OLG Köln, Beschluss vom 11.01.2002 - Ss 533/01
Fundstelle
openJur 2011, 22422
  • Rkr:
Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 13. September 2001 wird als unbegründet verworfen. Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

A.

Durch Bußgeldbescheid des Oberbürgermeisters der Stadt K. vom 9. April 2001 ist gegen den Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2, 49 StVO (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit) eine Geldbuße von 200,00 DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt worden. Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 13. September 2001 den Einspruch des Betroffenen in Anwendung des § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Dagegen richtet sich dessen Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung des Verfahrensrechts gerügt und gestützt darauf beantragt wird, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen. Zur Begründung wird einerseits "vorsorglich die Rüge der fehlenden förmlichen Zustellung der Anordnung gemäß § 73 Abs. 1 OWiG" erhoben, weil für den Verteidiger nicht nachvollziehbar sei, inwieweit die "Anordnung des persönlichen Erscheinens gemäß § 73 Abs. 1 OWiG" dem Betroffenen "in der erforderlichen Form" zugestellt wurde. Zum anderen wird geltend gemacht, das Amtsgericht habe dem vom Verteidiger als anwaltlichem Vertreter des Betroffenen gestellten Antrag, diesen vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, pflichtwidrig nicht entsprochen. Die in der Antragsschrift vom 12.09.2001 dargelegten Verhinderungsgründe seien vom Gericht im Urteil "in keiner Weise ausreichend gewürdigt" worden; es setze sich mit den Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG für eine Entpflichtung des Betroffenen in keiner Weise auseinander.

B.

I.

Das Rechtsmittel ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthaft, da insoweit der Inhalt des Bußgeldbescheids maßgeblich und dort eine Nebenfolge nicht vermögensrechtlicher Art angeordnet worden ist (vgl. OLG Düsseldorf VRS 97, 53 [54] und NStZ-RR 2000, 180 = VRS 98, 371 [372] = NZV 2001, 47; st. Senatsrechtsprechung: SenE v. 04.06.1999 - Ss 217/99 B - = NStZ-RR 1999, 337 [338] = VRS 97, 370 [371] = DAR 1999, 466; SenE v. 21.12.2001 - Ss 507/01 B - m. w. Nachw.; vgl. a. Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 74 Rdnr. 48; Rebmann/Roth/Hermann, OWiG, 3. Aufl., § 74 Rdnr. 20). Auch hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen im Übrigen begegnet die Rechtsbeschwerde keinen Bedenken. Insbesondere ist dem Begründungserfordernis gemäß §§ 344 Abs. 1 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG Genüge getan, da die Ausführungen zur Rechtfertigung der erhobenen Verfahrensrügen zumindest teilweise den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechen.

II.

In der Sache erweist sie sich indessen als unbegründet. Das Vorbringen des Betroffenen führt nicht zur Feststellung eines Verfahrensmangels, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könnte (§§ 337 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG).

1)

Soweit "vorsorglich" die mangelnde förmliche Zustellung der Anordnung des persönlichen Erscheinens gemäß § 73 Abs. 1 OWiG (gemeint ist offenbar § 73 Abs. 2 OWiG in der früheren, bis zur Änderung der §§ 73, 74 OWiG durch Art. 1 Nr. 13 OWiGÄndG am 01.03.1998 geltenden Fassung, die eine entsprechende Anordnung vorsah) gerügt wird, liegt eine ordnungsgemäß erhobene Verfahrensrüge schon deshalb nicht vor, weil es an der bestimmten Behauptung von Verfahrenstatsachen fehlt. Die Begründung einer Verfahrensrüge nach Maßgabe des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO erfordert, dass die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensmangel ergeben soll, bestimmt behauptet und nicht lediglich als möglich bezeichnet werden; denn bloße Zweifel an der Ordnungsgemäßheit des Verfahrens vermögen die Revision bzw. Rechtsbeschwerde nicht zu begründen (BGHSt 19, 273 [276] = NJW 1964, 1234 [1235]; BGHSt 25, 272 [274] = NJW 1974, 655; BGH NStZ-RR 2000, 1 [Miebach/Sander]; BGH NStZ-RR 2000, 289 [290][Kusch] = NStZ-RR 2001, 7 [Miebach/Sander]; SenE v. 13.07.1999 - Ss 236/99 -; Hanack, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 344 Rdnr. 85; Kuckein, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Aufl., § 344 Rdnr. 33; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 344 Rdnr. 25). Das Vorbringen, für den Verteidiger sei nicht nachvollziehbar, inwieweit zugestellt wurde, genügt daher zur ordnungsgemäßen Begründung nicht.

