OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.05.2002 - VI-U (Kart) 50/01
Fundstelle
openJur 2011, 22462
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.2.2000 verkün-dete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleis-tung von 28.121 Euro (55.000 DM) abwenden, wenn die Be-klagte nicht vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicher-heit leistet.

Die Sicherheiten können durch Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

Tatbestand

Die klagende Stadt will mit einer Feststellungsklage im Wesentlichen geklärt sehen, ob sie verpflichtet, jedenfalls aber berechtigt ist, den Auftrag zur Oberflächenabdichtung der ehemals von ihr benutzten Mülldeponie B.-H. im Wert von etwa 47 Millionen DM in einem Vergabeverfahren nach europaweiter Ausschreibung oder Aufruf zum Teilnahmewettbewerb zu vergeben.

Die Klägerin lagerte den auf ihrem Stadtgebiet anfallenden Hausmüll auf Grundstücken in B.-H. ab, die den Eheleuten H. und M. H. aus B. H. gehören (Gestattungsvertrag aus dem Jahr 1969 Anl. K 1). Nachdem die Deponie 1987 verfüllt war, benutzte sie diese als Müllumladeplatz, was der Regierungspräsident Köln anfangs untersagte, im Februar 1988 jedoch genehmigte (Anl. K 3). Im zeitlichen Zusammenhang damit zeigte sich, dass die ehemalige Deponie B.-H. einer umfangreichen und aufwendigen Sanierung bedurfte.

Unter dem 1.9.1988 schlossen die Eheleute H., die Beklagte (eine Gesellschaft, deren Geschäftsanteile der damalige Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, H. H., unmittelbar oder mittelbar hielt) und die Klägerin (in dieser Reihenfolge bezeichnet als Vertragsschließende zu 1 bis 3) einen Vertrag ab, in dem unter anderem bestimmt war (Anl. K 4):

die Eheleute H. duldeten den Betrieb einer Müllumladestation auf dem bisherigen Gelände der Hausmülldeponie gegen Zahlung eines jährlichen Entgelts von 40.000 DM durch die Klägerin;

in § 6:

1Den Vertragsschließenden zu 1 und 2 (Bemerkung: den Eheleuten H. und der Beklagten) ist bekannt, dass der Regierungspräsident Köln und die Vertragsschließende zu 3 (Bemerkung: die Klägerin) einen unabhängigen Gutachter mit der Untersuchung beauftragt haben, welche Schutzvorkehrungen auf der Deponie aus Gründen des Umweltschutzes ... vorzunehmen sind. 2Die Parteien gehen davon aus, dass die hierzu vom Regierungspräsidenten geforderte Oberflächenabdichtung ... im Rahmen der Rekultivierung vorzunehmen ist. 3Für den Fall, dass die Oberflächenabdichtung vorzunehmen ist, vereinbaren die Parteien:

Die Vertragsschließende zu 3 verpflichtet sich, alle Arbeiten zur Herstellung der Deponieoberflächenabdichtung ... nicht selbst auszuführen, sondern die Arbeiten an die Vertragsschließende zu 2 zu vergeben. ...

Falls eine andere Profilierung des Deponiegeländes - vor Aufbringung der Deponieoberflächenabdichtung - gefordert wird, ist diese Maßnahme von diesem Vertrag ausgenommen.

Die Vertragsschließende zu 3 wird von ihrer Verpflichtung nach

Buchstabe a) frei, wenn die Vertragsschließende zu 2 nicht vor Erteilung des Auftrages nachweist, dass die nach VOB/A geforderte Qualifikation gewährleistet ist.

Die im Rahmen dieser Planungen von einem ... Ingenieurbüro ... zu

ermittelnden Kosten werden Grundlage für die Verhandlungen über den ggf. abzuschließenden Vertrag sein. Sollten die Vertragsschlie-ßenden zu 2 und 3 über das für die Oberflächenabdichtung zu zahlende Entgelt kein Einvernehmen erzielen, verpflichten sie sich, die Angemessenheit des Entgelts durch einen von der Industrie- und Handelskammer zu benennenden Sachverständigen feststellen zulassen. Ferner verpflichtet sich die Vertragsschließende zu 2, sich der Preisprüfung durch den Regierungspräsidenten nach der Verordnung PR Nr. 30/53 und 1/72 vom 21.11.1953 und 06.03. 1972 zu unterwerfen.

Die Oberflächenabdichtung soll von der Vertragsschließenden zu 2

unmittelbar im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Rekultivierung, die den Vertragsschließenden zu 1 obliegt, ausgeführt werden. ...

Der Oberstadtdirektor der Klägerin genehmigte den Abschluss dieses Vertrages im Wege einer Dringlichkeitsentscheidung gemäß der Gemeindeordnung NW (Anl. K 5).

Seither kam es bei der Beklagten zu mehreren gesellschaftsrechtlichen Veränderungen: Durch notariellen Vertrag vom 26.8.1996 übertrug H. H. seinen (100-prozentigen) Kommanditanteil auf die E. E. und V. B. GmbH &Co. KG. In diesem Vertrag traten die Eheleute H. außerdem ihre möglichen Rechte aus dem Vertrag mit der Klägerin vom 1.9.1988 unwiderruflich an die Beklagte ab (Anl. K 6). Später übernahm die S. Tiefbau GmbH &Co. KG, ein Konzernunternehmen der T. AG, 95 % der Kommanditanteile an der Beklagten. Auch die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten wurde ausgewechselt.

An Sanierungsmaßnahmen war auf der ehemaligen Deponie Folgendes vorzunehmen: Es sollte zunächst eine Profilierungs- und Setzungsausgleichsschicht aufgetragen werden. Auf dieser Schicht, von deren Herstellung durch die Beklagte in § 6 S. 3 Buchst. a) des Vertrages vom 1.9.1988 abgesehen worden war, sollte die Oberflächenabdichtung erfolgen.

