LAG Köln, Urteil vom 22.05.2003 - 10 Sa 970/02
Fundstelle
openJur 2011, 22601
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 5 Ca 1436/02

1. In der Klageerweiterung des erstinstanzlich voll obsiegenden Klägers in der Berufung des Beklagten liegt prozessual eine Anschlussberufung, die nur innerhalb der Monatsfrist des § 524 II 2 ZPO zulässig ist.

2. In der Verlängerung der Frist für die Berufungsbeantwortung liegt keine Verlängerung der Frist für die Einlegung einer eventuellen Anschlussberufung.

3. Es ist zweifelhaft, ob die Frist für die Anschlussberufung verlängerbar ist.

4. Es bleibt offen, ob es sich bei dieser Frist um eine wiedereinsetzungsfähige Frist i.S.d. § 233 ZPO handelt.

5. Die Anschlussberufung ist kein Rechtsmittel i.S.d. § 9 V ArbGG, über das &.150; vorsorglich &.150; belehrt werden müsste.

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurück-

weisung der Berufung im übrigen und unter Verwerfung der Anschlussberufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 19.07.2002 &.150; 5 Ca 1436/02 &.150; teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Klage gegen die Beklagte zu 2) wird abgewiesen.

2. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin

a) 5.914,97 &.128; brutto nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2002,

b) 4.372,57 &.128; brutto abzüglich Arbeitslosengeld von 705,67 &.128; nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Differenzbetrag seit dem 01.03.2002,

c) 4.372,57 &.128; brutto abzüglich Arbeitslosengeld von 1.286,81 &.128; nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Differenzbetrag seit dem 01.04.2002,

d) 4.372,57 &.128; brutto abzüglich Arbeitslosengeld von 871,71 &.128; und abzüglich Krankengeld von 607,41 &.128; nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Differenzbetrag seit dem 01.05.2002,

e) 4.372,57 &.128; brutto abzüglich Krankengeld von 2.092,19 &.128; nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Differenzbetrag seit dem 01.06.2002,

f) 1.348,92 &.128; netto (Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld) nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2002

zu zahlen

3. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.

4. Im übrigen wird die Klage auch gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz werden

der Klägerin zu 5/8, der Beklagten zu 1) zu 3/8

auferlegt.

6. Die Kosten der II. Instanz werden der Klägerin

zu ¾, der Beklagten zu 1) zu ¼ auferlegt.

7. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wurde durch Arbeitsvertrag vom 08.08.2001 (Bl. 4 &.150; 7 d.A.) von der Beklagten zu 1) ab 01.09.2001 als Assistentin der Geschäftsleitung

zu einem monatlichen Bruttolohn von 8.500,-- DM und der Bereitstellung eines Firmenwagens eingestellt. Für das unbefristete Arbeitsverhältnis war eine Probezeit von 6 Monaten vereinbart.

Bei den beiden Beklagten handelt es sich um Unternehmen der Unternehmensgruppe W . Die Beklagte zu 1) ist eine Vertriebsgesellschaft für Personenzählgeräte. Bei der Beklagten zu 2) handelt es sich um die Holding-Gesellschaft der W -Gruppe, zu der noch eine weitere Gesellschaft, die Firma R G , gehört. Geschäftsführer aller drei Unternehmen ist der Dipl.-Ing. H W .

Die der Klägerin erteilten Gehaltsabrechnungen lauten für die Monate September und Oktober 2001 auf die Beklagte zu 1), für die Folgemonate November und Dezember 2001 auf die Beklagte zu 2).

Mit Schreiben vom 02.02.2002 kündigte die Beklagte zu 2) das Arbeitsverhältnis zunächst ordentlich zum 15.02.2002 und am 08.02.2002 erneut außerordentlich. Am 04.02.2002 teilte die Klägerin ihre im 4. Monat bestehende Schwangerschaft mit. Ein von der Beklagten zu 2) gestellter Antrag auf Zustimmung zur Kündigung der Klägerin wurde durch Bescheid der Bezirksregierung vom 29.05.2002 zurückgewiesen.

