OLG Bamberg, Urteil vom 28.09.2016 - 8 U 7/16
Fundstelle
openJur 2017, 1375
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 23.12.2015 teilweise abgeändert:

II. 1. Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensverträge vom 18.02.2007 (Darlehenskontonummer: 0001), vom 04.03.2008 (Darlehenskontonummer: 0002) und vom 14.07.2009 (Darlehenskontonummer: 0003) durch Widerruf vom 24.03.2015 in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt worden sind.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Kläger von den vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.458,11 € freizustellen.

3. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

III. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Kläger als Gesamtschuldner 80%, die Beklagte 20%.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

VI. Die Revision wird hinsichtlich des Gegenstands "Darlehen vom 14.07.2009" zugelassen; hinsichtlich der Gegenstände "Darlehen vom 18.02.2007 und 04.03.2008" wird die Revision nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs von drei Darlehensverträgen, die die Kläger als Verbraucher mit der beklagten Bank entgeltlich abgeschlossen haben.

Die Parteien schlossen am 18.02.2007 ein Darlehen mit anfänglichem Festzins mit dinglicher Sicherheit über 175.000,00 Euro (Darlehenskontonummer: 0001), am 04.03.2008 ein ebensolches Darlehen über 35.000,00 Euro (Darlehenskontonummer: 0002) und am 14.07.2009 ein ebensolches Darlehen über 10.000,00 Euro (Darlehenskontonummer: 0003). Sämtliche Darlehen waren zur Finanzierung wohnwirtschaftlicher Zwecke der Kläger bestimmt. Die beiden erstgenannten Darlehen sind bislang ungetilgt. Eine Tilgung ist erst in den Jahren 2022 bzw. 2020 vorgesehen. Bis dahin leisten die Kläger Zinszahlungen an die Beklagte. Das letztgenannte Darlehen wird in monatlichen Zins- und Tilgungsraten zurückgeführt. Wegen der Einzelheiten der Darlehensverträge wird auf das Anlagenkonvolut K 1 Bezug genommen.

Den beiden Darlehensverträgen vom 18.02.2007 und vom 04.03.2008 war jeweils eine inhaltsgleiche Widerrufsbelehrung beigefügt, die auszugsweise wie folgt lautet:

Widerrufsbelehrung zu 1 Darlehen über (...) EUR Widerrufsrecht Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen 2 ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: (Name, Firma und ladungsfähige Anschrift des Kreditinstituts, ggf. Fax-Nr., E-Mail-Adresse und/oder, wenn der Verbraucher eine Bestätigung seiner Widerrufserklärung erhält, auch eine Internet-Adresse)

Es folgen die Kontaktdaten der Beklagten, die Postadresse, eine Faxnummer, eine E-Mail-Adresse und eine Internet-Adresse Widerrufsfolgen (...)

Finanzierte Geschäfte (...)

Es folgen Ort, Datum, Unterschrift des Verbrauchers Der Text der in der Widerrufsbelehrung enthaltenen Fußnoten ist unterhalb der Widerrufsbelehrung abgedruckt und lautet wie folgt:

"i Bezeichnung des konkret betroffenen Geschäfts, z. B. Darlehensvertrag vom ... 2 Bitte Frist im Einzelfall prüfen Dem Darlehen vom 14.07.2009 war die nachfolgende Widerrufsbelehrung beigefügt:

Widerrufsbelehrung1 Verbraucher:

(...)

Widerrufsbelehrung zu2 Darlehen über (...) EUR Widerrufsrecht Sie können ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht bevor Ihnen auch eine Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt worden ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an (Name, Firma und ladungsfähige Anschrift des Kreditinstituts, ggf. Fax-Nr., E-Mail-Adresse und/oder, wenn der Verbraucher eine Bestätigung seiner Widerrufserklärung erhält, auch eine Internet-Adresse)

Es folgen die Kontaktdaten der Beklagten, die Postadresse, eine E-Mail-Adresse, eine Internet-Adresse und eine Faxnummer Widerrufsfolgen (...)

Finanzierte Geschäfte Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie Ihre Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind, oder wenn wir uns bei Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen. Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstückes oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen machen, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projektes Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen."

(...)

