, wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entzieht oder wenn kommunale Einrichtungen durch das Vorhaben erheblich beeinträchtigt werden (BVerwG, Urt. v. 16.Dezember 1988 - 4 C 40.86 -, BVerwGE 81, 95,<106>; Urt. v. 27.März 1992 - 7 C 18.91 -, BVerwGE 90, 96 <100>; vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 01. März 2002 - 7 MA 1348/01 -, Rn. 12, juris).

Die Antragstellerin macht geltend, dass von ihr betriebene kommunale Einrichtungen bei einer Freisetzung von Strahlung durch einen Unfall oder einen Terrorakt in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt wären. Sie benennt unter Beifügung von Kartenausschnitten u.a. die Kläranlage und mehrere Kindertagesstätten. Sie hat damit hinreichend konkret dargelegt, dass sie ein Abwehrrecht gegen mögliche nukleare Emissionen jedenfalls aus ihrer in der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie wurzelnden Aufgaben hat (vgl. zur Trinkwasserversorgung: Bayerischer VGH, Urteil vom 09. April 1979 - 167 VI 77 -, juris). Damit hat sie die Möglichkeit einer Verletzung ihres Rechts aus Art. 28 Abs. 2 GG hinreichend dargelegt.

Die Antragstellerin kann sich auch auf die mögliche Verletzung von § 4 Abs. 2 Nr. 3 und 5 AtG berufen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass mit dem nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG zu gewährleistenden Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter ein Vorsorge- und Schutzstandard bestimmt wird, der mit demjenigen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG übereinstimmt und Drittschutz vermittelt. Die gleichen Grundsätze gelten für die gleichlautenden Vorschriften der § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG, § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG und die hier einschlägigen § 4 Abs. 2 Nr. 5 AtG und § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2013 - 7 C 34/11 -, Rn. 44, juris). Der Umstand, dass die gerichtliche Überprüfung namentlich wegen notwendiger Geheimhaltung von Einzelheiten des Sicherungs- und Schutzkonzepts eingeschränkt ist, rechtfertigt es nicht, den Betroffenen Rechtsschutz im Bereich der erforderlichen Schadensvorsorge gegen terroristische Einwirkungen Dritter vollständig zu versagen. Soweit die Behörde Schadensvorsorge für erforderlich hält, steht den Betroffenen ein entsprechender Genehmigungsabwehranspruch zur Seite, wenn ein hinreichend wahrscheinlicher Geschehensablauf vorgetragen wird, bei dem trotz der getroffenen Vorsorge eine Rechtsverletzung möglich erscheint (BVerwG, Urteil vom 10. April 2008 a.a.O. Rn. 33). Die o.g. Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts sind zwar in Verfahren ergangen, die von natürlichen Personen anhängig gemacht worden sind. Entgegen der Auffassung des Antragsgegnervertreters ist aus diesen Entscheidungen jedoch nicht zu entnehmen, dass sich Gemeinden auf die drittschützende Wirkung der § 4 Abs. 2 Nr. 3 und 5 AtG grundsätzlich nicht berufen könnten. Die Antragstellerin als Gemeinde ist im vorliegenden Fall in ihrem Recht aus Art. 28 Abs. 2 GG auch individualisiert betroffen, weil die Transportstrecke am Neckar an ihrem Gemeindegebiet vorbeiführt. Bei insgesamt 5 Transporten bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 16 km/h ist auch die Verweildauer der Transporte nicht mehr nur einem mehr oder weniger flüchtigen Beförderungsvorgang gleichzusetzen (vgl. zum Maßstab der individuellen Betroffenheit: BVerwG, Urteil vom 14. März 2013, a.a.O. Rn. 41).

Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Die Beförderung von Kernbrennstoffen außerhalb des geschlossenen Geländes bedarf nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AtG der Genehmigung. § 4 Abs. 2 Nr. 5 AtG und § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG sind drittschützend und begründen einen Anspruch auf "vorsorgenden Schutz". Der "erforderliche" Schutz ist beide Male ein "vorsorgender" Schutz, wie auch das Maß des Erforderlichen jeweils nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu bestimmen ist. Demgemäß müssen Gefahren und Risiken auch durch Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter praktisch ausgeschlossen sein (BVerwG, Urteil vom 14. März 2013,a.a.O. Rn. 43, juris).