Am 08.03.2002 haben beide Beklagten das Arbeitsverhältnis angefochten, mit der Begründung, die Klägerin habe im Rahmen ihrer Bewerbung über ihre Fähigkeiten getäuscht.

Mit ihrer gegen beide Beklagten gerichteten Klage hat die Klägerin Vergütungsansprüche für die Monate Januar bis Juni 2002, ein Zwischenzeugnis und die Aushändigung von Arbeitspapieren geltend gemacht. Die Inanspruchnahme beider Beklagten hat die Klägerin damit begründet, dass diese einen gemeinschaftlichen Betrieb bildeten, was sich schon aus der Personidentität des Geschäftsführers H W ergäbe. Einem Wechsel

des Arbeitsgebers zum 01.11.2001 habe sie nicht zugestimmt. Unwahre Angaben bei ihrer Einstellung habe sie nicht gemacht.

Die Klägerin erhielt ab 12.02.2002 Arbeitslosengeld. In der Zeit vom 22.04.2002 bis 12.06.2002 war sie arbeitsunfähig krankgeschrieben. Nach Ende des Lohnfortzahlungszeitraums von 6 Wochen erhielt sie Krankengeld. Die Mutterschutzfrist begann am 13.06.2002.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen,

1. an die Klägerin 5.914,97 &.128; nebst 5 % Zinsen über

dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG zu zahlen seit

dem 01.02.2002,

an die Klägerin weitere 2.008,25 &.128; brutto nebst

5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG

seit dem 01.02.2002 zu zahlen,

3. an die Klägerin 4.599,67 &.128; brutto nebst 5 % Zinsen

über den Basiszinssatz nach § 1 DÜG zu zahlen,

4. der Klägerin ein qualifiziertes, wohlwollendes

Zwischenzeugnis zu erteilen,

5. der Klägerin die Arbeitspapiere auszuhändigen,

bestehend aus

Lohnsteuerkarte 2001,

Sozialversicherungsausweis,

Jahresmeldung zur Krankenkasse

per 31.12.2001,

Abmeldung der Beklagten,

6. an die Klägerin weitere 4.599,67 &.128; brutto

nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz

nach § 1 DÜG ab dem 01.04.2002 zu zahlen,

7. an die Klägerin weitere 4.599,67 &.128; brutto

nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach

§ 1 DÜG zu zahlen seit dem 01.05.2003,

8. an die Klägerin 4.599,67 &.128; brutto nebst 5 % Zinsen

über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG zu zahlen

seit dem 01.06.2002,

9. an die Klägerin weitere 4.599,67 &.128; brutto nebst

5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1

DÜG zu zahlen seit dem 01.07.2002.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin sei zum 01.11.2001 von der Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) einvernehmlich übertragen worden. Die Klägerin habe sie bei der Einstellung über ihre Qualifikation getäuscht. Aufgrund dessen stehe der Klägerin für die Zeit bis zur Anfechtung allenfalls ein um 2.000,-- DM monatlich reduziertes Gehalt zu. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, daraus ergebe sich für sie ein Überzahlungsanspruch; weiter beständen Schadensersatzansprüche gegen die

Klägerin. Mit beiden Ansprüchen hat sie die Aufrechnung erklärt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 09.03.2002, Seiten 11 &.150; 12 (Bl. 44 &.150; 45 d.A.) und vom 06.05.2002, Seiten 13 &.150; 15 (Bl. 88 &.150; 90 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie bleiben dabei, dass das Arbeitsverhältnis zum 01.11.2001 einvernehmlich auf die Beklagte zu 2) übertragen worden sei. Es gebe auch keinen Gemeinschaftsbetrieb, zumal sich der Betrieb der Beklagten zu 1) in L , der der Beklagten zu 2) in K befinde. Abgesehen davon könne von einem angeblichen Gemeinschaftsbetrieb nicht auf eine Arbeitgebermehrheit geschlossen werden.