Die Beklagte erteilte der Klägerin ein Angebot betreffend die Herstellung der Profilierungs- und Ausgleichsschicht. Sie erhielt - nachdem die Klägerin ein Ausschreibungsverfahren durchgeführt und die Beklagte sich hieran beteiligt hatte - jedoch nicht den Zuschlag, da ein anderer Bieter ein preisgünstigeres Angebot abgegeben hatte.

Die Klägerin beabsichtigte nun, auch die Oberflächenabdichtung in einem Vergabeverfahren (in einem offenen Verfahren oder in nicht offenem Verfahren nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb) zu vergeben. Die Beklagte trat diesem Vorhaben unter Berufung auf § 6 des Vertrages vom 1.9.1988 entgegen, was der Klägerin Anlass zur vorliegenden Klage gab.

Die Klägerin hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Sie sei an eine in § 6 S. 3 Buchst. a) des Vertrages vom 1.9.1988 erklärte Verpflichtung, die Arbeiten zur Herstellung der Deponieoberflächenabdichtung an die Beklagte zu vergeben, nicht (mehr) gebunden. Ausschlaggebender Grund für die Übernahme einer dahingehenden Verpflichtung sei - neben einem damals im Stadtgebiet bestehenden Entsorgungsnotstand - gewesen, dass alle Sanierungsmaßnahmen "in einer Hand" hätten liegen sollen. Ein damals vorausgesetzter Sachzusammenhang sei jetzt nicht mehr gegeben, nachdem sich die Gesellschaftsverhältnisse an der Beklagten entscheidend verändert hätten. Es sei dadurch auf der Vertragsseite der Beklagten ein Wechsel des Vertragspartners eingetreten, mit dem sie, die Klägerin, nicht einverstanden sei.

Es sei auch zu befürchten, dass die Beklagte unter anderer Führung eine Verpflichtung, den Auftrag zur Herstellung der Oberflächenabdichtung ohne vorherige Durchführung eines Vergabeverfahrens erteilt zu bekommen, dazu ausnutzen werde, von ihr, der Klägerin, überhöhte und nicht wettbewerbsgerechte Preise zu verlangen. Ähnliches habe sich bereits zugetragen, als die Arbeiten an der Profilierungs- und Setzungsausgleichsschicht angestanden hätten, und die Beklagte hierfür ein Angebot abgegeben habe.

Hiervon abgesehen sei eine Verpflichtung zur Auftragserteilung außerhalb eines Vergabeverfahrens derzeit, und zwar nach Inkrafttreten des neuen Vergaberechts am 1.1.1999, nicht mehr aufrechtzuerhalten. Öffentliche Auftraggeber seien nunmehr dazu verpflichtet, Aufträge der vorliegenden Art in Vergabeverfahren nach dem 4. Teil des GWB zu vergeben.

Die Klägerin hat den Wegfall einer Vergabeverpflichtung gemäß § 6 des Vertrages vom 1.9.1988 schließlich auch auf die zur Geschäftsgrundlage entwickelten Regeln sowie auf die Behauptung gestützt, die Beklagte habe nicht die nach VOB/A erforderliche Qualifikation, einen derart umfangreichen Auftrag auszuführen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass sie v e r p f l i c h t e t sei, die Arbeiten zur Herstellung der Oberflächenabdichtung der ehemaligen Hausmülldeponie B.-H. europaweit im offenen, hilfsweise im nicht offenen Verfahren zu vergeben, ohne im Verhältnis zur Beklagten durch den Vertrag vom 1.9.1988 daran gehindert oder in irgend einer Form eingeschränkt zu sein;

hilfsweise,

festzustellen, dass sie, die Klägerin, b e r e c h t i g t sei, die Arbeiten zur Herstellung der Oberflächenabdichtung der ehemaligen Hausmülldeponie B.-H. europaweit im offenen, hilfsweise im nicht offenen Verfahren zu vergeben, ohne im Verhältnis zur Beklagten durch den Vertrag vom 1.9.1988 daran gehindert oder in irgend einer Form eingeschränkt zu sein.

Die Beklagte hat

Abweisung der Klage beantragt.

Die Beklagte hat dem Klagevorbringen widersprochen. Sie hat vorgetragen, es sei durch Abreden im Vertrag vom 1.9.1988 sicher gestellt, dass die Arbeiten zur Herstellung einer Oberflächenabdichtung von ihr nicht nur sachgerecht ausgeführt, sondern auch zu angemessenen Preisen berechnet würden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe seines Urteils wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihr - um einen weiteren Hilfsantrag ergänztes - Klageziel weiter verfolgt.

Die Klägerin trägt - kurz zusammengefasst - vor:

Der Vertrag vom 1.9.1988 sei als sittenwidrig zu beurteilen. H. H. habe sie unter Ausnutzung eines damals im Stadtgebiet bestehenden Müllnotstandes dazu gezwungen, seinem Unternehmen (der Beklagten) den Auftrag für die Oberflächenabdichtung der Deponie zu versprechen. H. habe hierbei in kartellrechtswidriger Weise eine ihm zukommende Monopolstellung missbraucht, obschon sie, die Klägerin, nach der VOB/A seinerzeit schon gehalten gewesen sei, zuvor eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen. Es sei durch die Bestimmungen des Vertrages vom 1.9.1988 im übrigen keineswegs sicher gestellt, dass sie durch eine wucherische Preisgestaltung der Beklagten nicht übervorteilt werde. Durch die Vorschriften des am 1.1.1999 in Kraft getretenen Vergaberechts sei eine Auftragserteilung an die Beklagte rechtlich unmöglich geworden. Letztlich sei hierfür auch die Geschäftsgrundlage entfallen.

Die Klägerin beantragt,

nach ihren im ersten Rechtszug gestellten Anträgen zu erkennen;

abermals hilfsweise,

festzustellen, dass sich aus § 6 des Vertrages vom 1.9.1988 zwischen den Eheleuten H. und M. H., der Beklagten und ihr, der Klägerin, kein Anspruch der Beklagten darauf ergebe, dass sie, die Klägerin, alle oder einen Teil der Arbeiten zur Herstellung der Deponieoberflächenabdichtung der ehemaligen Hausmülldeponien B.-H. (z.B. Verfüllungs-, Abdichtungs- und Entwässerungsarbeiten einschließlich Materiallieferungen) an die Beklagte vergebe.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts und tritt den Berufungsangriffen entgegen.