Es folgen Ort, Datum, Unterschrift des Verbrauchers Der Text der in der Widerrufsbelehrung enthaltenen Fußnoten ist unterhalb der Widerrufsbelehrung abgedruckt und lautet wie folgt:

"1 Nicht für Fernabsatzgeschäfte <sup>2</sup> Bezeichnung des konkret betroffenen Geschäfts, z. B. Darlehensvertrag vom... Es wird im Übrigen auf die in dem Anlagenkonvolut K 1 enthaltenen Widerrufsbelehrungen verwiesen."

Mit Schreiben vom 24.03.2015 (Anl. K 2) widerriefen die Kläger die drei Darlehensverträge. Mit Schreiben vom 24.03.2015 (Anl. K 3) wies die Beklagte den Widerruf zurück."

Die Kläger sind der Ansicht, dass die Widerrufsbelehrungen der Beklagten nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Die Widerrufsfrist habe deshalb nicht zu laufen begonnen, sodass sie sämtliche Darlehensverträge noch hätten wirksam widerrufen können.

Die den Darlehensverträgen vom 18.02.2007 und 04.03.2008 beigefügte Widerrufsbelehrung belehre wegen Verwendung des Wortes "frühestens" unzutreffend über den Beginn der Widerrufsfrist. Auf den Schutz der BGB-InfoV könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie den Text der Musterwiderrufsbelehrung insbesondere durch die Einfügung der Fußnote 2 "Bitte Frist im Einzelfall prüfen" einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen habe.

Die Widerrufsbelehrung vom 14.07.2009 sei irreführend, weil die eingefügte Fußnote 1 "Nicht für Fernabsatzgeschäfte" dem Verbraucher die Prüfung der Frage überlasse, ob ein Fernabsatzgeschäft vorliege. Die in der Belehrung enthaltene Aufklärung über finanzierte Geschäfte sei überflüssig, weil ein derartiges Geschäft nicht vorliege. Sie sei zudem inhaltlich falsch. Unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.03.2009 (XI ZR 33/08) sei die Belehrung über den Fristbeginn unzutreffend. Zudem sei der Zusatz "(Name, Firma, und ladungsfähige Anschrift des Kreditinstituts, ggf. Fax-Nr.(...)" überflüssig und irreführend. Wegen der Bearbeitung des Mustertextes könne die Beklagte sich auch insoweit nicht auf die Schutzwirkung der BGB-InfoV berufen.

Die Kläger haben in der ersten Instanz folgende Anträge gestellt:

1. Es wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensverträge zur Darlehenskontonummer 0001 vom 18.02.2007, 0002 vom 04.03.2008 und 0003 vom 14.07.2009 durch Widerruf vom 24.03.2015 in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt wurden.

2. Die Beklagte wird verurteilt, alle Sicherheiten für die Darlehensverträge mit den Klägern freizugeben und in öffentlich beglaubigter Form die Zustimmung zur Löschung der bezüglich der Immobilie W. 1 und 2, H., im Grundbuch von H. für L., Bl. 004, Bestandsverzeichnis 1, Flurstück 005, zu ihren Gunsten eingetragenen vollstreckbaren Buchgrundschuld der Rangstelle 1 in Höhe von 250.000,00 € zu erteilen Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 156.556,87 €, und bezüglich selbiger Immobilie im Grundbuch von H. für L., Bl. 004, Bd. 05, Bestandsverzeichnis 2, Flurstück 005, zu ihren Gunsten eingetragenen vollstreckbaren Buchgrundschuld der Rangstelle 2 über 40.000,00 € zu erteilen Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 32.639,11 €, und die Freigabe der Pfandobjekte:a) Bausparvertrag mit der Nr. 00101/015 in Höhe von 175.000,00 € zu Kreditkontonummer 0001 bei der B., und b) Bausparvertrag mit der Nr. 00101/007 in Höhe von 68.000,00 € zu Kreditkontonummer 0001 und c) Bausparvertrag mit der Nr. 00101/023 in Höhe von 35.000,00 € zur Kreditkontonummer 0002 bei der B., zu erklären.

