LAG München, Urteil vom 19.01.2017 - 3 Sa 492/16
Fundstelle
openJur 2017, 1328
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 11.02.2016 - 5 Ca 192/15 - abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.560,00 € brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.04.2015 zu zahlen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch über ausstehende Vergütung bzw. über die Rückzahlung von Weihnachtsgratifikation.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 15.06.2013 als E., zuletzt in Teilzeit zu einer monatlichen Bruttovergütung von 1.560,00 € nebst Zulagen für Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Nachtbereitschaft beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 21.06.2013 enthielt u.a. nachfolgende Regelung:

"5. Vergütung (5.) Der Mitarbeiter erhält anteiliges Urlaubsgeld (ab 2014) und eine freiwillige Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsgehalts (für 2013 anteilig). Bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bis zum 31.03. des Folgejahres ist diese Gratifikation in voller Höhe zurück zu zahlen."

Die Klägerin erhielt im November 2014 ein "Weihnachtsgeld" in Höhe von 1.560,00 € brutto. Zu einem späteren, nicht aktenkundigen Datum kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.03.2015. Im Rahmen der Gehaltsabrechnung für März 2015 zog die Beklagte 1.245,27 € netto aufgrund einer Nachberechnung des Gehalts für November 2014 ab. In dieser Nachberechnung brachte sie das gezahlte Weihnachtsgeld in Abzug mit der Folge, dass der Klägerin rückwirkend im November 2014 kein Weihnachtsgeld gezahlt wurde.

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin die hiesige Klage u.a. auf Zahlung von Weihnachtsvergütung in Höhe von 1.560,00 € brutto erhoben. Die im Arbeitsvertrag enthaltene Klausel benachteilige die Klägerin unangemessen und sei deshalb unwirksam gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie erfasse nach ihrem Wortlaut jede vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, Ziff. 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages entspreche der für rechtswirksam beurteilten Rückforderungsklausel im Urteil des BAG vom 18.01.2012 - 10 AZR 667/10. Das arbeitsvertraglich geregelte Weihnachtsgeld sei eine Belohnung für Betriebstreue und habe keinen Entgeltcharakter.

Wegen des weiteren unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 11.02.2016 - 5 Ca 192/15 - Seite 2 bis 5 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Rosenheim hat in dem vorstehend genannten Urteil die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.245,27 € netto zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Widerklage der Beklagten hat es die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 1.560,00 € brutto zu zahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht Rosenheim ausgeführt, dass Ziff. 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags nach § 307 Abs. 1 BGB wirksam sei. Eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin scheide aus, weil das Weihnachtsgeld nicht als Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung gezahlt worden sei, sondern die Betriebstreue habe belohnen sollen. Weder aus dem Arbeitsvertrag noch dem sonstigen Vorbringen der Klägerin ergäben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass durch die Weihnachtsgratifikation bereits erbrachte Arbeitsleistung vergütet worden sei. Eine Einschränkung der Klausel für Fälle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die nicht in der Sphäre des Arbeitnehmers lägen, sei nicht erforderlich. Die Rückzahlung sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der Arbeitsvertrag durch eine betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung ende und der Arbeitnehmer deshalb keinerlei Einfluss auf die Kündigung habe.

Gegen dieses, ihr am 20.05.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.06.2016 Berufung beim Landesarbeitsgericht München eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.08.2016 am 16.08.2016 begründet.

Die Klägerin hält ihre Auffassung aufrecht, wonach Ziff. 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstelle, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht worden sei. Ob der Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergüten oder sonstige Zwecke verfolgen wolle, sei durch Auslegung der vertraglichen Bestimmungen zu ermitteln. Die streitige Klausel habe Vergütungscharakter, weil der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag keine weiteren Angaben dazu gemacht habe, dass er die Betriebsdauer (richtig wohl: Beschäftigungsdauer) oder die zukünftige Betriebstreue honorieren wolle. Zudem unterscheide die arbeitsvertragliche Rückzahlungspflicht nicht danach, ob das Beendigungsereignis der Sphäre des Arbeitnehmers oder der Sphäre des Arbeitgebers entspringe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 11.02.2016, Az. 5 Ca 192/15 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.560,00 € brutto (Weihnachtsgeld) nebst Verzugszinsen in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, und schließt sich dem erstinstanzlichen Urteil an.