Beide Parteien wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen und nehmen hierauf Bezug. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die Anlagen sowie auf die vorbezeichneten Aktenbestandteile verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Feststellungsanträge der Klägerin sind unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, und zwar auch nicht mit Blick auf kartellrechtliche Rechtsnormen, begründet. Die Klage ist - mit abgewogener Begründung - vom Landgericht vielmehr mit Recht abgewiesen worden. Einer Differenzierung nach den von der Klägerin gestellten Haupt- und Hilfsanträgen bedarf es zur Begründung dieses Ergebnisses nicht. Der Klage bleibt nach sämtlichen Anträgen der Erfolg versagt, da die Klägerin durch § 6 S. 3 Buchst. a) des Vertrages vom 1.9.1988 daran gebunden ist, die Beklagte mit den Arbeiten zur Oberflächenabdichtung der ehemaligen Hausmülldeponie in B.-H. zu beauftragen, und dieses sich gleichermaßen auf alle gestellten Anträge auswirkt. Dem Hauptantrag ist außerdem entgegenzuhalten, dass sich eine Verpflichtung der Klägerin, die Oberflächenabdichtung der Deponie in einem Vergabeverfahren nach dem 4. Teil des GWB zu vergeben, derzeit auch schon deswegen nicht feststellen lässt, da über ein Vorliegen des in § 6 S. 3 Buchst. b) des Vertrages vom 1.9.1988 vorgesehenen Ausnahmefalls nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand nichts ausgesagt werden kann.

I. Die Klägerin hat die Beklagte durch die Abrede in § 6 S. 3 Buchst. a) des Vertrages entweder - wie das Landgericht angenommen hat - mit den Abdichtungsarbeiten betreffend die ehemalige Deponie in B.-H. im Sinne eines Werkvertrags bereits beauftragt; oder sie ist mit der Beklagten insoweit jedenfalls einen - ebenso verbindlichen - Vorvertrag eingegangen, der sie schuldrechtlich zum späteren Abschluss eines Werkvertrages betreffend die Oberflächenabdichtung der Deponie verpflichtet hat. Der Vertrag enthält insoweit keinesfalls eine bloße Absichtserklärung der Klägerin, sondern - wie der Wortlaut klar ersehen lässt ("Die Vertragsschließende zu 3 verpflichtet sich, ...") - eine rechtsverbindliche und durch die Beklagte einklagbare Verpflichtung. Allerdings stand entweder die Ausführung der Vertragsleistung durch die Beklagte (so, wenn man den Vertrag vom 1.9.1988 bereits als Auftragserteilung durch die Klägerin auffasst) oder aber der spätere Abschluss eines Werkvertrages (dies, wenn der Vertrag vom 1.9.1988 als Vorvertrag auszulegen ist) unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB), dass eine Oberflächenabdichtung, die durch die zuständige Behörde (hier den Regierungspräsidenten in Köln) anzuordnen war, auf der Deponie vorzunehmen ist (§ 6 S. 3 des Vertrages: "Für den Fall, dass ..."). Gemäß § 6 S. 3 Buchst. b) des Vertrages sollte die Klägerin der Beklagten auch nicht (mehr) verpflichtet sein, wenn diese nicht "vor Erteilung des Auftrags" ihre nach VOB/A vorauszusetzende Qualifikation zur Ausführung der fraglichen Arbeiten nachweisen sollte. Solches spricht zwar eher dafür, im Vertrag vom 1.9.1988 selbst noch nicht eine abschließende werkvertragliche Beauftragung der Beklagten zu erblicken. Doch kann diese Rechtsfrage dahingestellt bleiben, da sich auf die rechtliche Beurteilung im Ergebnis nicht auswirkt, ob im Vertrag vom 1.9.1988 bereits eine verbindliche Beauftragung der Beklagten oder (nur) der Abschluss eines Vorvertrages zu sehen ist. Die Klägerin ist - was die Ausführung der Oberflächenabdichtung der ehemaligen Deponie anbelangt - im Sinne einer rechtlichen Verpflichtung in jedem Fall an die Beklagte gebunden.

Die Klägerin kann sich dieser der Beklagten gegenüber bestehenden rechtlichen Verpflichtung nicht mit Erfolg durch dem Hinweis darauf entziehen, es habe infolge gesellschaftsrechtlicher Veränderungen bei der Beklagten ein Wechsel des (künftigen) Vertragspartners stattgefunden. Der Fall einer von ihrer - allerdings nicht erklärten - Genehmigung abhängigen Schuldübernahme liegt nicht vor (§ 415 Abs. 1 BGB). Es sind - wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat (Urteilsabdruck S. 14) - lediglich Veränderungen im Gesellschafterbestand sowie bei der Geschäftsführung der Beklagten eingetreten. Die Identität der Beklagten als Trägerin von Rechten und Pflichten blieb hierdurch indessen unangetastet. Die Klägerin kann für sich überdies kein schutzwürdiges Interesse daran in Anspruch nehmen, dass es zu keinen Veränderungen im Gesellschafterbestand oder bei der Geschäftsführung der Beklagten kam. Dergleichen hat im Vertrag vom 1.9.1988 keinerlei Anklang gefunden und kann - worauf ebenfalls schon das Landgericht hingewiesen hat (Urteilsabdruck S. 15) - ihm auch durch Auslegung nicht entnommen werden. Die Klägerin hatte bei Abschluss des Vertrages vom 1.9.1988 überdies keinen vernünftigen Grund anzunehmen, es würden in der bis zur Ausführung der Oberflächenabdichtung verstreichenden Zeit - wobei in Rechnung zu stellen war, dass die diesbezüglichen Arbeiten unter Umständen erst mehrere Jahre danach aufgenommen werden konnten - keine gesellschaftsrechtlichen Änderungen der genannten Art bei der Beklagten eintreten. Mit Recht hat es das Landgericht auch ausgeschlossen, dass die Klägerin davon habe ausgehen dürfen, die Beklagte oder der Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin hätten sich bei Abschluss des Vertrages vom 1.9.1988 zu einer höchstpersönlich zu erbringenden Leistung verpflichtet (Urteilsabdruck S. 15). Dem allein schutzwürdigen Interesse der Klägerin daran, bei den anstehenden Abdichtungsarbeiten einen zuverlässigen, fachkundigen und leistungsfähigen Vertragspartner zu erhalten, war ausreichend durch die Vertragsbestimmung in § 6 S. 3 Buchst. b) genügt, wonach sie von ihrer Verpflichtung nach Buchst. a) desselben Paragraphen frei werden sollte, wenn die Beklagte nicht vor Erteilung des Auftrages nachwies, dass die nach VOB/A geforderte Qualifikation gewährleistet war (vgl. §§ 8 Nr. 3; 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A). Der Senat schließt sich der diesbezüglichen Beurteilung durch das Landgericht an. Auf die Entscheidungsgründe seines Urteils wird insoweit Bezug genommen.