Ob die erforderliche Vorsorge gegen Schäden im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG gewährleistet ist, kann gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, die auch auf § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG übertragbar ist, trägt die Exekutive die Verantwortung für die Risikoermittlung und Risikobewertung (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115; BVerfG, Beschluss vom 10. November 2009 - 1 BvR 1178/07 - NVwZ 2010, 114 - jeweils mit weiteren Nachweisen aus der umfassenden Rechtsprechung). Daraus folgt, dass es nicht Sache der nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sein kann, die der Exekutive zugewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen. Die Exekutive ist für die Risikoermittlung und -bewertung, also auch für die Entscheidung über Art und Ausmaß von Risiken, die hingenommen oder nicht hingenommen werden müssen, allein verantwortlich (BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 - 11 C 11.96 - a.a.O.; Urteil vom 10. April 2008 - 7 C 39.07 - BVerwGE 131, 129). Es ist insoweit nicht Sache der Gerichte, Prognosen der Genehmigungsbehörde im Hinblick auf Situationen zu korrigieren, die allenfalls im Grenzbereich des nach praktischer Vernunft noch Möglichen liegen können. Dementsprechend unterliegen die behördliche Risikoermittlung und -bewertung einschließlich des hinzunehmenden Restrisikos nur einer eingeschränkten Nachprüfung. Die Gerichte sind darauf beschränkt zu überprüfen, ob die der behördlichen Beurteilung zugrunde liegende Risikoermittlung und -bewertung auf einer ausreichenden Datenbasis beruht und dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Behördenentscheidung Rechnung trägt, die Behörde also im Hinblick auf die Ergebnisse des von ihr durchgeführten Genehmigungsverfahrens "diese Überzeugung von Rechts wegen haben durfte" (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.1987 - 7 C 4.85 - BVerwGE 78, 177; Beschluss vom 02. Juli 1998 - 11 B 30.97 - NVwZ 1999, 654; Urteil vom 10. April 2008 - 7 C 39.07 - a.a.O.). Das Gericht ist deshalb auf die Nachprüfung beschränkt, ob die Genehmigungsbehörde willkürfrei annehmen durfte, dass der erforderliche Schutz gegen die Risiken einer Leben oder Gesundheit Drittbetroffener möglicherweise gefährdenden Freisetzung ionisierender Strahlen nach Maßgabe des insoweit vorgesehenen Sicherungs- und Schutzkonzepts gewährleistet ist und Risiken damit praktisch nicht zu gegenwärtigen sind. Die Behörde darf aber nicht maßgebliche wissenschaftliche Erkenntnisse negieren oder in grober Weise fehl gewichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 1996 - 11 C 9.95 - DVBl. 1997, 52, umfassend mit Nachweisen: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. September 2012 - 10 S 731/12 -, Rn. 46ff., juris)

Die Rechtmäßigkeit der der Beigeladenen erteilten Transportgenehmigung muss nach diesen Maßstäben gegenwärtig als offen angesehen werden. Die im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens nur mögliche und gebotene summarische Prüfung ermöglicht keine hinreichend verlässliche Einschätzung der Rechtmäßigkeit der von der Antragstellerin angegriffenen, auf § 4 AtG gestützten Genehmigung des Antragsgegners vom 16. Mai 2017. Denn eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung ist ohne Kenntnis u.a. des aus Geheimhaltungsgründen dem Gericht nicht zugänglich gemachten Sicherheitskonzepts nicht möglich. Ohne Einsicht insbesondere in die im Verwaltungsvorgang durch einen Platzhalter ersetzen gutachterlichen Stellungnahme der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) gGmbH ist eine gerichtliche Überprüfung, ob die der behördlichen Beurteilung zugrunde liegende Risikoermittlung und -bewertung auf einer ausreichenden Datenbasis beruht und dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Behördenentscheidung Rechnung trägt, nicht möglich.

