LG Krefeld, Urteil vom 30.09.2003 - 12 O 84/03
Fundstelle
openJur 2011, 22907
  • Rkr:
Tenor

1. Unter Klageabweisung im übrigen werden die Be-

klagten verurteilt,

es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbe-

werbs Autohäusern und/oder Kraftfahrzeughänd-

lern und/oder KFz-Reparaturbetrieben "Aufwands-

entschädigungen" für die Erteilung eines Gut-

achtensauftrags auf dem Gebiet von Kraftfahrzeug-

schäden anzubieten bzw. anzukündigen und/oder ge-

mäß den Ankündigungen zu verfahren, insbesondere

wenn dies wie folgt geschieht:

" Für jeden vermittelten Gutachtensauftrag er-

halten Sie nach Rechungsstellung eine Auf-

wandsentschädigung von 50 EURO zuzügl. MWSt."

2. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird den Beklagten

ein Ordnungsgeld von jeweils 250.000 EURO und für

den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden

kann, wird den Geschäftsführern der Beklagten zu 1)

bzw. dem Beklagten zu 2) eine Ordnungshaft oder an-

stelle des Ordnungsgeldes den Geschäftsführern der

Beklagten zu 1) bzw. dem Beklagte zu 2) sofort eine

Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht.

3. Die Kosten des Verfahrens fallen den Beklagten

zur Last.

4. Das Urteil ist gegenüber beiden Beklagten gegen

Sicherheitsleistung in Höhe von je 6.000,00 EURO

vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klägerin obsiegt ganz überwiegend.

I.

Die Klägerin hat nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 umfassende Verbandsklagebefugnis (vergl. BGH GRUR 1995, 122), wie die Beklagten nicht in Zweifel ziehen.

II.

Beide Beklagten sind passivlegitimiert. Ist der verfolgte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) gegeben, ist auch der Beklagte zu 2) zur Unterlassung verpflichtet. Denn als Organvertreter der Beklagten zu 1) ist er ggf. Mitstörer (vergl. die Nachweise bei Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., UWG Einl. RdNr. 329).

III.

Der Antrag der Klägerin war in mehrerer Hinsicht korrekturbedürftig.

1.

Da ein Unterlassen in Frage steht, gibt es keine Gesamtschuldnerschaft der Beklagen. Beide können nur selbstständig - ein jeder für sich - zur Unterlassung verurteilt werden.

2.

Der Antrag der Klägerin läßt offen, an wen sich die Beklagte zu 1) mit ihren Werbeschreiben Anl. K 1 und K 1a gewandt hat. Daß Autohäuser, Kfz-Händler und Kfz-Reparaturbetriebe die Angesprochenen sind, war klarstellend aufzunehmen.

3.

Eine "Aufwandsentschädigung" hat die Beklagte zu 1) den Angesprochenen angeboten. Deshalb hat die Kammer in dem Antrag zu 1. der Klägerin das Wort "zu unterbreiten" ersetzt durch die Worte "anzubieten bzw. anzukündigen".

4.

Der Diktatfehler "nach Rechnungsstelle" statt nach "Rechnungsstellung" war zu berichtigen.

5.

Der Antrag der Klägerin ist aber auch zu weit gefaßt. Die Beklagte hat ausschließlich eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 50 EURO zuzügl. MWSt. angeboten, nicht auch "sonstige Vorteile", wie es etwa sein könnten ein Präsent, Geneigtheit einer jungen Dame oder andere Dinge, die als angenehm empfunden werden. Soweit die Klägerin in ihrem Klageantrag zu 1. auch das Anbieten "sonstiger Vorteile" verboten sehen will, löst sie sich von der konkreten Verletzungsform. Insoweit ist ihr Antrag nicht gerechtfertigt. Es geht nur um die Zuwendung von Geld, bisher angeboten in Höhe von 50,00 EURO zuzügl. MWSt..

IV.

Nach Maßgabe der Richtigstellungen unter III.- 1. bis 4. und in der Begrenzung, die sich aus dem unter III.5. Gesagten ergibt, obsiegt die Klägerin.

Die Kammer folgt ihr darin, daß ein Verstoß gegen die Grundsätze des freien Leistungswettbewerbs und damit ein Verstoß gegen § 1 UWG vorliegt.

