LG Schwerin, Beschluss vom 23.03.2015 - 4 T 11/14
Fundstelle
openJur 2017, 951
  • Rkr:

Rechtsbeschwerde wurde als unzulässig verworfen (BGH Beschluss vom 12.10.2016).

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) wird der Beschluss des Notars       vom 14.11.2014 aufgehoben und der Notar angewiesen, den Antrag vom 27.10.2014      der Beschwerdeführerin zu 1) auf Auszahlung der hinterlegten Summe abzuweisen.

2. Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) wird zurückgewiesen.

3. Gerichtskosten für die Notarbeschwerde fallen nicht an, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

4. Der Beschwerdewert wird auf 600.000,00 € festgesetzt.

5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen (§§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNotO, 70 Abs. 1 FamFG).

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin zu 2) ist durch Vorbehaltsurteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 12.09.2013 (Az. 10 HK O 5/13) verurteilt worden, an den Kläger und hiesigen Beschwerdeführer zu 1) 500.000,00 € nebst Zinsen zu zahlen, wobei der Beschwerdeführerin zu 2), der Beklagten, gemäß §§ 708 Nr. 4, 711 ZPO nachgelassen worden ist, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden. Unter dem 11.11.2013 haben die Parteien eine Hinterlegungsvereinbarung getroffen, wonach die Beklagte, die Beschwerdeführerin zu 2, bei dem Notar einen Betrag von 600.000,00 € auf Anderkonto hinterlegt. Die Beteiligten wiesen den Notar übereinstimmend und unwiderruflich an, das Geld an die Beklagte auszuzahlen, wenn das Urteil „rechtskräftig wird“ oder „rechtskräftig aufgehoben wird“. Im Falle einer rechtskräftigen Abänderung des Urteils sollte die Auszahlung in Höhe des tenorierten Anspruches bzw. bei Beendigung durch bestandskräftigen Vergleich in Höhe des vereinbarten Anspruches erfolgen. Sollten die Auszahlungsvoraussetzungen nicht bis spätestens zum 31.12.2016 eintreten, sollte der Hinterlegungsbetrag an die Beklagte zurückgezahlt werden.

Inzwischen ist das Vorbehaltsurteil formell rechtskräftig (Urteil des OLG Rostock vom 16.7.2014, 1 U 126/13). Die Beschwerdeführerin zu 2) hat daraufhin die Auszahlung des hinterlegten Betrages an sich verlangt. Auf den Einwand des Beschwerdeführers zu 1) hat der Notar einen Feststellungsbeschluss vom 14.11.2014 erlassen, wonach er feststellt, dass die Voraussetzungen zur Auszahlung des Hinterlegungsbetrages erfüllt sind, weil das Rechtsmittelverfahren bezüglich des Vorbehaltsurteils endgültig abgeschlossen ist. Das Nachverfahren vor dem Landgericht Neubrandenburg ist gemäß Beschluss vom 9.10.2013 ausgesetzt worden bis zur Erledigung des Parallelrechtsstreites Landgericht Schwerin 5 0 74/12.

Der Beschwerdeführer zu 1) erhebt Beschwerde gegen den Beschluss des Notars, soweit die Wirksamkeit des Beschlusses bis zu dessen Rechtskraft ausgesetzt worden ist. Die Beschwerdeführerin zu 2) wendet sich gegen den Beschluss, weil sie der Ansicht ist, die Auszahlung könne nach der Hinterlegungsvereinbarung erst erfolgen, wenn das Nachverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei.

II.

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) ist begründet, die des Beschwerdeführers zu 1) ist unbegründet.

Die dem Gericht vorliegende Hinterlegungsvereinbarung vom 11.11.2013 kann nur dahingehend ausgelegt werden, dass eine Auszahlung erst erfolgen kann, wenn das Nachverfahren gemäß     § 600 ZPO rechtskräftig abgeschlossen ist. Im Einzelnen gilt Folgendes:

Zwar ist das Vorbehaltsurteil inzwischen formell rechtskräftig. Ist im Vorbehaltsurteil dem Beklagten gestattet worden, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, dann entfällt diese Befugnis, sobald das Vorbehaltsurteil rechtskräftig geworden ist, mag auch das Nachverfahren noch anhängig sein (vgl. BGHZ, 69, 270). Denn das Nachverfahren ist kein Rechtsmittel, so dass das Vorbehaltsurteil nach § 704 Abs. 1 ZPO mit Eintritt der äußeren Rechtskraft endgültig vollstreckbar ist.

Diese Situation kann aber sinnvollerweise mit der Hinterlegungsvereinbarung nicht gemeint sein. Denn bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Hinterlegungsvereinbarung im November 2013 war bereits Rechtsmittel gegen das Vorbehaltsurteil vom September 2013 eingelegt worden, so dass die Parteien davon ausgingen, das Verfahren würde sich durch Rechtsmittel noch weiter in die Länge ziehen. Es ging also nicht lediglich darum, eine Vollstreckung im Ausland, am Wohnsitz der Beklagten in Österreich, zu vermeiden.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass mit Rechtskraft des Urteils gemäß der Hinterlegungsvereinbarung materielle Rechtskraft gemeint ist. Materiell rechtskräftig wird ein Vorbehaltsurteil erst durch Bestätigung im Nachverfahren (RGZ, 47,190). Die Vollstreckbarkeit eines formell rechtskräftigen Vorbehaltsurteils endet, sobald im Nachverfahren ein abänderndes Urteil ergeht (vgl. Zöller, ZPO, 30. Auflage, § 599 Rdnr. 18). Denn die Parteien haben nicht nur den Fall der Aufhebung oder Bestätigung des (Vorbehalts-)Urteils geregelt, sondern auch die Beendigung durch bestandskräftigen Vergleich. Dieser kann aber nur dann sinnvoll abgeschlossen werden, wenn das materielle Rechtsverhältnis damit endgültig geklärt ist. Das ist aber nur dann der Fall, wenn die Parteien auch ein eventuelles Nachverfahren beenden, sofern es durchgeführt worden ist.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Hinterlegungsvereinbarung spätestens zum 31.12.2016 aufgehoben werden sollte, woraus ebenfalls zu ersehen ist, dass die Parteien mit einer Regelung erst im Nachverfahren gerechnet haben.

Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) ist zurückzuweisen. Das Gericht hat den Beschluss des Notars aufgehoben, so dass dieser nicht rechtskräftig geworden ist.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Gerichtskosten auf § 25 Abs. 1 GNotKG). Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat grundsätzlich jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten allein zu tragen (§ 81 FamFG).

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 3 ZPO, wobei das Gericht von dem geltend gemachten Auszahlungsanspruch in Höhe von 600.000,00 € ausgegangen ist.