Das Verfahren im Falle der verweigerten Vorlage von Unterlagen ist in § 99 VwGO geregelt. Das Gericht der Hauptsache beurteilt, ob Urkunden oder Akten der Vorlage- und Auskunftspflicht der Behörden nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterliegen. Das Gericht der Hauptsache bestimmt grundsätzlich auch, welche Beweismittel zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts geeignet und heranzuziehen sind. Der für das Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO zuständige Fachsenat des jeweils zuständigen Obergerichts prüft sodann, ob die Verweigerung der Aktenvorlage rechtmäßig ist. Das in-camera-Verfahren gem. § 99 VwGO ist zwar im Eilverfahren nicht generell ausgeschlossen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04. Januar 2005 - 6 B 59/04 -, Rn. 6, juris). Die (von der Antragstellerin auch nicht förmlich beantragte) Durchführung ist jedoch hier nicht erforderlich, um effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Die Erfolgsaussichten des Eilantrages zu 2) sind zwar wegen der Geheimhaltung von Einzelheiten des Sicherungs- und Schutzkonzepts der Beigeladenen offen. Nach Auffassung der Kammer kann eine Entscheidung über den Eilantrag ohne die zu einer weiteren Aufklärung erforderliche Durchführung eines "in-camera" Verfahrens gem. § 99 VwGO auch unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Umfang der gerichtlichen Pflicht zur Prüfung der Sach- und Rechtslage in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. hierzu BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 14. September 2016 - 1 BvR 1335/13 -, Rn. 19ff., juris) ergehen. Denn anders, als in dem dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorliegenden Fall (a.a.O.) droht der Antragstellerin bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes nicht mit Sicherheit eine erhebliche und endgültige Verletzung in ihren Grundrechten, die später durch eine stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnte. Die Antragstellerin macht vielmehr die Folgen eines nicht gänzlich ausgeschlossenen Unfalls oder terroristischen Angriffs auf die beabsichtigten Transporte von Brennelementen geltend. Damit ist die Wahrscheinlichkeit einer Grundrechtsverletzung grundlegend eine Andere, als z.B. bei der nur durch eine gerichtliche Entscheidung abwendbaren endgültigen Rodung eines Waldes zur Errichtung von Windkraftanlagen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Februar 2017 - OVG 11 S 9.17 -, juris). Es geht hier ausschließlich um eine potentielle Risikoerhöhung im Bereich der Vorsorge, d.h. um bloße Besorgnispotentiale. Unter diesen Umständen spricht auch die erhebliche zeitliche Verzögerung, die mit der Durchführung eines "in-camera" Verfahrens im Eilverfahren verbunden wäre, dafür, dass es bei einer Entscheidung nach summarischer Prüfung auf der Grundlage von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache verbleibt.

Bei der von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache losgelösten Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Genehmigung das entgegengesetzte Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. Der Kammer teilt dabei die Einschätzung des Antragsgegners, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an einem zeitnahen Rückbau des Kernkraftwerkes O... besteht. Dieser liegt nicht zuletzt auch im Interesse der Anwohner von O..., da mit dem Rückbau der Anlage und insbesondere dem Abtransport der Brennelemente das Besorgnispotenzial am Standort O... weiter reduziert wird. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass bei einer längeren Unterbrechung des Abbaus des Kernkraftwerks sich dieses Projekt in der Reihe der anderen Rückbauvorhaben verschieben könnte und damit eine erhebliche Zeitverzögerung zu befürchten wäre. Schließlich hat die Beigeladene nachvollziehbar im Einzelnen näher dargelegt, dass gerade der Abtransport der Brennelemente für den weiteren Rückbau des Kraftwerks O... im vorgesehenen Zeitrahmen von essentieller Bedeutung ist. Auch hat die Beigeladene ein erhebliches wirtschaftliches Interesse am Sofortvollzug und der zügigen Durchführung von bereits vergebenen Abbaumaßnahmen dargelegt. Keiner abschließenden Klärung bedarf in diesem Zusammenhang, ob die von der Beigeladenen vorgelegten Zahlen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen bei einer stattgebenden Entscheidung im Eilverfahren nachvollziehbar sind. Denn die Kammer stellt bei der Interessenabwägung im Wesentlichen auf das öffentliche Interesse am zügigen Rückbau des Kernkraftwerks und lediglich untergeordnet auf die wirtschaftlichen Belange der Beigeladenen ab. Da der Rückbau des Kernkraftwerks O... auch im öffentlichen Interesse liegt, kommt es entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht darauf an, dass der Rückbau auch im privaten Interesse der am hiesigen Eilverfahren nicht beteiligten Betreiberin des Kraftwerks, der EnBW Kernkraft GmbH, liegt.

Gegenüber diesen für die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung streitenden Interessen muss das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs zurücktreten. Soweit bei einem Unfall oder Anschlag die hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit betroffen wären, zu deren Schutz die Antragstellerin als Gemeinde letztlich die erforderliche Vorsorge beansprucht, kann die Antragstellerin als Gemeinde jedoch - wie bereits im Rahmen der Zulässigkeit des Eilantrages ausgeführt - nicht im Wege der Prozessstandschaft diese Rechte ihrer Bewohner geltend machen. Damit ist für die Interessenabwägung für das Suspensivinteresse allein auf die mögliche Verletzung der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie abzustellen und zudem zu berücksichtigen, dass es bei der Beurteilung dieser Erfolgsaussichten ausschließlich um die Fragen einer Risikoerhöhung im vorgelagerten Bereich der Vorsorge bzw. um bloße Besorgnispotentiale geht. Auch dies lässt es zumutbar erscheinen, dass die Antragstellerin den Vollzug der Genehmigung vorläufig hinnimmt. Daher ist das Suspensivinteresse der Antragstellerin aufgrund der Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles als gering zu bewerten (vgl. zur Interessenabwägung im Eilverfahren gegen die 2. Stilllegungs- und Abbaugenehmigung für das KWO: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. September 2012 - 10 S 731/12 -, Rn. 63ff., juris).