Zentraler Grundgedanke des Leistungswettbewerbs ist es, daß im Wettbewerb der eine Wettbewerber den anderen auf Dauer durch die bessere Leistung (Baumbach-Hefermehl, aaO, Allg. RdNr. 22) überflügelt. Daraus folgt, daß Wettbewerbshandlungen unzulässig sind, die darauf angelegt sind, die Entscheidung nach sachlichen, an der Leistung anknüpfenden Kriterien von vorneherein zu unterbinden. Auf eben das läuft das Vorgehen der Beklagten zu 1) hinaus. Durch das Unfallgeschehen Geschädigter ist der jeweilige Kfz-Halter. Ihm geht es darum, durch einen Gutachter, den er beauftragt, feststellen zu lassen, wie hoch der Schaden ist, um Klarheit zu gewinnen über die Art und Weise, in der der Schaden ggf. gegenüber Kaskoversicherer oder Unfallgegner abzurechnen ist. Da er i.d.R. Laie ist, der darum, welcher Sachverständige tunlichst gewählt werden sollte, nicht weiß, wendet er sich an "sein" Autohaus, "seinen" Kfz-Händler bzw. "seinen" Kfz-Reparaturbetrieb, durch das/den er ggf. die Reparatur, so sie noch lohnt, vornehmen lassen will, m.d.B., ihm einen geeigneten Sachverständigen zu beschaffen. Aus dem Vertragsverhältnis zu dem Geschädigten ist der jeweilige Betrieb in Form einer vertraglichen Nebenpflicht gehalten, nach sachlichen Kriterien auszuwählen, d.h. ausschließlich ausgerichtet an den Fragen, (1) welche Güte des Gutachtens der Sachverständigen erwarten läßt, (2) binnen welcher Zeit er - die Sachen sind naturgemäß eilbedürftig - zur Verfügung steht und (3) wie hoch er ggf. liquidieren wird. Die "Aufwandsentschädigung" von 50 EURO zuzügl. MWSt., die die Beklagte offeriert, ist keine Entschädigung für Aufwand, der den Angesprochenen entsteht. Das schon deshalb nicht, weil diese aus dem Vertragsverhältnis mit dem jeweiligen Geschädigten, ihrem Auftraggeber, verpflichtet sind, sich selbst vor Benennung eines geeigneten Sachverständigen klug zu machen über den annähernden Umfang der Schäden, und, kommt es zur Reparatur, diesen Aufwand einfliessen lassen in die Reparaturkostenrechnung, die sie dem Geschädigten erteilen und die letztlich beglichen werden soll entweder von diesem selbst oder von dessen Kasko-Versicherer oder vom Haftpflichtversicherer des Unfallgegners. Da ein von Seiten eines Dritten auszugleichender Aufwand auf Seiten der Angesprochenen folglich nicht besteht, wirkt das Angebot der Beklagten zu 1) wie ein Bestechungsgeld. Es verleitet die Angesprochenen gegenüber den Geschädigten, ihren Auftraggebern, zu nicht vertragsgerechtem Verhalten, nämlich dazu, sich bei der Auswahl des Sachverständigen, den sie dem Geschädigten vorschlagen bzw. den sie in dessen Vertretung beauftragen, pflichtwidrig nicht nach den o.g. sachlichen Kriterien auszurichten, sondern sich leiten zu lassen von dem finanziellen Vorteil, der ihnen entsteht, empfehlen sie bzw. beauftragen sie über die Beklagte zu 1) deren "A-Stützpunktpartner". Das Angebot der Beklagten zu 1) verspricht ihnen einen Vorteil in Höhe von 50,00 EURO zuzügl. MWSt., weil sie selbstverständlich die Zahlung der Beklagten nicht anspruchsmindernd - als von dritter Seite schon geleistet auf die Verbindlichkeit des Geschädigten - in die Abrechnung mit ihrem Auftraggeber aufnehmen, sondern ihren Aufwand gegenüber dem geschädigten Kfz-Halter voll abrechnen werden, um die angebotene "Aufwandsentschädigung", wie der Beklagten zu 1) bewußt ist, als angenehm empfundenes und gerne entgegengenommenes "Aufgeld" für sich zu vereinnahmen.

V.

Der Ausspruch unter Ziff. 2. des Tenors beruht auf § 890 ZPO.

VI.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 100 Abs. 1, 709 ZPO. Mit den Kosten waren gänzlich die Beklagten zu belasten. Die Korrekturen unter III. 2. bis 4. sind nur klarstellender Art. Daß die Beklagten, wie unter III.1. dargelegt, selbstständig haften - jeder für sich - und nicht als Gesamtschuldner, führt nicht zu einem Teilunterliegen der Klägerin. Ein teilweises Unterliegen der Klägerin liegt nur vor, soweit die Kammer in das Unterlassungsverbot aus den Gründen unter III.5. nicht das Anbieten "sonstiger Vorteile" aufgenommen hat. Dieses Teilunterliegen kann gemäß § 92 ZPO bei der Kostenverteilung vernachlässigt werden.

VII.

Streitwert: 10.000 EURO

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