Die Anfechtung sei begründet. Die Klägerin habe nicht nur über ihre fehlende Qualifikation getäuscht, sondern bei ihrer Bewerbung auch ein Zeugnis vorgelegt, bei dem es sich um eine Fälschung handele. Die Klägerin habe sich das Zeugnis selbst erstellt und erreicht, dass es von dem damaligen Geschäftsführer der Vorarbeitgeberin der Klägerin, der Firma R G , unterzeichnet worden sei. Die Beklagten hätten dies erst 4 Tage nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht erfahren. Im Hinblick darauf haben die Beklagten durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 17.03.2003 und erneut mit Schreiben vom 25.04.2003 noch einmal die Anfechtung des Arbeitsvertrages erklärt.

Soweit die Klägerin ein Zwischenzeugnis begehre, habe das Arbeitsgericht offengelassen, welche der beiden Beklagten das Zeugnis ausstellen solle. Unrichtig sei auch die Höhe der vom Arbeitsgericht zuerkannten Zahlungsansprüche, zumal die auf Dritte übergegangenen Ansprüche vom Arbeitsgericht nicht berücksichtigt worden seien. An der Aufrechnung mit überzahltem Lohn und Schadensersatzansprüchen hielten sie fest.

Die Beklagten beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und die

Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat nach Zustellung der Berufungsbegründung der Beklagten am 30.12.2002 mit Schriftsatz vom 13.02.2003 den erstinstanzlich gestellten Antrag zu 2. fallengelassen, den Antrag zu 9. aus der ersten Instanz von 4.599,67 &.128; brutto auf 1.752,80 &.128; netto reduziert und unter Beibehaltung der Anträge zu 1., 4. und 5. die Zahlungsanträge zu 3., 6., 7. und 8. einerseits um das gezahlte Arbeitslosen- und Krankengeld reduziert, andererseits im Wege der Klageerweiterung den Bruttobetrag erhöht (Seite 9 des Schriftsatzes Bl. 329 d.A.). Darüber hinaus macht die Klägerin im Wege der Klageerweiterung den Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld ab Juli 2002, Verzugslohn ab Oktober 2002 bis einschließlich Februar 2003, Weihnachtsgeld und Nutzungsausfall bezüglich des Firmenfahrzeugs für den Zeitraum vom 01.02.2002 bis zum 28.02.2003 geltend. Wegen der Bezifferung der Anträge wird auf Seite 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 12.02.2003 (Bl. 322 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Soweit die Beklagten die Anfechtung nunmehr weitergehend auf eine Zeugnisfälschung stützten, könne davon keine Rede sein. Zum einen habe der Geschäftsführer der Vorarbeitgeberin das Zeugnis unterschrieben, zum anderen entsprächen die im Zeugnis beschriebenen Tätigkeiten der Wahrheit.

Nach Aushändigung der Arbeitspapiere haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage auch insoweit, als sie in der Berufungsinstanz erweitert worden ist.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze, der eingereichten Unterlagen und der Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten zu 2) hat vollen Erfolg. Die Berufung der Beklagten zu 1) ist teilweise begründet. Die in der Klageerweiterung liegende Anschlussberufung der Klägerin ist unzulässig.

I. Berufung der Beklagten zu 2).

Diese Berufung ist deshalb begründet, weil die Beklagte zu 2) nicht passivlegitimiert ist. Ein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) bestand und besteht nicht.

Begründet wurde das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1). Die behauptete einvernehmliche Übernahme des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte zu 2) im Wege eines dreiseitigen Vertrages, mit dem auf Arbeitgeberseite nach Behauptung der Beklagten der Vertragspartner ausgewechselt werden sollte, scheitert bereits an dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB. Bei einem dreiseitigen Vertrag, mit dem zugleich das Ausscheiden bei dem alten Arbeitgeber und die Begründung des Arbeitsverhältnisses mit einem neuen Arbeitgeber geregelt werden soll, ist nicht nur derjenige Teil, der das Ausscheiden bei dem alten Arbeitgeber regelt, formbedürftig, sondern der Vertrag insgesamt (LAG Köln, Beschluss vom 06.03.2003 &.150; 4 Ta 404/02; Preis/Gotthardt, NZA 2000, Seiten 348, 355). Die Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses ist wesentlicher Vertragsbestandteil des einheitlichen Vertrages. Halten die Parteien die Schriftform des § 623 BGB wie vorliegend nicht ein, so ist der Vertrag gemäß § 125 S. 1 BGB nichtig. Bei einem formunwirksamen dreiseitigen Vertrag ist dieser insgesamt nichtig. Das ursprüngliche Arbeitsverhältnis bei dem bisherigen Arbeitgeber besteht fort und das Arbeitsverhältnis bei dem neuen Arbeitgeber ist nicht wirksam begründet worden.