II. Die Verpflichtung, die die Klägerin in § 6 S. 3 Buchst. a) des Vertrages eingegangen ist, ist rechtswirksam und verstößt nicht gegen gesetzliche Vorschriften.

a) Der Vertrag vom 1.9.1988 ist nicht gemäß § 138 Abs. 1 und 2 BGB nichtig unter dem Gesichtspunkt der wucherischen Ausnutzung einer Zwangslage, die die Klägerin darin sehen will, dass die Eheleute H. als Grundstückseigentümer und die damals vom Ehemann H. beherrschte Beklagte eine Notlage, nämlich einen in der Stadt B. aufgetretenen "Entsorgungsnotstand", dazu ausgenutzt hätten, um sich nicht nur für die Überlassung von Grundstücken zum Betrieb einer Müllumladestation, sondern auch durch die Zusage einer Auftragserteilung zur Deponieabdichtung und durch eine Verknüpfung beider Geschäfte unangemessene Vermögensvorteile versprechen zu lassen.

1. Der eigene Vortrag der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin gibt schon für die Annahme einer - von der Beklagten in Abrede gestellten - Zwangslage im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB Zureichendes nicht her. Die Beklagte hat konkrete Ausweichmöglichkeiten, namentlich andere gewerbliche Grundstücke, aufgezeigt, auf denen die Klägerin statt auf dem bisher genutzten Deponiegelände in B.-H. eine Müllumladung, dies unter Umständen auch dezentral, hätte vornehmen können (GA 270 ff., 329 ff.). Es handelt sich hierbei um das Gelände einer ehemaligen Zementfabrik in B.-O., um Grundstücke in B.-D., B.-K. sowie im R.-S.-Kreis, um andere Standorte in Nachbargemeinden, Grundstücke in T. an der A 59, solche in E. in der Nähe der B 56, um die Gelände der künftigen Müllverbrennungsanlage der Klägerin und des Heizkraftwerks Nord sowie um ein ehemaliges "Kistenlager" in B., B. Straße. Hätte die Klägerin solche tatsächlich bestehenden Alternativen wahrgenommen, wäre die von ihr behauptete Zwangslage gar nicht erst aufgetreten. Die Klägerin hat auf diesen Vortrag der Beklagten indes lediglich mit pauschalem Vortrag der Art entgegnet (vgl. GA 221, 301 f., 303 f.), es seien "10 bis 12 andere Standorte untersucht" worden und man habe auch Standorte in L., S. A. sowie in S. in Erwägung gezogen. Sie hat sich aber nicht mit den von der Beklagten als denkbar und durchführbar bezeichneten Alternativen auseinandergesetzt und nachvollziehbar begründet, warum diese ausgeschieden sind oder gar nicht erst in Betracht kamen. Die Klägerin hat ebenso wenig widerlegt, dass bis zur Inbetriebnahme der Müllverbrennungsanlage auf ihrem Stadtgebiet, die nach eigenem Vorbringen 1992 erfolgte (GA 301) und die Lage entspannte, nicht Zwischenlösungen (unter Umständen auch die Einrichtung mehrerer Umladeplätze) praktikabel und vertretbar hätten sein können. Eine Vernehmung hierzu von der Klägerin benannter Zeugen (GA 302) durch den Senat stellte einen Ausforschungsbeweis dar, dessen Erhebung ohne vorherigen Vortrag der ihn tragenden Tatsachengrundlagen unzulässig ist.

2. Der Senat stellt bei seiner Entscheidung auf die vorstehenden Überlegungen jedoch nicht maßgebend ab. Denn selbst wenn man unterstellt, die Klägerin habe sich bei Abschluss des Vertrages vom 1.9.1988 in einer durch die ungeklärte Müllentsorgungslage in der Stadt erzeugten Zwangssituation befunden, ist es jedenfalls nicht als sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB zu beurteilen, dass die Eheleute H. sich für die Grundstücksüberlassung ein jährliches Nutzungsentgelt von 40.000 DM einräumen ließen, und dass die Beklagte sich von der Klägerin ihrerseits die Zusage erteilen ließ, mit der Werkleistung einer Abdichtung des Deponiegeländes beauftragt zu werden. Weder die Grundstückseigentümer H. noch die seinerzeit von dem Ehemann H. gehaltene Beklagte haben sich hierdurch - wie § 138 Abs. 2 BGB es für das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit verlangt - Vermögensvorteile versprechen lassen, die in einem auffälligen Missverhältnis zum Wert der von ihnen selbst zu erbringenden Leistung standen. Es ist nach der Rechtsprechung demnach auch nicht ohne weiteres, sondern nur unter besonderen Umständen als sittenwidrig zu beanstanden, wenn der Vertragsgegner die Hilfestellung in einer Notlage von einer angemessenen Gegenleistung abhängig macht (vgl. BGHZ 69, 295, 299; Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 138 BGB, Rdn. 35). Solche besonderen Umstände, die die Gegenleistung als unangemessen erscheinen lassen, sind im Streitfall nicht gegeben.