Ziff. 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrages beinhalte eine Belohnung für Betriebstreue, was aus der Bezeichnung als "freiwillige Weihnachtsgratifikation" und durch den Gesamtzusammenhang der Regelung deutlich werde.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 16.08.2016 (Bl. 208 - 210 d. A.), den Schriftsatz der Beklagten vom 07.09.2016 (Bl. 217 -218 d. A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2017 (Bl. 227 - 229 d. A.) Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) ArbGG statthaft und formund fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO.

II.

Die Berufung ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung ihrer Vergütung für März 2015 gemäß § 611 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag und auf Zahlung der Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Die Beklagte war aus keinem Rechtsgrund berechtigt, von der Klägerin die Rückzahlung des im November 2014 gezahlten Weihnachtsgeldes zu verlangen. Die Regelung in Ziff. 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Eine Rückforderung scheidet gleichfalls nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB aus, da das Weihnachtsgeld aufgrund vertraglicher Regelung in Ziff. 5 Abs. 5 Satz 1 des Arbeitsvertrages gezahlt worden ist.

1. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Weihnachtsgratifikation nach Ziff. 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrages zurückzufordern. Die Regelung ist nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

a) Bei Ziff. 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrages handelt es sich unstreitig um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Im Übrigen findet § 307 BGB gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB Anwendung.

b) Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Maßgeblich ist dabei, ob die gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt. Die Frage, ob eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders vorliegt, ist auf der Grundlage einer Abwägung der berechtigten Interessen der Beteiligten zu beantworten. Hierbei ist das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung der Klausel mit dem Interesse des Vertragspartners an der Ersetzung der Klausel durch das Gesetz abzuwägen. Bei dieser wechselseitigen Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner, bei der auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten sind, ist ein genereller, typisierender Maßstab anzulegen (vgl. BAG, Urteil vom 24.10.2007 - 10 AZR 825/06 - NZA 2008, 40, Rn. 23 m.w.N., vgl. BAG, Urteil vom 18.01.2012 - 10 AZR 612/10 - NZA 2012, 561, Rn. 19 m.w.Nachw.).

Zu den Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gehören auch die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung nach den §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, dass mit Sonderzahlungen verbundene einzelvertragliche Stichtags- und Rückzahlungsklauseln einen Arbeitnehmer nicht in unzulässiger Weise in seiner durch Art. 12 GG garantierten Berufsfreiheit behindern dürfen und insoweit einer Inhaltskontrolle durch die Arbeitsgerichte gemäß § 307 BGB unterliegen (vgl. BAG, Urteil vom 24.10.2007, a.a.O., Rn. 24 m.w.N., BAG, Urteil vom 18.01.2012 - 10 AZR 612/10 -, a.a.O., Rn. 20 m.w.Nachw.).

c) Nach der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte zu § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB muss eine Rückzahlungsverpflichtung von Weihnachtsgratifikation danach unterscheiden, ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in den Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers fällt (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.07.2011 - 16 Sa 607/11 - NZA-RR 2011, 630; LAG München, Urteil vom 26.05.2009 - 6 Sa 1135/08 - BeckRS 2009, 67470; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.07.2007 - 6 Sa 315/07 - BeckRS 2007, 47223). Andernfalls bestehe keine sachliche Grundlage für die Erstattung der Weihnachtsgratifikation durch den Arbeitnehmer. Die Weihnachtsgratifikation stelle, sofern eine Rückzahlungsverpflichtung bei vorzeitigem Ausscheiden mit ihr verbunden sei, nicht lediglich der Belohnung erbrachter, sondern auch einen Anreiz zu weiterer Betriebstreue dar. Mit ihr sollen die Arbeitnehmer auch künftig für eine bestimmte Zeit an den Betrieb gebunden werden. Sehe in derartigen Fällen eine Arbeitsvertragsklausel eine Rückzahlungsverpflichtung auch für den Fall einer vor Ablauf der Vertragsbindungsfrist ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber vor, habe es der Arbeitnehmer nicht mehr in der Hand, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen (vgl. LAG München, Urteil vom 26.05.2009, a.a.O.; ihm folgend LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.07.2011, a.a.O.). Aufgrund dieses "Investitionscharakters" der Weihnachtsgratifikation sei es auch gerechtfertigt, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Rückzahlungsverpflichtung bei Fortbildungskosten auf die Rückzahlungsverpflichtung bei Weihnachtsgratifikationen zu übertragen. Das Bundesarbeitsgericht schließe die Rückzahlung von Ausbildungskosten bei betriebsbedingter Kündigung des Arbeitgebers aus. Hätte auch der betriebstreue Arbeitnehmer bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus betrieblichen und damit aus dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers begründeten Umständen die Betriebsausgaben für seine Aus- und Weiterbildung zu erstatten, belaste man ihn mit fehlgeschlagenen Investitionen. Diese Überlegung gelte in gleicher Weise bei Zahlung von Weihnachtsgratifikationen (vgl. LAG München, Urteil vom 26.05.2009, a.a.O.; LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.07.2011, a.a.O.). Eine unangemessene Benachteiligung komme darüber hinaus vor allem in Fällen in Betracht, in denen der Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutz habe. In diesen könne sich der Arbeitgeber ohne Angabe von Gründen unter Einhaltung der Kündigungsfrist vor dem Stichtag lösen und die Verpflichtung zur Rückzahlung der Gratifikation begründen. Sei aber eine objektive Fallgestaltung denkbar, die zur Unangemessenheit führe, sei eine auf die undifferenzierte "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" abstellende Klausel unwirksam (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.07.2007, a.a.O.; LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.07.2011, a.a.O.).

Dieser Rechtsprechung ist aus den genannten Gründen zu folgen. Es stellt einen Wertungswiderspruch dar, wenn der betriebstreue Arbeitnehmer eine ihm aus Gründen geübter und erwarteter Betriebstreue gezahlte Weihnachtsgratifikation zurückzahlen müsste. Eine derart weit gefasste, undifferenzierte Rückzahlungsklausel in einem vorformulierten Arbeitsvertrag liefe auch dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 2 BGB zu wider, weil der Arbeitgeber eines Kleinbetriebes im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG ohne gerichtliche Überprüfung durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Stichtag die Voraussetzung zur Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers herbeiführen könnte. Eine solche Klausel würde im Ergebnis zu einer ungerechtfertigten Erschwerung des durch Art. 12 GG geschützten Kündigungsrechts des Arbeitnehmers führen, weil der Arbeitnehmer auch bei einem gravierenden Fehlverhalten des Arbeitgebers von einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB im Hinblick auf die andernfalls zurückzuzahlende Weihnachtsgratifikation abgehalten werden könnte. Im Übrigen betraf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.03.2007 - 10 AZR 261/06 - einen anderen Sachverhalt. Der dortige Kläger wurde verpflichtet, "die Sonderzahlung zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem 30.06. des Folgejahres aus Gründen endet, die der Angestellte zu vertreten hat oder aufgrund eigener Kündigung ausscheidet."

Da auch die streitgegenständliche Regelung in Ziff. 5 Abs. 5 Satz 2 des Arbeitsvertrages nicht danach differenziert, ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Klägerin zu verantworten ist, ist sie gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

d) Darüber hinaus darf nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine freiwillig gezahlte Gratifikation dann nicht mit einem Rückzahlungsvorbehalt verbunden werden, wenn es sich auch um Entgelt für eine bereits erbrachte Arbeitsleistung handelt und sie vom Arbeitnehmer durch die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung verdient worden ist (vgl. BAG, Urteil vom 18.01.2012 - 10 AZR 612/10 - a.a.O., Rn. 22; Urteil vom 18.01.2012 - 10 AZR 667/10 - NZA 2012, 620, Rn. 9; siehe auch BAG, Urteil vom 13.05.2015 - 10 AZR 266/14 - NZA 2015, 992, Rn. 15). Eine solche Klausel steht im Widerspruch zu § 611 BGB. Sie entzieht dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn und erschwert unzulässig die Ausübung des Kündigungsrechts. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer Lohn für geleistete Arbeit ggf. vorzuenthalten zu können, ist nicht ersichtlich (vgl. BAG, Urteil vom 18.01.2012 - 10 AZR 612/10 - a.a.O., Rn. 23).. Der Wert der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber hängt von ihrer Qualität und vom Arbeitserfolg ab, regelmäßig jedoch nicht von der reinen Verweildauer des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis. Die Belohnung zunehmender Beschäftigungsdauer als solcher steht nicht in einem Verhältnis zur Qualität und zum Erfolg der Arbeitsleistung. Die einmal erbrachte Arbeitsleistung gewinnt auch regelmäßig nicht durch bloßes Verharren des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis nachträglich an Wert (vgl. BAG, Urteil vom 13.05.2015, a.a.O.).

Für die Frage, ob eine Sonderzahlung auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, sind die vom Arbeitgeber mit einer Sonderzahlung verfolgten Zwecke durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zu ermitteln (vgl. BAG, Urteil vom 18.01.2012, a.a.O., Rn. 15). Dabei ist der Vergütungscharakter eindeutig, wenn die Sonderzahlung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele geknüpft ist. Macht die Zahlung einen wesentlichen Anteil der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers aus, handelt es sich gleichfalls regelmäßig um Arbeitsentgelt, das als Gegenleistung zur erbrachten Arbeitsleistung geschuldet wird. Wird die Zahlung erbracht, ohne dass weitere Anspruchsvoraussetzungen vereinbart sind, spricht dies ebenfalls dafür, dass die Sonderzahlung als Gegenleistung für die Arbeitsleistung geschuldet wird (vgl. BAG, Urteil vom 13.05.2015, a.a.O., Rn. 13 m.w.N.). Will der Arbeitgeber andere Zwecke als die Vergütung der Arbeitsleistung verfolgen, muss sich dies deutlich aus der zugrundeliegenden Vereinbarung ergeben. So können Sonderzahlungen als Treueprämie erwiesene oder als "Halteprämie" künftige Betriebstreue honorieren; der Arbeitgeber kann aber auch den Zweck verfolgen, sich an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen seiner Arbeitnehmer zu beteiligen. Ist die Honorierung künftiger Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Sonderzuwendung nur bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über einen Stichtag hinaus bis zum Ende eines dem Arbeitnehmer noch zumutbaren Bindungszeitraumes gezahlt wird oder der Arbeitnehmer diese zurückzuzahlen hat, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf zumutbarer Bindungsfristen endet. Ist die Honorierung erwiesener Betriebstreue bezweckt, wird dies regelmäßig dadurch sichergestellt, dass die Zahlung der Sonderzuwendung vom (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag abhängig gemacht wird. Ein weiteres Merkmal derartiger Zahlungen ist, dass sie nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängen (vgl. BAG, Urteil vom 13.05.2015, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.).

Die danach gebotene Auslegung des Vertrags ergibt, dass die der Klägerin im November 2015 gezahlte Weihnachtsgratifikation auch Entgeltcharakter hat mit der Folge, dass sie nicht nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB mit einem Rückzahlungsvorbehalt verbunden werden durfte.

Zwar legt der Begriff "Weihnachtsgratifikation" nahe, dass damit ein Beitrag des Arbeitgebers zu den erhöhten Weihnachtsaufwendungen des Arbeitnehmers zugesagt werden sollte, eindeutig ist dies für sich genommen jedoch nicht (vgl. BAG, Urteil vom 18.01.2012, a.a.O., Rn. 18). Die Bezeichnung als "freiwillig" bringt dabei lediglich zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber nicht bereits durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zur Zahlung verpflichtet ist. Sie schließt einen Rechtsanspruch auf die Leistung nicht aus (vgl. BAG, Urteil vom 13.05.2015, a.a.O., Rn. 22).

Die Zahlung der "freiwilligen Weihnachtsgratifikation" in Ziff. 5 Abs. 5 Satz 1 des Arbeitsvertrags ist nicht an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Es heißt dort lediglich, dass "der Mitarbeiter" eine freiwillige Weihnachtsgratifikation "erhält". Im Unterschied zu der Vertragsgestaltung, die dem Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 18.01.2012 - 10 AZR 667/10 - zugrunde lag, verdeutlicht der weitere vertragliche Zusammenhang der Regelung nicht, dass die zugesagte Weihnachtsgratifikation keinen Vergütungscharakter haben sollte. Es fehlt die dortige (ergänzende) Zweckbestimmung wie "Treueprämie" oder "in Anerkennung Ihrer geleisteten und in Erwartung Ihrer künftigen Betriebstreue". Zudem stehen die Regelungen zur Weihnachtsgratifikation in Ziff. 5 des Arbeitsvertrags, der allgemein mit "Vergütung" überschrieben ist, nicht aber etwa in Ziff. 6 "Weitere Vereinbarungen" oder in einer eigenen Ziffer. "Vergütung" wird nach der gesetzlichen Regelung in § 611 Abs. 1 BGB für die "Leistung der versprochenen Dienste" gezahlt. Auch systematisch kommt danach nicht zum Ausdruck, dass die Weihnachtsgratifikation "zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt" gezahlt werden sollte, wie dies etwa § 4 a EFZG für Sondervergütungen voraussetzt. Für die Annahme eines Entgeltcharakters der Weihnachtsgratifikation spricht zudem die in Ziff. 5 Abs. 5 Satz 1 des Arbeitsvertrages geregelte anteilige Zahlung für unterjährig eintretende Mitarbeiter (vgl. BAG, Urteil vom 13.11.2013 - 10 AZR 848/12 - NZA 2014, 368, Rn. 20; anders aber BAG, Urteil vom 18.01.2012 - 10 AZR 667/10 - a.a.O., Rn. 18). Darüber hinaus ist aus einer unwirksamen Rückzahlungsklausel zu folgern, dass dann auch der damit verfolgte Zweck, nämlich die Honorierung von Betriebstreue, nicht mehr anzuerkennen ist (vgl. BAG, Urteil vom 10.12.2008 - 10 AZR 15/08 - NJW 2009, 1369, Rn. 15). Wie vorstehend ausgeführt, ist die vorliegende Rückzahlungsklausel nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

2. Die Beklagte war zudem nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB berechtigt, die der Klägerin im November 2015 gezahlte Weihnachtsgratifikation zurückzufordern. Die Klägerin hatte nach Ziff. 5 Abs. 5 Satz 1 des Arbeitsvertrages Anspruch auf Zahlung der Weihnachtsgratifikation, weil dieser davon abhängig war, dass der Berechtigte "Mitarbeiter" ist. Zwischen den Parteien bestand im November 2014 unstreitig ein Arbeitsverhältnis.

3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB. Die Klage wurde der Beklagten am 23.04.2015 zugestellt.

4. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen war die Widerklage der Beklagten, mit der sie die Rückzahlung der Weihnachtsgratifikation als Brutto- und hilfsweise als Nettobetrag begehrt hat, unbegründet.

III.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG zu tragen.

IV.

Es bestand kein Grund nach § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision für die Beklagte zuzulassen.