Legt man die Behauptung der Klägerin zugrunde, dass sie einer späteren Übertragung ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2) widersprochen hat, folgt eine Passivlegitimation der Beklagten zu 2) entgegen ihrer Ansicht nicht aus einem Schuldbeitritt. Für eine Verpflichtung sowohl der Beklagten zu 1) als auch der Beklagten zu 2) gibt es keine zureichenden Anhaltspunkte. Dass die Gehaltsabrechnung der Klägerin ab November 2001 von der Beklagten zu 2) erstellt worden sind, lässt noch keine zuverlässigen Schlüsse auf einen Schuldbeitritt zu. Auch aus der Sicht der Klägerin konnte es bei vernünftiger Betrachtung nur um die Beklagte zu 1) oder um die Beklagte zu 2) gehen, aber nicht darum, dass bei dem von der Klägerin vorgetragenen Widerspruch einer Übertragung des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2) diese als zusätzlich Verpflichtete aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1) habe ein eintreten wollen.

Soweit die Klägerin einen gemeinschaftlichen Betrieb der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) behauptet, lassen sich daraus keine Schlüsse auf eine Arbeitgebermehrheit ziehen. Ist ein Arbeitnehmer in einem von mehreren rechtlich selbstständigen Unternehmen getragenen Gemeinschaftsbetrieb beschäftigt, erhält er dadurch noch nicht mehrere Arbeitgeber. Begründet wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten zu 1). Selbst wenn die Beklagte zu 1) mit der Beklagten zu 2) später einen Gemeinschaftsbetrieb gebildet haben sollte, wird das weitere Unternehmen, die Beklagte zu 2), nicht zusätzlich zum Vertragspartner der Klägerin. Abgesehen davon gibt es für einen einheitlichen Betrieb der Beklagten zu 1) und 2) keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Annahme des Arbeitsgerichts, die Beklagten hätten eine einheitliche Adresse, beruht offenbar auf einem Missverständnis, das sich bis in den Berichtigungsbeschluss des Arbeitsgerichts (Bl. 166 d.A.) fortgesetzt hat. Die Beklagte zu 2) hat ihren Sitz in Köln, was sich auch aus den Briefköpfen der Schreiben der Beklagten zu 2) ergibt. Lediglich die Buchhaltung befindet sich nach wie vor bei der Beklagten zu 1) in L Eine gemeinsame Buchhaltung begründet noch keinen gemeinsamen Betrieb.

II. Berufung der Beklagten zu 1).

1. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten zu 1) ist weder durch Kündigung noch durch Anfechtung beendet. Die Kündigung scheitert an § 9 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes, die Anfechtung daran, dass deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Die Beklagte stützt sich auf den Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung (§ 123 Abs. 1 1. Alternative BGB). Sie behauptet, die Klägerin habe sie bei der Eingehung des Arbeitsverhältnisses über ihre Fähigkeiten getäuscht. Grundsätzlich kann auch bei der Anbahnung von Arbeitsverträgen eine arglistige Täuschung vorliegen. Im Streitfall ist sie nicht dargetan. Es fehlt bereits am Tatbestandsmerkmal der Täuschung.