Schon das den Grundstückseigentümern H. versprochene Nutzungsentgelt verdient für sich genommen nicht als unangemessen bezeichnet zu werden. Die Klägerin sollte den Eheleuten H. für die Nutzung eines etwa 35.000 qm großen Geländes eine jährliche Vergütung von 40.000 DM zahlen. Es versteht sich aber von selbst, dass dieses Entgelt insbesondere über den für eine landwirtschaftliche Nutzung üblichen Entgelten liegen musste. Denn die Nutzung des Geländes zum Betrieb einer Müllumladestation stellte ihrer Art nach eine gewerbliche Nutzung dar. Sie ließ darüber hinaus (weitere) Verunreinigungen und eine Belastung des Bodens sowie damit verbunden auch eine (anhaltende) Wertminderung des Grundbesitzes besorgen. Als Grundstückseigentümer hafteten die Eheleute H. für eine Bodenkontamination überdies öffentlichrechtlich als Zustandsstörer - ein Gesichtspunkt, der der Höhe des vereinbarten Nutzungsentgelts auch eine gewisse Risikoausgleichsfunktion verlieh. Demnach stellte die der Klägerin eingeräumte Nutzung nach Art, Ausmaß und Gefahren eine völlig anders gelagerte Nutzung dar als eine solche zu landwirtschaftlichen und ihrem Wesen nach auf eine Werterhaltung des Bodens ausgerichteten Zwecken.

Was die Verpflichtung der Klägerin, die Beklagte mit der Oberflächenabdichtung zu beauftragen, und die Vergütung anbetrifft, ist darauf zu verweisen, dass die Beklagte nach dem Vertrag (siehe dort § 6 S. 3) nicht nach eigenem Ermessen und eigener Willensentschließung mit den ihr übertragenen Abdichtungsarbeiten beginnen sollte und durfte, sondern dass die Vornahme einer Oberflächenabdichtung auf dem ehemaligen Deponiegelände unter der Bedingung einer entsprechenden Anordnung durch den zuständigen Regierungspräsidenten stand. Der Erlass einer solchen Anordnung wurde mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens vorher geprüft, und mit dem bestandskräftigen Bescheid betreffend die Anordnung einer Oberflächenabdichtung stand zugleich die Notwendigkeit einer derartigen Maßnahme im Rahmen der Rekultivierung der ehemaligen Deponie fest. Die Beklagte hat sich hierfür keine unangemessene Vergütung versprechen lassen, denn es ist im Vertrag gerade in diesem Punkt ein "Kontrollmechanismus" verabredet worden, der das Interesse der Klägerin daran, nicht mit einer überzogenen Werklohnforderung belangt zu werden, ausreichend wahrte. Die Parteien haben in § 6 S. 3 Buchst. c) des Vertrages nämlich vereinbart, dass zunächst ein Ingenieurbüro mit der Kostenermittlung für die Oberflächenabdichtung beauftragt werden sollte - was schon eine Orientierungshilfe für die Höhe des Werklohns gab - und dass für den Fall, dass sich kein Einvernehmen über das für die Abdichtungsarbeiten zu zahlende Entgelt erzielen ließ, die Angemessenheit der Werklohnforderung durch einen von der neutralen Industrie- und Handelskammer zu benennenden (und folglich allgemein vereidigten) Sachverständigen festgestellt werden sollte. Die Parteien haben sich in der Vergütungsfrage demnach einer Schiedsgutachterabrede unterworfen, was aus der für die rechtliche Beurteilung maßgebenden damaligen und bei Vertragsabschluss gültigen Sicht der Dinge eine vernünftige und dem Ausgleich der beiderseitigen Interessen dienende Regelung zumal deshalb war, als die tatsächliche Bestimmung des Werklohns durch einen Sachverständigen gemäß § 319 Abs. 1 BGB einer gerichtlichen Kontrolle im Hinblick darauf unterlag, ob sie offenbar unbillig war. Der Klägerin ist zwar darin beizupflichten, dass eine gerichtliche Überprüfung der Bestimmung eines Sachverständigen nur innerhalb gewisser Grenzen stattfindet und dass die Bandbreite einer nicht offenbar unbilligen Bestimmung vergleichsweise groß ist. Dies bildet indes keinen überzeugenden Einwand gegen die einen Interessenausgleich sichernde Funktion der Schiedsgutachterklausel. Denn es war den Parteien bei Abschluss des Vertrages vom 1.9.1988 nicht bekannt, wie ein (ohnehin erst eventuell im Fall einer Meinungsverschiedenheit) hinzuzuziehender Sachverständiger die Vergütungsfrage beurteilte. Davon abgesehen schließt die Toleranzbreite hinzunehmender Entscheidungen eines Schiedsgutachters die Möglichkeit ein, dass seine Beurteilung für die Klägerin auch vorteilhaft sein konnte, keinesfalls aber zwingend zu ihrem Nachteil ausgehen musste. Dass die Bestimmung der Vergütung im Streitfall einem Sachverständigen anheim gegeben war, beinhaltete gleiche wirtschaftliche Risiken für beide Parteien. Lediglich ergänzend ist gegen die von der Klägerin vertretene Annahme einer ihr nachteiligen Regelung der Vergütung anzuführen, dass die Beklagte sich im Vertrag außerdem einer (heute allerdings nicht mehr stattfindenden) Preisprüfung durch den Regierungspräsidenten unterworfen hat. Im Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrages, auf den bei der Überprüfung nach § 138 BGB abzuheben ist, sprach auch dies dagegen, dass sie, die Klägerin, durch das Versprechen einer unangemessenen Vergütung übervorteilt werden sollte. Der Umstand, dass die Beklagte - so der bestrittene Vortrag der Klägerin - im Zusammenhang mit der Herstellung einer Profilierungs- und Ausgleichsschicht auf dem ehemaligen Deponiegelände ein überhöhtes Angebot abgegeben hatte, begründete selbst dann, wenn dies zutreffen sollte, nicht die Gefahr einer Wiederholung bei den hier in Rede stehenden Arbeiten zur Oberflächenabdichtung. Denn der diesen Arbeiten zugrunde liegende Vertrag sieht in § 6 S. 3 Buchst. c) einen wirksamen Schutz der Klägerin vor einer überzogenen Werklohnforderung vor.