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rückabwicklung der Darlehensverträge vom 18.02.2007, 04.03.2008 und 14.07.2009 in Verzug befindet und den Klägern Ersatz für jeglichen Schaden schuldet, der diesen durch die Verweigerung der Anerkennung des Widerrufs vom 24.03.2015 entstanden ist.

4. Die Beklagte wird verurteilt, die Kläger von der Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.450,46 Euro freizustellen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie ist der Ansicht, dass die von ihr erteilten Widerrufsbelehrungen fehlerfrei seien, jedenfalls sie sich auf den Schutz der BGB-InfoV berufen könne. Sie erhebt zudem die Einrede der Verwirkung und hält den Widerruf der Kläger für eine unzulässige Rechtsausübung.

Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 23.12.2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen den gesetzlichen Anforderungen entsprächen. Ihr Text sei eindeutig und leicht verständlich. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern ein Verbraucher durch die Formulierung bezüglich des Fristbeginns ("frühestens") im Unklaren gelassen werde. Der Bankkunde könne schließlich selbst feststellen, wann die Zwei-Wochen-Frist tatsächlich zu laufen beginne. Im Übrigen stehe dem Widerruf der Kläger der Gesichtspunkt der Verwirkung entgegen. Angesichts des Verhaltens der Kläger, die ihre Darlehensverpflichtungen jahrelang ordnungsgemäß und ohne Reklamationen erfüllt hätten, habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass diese die Vereinbarungen nicht mehr in Frage stellen würden. Zudem liege der Schluss nahe, dass die Kläger die Darlehen lediglich deshalb widerrufen hätten, um die jetzigen günstigeren Kreditkonditionen auf dem Finanzmarkt für sich in Anspruch nehmen zu können. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Kläger haben gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 04.01.2016 zugestellte Urteil am 18.01.2016 Berufung beim Oberlandesgericht Bamberg eingelegt, die sie am 04.04.2016 nach entsprechender Fristverlängerung begründet haben.

Die Kläger haben ihre Berufung auf die in der ersten Instanz gestellten Anträge 1 (Feststellungsanträge) und 4 (Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten) beschränkt. Zur Begründung tragen sie vor, dass die Ansicht des Landgerichts, dass die streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen beanstandungsfrei seien, rechtsfehlerhaft sei. Das Landgericht habe zudem bereits im Ausgangspunkt verkannt, dass den Darlehensverträgen zwei unterschiedliche Widerrufsbelehrungen zugrunde lägen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 225 ff. d. A.) verwiesen.

Die Kläger beantragen,

Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Bayreuth vom 23.12.2015 wird festgestellt, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensverträge zur Darlehenskontonummer 0001 vom 18.02.2007, 0002 vom 04.03.2008 und 0003 vom 14.07.2009 durch Widerruf vom 24.03.2015 in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt worden sind.

Die Beklagte wird verurteilt, die Kläger von den vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.450,46 € freizustellen. Die Beklagte hat die Zurückweisung der Berufung beantragt. Es wird auf die Berufungserwiderung vom 21.06.2016 (Bl. 328 ff. d. A.) verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung der Kläger hat - mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderung - in der Sache Erfolg. Die Kläger haben die streitgegenständlichen Darlehensverträge mit ihrem Schreiben vom 24.03.2015 wirksam widerrufen.

I. Darlehen vom 18.02.2007 und Darlehen vom 04.03.2008:

Den Klägern stand als Darlehensnehmern der genannten Verbraucherdarlehensverträge ein Widerrufsrecht zu, §§ 495 Abs. 1, 355 BGB a. F. (vgl. Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB). Dieses konnten sie am 24.03.2015 noch wirksam ausüben. Eine Widerrufsfrist hatte gemäß § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB (in der hier maßgeblichen Fassung vom 02.12.2004) nicht zu laufen begonnen, weil die den Klägern in den beiden Darlehensverträgen wortgleich erteilte Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach.

1. Die Widerrufsbelehrung ist hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist, über den der Verbraucher nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. eindeutig zu informieren ist, unzureichend. Wie der Bundesgerichtshof bereits wiederholt entschieden hat, belehrt die von der Beklagten verwendete Formulierung, die Frist beginne "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" den Verbraucher nicht richtig über den Beginn der Widerrufsfrist. Die Verwendung des Wortes "frühestens" ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen. Er vermag ihr lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist "jetzt oder später" beginnt, der Beginn des Fristlaufs also gegebenenfalls noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, welche - etwaigen - weiteren Umstände dies sind (st. Rspr., BGH, Urt. v. 09.12.2009 - VIII ZR 219/08, Tz. 15; Urt. v. 01.12.2010 - VIII ZR 82/10, Tz. 12; Urt. v. 28.06.2011 - XI ZR 349/10, Tz. 34; Urt. v. 15.08.2012 - VIII ZR 378/11, Tz. 9; Beschluss vom 10.02.2015 - II ZR 163/14, Tz. 14 - alle Entscheidungen, wie auch im Folgenden, zit. nach juris).

2. Die Beklagte kann sich nicht auf die Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV a. F. berufen. Denn sie hat kein Formular verwendet, das dem Muster gemäß § 14 Abs. 1, Anlage 2 BGB-InfoV i. d. F. v. 02.12.2004 entspricht.

a) Die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV greift nur dann, wenn der Unternehmer ein Formular verwendet hat, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht, nicht aber, wenn der Unternehmer den Text der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat. Dies gilt selbst dann, wenn die Abweichungen von der Musterbelehrung nur in der Aufnahme von insoweit zutreffenden Zusatzinformationen zugunsten des Belehrungsempfängers bestehen (BGH, Beschluss vom 10.02.2015 - II ZR 163/14, Tz. 8).

b) Bei Anlegung dieses Maßstabs hat die Beklagte den Text der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen. Denn die Widerrufsbelehrung enthält die Formulierung "Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen<sup>2</sup> (...) widerrufen". Dies weicht vom Mustertext insoweit ab, als nach dem Wort "Wochen" die hochgestellte Ziffer "2" eingefügt ist und der zu dieser Fußnotenziffer gehörende Text lautet: "Bitte Frist im Einzelfall prüfen".

Die Auffassung der Beklagten, dass die Fußnote kein Bestandteil der Widerrufsbelehrung sei, vermag der Senat nicht zu teilen. Denn es gehört zum Wesen einer Fußnote, dass sich deren Text entweder am unteren Ende der Seite oder aber als sogenannte Endnote am Ende des gesamten Haupttextes befindet. Gleichwohl ist der Fußnotentext Teil der Gesamttextaussage, weil die im Haupttext befindliche Fußnotenziffer den Leser auf den Fußnotentext verweist und ihm ergänzende Informationen zu dem Passus des Haupttextes gibt, der mit der Fußnotenziffer abschließt (so auch OLG Nürnberg, Urt. v. 11.11.2015 - 14 U 2439/14, Tz. 31, Revision zurückgewiesen durch BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15).

Ebenso wenig überzeugt die Argumentation der Beklagten, dass sich die Fußnote Ziffer 2 ersichtlich ausschließlich an ihre Mitarbeiter wende. Der maßgebliche Text ist in dem Exemplar der Widerrufsbelehrung enthalten, das für den Verbraucher bestimmt ist, und nicht nur in demjenigen, das in der Hand der Beklagten verbleibt. Inhaltlich richtet sich die Bitte, die Widerrufsfrist im Einzelfall zu prüfen, aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers an ihn selbst. Sie ergänzt nämlich den Widerrufstext, der zweifellos den Verbraucher unmittelbar anspricht ("Sie können.") und informiert ihn darüber, dass er seine Vertragserklärung innerhalb einer bestimmten Frist widerrufen könne. An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts aufgrund einer Zusammenschau der beiden Fußnotentexte. Zwar wendet sich der ebenfalls in der Widerrufsbelehrung enthaltene Text zu Fußnote 1 ("Bezeichnung des konkret betroffenen Geschäfts, z. B. Darlehensvertrag vom ...") aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers an Mitarbeiter der Beklagten. Einen Erfahrungssatz, dass verschiedene Fußnoten nicht unterschiedliche Erklärungsadressaten haben können, gibt es jedoch nicht. Zwischen zwei Fußnoten, auch wenn sie unmittelbar nebeneinander abgedruckt sind, besteht kein zwingender Zusammenhang. Deren Aussage wird vielmehr durch die Passage des Haupttextes, auf die sie sich beziehen, bestimmt. Wie bereits ausgeführt, richtet sich die Fußnote 2 inhaltlich an den Verbraucher, kann von diesem jedenfalls so verstanden werden.

Es liegt auch eine inhaltliche Veränderung des Mustertextes vor. Die vorliegende Widerrufsbelehrung ist geeignet, beim Darlehensnehmer den Eindruck zu erwecken, er habe im Einzelfall eine Prüfung von Umständen vorzunehmen, die aus der Widerrufsbelehrung nicht ersichtlich sind und aufgrund derer sich eine Widerrufsfrist von mehr oder weniger als zwei Wochen ergeben könnte. Damit schafft die Gestaltung der Widerrufsbelehrung unnötige Unklarheiten hinsichtlich der Länge der Widerrufsfrist und stellt keine nur geringfügige Anpassung, sondern eine eigene inhaltliche Bearbeitung der Musterbelehrung dar (OLG Nürnberg aaO, Tz. 31).

3. Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg einwenden, die Kläger hätten ihr Widerrufsrecht verwirkt. Ebenso wenig kann sie ihnen eine unzulässige Rechtsausübung entgegenhalten.

a) Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH, Urt. v. 07.05.2014 - IV ZR 76/11, Tz. 39). Im Bereich von Verbraucherschutzrechten und damit zusammenhängenden Widerrufsrechten sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urt. v. 18.10.2004 - II ZR 352/02, Tz. 23 zum HWiG).

b) Derartige besondere Umstände, auf die die Beklagte vorliegend ein Vertrauen hätte gründen können, dass die Kläger von ihrem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen werden, liegen nicht vor.

aa) Aus dem Umstand, dass ein Darlehensnehmer sich über Jahre vertragstreu verhält, folgt kein Vertrauen des Kreditgebers, sein Vertragspartner werde von einem ihm zustehenden Recht, sobald er von diesem Kenntnis erlangt, keinen Gebrauch machen.

bb) Die Tatsache, dass die Kläger über das Bestehen eines befristeten Widerrufsrechts - fehlerhaft - aufgeklärt worden sind, kann ebenfalls kein Vertrauen der beklagten Bank begründen, dass die Kläger - wenn sie Kenntnis von dem Fehler und damit vom Fortbestehen ihres Widerrufsrechts erlangen - dieses nicht mehr ausüben werden. Die Beklagte ist insofern schon deshalb nicht schutzwürdig, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie den Klägern keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt hat (BGH, Urt. v. 07.05.2014 - IV ZR 76/11, Tz. 39).

cc) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist es auch unerheblich, ob die Kläger sich mit ihrem Widerruf günstigere Kreditkonditionen verschaffen wollen oder welches Motiv sie sonst mit ihrem Widerruf verfolgen. Eine Vertrauensbildung auf Seiten der Beklagten kann nicht von den - ihr in der Regel ohnehin nicht bekannten - Motiven ihrer Kunden abhängen (OLG Nürnberg aaO, Tz. 37), auch wenn diese Motive außerhalb des Schutzzwecks des Verbraucherdarlehensrechts liegen (vgl. BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 501/15, Tz. 23).

dd) Die Tatsache, dass der Bundesgerichtshof erstmals 2009 entschieden hat, dass Widerrufsbelehrungen wie die vorliegende hinsichtlich der Belehrung über den Fristbeginn fehlerhaft sind, begründet ebenfalls kein Vertrauen der Beklagten, dass die Kläger ihr Recht nicht mehr ausüben werden. Die Beklagte hat schon nicht behauptet, dass den Klägern die höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Zeitpunkt mitgeteilt worden oder sonst bekannt geworden ist.

ee) Schließlich ist nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte im Vertrauen auf das Verhalten der Kläger so eingerichtet hat, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde. Der hierzu in der Berufungserwiderung erfolgte Sachvortrag, wonach die Beklagte die Darlehen ausgereicht und die Zinsfestschreibung bei der Gestaltung ihrer Refinanzierung berücksichtigt habe, reicht hierfür nicht aus.

4. Aus denselben Gründen ist das Verhalten der Kläger auch nicht widersprüchlich und stellt damit keine unzulässige Rechtsausübung dar. Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn von dem anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BGH, Urt. v. 07.05.2014 - IV ZR 76/11, Tz. 40). Wie oben unter 3. ausgeführt worden ist, liegen derartige Umstände nicht vor.

II. Darlehen vom 14.07.2009:

1. Auch hinsichtlich dieses Darlehens stand den Klägern als Verbrauchern ein Widerrufsrecht zu, § 495 Abs. 1, § 355 BGB a. F.

2. Die Widerrufsbelehrung des Darlehens vom 14.07.2009 ist ebenfalls fehlerhaft mit der Folge, dass die Kläger ihr Widerrufsrecht mit Schreiben vom 24.03.2015 noch wirksam ausüben konnten.

a) Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben (BGH, Urt. v. 10.03.2009, XI ZR 33/08, Tz. 14).

b) Nach Ansicht des Senats ist die nach der Überschrift "Widerrufsbelehrung" eingefügte Fußnote "Nicht für Fernabsatzgeschäfte" in gleicher Weise wie die oben unter Ziff. I. behandelte Fußnote "Bitte Frist im Einzelfall prüfen" geeignet, den Verbraucher zu verwirren und ihn über das Bestehen seines Widerrufsrechts im Unklaren zu lassen. Der Verbraucher wird die eingefügte Fußnote so verstehen, dass die nachfolgende Widerrufsbelehrung dann nicht gilt, wenn es sich bei dem Vertrag um ein Fernabsatzgeschäft handelt. Ob ein solches vorliegt und deshalb die Belehrung nicht einschlägig ist, bleibt der Einschätzung des Verbrauchers überlassen. Dass sich die Fußnote nicht an ihn, sondern an den Sachbearbeiter der Beklagten richtet, ist für den Verbraucher nicht erkennbar. Der Text ist vielmehr ohne weitere Erläuterung auch in dem Exemplar der Widerrufsbelehrung enthalten, das für den Verbraucher bestimmt ist. Anders als bei der Fußnote 2, aus deren Text erkennbar ist, dass es sich dabei um einen Ausfüllhinweis handelt, wird der Verbraucher, der die erste Fußnote liest, den Eindruck gewinnen, eine (von ihm vorzunehmende) Prüfung seines Falles könne zu dem Ergebnis kommen, dass ein Widerrufsrecht nicht besteht (wie hier OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.05.2016 - 17 U 182/15, Tz. 20; a. A. OLG München, Beschluss vom 20.04.2015 - 17 U 709/15, Tz. 4; Beschluss vom 21.05.2015 - 17 U 709/15, Tz. 6; Urt. v. 09.11.2015 - 19 U 4833/14, Tz. 47; OLG Nürnberg, Urt. v. 13.06.2016 - 14 U 2246/15, Bl. 345 ff. d. A.).

Weil die Widerrufsbelehrung bereits aus diesem Grund fehlerhaft ist, kommt es auf die weiteren von den Klägern geltend gemachten Fehler nicht mehr an.

3. Die Beklagte kann auch nicht aus der BGB-InfoV eine für sie günstigere Rechtsfolge herleiten. Denn mit dem Einfügen der Fußnote 1 hat sie bereits eine inhaltliche Bearbeitung der Musterwiderrufsbelehrung vorgenommen (OLG Düsseldorf aaO, Tz. 23).

Zusätzlich enthält der dritte Absatz der Widerrufsbelehrung, der mit "Finanzierte Geschäfte" überschrieben ist, eine inhaltliche Änderung und Abweichung von der Musterbelehrung. Aus dem Gestaltungshinweis Nr. 10 des damaligen Musters (Fassung vom 04.03.2008) folgt, dass die Hinweise für finanzierte Geschäfte entfallen können, wenn ein verbundenes Geschäft nicht vorliegt. Hiervon hat die Beklagte keinen Gebrauch gemacht, sondern die ein finanziertes Geschäft betreffenden Hinweise in ihre Belehrung aufgenommen. Dann aber ist der Mustertext auch insoweit unbearbeitet oder unter Beachtung der Gestaltungshinweise, insbesondere des Hinweises Nr. 10, zu übernehmen und inhaltlich nicht zu verändern. Die Beklagte hat jedoch vorliegend den Gestaltungshinweis 10 des Musters missachtet, wonach im Fall des finanzierten Grundstückserwerbs Satz 2 der Allgemeinen Hinweise zwingend durch spezielle Hinweise zu ersetzen ist. Denn statt Satz 2 zu ersetzen, hat die Beklagte ihn beibehalten und die Belehrung betreffend den finanzierten Grundstückserwerb danach eingefügt. Zudem hat sie die in den Gestaltungshinweisen vorgegebene Musterformulierung inhaltlich verändert, indem sie die einleitenden Worte "Dies ist nur anzunehmen, (...)" durch die abweichende Formulierung "Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstückes oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, (...)" ersetzt hat (ebenso OLG Stuttgart, Urt. v. 29.09.2015 - 6 U 21/15, Tz. 34; OLG Frankfurt, Urt. v. 27.01.2016 - 17 U 16/15, Tz. 29; OLG Hamm, Urt. v. 10.02.2016 - 31 U 41/15, Tz. 32).

4. Die Beklagte kann sich weder auf Verwirkung noch auf § 242 BGB berufen. Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen unter I. 3. Bezug genommen.

C.

Rechtsfolge des wirksamen Widerrufs aller drei Darlehensverträge ist, dass sich diese jeweils in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt haben. Dies war auf den - in der Berufungsinstanz ausschließlich noch geltend gemachten - Feststellungsantrag hin auszusprechen.

D.

Die Kläger haben einen Anspruch auf teilweise Freistellung von ihren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.458,11 €, § 280 Abs. 2, § 286 BGB.

Die Beklagte hat die von den Klägern begehrte Rückabwicklung der Darlehensverträge mit Schreiben vom 24.03.2015 endgültig abgelehnt und befand sich daher im Verzug, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Der Klägervertreter wurde erst danach eingeschaltet.

Allerdings können Rechtsanwaltskosten lediglich aus einem Gegenstandswert von 89.822,80 Euro beansprucht werden (Streitwert des Feststellungsantrags, vgl. Hinweis und Beschluss des Senats im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2016), weil die weiteren von den Klägern ursprünglich geltend gemachten Ansprüche rechtskräftig abgewiesen worden sind. Für eine Erhöhung der Geschäftsgebühr auf 1,8 sieht der Senat keinen Anlass. Es handelt sich um einen auch in rechtlicher Hinsicht nicht ungewöhnlich schwierigen oder besonders komplexen Streit. Es verbleibt daher bei einer Geschäftsgebühr von 1,3, die nach Nr. 1008 VV RVG um 0,3 auf 1,6 zu erhöhen ist. Der nicht anrechenbare Teil beträgt mithin 1,6 - 0,75 = 0,85.

Es ergibt sich somit entsprechend der Berechnung des Klägervertreters auf Seite 38 der Klageschrift folgender Anspruch: 0,85 Geschäftsgebühr aus 89.822,80 €:

Pauschale Nr. 7002 VV RVG:

1.205,30 € 20,00 €

Zwischensumme: 19% MwSt

Gesamtbetrag:

1.225,30 €

232,81 €

1.458,11 €

Die weitergehende Berufung war zurückzuweisen.

E.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Weil der Streitwert für die erste Instanz 449.822,80 Euro beträgt (vgl. Hinweis und Beschluss des Senats im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2016), die Kläger aber lediglich in einem Umfang von 89.822,80 Euro obsiegen, waren ihnen 80% der Kosten der ersten Instanz aufzuerlegen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt hingegen die Beklagte.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 Satz 1, § 711, § 708 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Der Antrag der Beklagten hinsichtlich der Kapitalertragsteuer ist schon deshalb unbeachtlich, weil keine Zinsen ausgeurteilt werden.

Die Revision wird wegen des selbstständig abtrennbaren Streitgegenstands "Darlehen vom 14.07.2009" (Ziff. B. II.) im Hinblick auf die divergierenden Auffassungen der Oberlandesgerichte München und Nürnberg zu einer identischen Widerrufsbelehrung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, § 543 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Wegen der beiden Darlehen vom 18.02.2007 und 04.03.2008 liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.07.2016 (XI ZR 564/15) hingegen nicht mehr vor.

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