Die Beklagte trägt vor, sie habe der Forderung ihrer Bank nach Einstellung einer qualifizierten kaufmännischen Kraft Folge leisten wollen. Entsprechend dieser Vorgabe habe sie sich auf die Suche nach einer entsprechenden qualifizierten Kraft gemacht. Nach Anhörung des Geschäftsführers W der Beklagten im Termin der Berufungsverhandlung wurde eine Personalagentur eingeschaltet, die ihm mehrere Bewerber zuführte. Der Geschäftsführer der Beklagten entschied sich nach seiner Bekundung für die Klägerin, weil sie zuvor im Handel tätig war und ihm daher für die zu besetzende Position geeignet erschien, weil auch die Beklagte zu 1) als Vertriebsgesellschaft im Handel agiert. Sowohl nach Angabe des Geschäftsführers der Beklagten als auch nach der Erklärung der Klägerin im Termin der Berufungsverhandlung entwickelte sich in dem Vier-Augen-Gespräch sogleich ein gutes Gesprächsklima zwischen den Parteien, was zu einem schnellen Vertragsabschluss führte. Irgendwelche Äußerungen der Klägerin, die auf eine Täuschung des Geschäftsführers hindeuten könnten, sind bei der persönlichen Anhörung der Parteien nicht zu Tage getreten. Wenn sich die Klägerin im Rahmen des Arbeitsverhältnisses bei der Erstellung von Liquiditätsplanungen als nicht qualifiziert erwiesen haben sollte, mag sie die

Erwartungen nicht erfüllt haben. Dies rechtfertigt aber nicht den Vorwurf arglistiger Täuschung bei Eingehung des Arbeitsverhältnisses, zumal dieser konkrete Punkt beim Vorstellungsgespräch vor Abschluss des Arbeitsvertrages als "Assistentin der Geschäftsleitung" nicht konkret angesprochen worden ist.

Auch die nochmalige Anfechtung des Arbeitsvertrages durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten im Schriftsatz vom 17.03.2003 und erneut durch die Schreiben der Beklagten vom 25.04.2003 hat keinen Erfolg. Diese Anfechtung stützt sich auf eine angebliche Fälschung des Zeugnisses der F R , der Vorarbeitgeberin der Klägerin, vom 30.06.2001 (Bl. 48 &.150; 49 d.A.). Eine Urkundenfälschung liegt schon deshalb nicht vor, weil das Zeugnis tatsächlich von dem Geschäftsführer der F R unterschrieben worden ist. Dass dieses Zeugnis im Entwurf von der Klägerin vorformuliert worden ist, ändert nichts daran, dass der Geschäftsführer mit seiner Unterschrift die Verantwortung für die Richtigkeit des Zeugnisinhalts übernommen hat. Soweit die Beklagte nun in Abrede stellt, dass die Klägerin, die immerhin 7 ½ Jahre bei der Vorabeitgeberin beschäftigt und in den letzten 5 Jahren mit Einzelprokura ausgestattet worden war, die im Zeugnis genannten Aufgaben tatsächlich wahrgenommen habe, ist ihr Vortrag pauschal und unsubstantiiert.

2. Zu den einzelnen Ansprüchen der Klägerin gemäß Urteilstenor:

a. Die mit dem Antrag zu 1. geltend gemachten Ansprüche in Höhe von insgesamt 5.914,97 &.128; nebst Zinsen sind begründet. Dieser Betrag setzt sich aus folgenden Positionen zusammen:

aa. Gehalt für Januar 2002 in Höhe von 8.500,-- DM = 4.345,98 &.128;

sowie vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 52,-- DM = 26,59 &.128;,

insgesamt 4.372,57 &.128;.

bb. Anteilige Gratifikation für 4 Monate (01.09.2001 &.150; 31.12.2001) gemäß

§ 4 des Arbeitsvertrages = 2.833,33 DM abzüglich bereits gezahlter

1.416,67 DM = 1.416,66 DM = 724,33 &.128;.

cc. Nutzungsausfall für den vorenthaltenen vertraglich vereinbarten

Firmenwagen für 5 Monate für die Zeit vom 01.09.2001 &.150;

31.01.2002, berechnet auf der Basis von 1 % des Listenpreises

(32.000,-- DM) = 320,-- DM monatlich = 163,61 &.128; monatlich x

5 Monate = 1.600,-- DM = 818,07 &.128;.

Der Nutzungsausfall besteht in Form eines Schadensersatzan-

spruchs, der als Bruttobetrag (BAG, Urteil vom 27.05.1999 &.150; 8 AZR

415/98 &.150; V der Gründe) zu zahlen ist.

b &.150; e. Insoweit handelt es sich um die Zuerkennung von Gehalts-

und Entgeltfortzahlungsansprüchen für die Zeit von Februar 2002

bis einschließlich Mai 2002 abzüglich des erhaltenen Arbeitslosen-

und Krankengeldes.

