OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.05.2003 - 1 A 2150/00
Fundstelle
openJur 2011, 23850
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die am 19. Juni 1970 geborene Klägerin trat im August 1988 als Dienstleistungsfachkraft in den Postdienst ein und wurde zum 23. Juni 1990 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Postoberschaffnerin zur Anstellung ernannt. Sie wurde zunächst in der Briefzustellung eingesetzt. Nach Ablauf der laufbahnrechtlichen Probezeit und Feststellung ihrer Eignung wurde sie mit Wirkung vom 1. Juli 1991 zur Postoberschaffnerin ernannt und in eine nach BesGr. A 3 BBesO bewertete Planstelle eingewiesen. Am 8. September 1993 wurde die Klägerin zur Posthauptschaffnerin befördert.

Die Klägerin leidet seit 1990 an Morbus Crohn. Mit Bescheid des Versorgungsamtes L. vom 21. Januar 1992 ist sie in Folge der Erkrankung mit Wirkung vom 1. November 1991 als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 vom Hundert anerkannt. Nachdem es im Jahre 1991 krankheitsbedingt zu erheblichen Fehlzeiten gekommen war, folgte eine erste arbeitsmedizinische Untersuchung. Der Postbetriebsarzt D. kam unter dem 3. Januar 1992 u.a. zu folgenden Feststellungen:

"Keine gesundheitlichen Bedenken unter bestimmten Voraussetzungen. Aus gesundheitlichen Gründen ist es dringend erforderlich, der Untersuchten einen festen Zustellbezirk für zunächst 12 Monate zuzuordnen.

Eine Nachuntersuchung in 12 Monaten wird empfohlen."

Die Nachuntersuchung am 25. September 1992 ergab:

"Keine gesundheitlichen Bedenken unter bestimmten Voraussetzungen.

Eine Nachuntersuchung in 6 Monaten wird empfohlen.

Ein personengebundener Zuschlag von nur 10 % ist im vorliegenden Fall aus betriebsärztlicher Sicht absolut unzureichend."

Unter dem 7. Januar 1993 führte der Postbetriebsarzt D. aus:

"Befristete gesundheitliche Bedenken.

Eine Nachuntersuchung in 3 Monaten wird empfohlen."

In der Anlage zur Nachuntersuchung hieß es:

"1. Bei Zustand nach einer Operation darf die Untersuchte für zunächst drei Monate keine schwere körperliche Arbeit verrichten.

2. Frau I. benötigt aus medizinischer Sicht dringend einen festen, behindertengerechten Bezirk und einen mindestens 20 %igen personengebundenen Zuschlag.

3. Bis zur Bereitstellung des oben beschriebenen Bezirks ist keine Zustellung möglich, daher muss die Untersuchte solange im Innendienst beschäftigt werden."

Eine Untersuchung am 26. April 1993 führte zu folgenden Feststellungen des Postbetriebsarztes:

"Keine gesundheitlichen Bedenken unter bestimmten Voraussetzungen.

Versuchsweise ist ein Einsatz in einem behindertengerechten Zustellbezirk möglich. Ein personengebundener Zuschlag von mindestens 20 % ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich!"

Unter dem 8. September 1993 bescheinigte das Klinikum M. der Klägerin, dass sie in Folge der Erkrankung nicht mehr in der Lage sei, auf dem Fahrrad zu sitzen und Fahrrad zu fahren. Nachdem es erneut zu erheblichen krankheitsbedingten Ausfallzeiten gekommen war, wurde am 26. April 1994 eine weitere Untersuchung von dem Postbetriebsarzt D. durchgeführt. Dieser traf u.a. folgende Feststellungen:

"Die/Der Untersuchte ist aus medizinischer Sicht nicht dienstunfähig. Es ist zu erwarten, dass volle Dienstfähigkeit innerhalb des gesetzlich bestimmten Zeitraums wieder erlangt wird (§ 42 Abs. 1 Satz 2 BBG)".

In einer Anlage hieß es dazu erläuternd:

"Frau I. kann nicht in der Zustellung mit Fahrrad eingesetzt werden. Ein Einsatz in einem verkleinerten, behindertengerechten Fußbezirk erscheint aus betriebsärztlicher Sicht nach wie vor unbedenklich.

Die neu aufgekommenen Fehlzeiten sind auf die anerkannte Schwerbehinderung zurückzuführen."

Nach einem (weiteren) Personalgespräch, in dem wiederum krankheitsbedingte Ausfallzeiten der Klägerin in Rede standen, erfolgte am 13. Oktober 1995 eine neue Dienstunfähigkeitsuntersuchung. Der Postbetriebsarzt D. führte u.a. aus:

"Der Untersuchte ist aus medizinischer Sicht nicht dienstunfähig. Es ist zu erwarten, dass die volle Dienstfähigkeit innerhalb des gesetzlich bestimmten Zeitraums wieder erlangt wird (§ 42 Abs. 1 Satz 2 BBG)."

Unter dem 8. November 1995 teilte der behandelnde Arzt Prof. Dr. N. dem Postbetriebsarzt D. mit:

"Bei Frau I. besteht ein ausgeprägter Morbus Crohn mit hoher Aktivität. Zurzeit arbeitsunfähig. Sobald die Erkrankung ausreichend kontrolliert ist, müsste auch die Dienstfähigkeit als Briefträgerin wieder möglich sein. Ich denke nicht, dass der Beruf des Briefträgers die Erkrankung nennenswert verschlimmert, auch nicht die Stresssituation, der die Briefträger ausgesetzt sind. Das Problem bei Frau I. besteht zurzeit darin, dass eine ausgesprochene Therapieresistenz vorliegt."

Unter dem 24. Mai 1996 bescheinigten die Vertrauensärzte Dr. T. und Dr. H. auf Anfrage der Beklagten, dass die Klägerin ab Samstag, den 25. Mai 1996 wieder dienstfähig sei. Aus Anlass einer weiteren längerfristigen krankheitsbedingten Abwesenheit der Klägerin führte der Postbetriebsarzt D. unter dem 2. Oktober 1996 eine Untersuchung durch und teilte im Ergebnis mit:

"Nicht dienstunfähig. Es ist zu erwarten, dass die volle Dienstfähigkeit innerhalb des gesetzlich bestimmten Zeitraums wieder erlangt wird (§ 42 Abs. 1 Satz 2 BBG)."