2)

Durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Erfüllung der Begründungserfordernisse nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO begegnet die Rechtsbeschwerde weitgehend auch insoweit, als mit ihr geltend gemacht wird, die Verwerfung des Einspruchs sei unter Verletzung der Bestimmungen des § 74 Abs. 2 OWiG erfolgt. In dem Umfang, wie diese Rüge hingegen ordnungsgemäß begründet worden ist, erweist sie sich als sachlich nicht gerechtfertigt.

a) § 74 Abs. 2 OWiG ist verletzt, wenn das Gericht den Einspruch verwirft, obwohl der ausgebliebene Betroffene genügend entschuldigt ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er sich genügend entschuldigt hat, sondern ob ein Entschuldigungsgrund tatsächlich vorliegt (BGHSt 17, 391 [396] = NJW 1962, 2020 [2021]; KG GA 1973, 29 [30]; SenE v. 07.07.1992 - Ss 268/92 B - = VRS 83, 444 [445]; SenE v. 20.04.1982 - 1 Ss 987/81 - = NJW 1982, 2617 [jeweils zu § 329 StPO]; Göhler a.a.O. § 74 Rdnr. 31 m. w. Nachw.). Dies hat der Tatrichter aufgrund seiner Aufklärungspflicht von Amts wegen zu prüfen und ggfs. im Wege des Freibeweises zu klären (Senge, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 2. Aufl., § 74 Rdnr. 35 m. w. Nachw.). Eine Verletzung der Norm kann demnach zum einen dadurch begründet sein, dass das Gericht hinsichtlich des Entschuldigtseins des Betroffenen bekannte Umstände nicht oder rechtsfehlerhaft gewürdigt hat, und zum anderen durch die pflichtwidrig versäumte Feststellung der tatsächlichen Grundlagen eines gegebenen Entschuldigungsgrundes. Gegenstand einer den Vorschriften der §§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, 79 Abs. 3 OWiG entsprechenden Verfahrensrüge kann demnach entweder die fehlerhafte Anwendung des § 74 Abs. 2 OWiG durch Verkennung seines Regelungsgehalts oder die unzureichende Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts sein. Sie eröffnet die Möglichkeit, das Verwerfungsurteil daraufhin zu überprüfen, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff der genügenden Entschuldigung verkannt hat oder ob er seine Aufklärungspflicht verletzt und deshalb seiner Entscheidung nicht alle in diesem Zeitpunkt erkennbaren Entschuldigungsgründe zugrunde gelegt hat (vgl. SenE v. 04.06.1999 - Ss 217/99 B - = NStZ-RR 1999, 337 = VRS 97, 370 [371] m. w. Nachw.; vgl. zu § 329 StPO: OLG Saarbrücken NJW 1975, 1613, 1614 m. w. Nachw.; OLG Hamm NJW 1963, 65; Hanack, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 337 Rdnr. 92; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 329 Rdnr. 48).

(aa)

Soweit der Betroffene vorliegend geltend macht, das Amtsgericht habe die von seinem Verteidiger mitgeteilten Verhinderungsgründe im Urteil "in keiner Weise ausreichend gewürdigt", kann darin die ordnungsgemäß ausgeführte Rüge einer Verkennung des Rechtsbegriffs der genügenden Entschuldigung gefunden werden. Seinem Vorbringen ist zu entnehmen, welche Entschuldigungsgründe vorgebracht worden waren und welche Erwägungen das Gericht dazu angestellt hat.

Einen Rechtsfehler deckt dieses Vorbringen indessen nicht auf. Es führt vielmehr zu der Feststellung, dass die vorgebrachten Entschuldigungsgründe in dem gebotenen Umfang (() und ohne Rechtsfehler (() gewürdigt worden sind.