Letztlich und die dargestellte Rechtslage unterstützend war eine Beauftragung der bei Vertragsabschluss dem Grundstücksmiteigentümer H. "gehörenden" Beklagten mit den Abdichtungsarbeiten auch in der Sache nicht verfehlt. Die Grundstückseigentümer hafteten (auch öffentlichrechtlich) für eine durch Abfälle verursachte (und auch bei einer bloßen Umladung nicht abwegige) Verunreinigung ihres Grund und Bodens. Gemäß § 6 S. 3 Buchst. d) des Vertrages vom 1.9.1988 (aber auch schon nach dem im Jahr 1969 geschlossenen Gestattungsvertrag, Anl. K 1) war die Rekultivierung der Deponie nach Auslauf der Nutzung ihre Aufgabe. Die Grundstückseigentümer waren demnach daran interessiert, nahe an dem Geschehen zu sein, das - wie die Oberflächenabdichtung - im Zusammenhang mit der Rekultivierung der Deponie nach Beendigung der Benutzung stand. In einem an den damaligen Beigeordneten der Klägerin gerichteten Schreiben vom Juni 1988 hatte sich auch ein Sachverständiger (Prof. Dr.-Ing. J. von der Universität B.) dafür ausgesprochen, im Rahmen einer Rekultivierung "die einzelnen technischen Teilmaßnahmen unbedingt aufeinander abzustimmen" (Anl. K 14 = GA 96). Im Ergebnis ist in den Regelungen des Vertrages vom 1.9.1988 nach den vorstehenden Ausführungen nicht die Ausnutzung einer Zwangslage zum Schaden der Klägerin im Sinne von § 138 BGB zu sehen.

Die von der Klägerin für ihre gegenteilige Rechtsmeinung herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs in WM 1972, 882, 884 trifft im übrigen nicht den vorliegenden Fall. Dieser Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der Kläger ohne eigene Leistung und ohne eigenes Interesse - außer solchem an der Erzielung von Gewinn - ein vermögenswerter (Unterlassungs-) Anspruch eingeräumt worden war, und bei dem das die Sittenwidrigkeit begründende Merkmal darin gesehen worden war, dass die getroffene Vereinbarung darauf hinaus lief, einer Vertragspartei, in jenem Fall dem Kläger, nach Art eines Vermittlers die wirtschaftliche Beteiligung an allen künftigen Kiesgewinnungen eines Unternehmens auch dann zu verschaffen, wenn sie weder tatsächlich noch rechtlich zur Erlangung ausbeutungsfähigen Geländes etwas beigetragen hatte. Hiervon unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung indes entscheidend dadurch, dass die Beklagte eine erhebliche Gegenleistung, und zwar die Oberflächenabdichtung der ehemaligen Mülldeponie, zu erbringen hatte, bevor sie einen Vergütungsanspruch gegen die Klägerin erlangen konnte.

b) Allerdings hat die Klägerin durch den Abschluss des Vertrages vom 1.9.1988 formal gegen § 3 Nr. 2 VOB/A verstoßen, wonach öffentliche Aufträge grundsätzlich öffentlich auszuschreiben sind und nur nach Maßgabe weiterer Bestimmungen der VOB/A (siehe § 3 Nr. 3) einer beschränkten Ausschreibung, dies jedoch wenigstens nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb, zugänglich sind. Die Klägerin hat den die Oberflächenabdichtung der Deponie betreffenden Auftrag freihändig an die Beklagte vergeben. Das bewirkt jedoch weder eine Unwirksamkeit des Vertragsschlusses mit der Beklagten noch - wenn man dies im Rahmen von § 138 BGB würdigen wollte - eine Sittenwidrigkeit jenes Vertrages, wobei auf die Rechtslage bei Abschluss des Vertrages abzustellen ist. Damals waren die Städte und Gemeinden (nur) aufgrund rein haushaltsrechtlicher Vorschriften (und zwar des Haushaltsgrundsätzegesetzes des Bundes vor dessen Änderung durch das 2. Änderungsgesetz vom 26.11.1993 - BGBl. I, 1928 -, mit dem die Umsetzung der EG-Vergaberichtlinien aus dem jahr 1989 bis 1993 begonnen wurde; ferner der Landeshaushaltsverordnung und der Gemeindehaushaltsverordnung) daran gebunden, öffentliche Aufträge im Wege eines Ausschreibungsverfahrens zu vergeben. Dagegen kam den Bestimmungen der Verdingungsordnungen eine Rechtssatzqualität nicht zu. Sie entfalteten lediglich eine "interne" Bindungswirkung und verpflichteten im vorliegenden Fall ausschließlich die Klägerin. Eine Verletzung der Vorschriften der Verdingungsordnungen hatte demnach die Unwirksamkeit des auf dem Verstoß beruhenden Vertrages nicht zur Folge. Ob andere zu gelten hätte, wenn die Grundstückseigentümer H. und die Beklagte bei Abschluss des Vertrages vom 1.9.1988 kollusiv zum Nachteil der Klägerin zusammengewirkt hätten, kann dahingestellt bleiben. Eine derartige einseitige Übervorteilung der Klägerin war im vorliegenden Fall nicht gegeben, da die zuständigen Entscheidungsgremien der Klägerin, und zwar der Vergabeausschuss und (mindestens) der Hauptausschuss, die Dringlichkeitsentscheidung des damaligen Oberstadtdirektors geprüft und genehmigt haben (vgl. Anl. K 5).

c) Der Abschluss des Vertrages vom 1.9.1988 widersprach ebenso wenig kartellrechtlichen Vorschriften. Eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten (siehe § 35 Abs. 1 S. 1 GWB a.F.), die auf eine Freistellung der Klägerin von den Verpflichtungen aus dem Vertrag hinausliefe, wegen Verstoßes gegen § 22 Abs. 4 oder 5 GWB a.F. ist nicht gegeben, weil solches den Erlass einer Verbotsverfügung durch die zuständige Kartellbehörde voraussetzt, an der es im vorliegenden Fall fehlt.