Schließlich begegnet die schriftlich begründete - und damit den formellen Anforderungen von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügende - Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung vom 16. Mai 2017 auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.

Soll die Begründung einer Sofortvollzugsanordnung auch die Grundlage für eine gerichtliche Kontrolle der Anordnung bilden, muss dementsprechend aus ihr hinreichend nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts und dem privaten Interesse - hier der Beigeladenen - den Vorrang vor dem Aufschubinteresse der Antragstellerin einräumt und aus welchen im dringenden öffentlichen Interesse liegenden Gründen sie es für gerechtfertigt oder geboten hält, den durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ansonsten eintretenden vorläufigen Rechtsschutz des Betroffenen einstweilen zurückzustellen. Nicht ausreichend sind pauschale und nichtssagende formelhafte Wendungen dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (vgl. dazu VGH Mannheim, Beschluss vom 25. September 2012 - 10 S 731/12 - Rz. 5; zitiert nach juris). Den o.g. Anforderungen genügen die vom Antragsgegner verfügte, mehrere Seiten der Genehmigung von 16. Mai 2017 umfassende Sofortvollzugsanordnung und deren - über die Gründe der Genehmigungserteilung hinausgehende - Begründung, die Anordnung sei im öffentlichen Interesse und im überwiegenden privaten Interesse der Beigeladenen geboten.

Zum öffentlichen Interesse führte die Antragsgegnerin aus, dieses sei zum einen im Hinblick auf die zu treffenden polizeilichen Maßnahmen und die damit zusammenhängenden Kosten gegeben. Die Durchführung der Transporte der mit bestrahlten Brennelementen beladenen Castorbehälter sei nur mit erheblichen polizeilichen Schutzmaßnahmen möglich. Für deren Planung und Organisation sowie die Schaffung entsprechender Infrastruktur und personeller Voraussetzungen sei ein längerer Zeitraum erforderlich. Diesbezügliche Abstimmungs- und Planungsprozesse aber würden im Falle der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen die Beförderungsgenehmigung weitgehend wertlos. Zum anderen beruft sich die Antragsgegnerin auf ein öffentliches Interesse am unverzüglichen Abbau des stillgelegten Kernkraftwerks O.... Der weitere Abbau sei von der Herstellung der Kernbrennstofffreiheit abhängig und könne nur fortgeführt werden, wenn die derzeit noch im sogenannten Nasslager befindlichen Brennelemente an einen anderen Ort verbracht würden. Zum privaten Vollzugsinteresse der Beigeladenen führt die Antragsgegnerin aus, Planung und Durchführung der einzelnen Beförderungsvorgänge sei seitens der Beigeladenen mit einem erheblichen finanziellen und personellen Aufwand verbunden, wobei diese sich auch mit den staatlichen Sicherheitskräften abzustimmen habe. Jede Verzögerung habe für die Beigeladene erhebliche negative Auswirkungen terminlicher und finanzieller Art. Insofern sei ein hohes Maß an Planungssicherheit notwendig. Zu den denkbaren Suspensivinteressen Dritter - wobei die Antragsgegnerin zuvörderst Anwohner der Beförderungsstrecke in den Blick nimmt - zählt sie neben der Sicherheit des Transports auch das Interesse an einer vorherigen behördlichen und gegebenenfalls gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der erteilten Transportgenehmigung. Im Rahmen der sodann vorgenommenen Interessenabwägung legt die Antragsgegnerin in sich schlüssig, plausibel und nachvollziehbar dar, das Interesse potentiell Drittbetroffener habe gegenüber den öffentlichen und privaten Interessen - hier der Beigeladenen - geringeres Gewicht. Dies insbesondere deshalb, weil die beschriebene komplexe Vorbereitung der Beförderung nur anhand sicherer und verbindlicher zeitlicher Vorgaben durchgeführt werden könnte. Maßgeblich seien auch die mit den Vorbereitungen verbundenen erheblichen finanziellen Aufwendungen der öffentlichen Hand sowie die umfangreiche Einsatzplanung der Sicherheitsbehörden zur Sicherung der Beförderungsvorgänge. Der Binnenschifftransport erfolge in zugelassenen Transport- und Lagerbehältern, ein integriertes Sicherungs- und Schutzkonzept sei gewährleistet, ein etwaiger Anspruch auf gerichtliche Überprüfung werde nicht eingeschränkt. Diese sei bei hinreichendem Feststellungsinteresse im Übrigen auch nach Durchführung des Transportes möglich.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154, 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 53 GKG i.V.m. Ziffer 6.3. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 18. Juli 2013 (http://www.bverwg.de), wobei für das Eilverfahren die Hälfte des Regelstreitwerts festzusetzen war.

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