(()

Ausgehend von dem Sachvortrag des Betroffenen ist das Amtsgericht seiner Verpflichtung, im Verwerfungsurteil Entschuldigungsgründe, die ihm bekannt oder erkennbar geworden sind, mitzuteilen und so zu erörtern, dass das Rechtsbeschwerdegericht die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung überprüfen kann, in hinreichendem Maße nachgekommen (vgl. dazu BayObLG DAR 2001, 83 = NStZ 2001, 585 [K]; BayObLG NJW 1990, 3222 = VRS 79, 442; KG VRS 100, 136 [137] = NZV 2001, 356; OLG Düsseldorf NZV 1994, 44 [45] = VRS 86, 142 [143] u. VRS 88, 293 [294]; OLG Hamm DAR 1991, 394; OLG Koblenz VRS 73, 51 [52]; OLG Stuttgart NZV 1992, 462; SenE v. 28.01.1997 - Ss 517/96 - = VRS 93, 186 [187]; SenE v. 04.06.1999 - Ss 217/99 B - = NStZ-RR 1999, 337 = VRS 97, 370 [371]). Dem Beschwerdevorbringen zufolge hat der Verteidiger am Vortag der Hauptverhandlung dem Gericht schriftlich mitgeteilt, dass der Betroffene am persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung verhindert sei, weil er am Terminstag als Kurierfahrer in der Schweiz tätig sei und den Flughafen Z. beliefern müsse. Aus diesem Grund, aber auch wegen der Entfernung von mehr als 500 km zwischen Gerichts- und Wohnort des Betroffenen in A. sei dem Betroffenen das Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht zuzumuten.

Dass der Betroffene sich unter Hinweis auf die Wahrnehmung beruflicher Belange, nämlich auf seine Tätigkeit als Kurierfahrer und die dadurch veranlasste Fahrt nach Z., entschuldigt hatte, wird in dem angefochtenen Urteil mitgeteilt und erörtert.

Soweit es die Entfernung zwischen Gericht und Wohnort des Betroffenen betrifft, verweist die Rechtsbeschwerde zwar zutreffend darauf, dass in den Urteilsgründen auf diesen Gesichtspunkt nicht eingegangen wird. Dies führt jedoch nicht zu deren Unvollständigkeit. Entbehrlich sind Ausführungen nämlich, wenn vorgebrachte Gründe offensichtlich von vornherein ungeeignet sind, den Betroffenen zu entschuldigen (vgl. BayObLG VRS 61, 48 [49]; BayObLG NStZ-RR 2000, 87 = DAR 2000, 78 L. = NZV 2000, 176; BayObLG DAR 2001, 83; KG StV 1995, 575 m. w. Nachw.; KG StV 1997, 11; OLG Koblenz VRS 73, 51 [52]; SenE v. 28.01.1997 - Ss 517/96 - = VRS 93, 186 [187]). Denn das Fehlen einer überprüfbaren tatrichterlichen Würdigung kann im Hinblick auf § 337 Abs. 1 StPO (i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG) den Bestand eines Urteils nur dort gefährden, wo Umstände vorliegen, die eine nähere Begründung der Entscheidung gebieten (vgl. OLG Hamm NJW 1963, 65 [66]; SenE v. 04.06.1999 - Ss 217/99 (B) - = NStZ-RR 1999, 337 = VRS 97, 370 [373]; Bick StV 1987, 273 [274 f.] m. w. Nachw.).

Die Entfernung zwischen Wohnort und Gerichtsstelle ist als solche in keinem Fall geeignet, das Ausbleiben des Betroffenen in der Hauptverhandlung zu entschuldigen. Denn durch § 73 Abs. 1 OWiG - in der Fassung des Art. 1 Nr. 13 OWiGÄndG [v. 26.01.1998; BGBl. I 156, 340] - wird die Anwesenheitspflicht des Betroffenen im Grundsatz vorbehaltlos begründet. Sie gilt daher auch in geringfügigen Fällen und selbst dann, wenn der Gerichtsort vom Wohnort weit entfernt ist (Göhler a.a.O. § 73 Rdnr. 2; ders. DAR 1996, 182 [189]; Lemke, OWiG, § 73 Rdnr. 2; vgl. a. Schneider NZV 1999, 14). Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des fairen Verfahrens soll nach dem Willen des Gesetzgebers (erst) dadurch Rechnung getragen werden, dass unter den Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG ein Anspruch des Betroffenen auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht begründet ist, den er durch einen entsprechenden Antrag geltend machen kann.

(()

Die von dem Betroffenen angeführten beruflichen Belange hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei nicht als Entschuldigungsgrund gelten lassen.

Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Pflicht zum Erscheinen vor Gericht im Grundsatz der Regelung beruflicher oder geschäftlicher Angelegenheit vorgeht (vgl. Göhler a.a.O. § 74 Rdnr. 29 m. w. Nachw.; Rebmann/Roth/Hermann a.a.O. § 74 Rdnr. 15 m. w. Nachw.) und dass selbst ein beruflich bedingter Auslandsaufenthalt des Beschuldigten das Ausbleiben in der Hauptverhandlung nicht stets entschuldigt (KG wistra 1984, 82; Senge a.a.O. § 74 Rdnr. 32). Zwar ist andererseits anerkannt, dass berufliche Angelegenheiten das Ausbleiben entschuldigen können, wenn sie unaufschiebbar und von solcher Bedeutung sind, dass dem Betroffenen das Erscheinen vor Gericht nicht zugemutet werden kann, so dass die öffentlichrechtliche Pflicht dazu ausnahmsweise zurücktreten muss (BayObLG wistra 1990, 40; OLG Düsseldorf NZV 1994, 44 = VRS 86, 142 [143] u. NJW 1997, 2062 = NZV 1997, 451; st. Senatsrechtsprechung, vgl. SenE v. 28.01.1997 - Ss 517/96 - = VRS 93, 186 [188] m. w. Nachw.; SenE v. 20.10.1998 - Ss 484/98 B -; SenE v. 08.01.1999 - Ss 441/98 B -; SenE v. 25.03.1999 - Ss 114/99 Z -; Göhler a.a.O. § 74 Rdnr. 29 m. w. Nachw.; Senge a.a.O. § 74 Rdnr. 32 m. w. Nachw.). Die Einzelheiten, aus denen sich das besondere Gewicht und die Unaufschiebbarkeit der Angelegenheit ergeben, muss der Betroffene dem Gericht darlegen (KG VRS 58, 47 [50] u. wistra 1984, 82;; OLG Hamm VRS 39, 208 [209]; Rebmann/Roth/Hermann a.a.O. § 74 Rdnr. 15). Diese Grundsätze hat das Amtsgericht indessen nicht verkannt, indem es einerseits ausführt, der Betroffene hätte während der mehrmonatigen Ladungsfrist disponieren müssen, und andererseits konkrete Angaben dazu vermisst, "um welche Art von Auftrag es sich handelt, wann der Auftrag erteilt wurde, wie dringlich die Erledigung ist, ob nicht auch eine andere Person den Auftrag hätte ausführen können, usw.". Es stellt damit rechtsfehlerfrei darauf ab, dass Anhaltspunkte für eine Unaufschiebbarkeit, für die Unmöglichkeit anderweitiger Erledigung oder für besondere Bedeutung der beruflichen Angelegenheit nach dem Vorbringen des Betroffenen nicht vorlagen, dass also Umstände, die zur Annahme eines Vorrangs der beruflichen Verpflichtung hätten führen können, nicht erkennbar waren.

(bb)

Hinsichtlich der Beanstandung, das Gericht habe in dieser Hinsicht seiner Aufklärungspflicht nicht genügt, ist die Rüge nicht ordnungsgemäß ausgeführt.

Soweit mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden kann, das Gericht sei aufgrund bestimmter Tatsachen dazu gedrängt gewesen, den Sachverhalt näher aufzuklären (Göhler a.a.O. § 74 Rdnr. 48 b; BayObLG VRS 83, 56), handelt es sich hierbei der Sache nach um eine Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO, die den allgemeinen Begründungserfordernissen (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) genügen muss. Es muss also angegeben werden, welcher - eine genügende Entschuldigung abgebende - Umstand hätte aufgeklärt werden sollen, welche Beweismittel dazu hätten benutzt werden können und welche Gesichtspunkte das Gericht zu dieser weiteren Aufklärung hätten drängen müssen; ferner ist mitzuteilen, welche dem Beschwerdeführer günstige Tatsache die unterlassene Beweiserhebung ergeben hätte, wobei es nicht genügt, ein günstiges Ergebnis lediglich als möglich hinzustellen (st. Senatsrechtsprechung; vgl. SenE v. 07.07.1992 - Ss 268/92 B - = VRS 83, 444 [445]; SenE v. 23.01.1990 - Ss 9/90 Z - = VRS 78, 467 [468]; SenE v. 04.06.1999 - Ss 217/99 B - = NStZ-RR 1999, 337 = VRS 97, 370 [374]; ebenso OLG Saarbrücken NJW 1975, 1613 [1614]; KG GA 1974, 116 [117]; KMR-Paulus § 329 Rdnr. 68; Bick StV 1987, 273 [274]). Angaben dazu enthält die vorliegende Rechtsbeschwerdebegründung nicht. Auf welchem Wege das Amtsgericht sichere Kenntnis von konkreten, einen Entschuldigungsgrund bildenden Umständen hätte erlangen können, ist ihr nicht zu entnehmen.