Auch auf § 26 Abs. 2 S. 1 oder S. 2 GWB a.F. lässt sich eine Unwirksamkeit des Vertrages nicht stützen. Nach Satz 1 dieser Bestimmung dürfen marktbeherrschende Unternehmen ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln. Eine Ungleichbehandlung der Klägerin liegt ersichtlich nicht vor. Es ist aber auch der Tatbestand einer kartellrechtswidrigen Behinderung der Klägerin durch den Grundstücksmiteigentümer H., der gleichzeitig Alleingesellschafter der Beklagten und Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin war, nicht erfüllt. Denn eine solche Behinderung, deren Vorliegen hier unterstellt werden mag, und die außerdem erfordert, dass der Behindernde über eine - hier zu Gunsten der Klägerin ebenfalls zu unterstellende - marktbeherrschende Stellung verfügt, muss sich jedenfalls in einem Geschäftsverkehr ereignen, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist. Die Klägerin trägt indessen selbst vor, die Grundstücke des Deponiegeländes in B.-H. seien damals, bei Abschluss des Vertrages vom 1.9.1988, keiner anderen Benutzung als einer solchen für Zwecke der Abfallentsorgung (mehr) zugänglich gewesen, und dem entsprechend seien andere Unternehmen an einer Nutzung dieses Geländes nicht interessiert gewesen. Eine Behinderung der Klägerin hat sich nach deren eigenem Vorbringen damit nicht in einem Geschäftsverkehr zugetragen, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist.

Ein Verstoß gegen § 26 Abs. 2 S. 2 GWB a.F. scheidet ebenfalls aus. Dieser Bestimmung zufolge gilt Satz 1 dieser Vorschrift auch für Unternehmen, soweit von ihnen kleine oder mittlere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen. Die Klägerin ist im Verhältnis zum Unternehmen des Geschäftsmannes H. jedoch nicht als kleines oder mittleres Unternehmen einzustufen. Dieses Tatbestandsmerkmal des § 26 Abs. 2 S. 2 GWB a.F. ist jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden durch einen Vergleich der gegenüberstehenden Unternehmen zu ermitteln, wobei es der Feststellung eines Gefälleverhältnisses zwischen dem behindernden Unternehmen und dem Behinderten bedarf, das überhaupt erst eine Abhängigkeit im Rechtssinn erzeugen kann. Von einem derartigen Gefälle, kraft dessen dem Unternehmen des Grundstücksmiteigentümers H. Marktstärke gegenüber der Klägerin verliehen war, kann im vorliegenden Fall jedoch nicht gesprochen werden.

Unabhängig hiervon ist außerdem das Merkmal einer Unbilligkeit einer (unterstellten) Behinderung der Klägerin zu verneinen. Ob ein Marktverhalten unbillig ist, bestimmt sich nach einer Abwägung der beteiligten Individualinteressen, wobei die auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichtete Zielsetzung des GWB zu berücksichtigen ist. Die gegenläufigen Interessen sind ähnlich zu werten und zu gewichten wie im Rahmen der oben vorgenommenen Prüfung eines Sittenverstoßes nach § 138 BGB. Ein Verhalten, welches hiernach nicht als sittenwidrig zu beurteilen war, verdient ebenso wenig als unbillig im Sinne von § 26 Abs. 2 GWB bezeichnet zu werden.

d) Die Erfüllung eines bereits abgeschlossenen Vertrages oder der Abschluss eines Werkvertrages mit der Beklagten aufgrund wirksam eingegangener vorvertraglicher Verpflichtung ist der Klägerin nach dem Inkrafttreten der Vergaberechtsvorschriften des 4. Teils des GWB am 1.1.1999 nicht rechtlich unmöglich geworden (§ 275 BGB). Die Klägerin unterliegt im vorliegenden Fall nicht dem bei öffentlichen Aufträgen der vorliegenden Art bestehenden Gebot, die Bestimmungen des neu geschaffenen Vergaberechts zu beachten, namentlich nicht dem Gebot, die hier in Rede stehende Leistung in einem Verfahren nach Maßgabe des § 101 GWB zu vergeben. Sie hat sich bereits im Jahr 1988, mithin vor dem Inkrafttreten des Vergaberechts, vertraglich an die Beklagte gebunden, und zwar entweder schon durch einen Werkvertrag, der lediglich noch durch einzelne Bestimmungen auszufüllen und zu konkretisieren war, oder durch einen Vorvertrag, der der Beklagten einen einklagbaren Anspruch auf Abschluss eines Werkvertrages gab. Was die Oberflächenabdichtung der ehemaligen Deponie anbetraf, war deshalb bei Inkrafttreten des Vergaberechts am 1.1.1999 ein öffentlicher Auftrag bezüglich eines Bedarfs, der durch Auswahl des Leistungserbringers auf dem Markt zu decken war, nicht mehr zu vergeben. Durch die vertragliche Bindung der Klägerin war dieses Beschaffungsvorhaben vielmehr dem Markt schon entzogen worden. Der Fall eines öffentlichen Auftrags tritt von neuem vielmehr nur dann ein, sollte die Beklagte - wie ihr gemäß § 6 S. 3 Buchst. b) des Vertrages vom 1.9.1988 obliegt - vor der konkretisierenden Auftragserteilung nicht die nach der VOB/A geforderte Qualifikation nachweisen.