Ergänzend hieß es:

"1. Ich gehe von einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im laufenden Monat aus.

2. Frau I. sollte möglichst keinem Streß ausgesetzt werden.

3. Mittelfristig erscheint ein Einsatz beispielsweise als Bearbeiterin für unanbringbare Sendungen oder vergleichbares aus betriebsärztlicher Sicht sinnvoll."

Wegen der anstehenden Übernahme der Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit wurde der Vertragsarzt Dr. I. , ein Facharzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, im November 1996 um Untersuchung der Klägerin gebeten. In seiner Stellungnahme vom 18. Januar 1997 führte er aus:

"Bei Lage der Dinge halte ich in Übereinstimmung mit dem Vorgutachten von Herrn D. Frau I. für die Zustellung, d.h. für den Kernbereich des einfachen Dienstes, nicht geeignet. Gegen die weitere Ausübung der derzeitigen Tätigkeit im Innendienstbereich bestehen keine gesundheitlichen Bedenken."

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. Januar 1997 hieß es:

"In Ergänzung meines Schreibens vom 18.01.1997 halte ich Frau I. auf absehbare Zeit für den Kernbereich des einfachen Dienstes für dienstunfähig, die in diesem Schreiben erwähnte Gesundheitsstörung (Morbus Crohn) verläuft in Schüben und hat demnach auch häufige Ausfallzeiten zur Folge. Streß und Hektik können das Beschwerdebild verschlimmern und einen erneuten Schub auslösen, dazu muss Frau I. auf Grund der Natur der Erkrankung sehr häufig eine Toilette aufsuchen."

Die Beklagte entschied daraufhin, dass die Klägerin aus dem Dienst der Deutschen Post AG zu entlassen sei, eröffnete der Klägerin am 3. Februar 1997 diese Absicht und wies sie auf die Folgen einer Entlassung hin. Unter dem 4. Februar 1997 erklärte der Leiter der Niederlassung L. -Ost der Deutschen Post AG als unmittelbarer Dienstvorgesetzter, dass er die Klägerin auf Grund des postbetriebsärztlichen Gutachtens vom 27. Januar 1997 nach pflichtgemäßem Ermessen für dauernd unfähig halte, ihre Amtspflichten zu erfüllen. Im Rahmen des weiteren Verfahrens teilte die Klägerin nähere Einzelheiten zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen mit und reichte ein Attest ihres behandelnden Hausarztes Dr. L. -Q. vom 31. Januar 1997 ein, in dem es u.a. heißt:

"Frau Claudia I. hat sich nunmehr seit ca. 3 Monaten verstärkt in meine hausärztliche Behandlung begeben. Die medikamentöse Therapie wurde daraufhin umgestellt und die Kortisonmedikation deutlich reduziert. (...) Frau I. wurde darüber hinaus verstärkt über diätetische Maßnahmen bezüglich des Morbus Crohn aufgeklärt. Hierunter konnte eine deutliche Besserung der Beschwerdesymptomatik verzeichnet werden. Die Anzahl der Durchfälle ist deutlich zurück gegangen, der Allgemeinzustand der Patientin hat sich erheblich gebessert und die über Jahre durch erhöhten Leukozytenwerte befinden sich auf dem Weg der Normalisierung. Ich halte daher unter den oben genannten medikamentösen Umstellungen einen erneuten Arbeitsversuch aus meiner Sicht für aussichtsreich und würde die vom amtsärztlichen Kollegen ausgesprochene Arbeitsunfähigkeit zumindest für den Zeitraum der nächsten 6 Monate zurückstellen.

Die endgültige Arbeitsunfähigkeit würde ich abhängig machen vom Verlauf der Beschwerdesymptomatik und der Dauer möglicher Arbeitsunfähigkeit in den nächsten 6 Monaten."

Der Vertrauensmann der Schwerbehinderten legte gegen die beabsichtigte Entlassung unter dem 25. Februar 1997 Widerspruch ein. Die Hauptfürsorgestelle beim Landschaftsverband Rheinland führte in ihrer Stellungnahme vom 8. August 1997 aus, dass gegen die beabsichtigte Maßnahme keine Bedenken bestünden, zumal die Behinderte keine Einwendungen erhoben habe. Mit Stellungnahme vom 16. April 1997 lehnte die Generaldirektion der Deutschen Post AG eine Zurruhesetzung der Beamtin nach § 46 Abs. 2 BBG ab. Nachdem der Betriebsrat der Niederlassung Briefpost L. -Ost unter dem 13. Mai 1997 seine Zustimmung zur beabsichtigten Entlassung der Klägerin verweigert hatte, entschied der Arbeitsdirektor beim Vorstand der Deutschen Post AG nach § 29 Abs. 6 PostPersRG, dass keine Möglichkeit bestehe, von der Entlassung der Klägerin abzusehen. Die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost erhob unter dem 7. November 1997 gemäß § 16 BAPostG gegen die beabsichtigte Entlassung der Klägerin keine rechtlichen Bedenken.

Am 16. Mai 1997 wurde die Klägerin, die seit dem 9. Dezember 1996 ununterbrochen arbeitsfähig war und von der Beklagten dienstlich verwendet wurde, unter Hinweis auf die festgestellte Dienstunfähigkeit von ihrer Dienstleistungspflicht mündlich suspendiert. Mit Beschluss vom 8. Oktober 1997 stellte das Verwaltungsgericht L. auf Antrag der Klägerin fest, dass ihr Widerspruch gegen die Suspendierung wegen Dienstunfähigkeit aufschiebende Wirkung habe (VG L. - 15 L 1873/97 -).

Mit Verfügung vom 10. November 1997 entließ der Niederlassungsleiter der Niederlassung Briefpost L. -Ost die Klägerin unter Berufung auf § 31 Abs. 1 Nr. 3 BBG mit Ablauf des 31. Dezember 1997 wegen Dienstunfähigkeit aus dem Beamtenverhältnis auf Probe. Den hiergegen von der Klägerin unter dem 19. November 1997 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid des Niederlassungsleiters der Niederlassung Briefpost L. -Ost vom 8. Dezember 1997 zurück.

Auf Antrag der Klägerin stellte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. Dezember 1997 im Verfahren VG L. - 15 L 3991/97 - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin gegen die Entlassungsverfügung wieder her.

Am 7. Januar 1998 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, sie sei dienstfähig. Sie sei ohne Einschränkungen gesundheitlich in der Lage, sowohl Tätigkeiten im Kernbereich des einfachen Dienstes, als auch sämtliche anderen Tätigkeiten des einfachen Dienstes außerhalb des Kernbereichs ihrer Beschäftigungsbehörde wahrzunehmen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Entlassungsverfügung der Niederlassung Briefpost L. -Ost vom 10. November 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 1997 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Feststellungen des Dr. I. berufen und zur Stützung ihrer Ansicht eine weitere Stellungnahme des Betriebsarztes Dr. U. vom 31. März 1998 vorgelegt, die bestätige, dass die Klägerin dienstunfähig sei. In jenem Gutachten kommt Herr Dr. U. zu dem Ergebnis "Dauernde gesundheitliche Bedenken" und führt im Einzelnen aus, dass die Klägerin vollschichtig arbeiten könne. Sie sei in der Lage, ständig leichte Arbeiten in stehender, gehender und sitzender Körperhaltung auszuführen, mittelschwere Arbeiten jedoch nur 1-2 Stunden täglich. Heben oder Tragen von Lasten über 15 Kilogramm (ohne Hilfsmittel) und eine Reisetätigkeit seien ausgeschlossen. Herr Dr. U. führte im Ergebnis aus:

"In Folge des chronischen Charakters der vorliegenden entzündlichen Darmerkrankung mit weiterhin zu erwartenden Krankheitsschüben ist eine Eignung von Frau I. für den Kernbereich des einfachen Dienstes (Zustellung) nicht gegeben."

Er erläuterte die Einschätzung in den ergänzenden Angaben wie folgt:

"Trotz des erfreulicherweise aktuell andauernden Remissionszustandes muss mit einem chronisch rezidiven Krankheitsverlauf gerechnet werden. Hinzu kommt, daß schon zwei Jahre nach Diagnosestellung eine Darmteilresektion sowie im Verlauf weitere Operationen bei rez. auftretenden Fistel- und Abzeßbildungen als Ausdruck des schweren Krankheitsverlaufes erforderlich waren. Die Nichteignung für eine Zustelltätigkeit, d.h. für den Kernbereich des einfachen Diensten beruht auf den infolge des Krankheitsbildes prognostisch zu erwartenden Ausfallzeiten, analog resultiert hieraus eine Nichteignung für die Übernahme als Beamtin auf Lebenszeit."

Mit Beschluss vom 1. Februar 1999 hat das Verwaltungsgericht Beweis erhoben durch Einholung eines gastroenterologischen Gutachtens. Die Sachverständigen Prof. Dr. H. und Dr. L. haben in ihrem Gutachten vom 5. Mai 1999 im Wesentlichen ausgeführt:

"...

Zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung am 08.12.1997 war der Morbus Crohn nach Angaben von Frau I. in Remission und die Patientin beschwerdefrei. Objektivierbare ärztliche Befunde über den Gesundheitszustand am 08.12.1997 liegen nicht vor. Allerdings attestiert Herr Dr. U. in seinem Gutachten vom 31. 03.1998 einen objektiv und subjektiv guten Zustand mit anhaltender Remission!

Da sich Frau I. zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung am 08.12. 1997 in Remission befand, die Patientin war komplett beschwerdefrei und ohne eine Medikation seit nahezu 9 Monaten, ergeben sich aus der Erkrankung zu diesem Zeitpunkt keine Behinderungen oder Einschränkungen für die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit in Ansehung ihrer Verwendungsfähigkeit als

Posthauptschaffnerin auf einem Dienstposten des einfachen Postdienstes innerhalb der Briefzustellung und als Posthauptschaffnerin auf einem Dienstposten des einfachen Postdienstes außerhalb der Briefzustellung.

Die Klägerin konnte ständig schwere Arbeiten (über ca. 15 kg) auf einem Dienstposten des einfachen Postdienstes außerhalb der Briefzustellung zum Zeitpunkt 08.12.1997 verrichten.

Da sich die Klägerin zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung am 08.12.1997 nahezu 9 Monate in Remission befand, konnte davon ausgegangen werden, daß die Klägerin ihre Dienstpflichten als Posthauptschaffnerin in der Briefzustellung oder auf einem Dienstposten des einfachen Postdienstes außerhalb der Briefzustellung erfüllen konnte. Nebenbei bemerkt befand sich die Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Vorstellung bei uns am 01. 04.1999 weiterhin in Remission."

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben.

Die von dem vormals zuständigen 12. Senat des erkennenden Gerichts mit Beschluss vom 18. Juli 2000 zugelassene Berufung der Beklagten hat diese am 16. August 2000 im Wesentlichen wie folgt begründet:

Dauernde Dienstunfähigkeit i.S.d. § 42 Abs. 1 Satz 1 BGB liege auch dann vor, wenn durch eine Vielzahl in relativ kurzen Abständen immer wieder auftretender Erkrankungen von längerer Dauer, die auf eine Schwäche der Gesamtkonstitution und eine damit verbundene Anfälligkeit des Beamten schließen lasse, der Dienstbetrieb empfindlich und unzumutbar beeinträchtigt werde und wenn eine Besserung des Zustandes in absehbarer Zeit nicht zu erwarten sei. Die entsprechende Schwäche der Gesamtkonstitution der Klägerin werde anhand der Krankenzeiten deutlich. Zu verzeichnen seien:

Jahr Abwesenheitsfälle mit Angabe der

gesamten Ausfalltage in Klammern

1991 (ab 01.07.) 4 (145 Tage)

1992 6 (133 Tage)

1993 6 (170 Tage)

1994 4 (123 Tage)

1995 4 (213 Tage)

1996 6 (201 Tage)

1997 1 (162 Tage, personalbuchführungsgemäße Abwesenheitszeit auf Grund Einleitung des

Entlassungsverfahrens)

1998 5 (53 Tage)

1999 3 (347 Tage)

2000 2 (130 Tage, berücksichtigt bis einschließlich 31.07.00, zurzeit weiter krank).

Es liege auch eine gravierende und unzumutbare Beeinträchtigung des Dienstbetriebs vor, da die häufigen und lange andauernden Abwesenheitszeiten der Klägerin personelle Engpässe nach sich gezogen hätten. Eine zuverlässige Personaleinsatzplanung sei nicht möglich gewesen. Mit einer dauerhaften Besserung des Gesundheitszustandes habe nicht gerechnet werden können, da die in Rede stehende Erkrankung chronisch und rezidiv aufgetreten sei. Bestätigt werde diese Einschätzung durch die Stellungnahme des Postbetriebsarztes Dr. U. vom 31. März 1998. Danach dürfe die Klägerin ständig nur noch leichte Arbeiten und gelegentlich mittelschwere Arbeiten bis zu 15 kg übernehmen. Der Postbetriebsarzt habe entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichts klare und inhaltlich ausreichende Aussagen zur Dienstunfähigkeit getroffen. Den Aussagen des Postbetriebsarztes und den weiter eingeholten Stellungnahmen des Vertragsarztes Dr. I. müsse auch deshalb besonderes Gewicht beigemessen werden, weil diese mit den Belangen der Verwaltung, der von dem Untersuchten zu verrichtenden Tätigkeiten und den anzuwendenden rechtlichen Maßstäben eher vertraut seien als private Ärzte. Den postärztlichen Gutachten sei daher bei der Beurteilung der gesundheitlichen Eignung und der Dienstfähigkeit eines Beamten grundsätzlich ein höherer Beweiswert einzuräumen. Das erstinstanzlich eingeholte Gutachten überzeuge demgegenüber nicht. Die von den Gutachtern getroffenen Feststellungen basierten offenbar allein auf anamnestischen Aussagen der Klägerin, der bereits am 8. November 1995 von Herrn Prof. Dr. N. getroffenen Aussage, nach der die Dienstfähigkeit der Klägerin wieder gegeben sei, wenn die Erkrankung ausreichend kontrolliert werde, sowie auf dem Umstand, dass in der Zeit vom 27. Januar 1997 bis zur Verwaltungsentscheidung am 8. Dezember 1997 keine objektivierbaren ärztlichen Befunde vorgelegen hätten. Die vom Verwaltungsgericht L. aus dem Gutachten abgeleiteten Schlussfolgerungen zur Dienstfähigkeit der Klägerin seien ebenfalls nicht schlüssig. Insbesondere sei unerheblich, dass für die Zeit ab Januar 1997 keine objektivierbaren ärztlichen Befunde vorgelegen hätten. Die Entscheidung über die Dienstunfähigkeit erfolge aufgrund einer Gesamtbetrachtung, in die neben den aktuellen Befunden und der Rückschau auf den bisherigen Krankheitsverlauf auch eine gesundheitliche Prognose einzubeziehen sei. Diese sei, wie den Feststellungen der Postbetriebsärzte zu entnehmen sei, negativ ausgefallen. Zudem habe Dr. U. in seinem Gutachten vom 31. März 1998 festgestellt, dass die Klägerin nur noch gelegentlich Gewichte bis maximal 15 kg heben und tragen dürfe. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Differenzierung zwischen der gesundheitlichen Eignung und der Dienstfähigkeit führe zu einer zu engen Begriffsbestimmung der Dienstunfähigkeit und könne die postärztlichen Feststellungen nicht entkräften. Bei einer Entscheidung über die Dienst(un)fähigkeit seien in erster Linie die Auswirkungen des festgestellten Krankheitsbildes auf den Dienstbetrieb entscheidend. Dienstunfähigkeit liege vor, wenn sich die eingeschränkte Einsatzfähigkeit der Klägerin auf einen großen oder sogar überwiegenden Aufgabenbereich der Laufbahn des einfachen Dienstes erstrecke, hier den der Zustellung. Die Richtigkeit der negativen Gesundheitsprognose sei durch die tatsächlichen Krankenzeiten der Klägerin in den folgenden Jahren bestätigt worden, die zu einem großen Teil auf die entzündliche Darmerkrankung zurückzuführen seien. Ein weiterer Arbeitsversuch in der Abteilung "Auslieferung" im Jahre 2000 sei gescheitert. Des weiteren habe die Klägerin - zumindest zum Entlassungszeitpunkt - ein wenig gesundheitsförderndes Verhalten an den Tag gelegt, etwa ihren Nikotinabusus, obwohl sie im Rahmen der ärztlichen Behandlungen offenbar mehrfach auf die negativen gesundheitlichen Folgen des Rauchens hingewiesen worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend im Wesentlichen aus: Eine neuerliche Begutachtung durch den Postbetriebsarzt Dr. U. bestätige eindeutig, dass sie in vollem Umfang dienstfähig sei. Ihr werde in jenem Gutachten vom 25. August 2000 ausweislich des dort beschriebenen "positiven Leistungsbildes" bescheinigt, dass sie vollschichtig jedenfalls mittelschwere Arbeiten ausführen könne. Im Rahmen des so genannten "negativen Leistungsbildes" werde lediglich eine permanente einseitige Körperhaltung (z.B. Überkopfarbeit, Knien, Sitzen) ausgeschlossen. Unter Ziffer 2.2 des Gutachtens sei ausdrücklich ausgeführt, dass keine gesundheitlichen Bedenken bestünden. Unter Ziffer 5 d) werde als prognostische Einschätzung angegeben:

"Im Hinblick auf den zu übersehenden Zeitraum ist eine Eignung der Probandin für die in Frage stehenden Tätigkeiten der Briefzustellerin zu attestieren."

Zu der von der Beklagten dazu ergänzend eingeholten Stellungnahme des Herrn Dr. U. vom 4. Oktober 2000, in der dieser ausführt:

"Zu beachten ist der jeweilige Auftrag zur Erstellung der beamtenrechtlichen Gutachten. So lag dem Gutachten vom 15.01.98 ein Auftrag zur Durchführung einer Eignungsuntersuchung, dem Gutachten vom 22.03.2000 ein Auftrag zur Erstellung einer Dienstunfähigkeitsuntersuchung nach § 42 BBG zugrunde.

Die gesundheitliche Eignung eines Probanden für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfordert eine nach den Eignungsrichtlinien (Richtlinien zur Feststellung der gesundheitlichen Eignung für den Dienst bei der Deutschen Bundespost) in § 4 festgehaltene "Wahrscheinlichkeit den Anforderungen der vorgesehenen Tätigkeit bis zur gesetzlichen Altersgrenze gewachsen (zu) sein ...". Vom Probanden erwartet wird "eine regelmäßige, nicht durch häufigere Krankheiten unterbrochene Dienstleistung ...". Diese Voraussetzungen wurden zum Untersuchungszeitpunkt bei bestehendem chronischen Charakter der vorliegenden Gesundheitsstörung nicht erfüllt.

Dagegen liegt dem am 22.03.2000 erstellten Dienstunfähigkeitsgutachten die im Rahmen des Bundesbeamtengesetzes geforderte Prognostik eines zu überblickenden sechsmonatigen Zeitraumes zugrunde. Innerhalb dieses definierten Zeitraumes war eine Dienstunfähigkeit der Probandin zum Untersuchungszeitraum nicht absehbar.",

trägt die Klägerin vor, dass Herr Dr. U. im August 2000 gerade keine Dienstunfähigkeit festgestellt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (sechs Hefte), der beigezogenen Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Köln (15 K 1466/93, 15 L 1873/97, 15 L 3991/97) einschließlich dort eingereichter Verwaltungsvorgänge der Beklagten (vier Hefte) sowie der beigezogenen Krankenunterlagen des Klinikums M. (zehn Hefte) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Entlassungsverfügung vom 10. November 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 1997 zu Recht aufgehoben. Die in jener Verfügung ausgesprochene Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen Dienstunfähigkeit nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBG ist, abgestellt auf die insoweit maßgebliche Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung,

vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1997

2 C 7.97 -, BVerwGE 105, 267,

rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Entlassungsverfügung ist verfahrensfehlerfrei ergangen, genügt indes nicht den materiellrechtlichen Anforderungen.

Sie ist nach ordnungsgemäßer Durchführung des auf Antrag der Klägerin auf der Grundlage des § 29 Abs. 5 PostPersRG i.V.m. § 78 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 BPersVG eingeleiteten Mitwirkungsverfahrens erfolgt. Nachdem der Betriebsrat der Entlassung nicht zugestimmt und nach § 29 Abs. 6 PostPersRG die Entscheidung des Arbeitsdirektors der Deutschen Post AG (§ 1 Abs. 8 PostPersRG) beantragt hatte, hat dieser unter dem 4. November 1997 nach Verhandlung mit dem Betriebsrat endgültig (vgl. § 29 Abs. 6 Satz 6 PostPersRG) über die Entlassung der Klägerin entschieden.

Die nach § 16 Satz 1 BAPostG und § 1 Abs. 7 PostPersRG vor der Entlassung vorgesehene rechtliche Überprüfung durch die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost ist durchgeführt worden. Bedenken wurden ausdrücklich nicht erhoben.

Die Schwerbehindertenvertretung und ihre Hauptfürsorgestelle sind angehört worden (vgl. § 25 Abs. 2 bzw. 50 Abs. 2 SchwbG).

Die für die Klägerin maßgebliche Entlassungsfrist nach § 31 Abs. 3 Satz 1 3. Alternative BBG von sechs Wochen zum Schluss des Kalendervierteljahres ist eingehalten worden. Die Entlassung wurde mit Ablauf des 31. Dezember 1997 verfügt, und die Verfügung war der Klägerin bereits am 11. November 1997 zugestellt worden.

Die angefochtene Entlassungsverfügung ist aber materiellrechtlich fehlerhaft.

Die Voraussetzung für eine Entlassung wegen Dienstunfähigkeit der Klägerin nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 42 BBG in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom 24. Februar 1997 (BGBl. I S. 322) lagen nicht vor.

Zu Recht hat die Beklagte ihre Entlassungsverfügung auf diese Vorschrift gestützt und nicht auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG, wonach ein Beamter auf Probe wegen mangelnder Bewährung (Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung) entlassen werden kann. Diese Vorschrift ermöglicht nur dann die Entlassung eines Beamten auf Probe, wenn er sich in der individuellen laufbahnrechtlichen Probezeit nicht bewährt hat. Zu den Anforderungen, die an einen Beamten in körperlicher, geistiger, charakterlicher und fachlicher Hinsicht zu stellen sind, gehört auch die gesundheitliche Eignung. Kann die Bewährung bis zum Ablauf der laufbahnrechtlichen Probezeit nicht festgestellt werden, so kann die Probezeit verlängert werden, darf jedoch insgesamt fünf Jahre nicht überschreiten, § 9 Abs. 2 S. 1 BBG, § 7 Abs. 3 Satz 2 BLV . Für den Dienstherrn besteht kein Ermessen, einen Beamten, der sich nicht bewährt hat, gleichwohl auf Dauer zu beschäftigen. Vielmehr bleibt ihm bei Nichtbewährung des Beamten oder bei nachhaltigen Zweifeln an der Bewährung von Rechts wegen nur die Wahl der sofortigen Entlassung oder der Verlängerung der Probezeit, allerdings nur in dem vorgenannten zeitlichen Rahmen.

Hier hat die Beklagte trotz der ursprünglich bestehenden gesundheitlichen Bedenken die Eignung der Klägerin für die angestrebte Laufbahn festgestellt und die Klägerin zum 1. Juli 1991 planmäßig angestellt (§ 10 BLV); sie kann sich daher auf eine mangelnde gesundheitliche Eignung der Klägerin im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG nicht mehr berufen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. November 1996 12 A 3012/94 -; Fürst, GKÖD Bd. I, § 9 Rn. 12.

Die Beklagte ist deswegen zutreffend davon ausgegangen, dass sie die Klägerin im Falle ihrer Dienstunfähigkeit gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBG nur noch entlassen oder gemäß § 46 Abs. 2 BBG in den Ruhestand versetzen kann.

Die Klägerin war zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht i.S.v. §§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 42 BBG dienstunfähig. Zur Überzeugung des Senats steht vielmehr fest, dass die Klägerin zu jenem Zeitpunkt dienstfähig war. Die materielle Rechtmäßigkeit der Entlassung eines Beamten auf Probe wegen Dienstunfähigkeit hängt im Regelfall - wie hier - davon ab, ob die zuständige Behörde zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nach den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnissen annehmen durfte, dass der Beamte dienstunfähig ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1997

- 2 C 7.97 -, a.a.O., 267; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 5. Auflage, Rn. 181.

Das Gesetz räumt ihr für diese Beurteilung keinen gerichtsfreien Beurteilungsspielraum ein. So unterliegt es nicht nur der vollen gerichtlichen Kontrolle, ob ein rechtlich unbedenklicher Maßstab an einen sorgfältig ermittelten Sachverhalt angelegt worden ist, sondern auch, ob dieser Sachverhalt die Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit rechtfertigt.

So schon: BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1966 - VI C 46.63 -, Buchholz 232 § 42 BBG, Nr. 8.

Dies zugrunde gelegt, rechtfertigte sich für den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung im Dezember 1997 die Annahme, dass die Klägerin dienstunfähig gewesen ist, nicht.

Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BBG ist ein Beamter dienstunfähig, wenn er infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Bei der Beurteilung der Dienstfähigkeit ist nicht allein auf die Person des Beamten abzustellen. Vielmehr sind die Auswirkungen seiner körperlichen Gebrechen oder der Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf seine Fähigkeit, die ihm in seinem konkreten Amt obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb entscheidend. Es kommt dabei nicht allein und ausschlaggebend - jedenfalls nicht in allen Fällen - auf Art und Ausmaß der einzelnen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, den objektiven ärztlichen Befunden und deren medizinische Qualifikation als solche an, sondern vielmehr darauf, ob der Beamte auf Grund seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Die maßgeblichen Dienstpflichten bestimmen sich in diesem Zusammenhang nach den Anforderungen des Amtes im abstraktfunktionellen Sinne, allerdings begrenzt auf die Behörde, der der Beamte angehört.

Vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1966 - VI C 56.63 -, ZBR 1967, 148; Beschluss vom 21. Januar 1989 - 2 B 183.88 -, DÖD 1989, 236; Urteil vom 28. Juni 1990 - 2 C 18.89 -, ZBR 1990, 352; Urteil vom 16. Oktober 1997 - 2 C 7.97 -, a.a.O.; OVG NRW, Urteile vom 18. März 1998 - 12 A 1388/96 -, Schütz/Maiwald, ES/A II 5.1. Nr. 66, vom 10. Februar 1999 - 12 A 316/97 - und vom 21. Juli 2000 - 12 A 4969/98 -.

Nicht erforderlich ist indes, dass die Fähigkeit zur Dienstleistung schlechthin verloren gegangen ist. Vielmehr liegt Dienstunfähigkeit bereits dann vor, wenn etwa durch eine Vielzahl in relativ kurzen Zeitabständen immer wieder auftretender - sei es gleicher oder zum Teil auch unterschiedlicher - Erkrankungen von längerer Dauer, die auf eine Schwäche der Gesamtkonstitution und eine damit verbundene Anfälligkeit des Beamten schließen lassen, der Dienstbetrieb empfindlich und unzumutbar beeinträchtigt wird und eine nachhaltige mittelfristig absehbare Besserung nicht zu erwarten ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1966

VI C 56.63 -, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 18. März 1998 - 12 A 1388/96 - a.a.O.

§ 42 Abs. 1 Satz 2 BBG stellt in diesem Zusammenhang lediglich eine die Grundregel des Satzes 1 ergänzende Zusatzregelung dar, mit deren Hilfe die Feststellung der Dienstunfähigkeit im Einzelfall erleichtert werden kann.

In Anwendung dieser Grundsätze lässt sich für den hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides im Dezember 1997 eine Dienstunfähigkeit der Klägerin nicht feststellen. Die Voraussetzungen einer Dienstunfähigkeit nach § 42 Abs. 1 Satz 2 BBG lagen schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin bezogen auf diesen Zeitpunkt in den letzten sechs Monaten nicht drei Monate bereits arbeitsunfähig erkrankt war. Vielmehr leistete sie seit Anfang des Jahres 1997 ununterbrochen ihren Dienst. Fehlzeiten ergaben sich ab Mai 1997 alleine wegen ihrer Suspendierung. Die Einsatzfähigkeit der Klägerin war für diese Zeit zur Überzeugung des Senats auch nicht durch andere, jenseits der bloßen Dienstleistung der Klägerin liegende Umstände eingeschränkt (z.B. die Unfähigkeit, schwere Lasten zu heben), die eine Dienstunfähigkeit der Klägerin hätten belegen können. Noch im Oktober 1996 hat der Betriebsarzt D. festgestellt, dass mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit für den laufenden Monat zu rechnen sei und als weitergehende Einschränkung allein ausgeführt, dass die Klägerin möglichst keinem Stress ausgesetzt werden sollte. Auch die Stellungnahme des Vertrauensarztes Dr. I. vom 27. Januar 1997 zur Frage der Dienstfähigkeit der Klägerin ergibt keine weitergehenden aktuellen Einschränkungen für die Leistungsfähigkeit der Klägerin. Er verweist in diesem Zusammenhang allein darauf, dass Hektik und Stress einen erneuten Schub der Erkrankung auslösen könnten und dass die Klägerin auf Grund der Erkrankung sehr häufig eine Toilette aufsuchen müsse. Er gründet seine Auffassung, dass sie für die Zustellung und damit für den Kernbereich des einfachen Dienstes nicht geeignet sei, im Wesentlichen darauf, dass die Erkrankung in Schüben verlaufe und demnach häufige Ausfallzeiten zur Folge habe. Dies wird auch vom Postbetriebsarzt Dr. U. bestätigt. In seinem Gutachten vom 31. März 1998 führt er ausdrücklich aus, dass die Morbus Crohn-Erkrankung mit den in Folge des Krankheitsbildes prognostisch zu erwartenden Ausfallzeiten auch zur fehlenden Eignung für die Zustelltätigkeit, d.h. für den Kernbereich des einfachen Dienstes führe. Soweit er zugleich eine Einschränkung für das Tragen und Heben von Lasten über 15 kg feststellt, kommt dem nur ergänzende und keine eigenständig tragende Bedeutung zu. Diese Feststellung lässt sich dem einzig diagnostizierten Krankheitsbild des Morbus Crohns nicht zuordnen, und nach den nachvollziehbaren Ausführungen des erstinstanzlich eingeholten Gutachtens bestand eine solche Einschränkung tatsächlich auch nicht.

Auch auf § 42 Abs. 1 Satz 1 BBG lässt sich eine Dienstunfähigkeit der Klägerin bezogen auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung - nicht stützen. Allein die Diagnose Morbus Crohn rechtfertigt im gegebenen Fall eine solche Feststellung nicht. Dies gilt unabhängig davon, dass diese Krankheit in Schüben verläuft und dabei auf Dauer vermehrte, im Einzelfall auch steigende Ausfallzeiten, wie sie die Beklagte zur Grundlage ihrer prognostischen Beurteilung gemacht hat, zu befürchten sein können. Denn bei einer Morbus Crohn- Erkrankung ist im Hinblick auf die generell vorauszusetzenden Besonderheiten des je individuellen Krankheitsverlaufs und die damit einhergehenden je unterschiedlichen Beeinträchtigungen vielmehr in jedem Einzelfall zu untersuchen, ob die ggf. - wie hier - chronifizierte Erkrankung eine Phase oder eine Schwere erreicht hat, in der die zu einer Arbeitsunfähigkeit führenden Schübe in einer Häufigkeit und Dauer auftreten, dass der Dienstbetrieb empfindlich beeinträchtigt wird und eine nachhaltige, mittelfristig absehbare Besserung nicht zu erwarten ist, mithin Dienstunfähigkeit im dargelegten Sinne anzunehmen ist. Die Notwendigkeit der Betrachtung des je individuellen Krankheitszustandes und -verlaufs liegt in dem spezifischen Krankheitsbild des Morbus Crohn begründet: Bei dieser Krankheit handelt es sich nämlich um eine chronische akute bis subakute Darmentzündung, die in der Regel unspezifisch ist und alle Abschnitte des Verdauungstrakts befallen kann. Sie kommt geschlechtsunabhängig vor und wird als multifaktoriell bezeichnet. Als Ursachen werden neben immunologischen, genetischen und diätetischen (z. B. Süßigkeiten) sowie infektiösen (Viren, Mykobakterien, Pseudomonasstämme) Faktoren das psychosoziale Umfeld und die Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen genannt. Entsprechend vielfältig sind die Therapiemethoden und Ausprägungsgrade des Krankheitsbildes.

Vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch,

258. Auflage.

Die von dem Hausarzt Dr. L. -Q. beschriebene Veränderung in der Therapie und Befindlichkeit der Klägerin, die vor dem Hintergrund des zuvor beschriebenen allgemeinen Krankheitsbildes plausibel erscheint, bestätigt dies für den konkreten Fall. Dieser Arzt verweist nämlich in seinem Attest vom 31. Januar 1997 auf den damals erfolgten Therapiewechsel und eine bereits eingetretene deutliche Besserung der Symptomatik und führt erläuternd aus, dass die bisherige, im Wesentlichen auf Cortisongabe fußende Therapie trotz des Wechsels zwischen verschiedenen Cortisonpräparaten zu keiner langfristigen Besserung der Beschwerdesymptomatik geführt habe. Dies entspricht auch den Ausführungen des bisher behandelnden Arztes Prof. Dr. N. vom Städtischen Krankenhaus M. an den Postbetriebsarzt D. vom 8. November 1995, wonach das Problem aus seiner Sicht darin bestanden habe, dass bei der Klägerin eine ausgesprochene Therapieresistenz vorliege. Der Hausarzt Dr. L. -Q. führt in dem oben genannten Attest weiter aus, dass die seit drei Monaten umgestellte Therapie zu einer deutlichen Verbesserung des Allgemeinzustands der Klägerin geführt habe und sich die über Jahre erhöhten Leukozytenwerte zunehmend normalisierten. Die vor diesem Hintergrund erwartete (weitere) Besserung des Krankheitszustands der Klägerin ist ausweislich der Feststellungen des erstinstanzlich eingeholten Gutachtens und der 1997 und 1998 deutlich verringerten Fehlzeiten auch eingetreten. Für 1997 sind keine krankheitsbedingten Fehlzeiten festzustellen: Die Fehltage von Mai bis Oktober haben ihren Grund allein in der erfolgten Suspendierung. Im Jahre 1998 werden 53 Fehltage (einschließlich Wochenenden) von der Beklagten angeführt, ohne dass eine Verursachung durch Morbus Crohn erkennbar wäre. Zudem verteilen sich die Tage auf fünf Abwesenheitsfälle, so dass nur kurzfristige Abwesenheiten in Rede stehen, insgesamt ein Zeitraum von (im Verhältnis zu den Vorjahren und Anschlussjahren nur) 1 ½ Monaten.

Eine Feststellung der Dienstunfähigkeit der Klägerin ist vor diesem Hintergrund und auf der Grundlage des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme für den maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides im Dezember 1997 auszuschließen. Dies vor allem deswegen, weil nach dem Charakter der in Rede stehenden Krankheit der Frage nach der Dienstunfähigkeit der Klägerin vorrangig die medizinischen Einschätzungen zugrunde zu legen sind. Die Gutachter Dr. Goeres und Dr. L. haben unter Einbeziehung namentlich der Feststellungen des Postbetriebsarztes Dr. U. vom 31. März 1998 insoweit nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass sich die Morbus Crohn-Erkrankung zum in Rede stehenden entscheidungserheblichen Zeitpunkt seit neun Monaten in einem aktuell andauernden Remissionszustand befand. Nach ihren Feststellungen hielt diese Phase bis zum Zeitpunkt der Begutachtung am 1. April 1999 an und wurde auch noch für den März 2000 von Dr. U. zugrunde gelegt. Unter diesen Umständen rechtfertigten die der Beklagten im Zeitpunkt ihrer Entscheidung über die Entlassung der Klägerin zur Verfügung stehenden Erkenntnisse nicht die Annahme ihrer Dienstunfähigkeit, auch wenn man nachträglich festgestellte Befunde zur Bewertung des vorvergangenen Zeitraums heranziehen wollte. Dies gilt unbeschadet des Umstandes, dass die Betriebs- und Amtsärzte an sich nicht zuständig sind, abschließend die Dienstunfähigkeit zu beurteilen und ihr Votum - wie bereits dargelegt - nicht in jedem Falle ausschlaggebend für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist. Denn die Beklagte war - wie die Begutachtungsaufträge der vorhergehenden Jahre belegen - zutreffend davon ausgegangen, dass im gegebenen Zusammenhang eine sachverständige Hilfe durch Ärzte unerlässlich war, um die Frage beantworten zu können, ob Dienstunfähigkeit (sog. prognostische Dienstunfähigkeit im Gegensatz zur aktuellen Dienstunfähigkeit) bei der Klägerin vorliegt. Die insoweit gezogene Schlussfolgerung unterliegt im medizinischen Zusammenhang im vollen Umfang der Überprüfung durch das Gericht darauf, ob die amtsärztlichen Gutachten eine hinreichend sichere Basis für die negative Prognose darstellen. Dies ist hier aber aus den genannten Gründen nicht der Fall. Die im Kern nur verbleibende Berücksichtigung der unstreitigen krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin in den Jahren 1991 bis 1996 reichen unter diesen Umständen nicht aus, mit der für die Entlassung erforderlichen Gewissheit annehmen zu können, die Klägerin sei im hier maßgeblichen Zeitpunkt - Ende 1997 - dienstunfähig gewesen.

Die demgegenüber getroffene Feststellung des Gutachters Dr. I. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27. Januar 1997, dass die Klägerin (schon allein) wegen der Morbus Crohn-Erkrankung dauernd dienstunfähig sei, vermag nicht zu überzeugen, weil diese Einschätzung zur Dienstunfähigkeit allein mit der Diagnose einer Morbus Crohn-Erkrankung begründet wird und damit zu allgemein gehalten ist. Sie wird bereits dem differenziert zu betrachtenden (allgemeinen) Krankheitsbild nicht gerecht und ist ersichtlich von einem Verständnis der gesundheitlichen Eignung der Klägerin geprägt, wie sie etwa den §§ 9 Abs. 1 und 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG zugrunde liegt. Die gesundheitliche Eignung in diesem Sinne betrifft aber eine andere rechtliche Fragestellung. Zu den im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 BBG zu prüfenden Voraussetzungen für die Übernahme ins Beamtenverhältnis auf Lebenszeit (oder spiegelbildlich: bei der Entlassung nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BBG bereits in der Probezeit wegen feststehender Nichteignung) gehört insbesondere auch, dass sich der Beamte in einer Probezeit bewährt hat und damit den Anforderungen genügt, die an einen Beamten seiner Laufbahn in körperlicher, geistiger, charakterlicher und fachlicher Hinsicht zu stellen sind. Die gesundheitliche Eignung und damit die Bewährung können schon dann nicht festgestellt werden, wenn die Möglichkeit künftiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit vor Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Dabei ist dem Dienstherrn eine Beurteilungsermächtigung eingeräumt, die als Akt wertender Erkenntnis verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbar ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1993 - 2 C 27.90 -, BVerwGE 92, 147.

(Nicht-) Eignung und Dienst(un)fähigkeit unterscheiden sich damit hinsichtlich der rechtlichen und der tatsächlichen Voraussetzungen wesentlich und sind nur teilweise deckungsgleich. So setzt die Eignungsprüfung bei der Frage an, ob der Proband mit Blick auf Einschränkungen in seiner gesundheitlichen Konstitution voraussichtlich den Anforderungen der vorgesehenen Tätigkeit bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze gewachsen sein wird. Wie auch der Postbetriebsarzt D. in seiner Stellungnahme vom 4. Oktober 2000 hervorhebt, setzt eine entsprechende Prognose gerade nicht aktuelle bzw. prognostische Dienstunfähigkeit voraus, beinhaltet vielmehr andere - in diesem Sinne weitergehende - Anforderungen als diejenigen, die an eine Dienstfähigkeit geknüpft sind. Die Einschätzung des Vertragsarztes Dr. I. wird deswegen und weil in ihr jede Auseinandersetzung mit den seit 1991 abgegebenen anderweitigen betriebsärztlichen Einschätzungen fehlt, bereits dem dargelegten Krankheitsbild nicht gerecht. Sie berücksichtigt auch nicht hinreichend die differenzierten Ausführungen des Hausarztes Dr. L. -Q. , so dass ihr insoweit auch kein vorrangiges Gewicht beigemessen werden kann. Widerspricht eine privatärztliche Bescheinigung über die Dienstfähigkeit eines Beamten in ihrer medizinischen Beurteilung den Feststellungen des Amts- oder Betriebsarztes - wie hier - substantiiert und ist ihm dies bekannt, kommt seinen Feststellungen nur unter der Voraussetzung Vorrang zu, dass er sich mit den entgegen stehenden Erwägungen des privaten Arztes auseinander setzt und nachvollziehbar darlegt, warum er diesen nicht folgt.

Vgl. dazu und zur generell größeren Gewichtigkeit amts- bzw. betriebsärztlicher Stellungnahmen: BVerwG, Beschluss vom 8. März 2001 - 1 DB 8.01 -, RiA 2002, 138.

Auch die Stellungnahme Dr. U. vom 31. März 1998 ergibt keine hinreichenden Anknüpfungspunkte für die Annahme, bei der Klägerin liege Dienstunfähigkeit vor. Dieser bestätigt in seiner Stellungnahme vom 4. Oktober 2000 vielmehr, dass in jenem Untersuchungszeitpunkt allein die Frage der Eignung in Rede stand, die zum Untersuchungszeitpunkt bei bestehendem chronischen Charakter der Gesundheitsstörung zu verneinen gewesen sei, wohingegen bei der Dienst(un)fähigkeitsuntersuchung am 22. März 2000 mittelfristig eine Dienstunfähigkeit nicht absehbar war.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass möglicherweise zu einem früheren Zeitpunkt die Annahme der Dienstunfähigkeit nach § 42 Abs. 1 Satz 1 BBG gerechtfertigt gewesen sein mag. Ebenfalls unerheblich ist insoweit die weitere Entwicklung, weil auf den entscheidungserheblichen Zeitpunkt abzustellen ist.

Ergänzend verweist der Senat auf die zutreffende Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht, die er sich zu Eigen macht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG) nicht gegeben sind.