b)

Zutreffend geht die Rechtsbeschwerde davon aus, dass die Rechtsfehlerhaftigkeit des Verwerfungsurteils nach § 74 Abs. 2 OWiG (auch) darauf beruhen kann, dass der Betroffene pflichtwidrig nicht von seiner Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden und aus diesem Grund zu Unrecht als säumig behandelt worden ist (SenE v. 02.10.2001 - Ss 361/01 B -; SenE v. 28.05.2001 - Ss 163/01 Z -; SenE v. 16.03.2001 - Ss 77/01 Z -; vgl. a. SenE v. 15.04.1999 - Ss 144/99 Z - = VRS 97, 187 = NZV 1999, 436; Lemke, OWiG, § 74 Rdnr. 23). Die Bestimmung des § 74 Abs. 2 OWiG ist verletzt, wenn dem Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung nicht entsprochen worden ist, obwohl die Voraussetzungen dafür gemäß § 73 Abs. 2 OWiG vorgelegen haben (vgl. BayObLG VRS 100, 441 [442] = DAR 2001, 412; OLG Zweibrücken NZV 2000, 304 m. w. Nachw.; vgl. a. OLG Düsseldorf VRS 98, 371 [372 f.] = NStZ-RR 2000, 180 [181] = NZV 2001, 47; st. Senatsrechtsprechung, zuletzt: SenE v. 02.11.2000 - Ss 452/00 Z -; SenE v. 16.03.2001 - Ss 77/01 Z -; SenE v. 28.05.2001 - Ss 163/01 Z -; SenE v. 02.10.2001 - Ss 361/01 B -).

Soll dies - wie im vorliegenden Fall - mit der Rechtsbeschwerde gerügt werden, so muss das Vorbringen auch insoweit wiederum den Anforderungen der §§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG genügen. Es muss mithin so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen zutrifft. Erforderlich ist daher in einem Fall der vorliegenden Art, dass der Rechtsbeschwerdebegründung entnommen werden kann, ob die Voraussetzungen für eine Entpflichtung vollständig vorgelegen haben (SenE v. 30.07.1998 - Ss 359/98 - = VRS 95, 429 [431] = NZV 1998, 474; SenE v. 15.04.1999 - Ss 144/99 Z - = VRS 97, 187 [188 f.] = NZV 1999, 436; SenE v. 23.12.1999 - Ss 601/99 B -; SenE v. 02.11.2000 - Ss 452/00 Z -; SenE v. 28.05.2001 - Ss 163/01 Z -).

Das ist hier nicht der Fall.

In formeller Hinsicht ist die Entbindung von der Anwesenheitspflicht gemäß § 73 Abs. 2 OWiG davon abhängig, dass der Betroffene einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Der Verteidiger bedarf zur Stellung des Entbindungsantrags einer - über die Verteidigervollmacht hinausgehenden - Vertretungsvollmacht (BayObLGSt 2000, 3 = VRS 98, 376 [377 f.] = DAR 2000, 324 = NStZ-RR 2000, 247 = NZV 2001, 221). Dies ist für den vergleichbaren Fall des § 233 Abs. 1 S. 1 StPO allgemein anerkannt (BGHSt 12, 367 [369, 374] = NJW 1959, 731 [733]; BGHSt 25, 281 [284] = 1974, 868 [869]; Pfeiffer, StPO, 3. Aufl., § 233 Rdnr. 2; Julius, in: Heidelberger Kommentar StPO, § 233 Rdnr. 2), wobei weitgehend die allgemeine Vollmacht, den Angeklagten in dessen Abwesenheit vertreten zu dürfen, für ausreichend erachtet wird (OLG Hamm NJW 1969, 1129; SenE v. 12.11.1968 - Ss 414/68 - = NJW 1969, 705 f.; Gollwitzer, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 233 Rdnr. 7 m. w. Nachw.; Tolksdorf, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Aufl., § 233 Rdnr. 2; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 233 Rdnr. 5 m. w. Nachw.; KMR-Paulus § 233 Rdnr. 11 m. w. Nachw.; Schlüchter, in: SK-StPO, § 233 Rdnr. 8 m. w. Nachw.; Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 3. Aufl., Rdnr. 425; enger - besondere Ermächtigung erforderlich -: RGSt 54, 210 [211]; RGSt 64, 239 [245]; OLG Düsseldorf NJW 1960, 1921; OLG Schleswig SchlHA 1964, 70; offen gelassen in BGHSt 12, 367 [374] = NJW 1959, 731 [733]; a.A. OLG Köln NJW 1957, 153 f.). Für den Bereich das § 73 Abs. 2 OWiG kann nichts Anderes gelten (SenE v. 21.12.2001 - Ss 507/01 B -; vgl. a. Göhler a.a.O. § 73 Rdnr. 4; Senge a.a.O. § 73 Rdnr. 19). Denn in beiden Fällen läuft der Entpflichtungsantrag auf eine Minderung der Rechtsstellung des Angeklagten bzw. Betroffenen hinaus. Die Entscheidung, mit der die Entbindung von der Anwesenheitspflicht angeordnet wird, ermöglicht nämlich die Durchführung einer Hauptverhandlung zur Sache in seiner Abwesenheit - hier: gemäß § 74 Abs. 1 OWiG - und berührt damit sein Anwesenheitsrecht, das für den Bereich des Bußgeldverfahrens durch die Neuregelung der §§ 73, 74 OWiG (durch Art. 1 Nr. 13 OWiGÄndG) nicht in Frage gestellt worden ist (BayObLG a.a.O.). Die Antragstellung enthält demnach eine Verfügung über ein Recht des Angeklagten bzw. Betroffenen, dessen Ausübung ihm selbst vorbehalten ist und nicht ohne weiteres auch dem rechtlich selbständig neben ihm stehenden Verteidiger zukommt (BGHSt 12, 367 [372 f.] = NJW 1959, 731 [733]; Schlüchter a.a.O.).