e) Das Landgericht hat schließlich überzeugend begründet, dass der Austausch von Gesellschaftern bei der Beklagten für die Klägerin nicht zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage des Vertrages vom 1.9.1988 führt. Der Senat schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Urteil an und nimmt hierauf zur Vermeidung einer Wiederholung Bezug (Urteilsabdruck S. 16 ff.). Die Klägerin hat mit ihrer Berufung keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die eine grundsätzlich andere Beurteilung rechtfertigen können. Es ist schon zweifelhaft, ob es überhaupt zur Geschäftsgrundlage des Vertrages vom 1.9.1988 geworden ist, dass die Gesellschafterverhältnisse der Beklagten seither unverändert blieben, und - wie die Klägerin geltend macht - dass ein wesentlicher Teil der im Rahmen der Sanierung der Deponie anstehenden Maßnahmen "in einer Hand" durchgeführt wurde. Nicht jede einseitig gebliebene Erwartung einer Partei, die für ihre Willensentschließung maßgebend war, gehört zu den Geschäftsgrundlagen, sondern es ist hierfür vorauszusetzen, dass es sich um dem anderen Teil erkennbar gewordene Umstände und Vorstellungen handelt, die die Parteien auch unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in ihren gemeinsamen Geschäftswillen aufgenommen haben (vgl. Palandt/ Heinrichs, § 242 BGB, Rdn. 113, 117 m.w.N.). Dass es bei der Beklagten zu keinem Austausch von Gesellschaftern kam, war indessen weder eine wirklichkeitsnahe Vorstellung der Klägerin noch ein Umstand, auf dessen Bewertung als Grundlage des Geschäfts sich die Beklagte redlicherweise hätte einlassen müssen. Die Klägerin hatte hieran kein anzuerkennendes Interesse. Ihr Interesse an einer sachgerechten Ausführung der Leistung sowie an der Zuverlässigkeit und Eignung ihres Vertragspartners war durch die Abrede in § 6 S. 3 Buchst. b) des Vertrages, wonach die Qualifikation noch eines Nachweises durch die Beklagte bedurfte, bei vernünftigem Verständnis hinreichend gewahrt. Desgleichen erforderten es Gesichtspunkte einer fachgerechten Ausführung der Oberflächenabdichtung und persönlicher Zuverlässigkeit des Auftragnehmers bei einer auch nur einigermaßen objektiven Beurteilung der Dinge nicht, dass die Rekultivierung des ehemaligen Deponiegeländes "in einer Hand" lag. Auch ein Tätigwerden mehrerer Unternehmen stellte eine fachgerechte Durchführung nicht ernsthaft in Frage. Insoweit muss sich die Klägerin darauf verweisen lassen, dass sie selbst die der Oberflächenabdichtung vorangehenden Arbeiten zur Herstellung einer Profilierungs- und Ausgleichsschicht einem anderen Unternehmen übertragen hatte. Außerdem hatte sich der Grundstücksmiteigentümer H. im Vertrag vom 26.8.1996 betreffend die Übertragung der Geschäftsanteile an der Beklagten verpflichtet, zur Sicherstellung einer bestmöglichen Koordinierung der verbleibenden Arbeiten mit der in andere Hände übergegangenen Beklagten eine baurechtliche Arbeitsgemeinschaft einzugehen (Vertrag Anl. K 6, Abschnitt II., Ziff. 4. b) a.E.). Dass solches nicht ihren Belangen genügte, hat die Klägerin nicht vorgetragen.

Hiervon abgesehen führen Veränderungen bei den Geschäftsgrundlagen nicht ohne weiteres dazu, dass die beiderseitigen vertraglichen Verpflichtungen ersatzlos entfallen, sondern es kann zunächst lediglich eine Anpassung des Vertrages verlangt werden. Erst wenn eine Anpassung nicht möglich oder einem Vertragsteil nicht zuzumuten ist, kommt eine Vertragsauflösung in Betracht (vgl. Palandt/Heinrichs, § 242 BGB, Rdn. 130-132 m.w.N.; siehe auch § 313 Abs. 1 und 3 BGB n.F.). Dass der Klägerin eine Fortsetzung des Vertrages auch unter geänderten gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen der Beklagten nicht zumutbar war, und dass es für sie aus objektiv schwer wiegenden Gründen wichtig war, dass der Grundstücksmiteigentümer H. maßgebender Gesellschafter der Beklagten blieb, ist unter Berücksichtigung der im vorstehenden Absatz dargestellten Überlegungen nicht zu erkennen.

III. Die Klägerin hat sich ebenfalls ohne Erfolg darauf berufen, die Beklagte verfüge nicht über die nach § 6 S. 3 Buchst. b) des Vertrages vom 1.9.1988 vorauszusetzende Qualifikation nach VOB/A. Die diesbezüglichen und zutreffenden Ausführungen im Urteil des Landgerichts (Urteilsabdruck S. 19 f.) sind mit dem Rechtsmittel nicht angegriffen worden. Die Klägerin ist bislang in eine Prüfung der Eignung und Zuverlässigkeit der Beklagten noch nicht eingetreten. Sie wird der Beklagten insofern Gelegenheit zum Nachweis zu gewähren haben, sobald die den Vertrag konkretisierenden Abreden anstehen. Dass der Beklagten ein derartiger Nachweis nicht gelingen wird, zeichnet sich keinesfalls jetzt schon ab.

Die Revision wird für die Klägerin nicht zugelassen, da keiner der hierfür vorauszusetzenden und in § 543 Abs. 2 ZPO genannten Gründe vorliegt. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist ebenso wenig zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung erforderlich. Die Entscheidung des Senats beruht auf Rechtsnormen und Rechtsgrundsätzen, deren Inhalte und Anwendung durch die Rechtsprechung hinlänglich geklärt sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Streitwert für den Berufungsrechtszug und Wert der Beschwer der Klägerin: 2.400.000 DM (= 1.227.100,50 Euro).

Das Landgericht hat den Gegenstandswert mit 5 % des zu erwartenden Auftragsvolumens angemessen bewertet. Der Streitwert ist an dem wertmäßig zu schätzenden Interesse der Klägerin an einer Klärung der Vergabe der Oberflächenabdichtung der ehemaligen Deponie in B.-H. auszurichten. Dieses Interesse ist seinem Wert nach nicht mit dem vollen Wert des Auftrags gleichzusetzen, sondern repräsentiert lediglich einen Bruchteil dieses Werts. Denn es ist nicht der - ohnehin notwendig zu erteilende - Auftrag als solcher Gegenstand des Rechtsstreits. Die Parteien streiten vielmehr darüber, wer als Auftragnehmer den Auftrag auszuführen hat.

K.