f. Der zuerkannte Betrag von 1.348,92 &.128; netto bezieht sich auf den

Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG für

Juni 2002. Die Mutterschutzfrist begann am 13.06.2002. Der geltend gemachte Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld wurde wie

folgt berechnet:

Bei einem Bruttobetrag von 8.872,-- DM unter Einbeziehung der ver-

mögenswirksamen Leistungen und des Nutzungsausfalls = 4.536,18 &.128;

ergibt sich nach Abzug der Lohnsteuer von 1.253,16 &.128; nach der Lohn-

steuertabelle 2002, des Solidaritätszuschlags (5,5 %) von 68,92 &.128;,

der Rentenversicherung (Arbeitnehmeranteil damals 9,55 %) von

429,75 &.128; und des Arbeitnehmerbeitrags zur Arbeitslosenversicherung

(3,25 %) von 146,25 &.128; ein Nettobetrag von 2.638,10 &.128;. Dieser Betrag

geteilt durch 30 ergibt 87,94 &.128;. Anrechnen lässt sich die Klägerin

13,-- &.128; pro Kalendertag, so dass ein Tagessatz von 74,94 &.128; verbleibt,

der für die Zeit vom 13.06. bis zum 30.06.2002 mit 18 Kalendertagen

zu multiplizieren ist, so dass sich ein Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe von 1.348,92 &.128; netto ergibt. Der von der

Klägerin begehrte höhere Zuschuss zum Mutterschaftsgeld beruht

darauf, dass im Referenzzeitraum zu Unrecht Einmalzahlungen

und nur vorübergehende Überstunden einbezogen worden sind.

3. Gegenüber den Zahlungsansprüchen greift die Aufrechnung der Beklagten nicht durch. Das gilt einmal für den geltend gemachten Anspruch auf überzahlten Lohn, den die Beklagte mit fehlenden Fähigkeiten der Klägerin begründet. Der Gehaltsanspruch ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag. Die Beklagte kann ihn nicht einseitig &.150; ohne wirksame Änderungskündigung &.150; reduzieren. Unbegründet ist auch der von der Beklagten geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen Schlechtleistung, den sie mit "rund EUR 17.400,00" veranschlagt hat. Zu Recht hat die Klägerin gerügt, dass die Beklagte insoweit unsubstantiiert vorträgt. Zuverlässige Schlüsse auf einen Schadensersatzanspruch erlaubt der Vortrag der Beklagten nicht. Im Berufungsverfahren beschränkt sich die Beklagte im Wesentlichen auf eine Bezugnahme ihres erstinstanzlichen Vortrags.

4. Der Zeugnisanspruch gegen die Beklagte zu 1) ergibt sich daraus, dass nur sie die Arbeitgeberin der Klägerin ist.

III. Klageerweiterung/Anschlussberufung der Klägerin.

Die mit Schriftsatz vom 12.02.2003 vorgenommene Klageerweiterung (Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld ab Juli 2002, Annahmeverzugslohn ab Oktober 2002 und Nutzungsausfall für den Zeitraum vom 01.02.2002 bis zum 28.02.2003) ist als Anschlussberufung unzulässig. Das gilt auch für die Überstunden, die die Klägerin erstmals in der Berufung geltend gemacht und damit auch die Verzugs- und EFZ-Ansprüche ab Februar 2002 bis Mai 2002 erhöht hat. Auch insoweit liegt eine Klageerweiterung vor, die die durch das erstinstanzliche Urteil nicht beschwerte Klägerin nur im Wege der Anschlussberufung vornehmen konnte.

Nach der für den vorliegenden Rechtsstreit geltenden Neufassung der Regeln über die Anschlussberufung ist diese nur noch bis zum Ablauf eines

Monats nach der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift zulässig (§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO). Die Berufungsbegründungsschrift der Beklagten wurde der Klägerin am 30.12.2002 zugestellt. Die am 13.02.2003 eingegangene Klageerweiterung durch Schriftsatz vom 12.02.2003 ist mithin verspätet. Die Anschlussberufung war daher als unzulässig zu verwerfen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin setzt eine Anschlussberufung kein teilweises Unterliegen in erster Instanz voraus. Richtig ist, dass die Klägerin in

erster Instanz voll obsiegt hat und daher durch das Urteil nicht beschwert war. Die Anschlussberufung setzt aber gerade keine Beschwer voraus (BAG, Urteil vom 29.09.1993 &.150; 4 AZR 693/92 &.150; NZA 1994, 761).