Soll mit der Rechtsbeschwerde gegen ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG gerügt werden, dass der Betroffene zu Unrecht nicht vor der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden ist, muss deshalb zur ordnungsgemäßen Begründung der Rüge auch vorgetragen werden, dass der Verteidiger, der den Entpflichtungsantrag gestellt hat, Vertretungsvollmacht hatte (SenE v. 21.12.2001 - Ss 507/01 B -).

Daran fehlt es in der vorliegenden Beschwerdebegründung. Es ist darin lediglich davon die Rede, dass der "Unterzeichner als anwaltlicher Vertreter des Betroffenen" den Entpflichtungsantrag gestellt hat. Nicht mitgeteilt wird, dass die erforderliche Vertretungsvollmacht erteilt und dem Gericht nachgewiesen worden war.

In dieser Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass eine Entpflichtungsentscheidung, die gemäß § 74 Abs. 1 S. 1 OWiG den Weg zu einer Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen eröffnet, aus Gründen der Rechtssicherheit nur getroffen werden kann, wenn gewährleistet ist, dass der antragstellende Verteidiger über eine formell und inhaltlich ordnungsgemäße Vertretungsvollmacht verfügt. Denn die Durchführung der Hauptverhandlung ohne den Betroffenen begründet den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO (i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG), wenn der Entpflichtungsantrag von dem Verteidiger ohne Vertretungsvollmacht gestellt worden ist (vgl. Senge a.a.O. § 74 Rdnr. 53; zu § 234 StPO: Tolksdorf a.a.O. § 234 Rdnr. 22). Die fehlende Vertretungsvollmacht des Verteidigers bei der Antragstellung lässt deshalb das Erfordernis der Antragsbescheidung vor Erlass des Verwerfungsurteils entfallen (Senge a.a.O. § 73 Rdnr. 19; vgl. a. BGHSt 25, 281 [284] = NJW 1974, 868 [869] m. w. Nachw.). Der Anspruch auf eine Entpflichtungsentscheidung des Amtsgerichts besteht demnach nur, wenn bei der Antragsteller durch einen Vertreter nachgewiesen wird, dass die zur Vertretung des Betroffenen bzw. Angeklagten in der Hauptverhandlung berechtigende Vollmacht erteilt ist, und zwar in der gesetzlich geforderten Schriftform (§§ 73 Abs. 3 OWiG, 234, 411 Abs. 2 StPO; vgl. dazu auch Göhler a.a.O. § 60 Rdnr. 13; Kurz, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 2. Aufl., § 60 Rdnr. 5).

Da dem Beschwerdevorbringen somit die Erfüllung dieser formellen Voraussetzungen einer Entbindung des Betroffenen von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht entnommen werden kann, ist eine Prüfung der Frage, ob die sachlichen Voraussetzungen gegeben waren, nicht veranlasst.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG.