VG Düsseldorf, Urteil vom 31.03.2003 - 23 K 6190/00
Fundstelle
openJur 2011, 24250
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der am 00. Oktober 1931 geborene Kläger stand bis zu seiner Emeritierung zum 28. Februar 1997 als Professor (Besoldungsgruppe C 04) im Dienst des beklagten Landes. Im Zusammenhang mit dem Ehescheidungsverfahren des Klägers, in dem das Amtsgericht E seit 1996 den Versorgungsausgleich durchführte, wurde dem dafür zuständigen Sachbearbeiter des Landesamtes für Besoldung und Versorgung NRW (LBV) durch die erteilten Rentenauskünfte der Bundesanstalt für Besoldung und Versorgung (BfA) bekannt, dass dem Kläger eine Anwartschaft auf eine Vollrente wegen Alters zustand. Mit Schreiben vom 27. Februar 1997, das von einem anderen Sachbearbeiter verfasst wurde, teilte das LBV dem Kläger die Höhe seiner künftigen Dienstbezüge mit und unterrichtete ihn gleichzeitig über die Anwendung der versorgungsrechtlichen Vorschriften bei entpflichteten Hochschullehrern. Dabei wurde der Kläger unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 55 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) auch auf die Verpflichtung hingewiesen, den Bezug bzw. die Bewilligung von Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzuzeigen. Erstmals in der von ihm am 10. Juli 1999 abgegebenen sog. Jahreserklärung zeigte der Kläger an, eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu beziehen. Im Zuge der durch das LBV daraufhin eingeleiteten Überprüfung zur Höhe der Emeritenbezüge legte der Kläger den Rentenbescheid der BfA vom 27. Februar 1998 vor. Danach erhielt er auf seinen Antrag vom 12. Januar 1998 seit dem 1. Januar 1998 eine Regelaltersrente in Höhe von bezogen auf den 1. April 1998 von 1.607,56 DM monatlich.

Mit Regelungs- und Rückforderungsbescheid vom 8. November 1999 regelte das LBV die Zahlung der Emeritenbezüge mit Wirkung vom Beginn des Rentenanspruchs d.h. ab dem 1. März 1997 neu und forderte gleichzeitig für die Zeit vom 1. März 1997 - 30. November 1999 einen Betrag von 46.412,06 DM unter dem Angebot einer Ratenzahlungsvereinbarung zurück. Hinsichtlich der Berechnung des Rückforderungsbetrages wird auf die dem Bescheid beigefügte Berechnung verwiesen.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 30. November 1999 legte der Kläger gegen diesen Bescheid am 2. Dezember 1999 Widerspruch ein, der mit Schriftsatz vom 8. Juni 2000 unter Berufung auf § 814 BGB begründet wurde. Die Zuvielzahlung könne nicht zurückverlangt werden, da das LBV spätestens seit Oktober 1996 auf Grund der Beteiligung an dem in dem Ehescheidungsverfahren durchgeführten Versorgungsausgleich von dem Rentenanspruch des Klägers gegenüber der BfA gewusst habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2000, der am 15. August 2000 als Einschreiben zur Post aufgegeben wurde, wies das LBV diesen Widerspruch zurück. Die Ruhensvorschrift des § 55 BeamtVG sei auch dann anzuwenden, wenn eine zustehende Rente nicht oder verspätet beantragt werde. Der Kläger sei in dem Bescheid vom 27. Februar 1997 auf seine Anzeigepflicht ausdrücklich hingewiesen worden. Die im Rahmen des Versorgungsausgleichsverfahrens im Jahr 1996 bekannt gewordene Auskunft der BfA habe sich nur auf eine Rentenanwartschaft bezogen; sie sage über den Beginn und die Höhe der tatsächlichen Rentenzahlung nichts aus.

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben am 18. September 2000 Klage erhoben und zur Begründung mit Schriftsatz vom 4. Januar 2001 ihr bisheriges Vorbringen vertiefend wiederholt.

Der Kläger beantragt,

den Regelungs- und Rückforderungsbescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung vom 8. November 1999 und den Widerspruchsbescheid vom 11. August 2000 insoweit aufzuheben, als darin ein Betrag von 46.412,06 DM zurückgefordert worden ist.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Zahlung von Versorgungsbezügen stünden immer unter einem immanenten gesetzlichen Vorbehalt. Im Übrigen verweist das LBV auf den Inhalt seiner angefochtenen Bescheide.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Die ausgesprochene Rückforderung findet ihre Rechtsgrundlage in der Regelung des § 52 Abs. 2 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG). Danach regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung.

Hinsichtlich des Betrages von 46.412,06 DM, der sich aus den dem Bescheid vom 8. November 1999 beigefügten Berechnungsbogen ergibt, ist es zu einer (fiktiven) Zuvielzahlung an den Kläger gekommen. Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG werden Versorgungsbezüge neben Renten nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenze gezahlt. Die in dem Berechnungsbogen des Bescheides vom 8. November 1999 durchgeführte Berechnung für den Zeitraum vom 1. März 1997 bis 30. November 1999 entspricht diesen gesetzlichen Vorgaben. Sie wird auch von dem Kläger nicht in ihrem Rechenwerk angegriffen. Bezüglich der Darstellung des Rechengangs wird daher auf den Berechnungsbogen Bezug genommen.

Der Kläger wendet sich allerdings gegen die fiktive Anrechnung seiner Rente für den Zeitraum eines möglichen Rentenbezugs bis zum Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Gewährung. Die für diesen Zeitraum von März 1997 bis November 1999 erfolgte (fiktive) Anrechnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG, wonach für den Fall, dass eine Rente nicht beantragt wird, an die Stelle der Rente der Betrag tritt, der von dem Leistungsträger ansonsten zu zahlen wäre.

Dieser Fall ist vorliegend gegeben, denn der Kläger hat ausweislich des vorliegenden Rentenbescheides erst am 12. Januar 1998 seinen Rentenantrag bei der BfA gestellt, obgleich er bereits mit Vollendung seines 65. Lebensjahres am 15. Oktober 1996 berechtigt war, eine Altersrente zu beziehen (vgl. § 35 SGB VI). Für das Verfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung gilt das Antragsprinzip ( vgl. § 19 SGB IV, § 115 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). In diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, dass Rentenversicherte, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, gem. § 109 Abs. 1 Satz 1 SGB VI von Amts wegen eine Auskunft über die Höhe der Anwartschaft, die ihnen ohne weitere rentenrechtliche Zeiten als Regelaltersrente zustehen würde. Diese Regelung dient auch dazu, dem Rentenberechtigten rechtzeitig vor Eintritt der Rentenberechtigung eine Abklärung seines Rentenanspruchs zu ermöglichen und die erforderlichen Anträge für einen Rentenbezug zu stellen. Der Zeitpunkt der Rentenantragstellung liegt in der Hand des Berechtigten. Dass er einen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente hatte, war dem Kläger auch aus den Angaben der BfA in dem in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit seiner Emeritierung ab Oktober 1996 laufenden Scheidungsverfahren bekannt. Durch die bei den beigezogenen Verwaltungsvorgängen befindliche Auskunft der BfA vom 20. September 1996 war dem Kläger auch unabhängig von der in späteren Auskünften der BfA erfolgten Korrektur der Berechnungen zumindest dem Grunde nach bekannt, dass er einen Anspruch auf eine Altersrente hatte. Den erforderlichen Rentenantrag hat der Kläger jedoch nicht rechtzeitig gestellt. Für die Frage der fiktiven Rentenanrechnung gem. § 55 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG ist es jedoch unmaßgeblich, aus welchen Gründen der Versorgungsempfänger das Altersruhegeld nicht zum Zeitpunkt des 65. Lebensjahres gestellt hat. Die fiktive Rente wird nach dem Rentenbetrag berechnet, der dem Versorgungsempfänger zustünde, wenn er bei Erreichung der rentenrechtlichen Altersgrenze den erforderlichen Rentenantrag auf das Altersruhegeld (rechtzeitig) gestellt hätte.

Das LBV ist auch trotz seiner positiven Kenntnis, die es über die Anwartschaft des Klägers auf eine Anwartschaft auf Vollrente wegen Alters aus der Beteiligung im eherechtlichen Versorgungsausgleichsverfahren vor dem Amtsgericht E ab Oktober 1996 gewonnen hat, nicht an der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs gehindert. Unter Berufung auf § 814 Alt. 1 BGB, wonach das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, erhebt der Kläger den Einwand der unzulässigen Geltendmachung des Rückforderungsbegehrens.

Ob § 814 Alt. 1 BGB in entsprechender Anwendung überhaupt im Bereich des § 52 Abs. 2 BeamtVG - und ebenso bei § 12 Abs. 2 BBesG - anzuwenden ist, ist endgültig nicht geklärt. Das Bundesverwaltungsgericht hat bisher hierzu nicht abschließend Stellung genommen. In seinem Beschluss vom 10. März 1980

Beschluss vom 10. März 1980 - 6 B 5.79 -, ZBR 1981, 125

hat es die Frage zwar angesprochen, jedoch letztlich offen gelassen. In der Literatur wird die Anwendung des § 814 BGB verneint.

Fürst u.a., GKÖD, III K § 12 Rdnr. 10 mit der Begründung auf die andersartige Interessenabwägung im Privatrecht; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 5. Auflg. 2001 Rdnr. 704 mwN., der allerdings eine Kenntnis der Behörde unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB einzelfallbezogen berücksichtigen will; Schütz u.a., Beamtenrecht (Kommentar), § 52 BeamtVG, Rdnr. 4; Stegmüller u.a., Beamtenversorgungsgesetz (Kommentar), § 52 Erl. 6. 1.2

Ohne zu der Streitfrage grundsätzlich Stellung nehmen zu nehmen, hat das Oberverwaltungsgericht NRW (OVG NRW) die Anwendung des § 814 Alt. 1 BGB gegenüber einem Rückforderungsbegehren mit der Begründung für möglich gehalten. Die in dieser Vorschrift enthaltene Interessenabwägung sei nicht speziell auf eine im Privatrechtsverhältnis bestehende Interessenlage zugeschnitten, sondern sei eine allgemeine Ausprägung des auch öffentlichrechtliche Rechtsbeziehungen durchdringenden Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Anwendung der Vorschrift geht das OVG NRW dabei bezüglich des Merkmals der positiven Kenntnis davon aus, dass auf die Kenntnis desjenigen Bediensteten abzustellen ist, dessen Willensentschließung für das Bewirken der Leistung entscheidend war.

Urteil vom 2. August 2001 - 1 A 3262/99 -, Schütz a.a.O. ES/C V 5 Nr. 39.

Folgt man der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts NRW, so führt die danach vorzunehmende Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben gleichwohl nicht zu einem Fortfall des Rückforderungsanspruchs. Denn der Kläger hatte durch die Auskünfte der BfA und das im Rahmen seines Ehescheidungsverfahrens durchgeführten Versorgungsausgleichsverfahren in weit höherem Maße als das LBV positive Kenntnis von seinen Rentenansprüchen. Ein im Sinne einer Abwägung schutzwürdigeres Interesse kann der Kläger daher für sich nicht in Anspruch nehmen. Hinzukommt, dass das Schreiben vom 27. Februar 1997, mit dem der Kläger über die Höhe seiner künftigen Versorgungsbezüge unterrichtet worden ist, nicht von demselben Sachbearbeiter bei dem LBV bearbeitet worden ist, der auch die Auskünfte über die Versorgungsansprüche gegenüber dem Amtsgericht E erteilt hat. Von einer positiven Kenntnis des Sachbearbeiters, der für die Versorgungsbezüge des Klägers zuständig war bezüglich seines bestehenden Rentenanspruchs ist daher nicht auszugehen.

Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Fortfall der Bereicherung berufen. Denn im Hinblick auf den gesetzlichen Vorbehalt, unter dem die von ihm bezogenen Versorgungsleistungen stehen, scheidet dies aus Rechtsgründen aus. Auf den (gesetzesimmanenten) Vorbehalt der Versorgungsleistungen in Bezug auf daneben bestehende Rentenansprüche ist der Kläger durch die in dem Schreiben vom 27. Februar 1997 aufgeführten Anzeigepflichten hingewiesen worden. Gegenüber dem Rückforderungsbegehren der Beklagten haftet der Kläger gem. §§ 820 Abs. 1 Satz 2 und 818 Abs. 4 BGB verschärft,

vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1992, a.a.O.

sodass es auf einen möglichen Fortfall der Bereicherung wegen umfangreicher Reisetätigkeit nicht ankommt.

Die Beklagte hat auch eine den Erfordernissen des § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG genügende Billigkeitsentscheidung getroffen.

Bei der gerichtlichen Überprüfung der Billigkeitsentscheidung ist auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also in der Regel auf den Erlass des Widerspruchsbescheides abzustellen. Dabei gilt, dass die Billigkeitsentscheidung die Aufgabe hat, eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare, für den Bereicherten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie soll der besonderen Lage des Einzelfalls Rechnung tragen, die formale Strenge des Besoldungs- und Versorgungsrechts auflockern und Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sein und sich als sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung auswirken. darüber hinaus sind auch sonstige Gesichtspunkte zu beachten, insbesondere die Frage, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maß ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Dabei ist allerdings nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen; vielmehr ist auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihrer Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse des Bereicherungsschuldners abzustellen. Daher kommt es nicht entscheidend auf die Lage des Beamten in dem Zeitraum, für den die Überzahlung geleistet worden ist, sondern auf dessen Lage im Zeitpunkt der Rückabwicklung an.

vgl. BVerwG, Urteile vom 8. Oktober 1998 - 2 C 21.97-, NVwZ-RR 1999, 387 und vom 21. Oktober 1999 - 2 C 27.98 -, BVerwGE 109, 357.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Billigkeitsentscheidung der Beklagten ermessensfehlerfrei ergangen. Das in dem Bescheid vom 8. November 1999 enthaltene Angebot eines von dem Kläger zu bestimmenden Rückzahlungsmodus genügt den Anforderungen an eine ermessensgerechte Billigkeitsentscheidung. Es ist nichts dafür ersichtlich und auch insoweit nichts vorgetragen, dass der Kläger durch die ratenweise Rückzahlung in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Regelung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.