Die Zulässigkeit der Klageerweiterung bzw. Anschlussberufung durch die nicht beschwerte Partei lässt sich auch nicht damit begründen, dass § 67 ArbGG grundsätzlich neues Vorbringen erlaubt. Die Präklusionsvorschrift des § 67 ArbGG hinsichtlich neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel ist zu trennen von der Anschlussberufung, bei der es sich um einen Antrag innerhalb einer fremden Berufung handelt und die in ihrem Verhältnis zur Hauptberufung nur akzessorisch ist und diese Bedingtheiten zu beachten hat. Nach § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO bedeutet dies, dass sie nur zulässig ist bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Berufungsbegründungsschrift. Diese Vorschrift gilt über die Verweisungsnorm des § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG auch für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten.

Gegenüber der Fristversäumung kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, die Rechtsmittelbelehrung im arbeitsgerichtlichen Urteil sei unzureichend, weil es in ihr heiße, dass für die &.150; obsiegende &.150; klagende Partei gegen das Urteil kein Rechtsmittel gegeben ist. Die Rechtsmittelbelehrung durch das Arbeitsgericht ist zutreffend, denn die Klägerin war durch das Urteil nicht beschwert. Die Anschlussberufung ist kein Rechtsmittel im Sinne des § 9 Abs. 5 ArbGG, sondern räumt dem Rechtsmittelbeklagten nur die Möglichkeit ein, innerhalb der Berufung des Prozessgegners angriffsweise Anträge zu stellen (BAG, Urteil vom 14.05.1976 &.150; 2 AZR 539/75 &.150; NJW 1976, 2143). Eine

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der Frist für die Anschlussberufung um eine wiedereinsetzungsfähige Frist im Sinne des § 233 ZPO handelt. Eine Wiedereinsetzung scheitert jedenfalls daran, dass die Klägerin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter nicht ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Das Verschulden liegt in der Nichtbeachtung der Neuregelung der Anschlussberufung. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten muss sich

die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Es war auch nicht Aufgabe des Landesarbeitsgerichts, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei der Ladung zum Verhandlungstermin vorsorglich auf die Möglichkeit einer eventuellen Anschlussberufung hinzuweisen. Dem dürfte bereits das Gebot der Unparteilichkeit des Gerichts entgegenstehen. Die vom Gesetz einer Partei eingeräumte Möglichkeit der Klageerweiterung/Anschlussberufung muss die Partei selbst prüfen und beachten.

In der Verlängerung der Frist für die Berufungsbeantwortung liegt keine Verlängerung der Frist für die Einlegung einer eventuellen Anschlussberufung. Es ist bereits zweifelhaft, ob diese Frist verlängerbar ist. Es handelt sich um eine gesetzliche Frist, die nach § 224 Abs. 2 ZPO nur in den besonders bestimmten Fällen verlängert werden kann. Der Gesetzgeber hat zwar bei der Berufungsbegründung und der Berufungsbeantwortung eine Fristverlängerung vorgesehen, nicht aber bei der Anschlussberufung. Berufungsbeantwortung und Anschlussberufung sind klar voneinander zu trennen. Abgesehen davon hat die Klägerin auch nur hinsichtlich der Berufungsbeantwortung um eine Fristverlängerung gebeten und auch nur insoweit ist die Frist verlängert worden. Von einer Fristverlängerung für eine etwaige Anschlussberufung ist weder im Antrag noch im Beschluss des Gerichts die Rede.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91 a, 92, 97 ZPO. Wegen der unterschiedlichen Höhe des Streitgegenstands in erster und zweiter Instanz waren die Kosten nach Instanzen getrennt zu verteilen.

V. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlicher Grund. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde unter den Voraussetzungen des § 72 a ArbGG wird verwiesen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben.

(Schroeder) (Klüver) (Winthuis)