OLG München, Endurteil vom 14.04.2015 - 5 U 3500/12
Fundstelle
openJur 2016, 12444
  • Rkr:
Tenor

I.

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts München I vom 30.07.2012, Az. 35 O 2347/11, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 19.698,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 04.01.2011 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übertragung von Inhaber-Genussscheinen 2005/unbegrenzt der P. & Z. AG, ISIN DE000A0F52H5, zu nominal 20.000,00 Euro.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger weitere 6.716,27 Euro zu bezahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

a) aus 5.774,15 Euro seit 04.01.2011 und

b) aus 942,12 Euro seit 03.12.2013.

3. im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

III.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.

V.

Die Revision gegen dieses Urteil wird für die Beklagte zugelassen.

VI.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird bis zur Klageerhöhung vom 21.11.2013 auf 25.472,15 Euro, ab da auf 26.414,27 Euro festgesetzt.

Tatbestand

I. Die Kläger begehren von der Beklagten Ersatz für Verluste aus Wertpapiergeschäften, die sie über die Wertpapierhandelshaus D. & B. AG (später umfirmiert in A. AG, im Folgenden einheitlich A. AG) durch die Beklagte beschaffen ließen, wobei die A. AG teils aufgrund eines Vermögensverwaltungsvertrags tätig war.

Das Geschäftsmodell der A. AG bestand darin, über breit beworbene und deutlich über Marktniveau (z. B. Anlage K 2.16) verzinste Anlagekonten für Tagesgelder oder Kombinationsmodelle aus solchen Festgeldanlagen und einer Erstinvestition in Wertpapiere Kunden zu gewinnen, um diese Kunden dann für die Investition in (weitere) Wertpapiere solcher Emittenten, mit denen sie Provisionsvereinbarungen über den Vertrieb von deren Wertpapieren abgeschlossen hatte, zu interessieren. Von Anbieterseite wurde dies als "Konvertierung" der Festgeldkunden bezeichnet. Zur Führung sowohl der Anlagekonten als auch der Wertpapierdepots und zur Ausführung entsprechender Kundenaufträge hatten die A. AG und die Beklagte entsprechende Kooperationsverträge abgeschlossen. Da die Beklagte kontoführende Bank für die Anlagekonten war, musste die A. AG der Beklagten die Zinsdifferenz zum Marktniveau für Tagegelder ersetzen.

Im Rahmen dieses Geschäftsmodells eröffneten die Kläger am 28.11.2006 auf eine Werbung der A. AG hin über diese bei der Beklagten ein Depotkonto (Anlage B1, Blatt 1/2), das mit einer Transaktionsvollmacht für die A. AG (Anlage B1, Blatt 3/4) gekoppelt war. Mittels dieser Vollmacht sollte die A. AG dazu befugt werden, Handelsaufträge des Kunden an die Beklagte weiterzuleiten oder selbst solche Aufträge für den Kunden zu erteilen. Die A. AG wurde daher in der Vollmacht als "Vermögensverwalter" bezeichnet, unabhängig davon, ob zwischen der A. AG und dem Kunden auch ein entsprechender Vermögensverwaltungsvertrag zustande kam. Die Kläger wurden damals aufgrund ihrer begrenzten Risikobereitschaft als Kunden mit der Risikoklasse 2 eingestuft (Anlage K 4). Am 10.11.2007 stuften sich die Kläger bei einer erneuten Befragung dann in Risikoklasse 3 ein (Anlage K 5, kopiert auf Rückseite von Anlage K 4). Am 18.11.2007 zeichneten die Kläger nach telefonischer Beratung durch einen Mitarbeiter der A. AG sodann einen Vermögensverwaltungsauftrag, wonach sie die A. AG beauftragten, mit einem Teil ihres Vermögens Wertpapiergeschäfte gemäß der vereinbarten Strategie "B" durchzuführen (Anlage K 3).

Sowohl der Antrag zur Eröffnung des Depotkontos als auch die Transaktionsvollmacht trugen das Logo sowohl der Beklagten als auch der A. AG. Die Kläger erhielten sowohl von der Beklagten als auch von der A. AG, jeweils unter deren eigenen Briefkopf, Bestätigungen über die Kontoeröffnung (Anlagen K 2.1, K 2.2). Gemäß den bei Vertragsschluss bekannt gegebenen Bedingungen der Beklagten sollte diese allerdings nur als sog. "execution-only"-Bank tätig werden, d. h. keine eigene Beratung der jeweiligen Kunden durchführen, sondern nur deren, ggf. durch die A. AG erteilte, Aufträge ausführen und die Konten verwalten.

Nach telefonischer Beratung durch verschiedene Mitarbeiter der A. AG (vgl. Verschriftung sämtlicher Beratungstelefonate gemäß Anlagenkonvolut K 2.28), nämlich Herrn E., Herrn I. und Frau S., beschaffte die A. AG für die Kläger über die Beklagte nachbenannte Wertpapiere. Die Kläger behaupten die folgenden Schäden aus diesen Wertpapiergeschäften:

a) 21.11.2007 Ankauf von 9% Inhaberteilschuldverschreibungen der C. AG von 2006(2012), ISIN DE000A0JQ957, im Nominalwert von 5.000,- Euro zum Preis von 5.206,06 Euro (Anlage K 1, Seite 2), Die Papiere wurden später, vor der Insolvenz der Emittentin, in zwei Tranchen am 08.01.2009 und 09.01.2009 für insgesamt 3.860,42 Euro verkauft (Verkaufsbeleg Anlage K 2.18, Blatt 24, 25), auf den Verlust lassen sich die Kläger drei Ausschüttungen zu je 225,- Euro (Anlage K 2.18, Blätter 21-23) anrechnen. Der eingetretene Verlust beträgt mithin 670,64 Euro.

b) 26.02.2008 Ankauf von Inhaber-Genussscheinen der P. & Z. AG 2005/unbegrenzt, ISIN DE000A0F52H5, im Nominalwert von 20.000,- Euro zum Preis von 19.698,00 Euro (Anlage K 1, Seite 3). Die Kläger halten diese Papiere bis zur Gegenwart, die P. & Z. AG ist insolvent. Der eingetretene Verlust beträgt mithin 19.698,00 Euro.

c) 15.07.2008 Ankauf von Inhaberteilschuldverschreibungen 9% der HPE H. P. E. AG von 2005(2013), ISIN DE000A0EY6P6, im Nominalwert von 2.500,00 Euro zum Preis von 2.406,66 Euro (Anlage K 1, Seite 1). Die Papiere wurden durch die Kläger, vor der Insolvenz der Gesellschaft, am 09.01.2009 zum Preis von 2.023,08 Euro verkauft (Anlage K 1, Seite 4). Auf den Verlust lassen sich die Kläger eine Ausschüttung in Höhe von 112,50 Euro anrechnen (Anlage K 2.18, Blatt 28), der eingetretene Verlust beträgt mithin 271,08 Euro. Dieser Teilschaden wurde erstinstanzlich mit der Klageerweiterung vom 18.11.2010 (Bl. 33/39 d. A.) gegenüber der Beklagten geltend gemacht, dann der entsprechende Schadensbetrag in der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2011 durch Teilklagerücknahme wieder aus dem Rechtsstreit herausgelöst. Mit Klageerweiterungsschriftsatz in der Berufungsinstanz vom 21.11.2013 (Bl. 448/454 d. A.) wurde er wieder in den Rechtsstreit eingeführt.

d) Auf der Grundlage des am 18.11.2007 abgeschlossenen Vermögensverwaltungsvertrags (Anlage K 3) beschaffte die A. AG für die Kläger folgende Wertpapiere:

-) Am 11.12.2007 Ankauf von 50,1207 Stück Fondsanteilen am Adviser II D. & B. C. Bond Actions au Port (Cap.) o.N., ISIN LU0254059941, für 5.000,- Euro (Anlage K 2.18, Blatt 1). Von diesen Anteilen wurden 20 Stück am 02.01.2008 für 1.976,60 Euro verkauft (Anlage K 2.18, Blatt 2)

-) Am 04.01.2008 Ankauf von 44,000 Stück D. & B. - Global Growth Actions nom. o.N., ISIN LU0331381649, für 4.510,00 Euro (Anlage K 2.18, Blatt 8). Der Ankauf wurde am 13.02.2008 mit Wertstellung vom 09.01.2008 storniert (Anlage K 2.18, Blatt 9), bereits am 15.02.2008 mit Wertstellung vom 09.01.2008 wurden die gleichen Papiere in gleicher Menge, allerdings zum Preis von 4.415,00 Euro wieder eingekauft (Anlage K 2.18, Blatt 10).

-) Am 07.01.2008 Ankauf von 13,4111 Stück A. - Flex Strategy Inhaber-Anteile o.N., ISIN LU0272602508, für 1.200,00 Euro (Anlage K 2.18, Blatt 5)

-) Am 07.01.2008 Ankauf von 12,9877 Stück C. - Deutscher Mittelstand Actions au Porteur o.N., ISIN LU0300552253, zu 1.200,00 Euro (Anlage K 2.18, Blatt 12)

-) Am 10.01.2008 Ankauf von 25,5442 Stück M.-A.-S. Actions au Porteur o.N., ISIN LU0196990211, zu 1.200,00 Euro (Anlage K 2.18, Blatt 14)

-) Am 10.03.2008 Ankauf von 15,8021 Stück A. Smaller Companies Inhaber-Anteile o.N., ISIN LU0272602920, zu 1.200,00 Euro (Anlage K 2.18, Blatt 16)

Während der Verwaltungszeit der A. AG kam es zu verschiedenen Zusammenlegungen und Umtauschhandlungen für die genannten Fondsanteile (Anlage K 2.18, Blatt 3, 6, 7, 17, 18). Sämtliche noch vorhandenen Anteile wurden letztlich verkauft oder liquidiert (Anlage K 2.18, Blätter 2, 4, 9, 11, 13, 15, 19). Aus allen Geschäften resultiert ein Gesamtverlust von 6.716,27 Euro (vgl. auch die Aufstellung gemäß Bl. 449/450 d. A.).

Die Kläger beanstanden, dass die Empfehlung zum Erwerb der genannten Papiere nicht ihren tatsächlichen Interessen entsprochen habe, sondern ausschließlich wegen des Provisionsinteresses der A. AG erfolgt sei. Soweit die Anschaffungen im Rahmen der Vermögensverwaltung erfolgt seien, seien auch diese alleine durch das Provisionsinteresse der A. AG motiviert gewesen. Die Kläger halten die Beklagte unter verschiedenen Gesichtspunkten für zum Ersatz des ihnen entstandenen Schadens verpflichtet:

Die Beklagte und die A. AG hätten in Art einer Gesellschaft zusammengearbeitet, weswegen die Beklagte gemäß § 128 HGB analog auch für Fehlverhalten der A. AG hafte (dazu vorgelegt: Anlage K 2.10, eine Kooperationsvereinbarung; Anlage M 14: Ablaufplan Kontoeröffnung Zins-Plus-Konto samt Musterformularen; Anlage BB 1, Mustervertrag Zins-Kombi-Konto II). Auch sei das Verhalten der Mitarbeiter der A. AG der Beklagten gemäß § 278 BGB zuzurechnen, weil die A. AG und die Beklagte gemeinsam an den Kunden herangetreten und die Mitarbeiter der A. AG deswegen auch im Interesse und Aufgabenkreis der Beklagten tätig gewesen seien. Dieser rechtliche Gesichtspunkt wurde erstmals mit der Berufungsbegründung detailliert ausgeführt.

Weiter habe die Beklagte aufgrund verschiedener Umstände Einblick gehabt, dass der Geschäftsbetrieb der A. AG wegen deren Provisionsinteressen zu systematischen Fehlberatungen der gemeinsamen Kunden geführt habe. Die Klagepartei bezieht sich als wichtigsten Umstand insoweit auf Kenntnisse des Zeugen R. W., die der Beklagten zuzurechnen seien. Der Zeuge war, dies ist unstreitig, einerseits bis zum 31.07.2007 bei der Beklagten als Prokurist und Leiter des B2B-Bereichs tätig, also des Bereichs, der für die Zusammenarbeit mit der A. AG zuständig war. Andererseits war R. W. damals seit mehreren Jahren Mitglied des Aufsichtsrates der A. AG. Die A. AG wurde, dies ist ebenfalls unstreitig, im Jahr 2007 im Auftrag der BaFin durch die KPMG AG einer Prüfung nach § 44 KWG unterzogen. Die Klagepartei behauptet unter Vorlage dieses Prüfberichts (Anlage E 2 = E 12), diese Prüfung habe schwerwiegende systematische Mängel in der Organisation und dem Beratungsverhalten der A. AG offenbart, von denen der Zeuge W. noch während seiner Tätigkeit für die Beklagte Kenntnis erlangt habe. Ferner habe der Zeuge W. Kenntnis von laufenden Prüfungen gemäß § 36 Abs. 1 WpHG erhalten, die gleichfalls auf systematische Mängel hingewiesen hätten (Anlage E 10, Prüfbericht für das Jahr 2008; von der Beklagten vorgelegt: Anlage BB 7, Prüfbericht für den Zeitraum 01.05.2006 bis 30.09.2007). Ergänzend habe die Beklagte entsprechende Erkenntnisse auch auf der Grundlage der von ihr zeitweise bei der A. AG durchgeführten Revision und Compliance und durch das gemeinsame Engagement beim Fonds Adviser II erlangt (zum Fonds vorgelegt: Anlage K 2.11, Geschäftsbericht des Fonds zum 31.08.2007; Anlage K 15, Auszug aus dem Geschäftsbericht des Fonds Adviser II zum 29.02.2008; Anlage B 7, Geschäftsbericht des Fonds zum 31.08.2008; Anlage K 16, Auszug aus dem Fondsprospekt; Anlage K 17, anonymisiertes Anschreiben der A. AG zum Fonds; zur Compliance- und Revision von der Beklagten vorgelegt: Auslagerungs- und Geschäftsbesorgungsverträge für Revision und Compliance, Compliance-Berichte für den Zeitraum 01.01.2006 bis 31.07.2007). Auf der Grundlage all dieser Kenntnisse - insbesondere des Zeugen W. - sei für die Beklagte gegenüber den gemeinsamen Kunden als Nebenpflicht aus den mit ihr abgeschlossenen Depotverträgen eine Warnpflicht vor möglicher nicht interessengerechter Beratung der A. AG erwachsen.

Schließlich hafte die Beklagte auch aus Delikt. Sie habe Kenntnis von einem sittenwidrigen Geschäftsmodell der A. AG gehabt, dieses durch die mit der A. AG vereinbarte Kooperation gefördert, wie auch die Geschäftstätigkeit selbst mit der sog. "Nettopreisvereinbarung", die auch bei der Klagepartei zur Anwendung gekommen sei, unterstützt.

Die Kläger behaupten, sie hätten aus alternativen Anlagen eine Verzinsung von jedenfalls 4% p.a., für die vorgerichtliche Tätigkeit der Klägervertreter sei die Beklagte gleichfalls ersatzpflichtig, wobei nur der anrechnungsfreie Betrag geltend gemacht werde. Die Kläger beantragen daher im Berufungsverfahren unter der Maßgabe der Aufhebung des Urteils des Landgerichts (Bl. 449/450 d. A.), unter Klageerweiterung (siehe oben, c) zuletzt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtschuldner 19.698,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 01.03.2008 bis zum 31.07.2009 und 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.08.2009, Zug um Zug gegen Übertragung von nominal € 20.000,00 Inhaberschuldverschreibungen der P. & Z. AG (WKN: A0F52H; ISIN DE000A0F52H5) zu zahlen

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Kläger als Gesamtschuldner weitere 7.782,39 Euro (davon vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.066,12 Euro) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.08.20089 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Zahlung aus den Anträgen zu 1 und zu 2 in Verzug befindet.

Die Beklagte beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Sie hält unter Bezugnahme auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 19.03.2013 (XI ZR 431/11, juris) und 12.11.2013 (IX ZR 312/12, juris) eine Haftung aus gesellschaftlichem Verbund oder wegen zugerechneten Verhaltens für ausgeschlossen. Wegen Verletzung einer Nebenpflicht zum Depotvertrag hafte sie nicht, da sie keine entsprechenden Erkenntnisse über das behauptete - und bestrittene - Verhalten der A. AG gehabt habe. Der Zeuge W. habe schon selbst nicht den Schluss gezogen, dass durch die Prüfung der KPMG AG oder den Prüfer der Regelprüfungen nach § 36 Abs. 1 WpHG Anhaltspunkte für systematische Fehlberatung aufgezeigt worden seien. Auch der Prüfbericht der KPMG AG datiere erst vom 03.08.2007, also einem Zeitpunkt, zu dem Herr W. nicht mehr ihr Prokurist gewesen sei. Im Übrigen seien die Feststellungen der KPMG AG unzutreffend. Etwaige Erkenntnisse des Herrn W. seien ihr, der Beklagten, aber schon deswegen nicht zuzurechnen, weil Herr W. als Mitglied des Aufsichtsrates der gesetzlich verankerten und nicht abdingbaren Verpflichtung zur Verschwiegenheit gemäß § 116 AktG unterlegen habe. Selbst wenn es entsprechende Erkenntnisse des Herrn W. gegeben habe und diese ihr zuzurechnen seien, habe sie, die Beklagte, den Ausgang des aufsichtlichen Prüfungsverfahrens erst abwarten dürfen, da es ihr nicht zuzumuten gewesen wäre, quasi öffentlich einen Vertragspartner gegenüber gemeinsamen Kunden ins Zwielicht zu rücken. Solches Verhalten hätte sie gegenüber der A. AG ggf. sogar zum Schadensersatz verpflichtet. Aus der Compliance- und Revisionstätigkeit habe sie gleichfalls keine entsprechenden Erkenntnisse erlangt, die entsprechenden Berichte über die Prüfungstätigkeit seien lediglich der A. AG bekannt gegeben worden und ihr selbst gegenüber durch Verschwiegenheitspflichten abgeschottet gewesen. Aus dem Adviser II Fonds seien ihr solche Kenntnisse nicht erwachsen. Eine deliktische Haftung treffe sie nicht, weil ihre Tätigkeit sich als neutrales berufstypisches Verhalten dargestellt habe, ein deliktischer Überhang schon mangels Kenntnis der bestrittenen Verhaltensweisen der A. AG nicht bestanden habe. Die sog. Nettopreisvereinbarung sei vorliegend schon nicht zur Anwendung gekommen, im Übrigen sei diese auch nicht deliktisch relevant. Vorsorglich beruft sich die Beklagte auf die Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche gemäß § 37 WpHG a. F., da ihr allenfalls fahrlässiges Verhalten zur Last falle.

Das Landgericht hat die Klage nach einverständlicher Verwertung verschiedener Zeugenvernehmungen aus Parallelverfahren (W., P., R., M. S., E. und Dr. W.) abgewiesen. Eine eigene Aufklärungspflicht der Beklagten hat es abgelehnt und die Verletzung einer Nebenpflicht zum Depotvertrag mangels Nachweises entsprechender Kenntnisse der Beklagten zu behaupteter systematischer Fehlberatung durch die A. AG für nicht gegeben erachtet. Eine Haftung der Beklagten auf der Basis institutionalisierten Zusammenwirkens hat das Landgericht mangels Anwendungsbereichs dieser Fallgruppe und eine deliktische Haftung der Beklagten mangels Nachweises eines entsprechenden Beihilfevorsatzes verneint.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen P. und D. (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2014 (Bl. 495/506 d. A.), D. (erneut), T. und B. (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2014, Bl. 507a/520 d. A.), T. (erneut, Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2015 (Bl. 914/917 d. A.). Die Parteien haben sich ferner mit der Verwertung des Protokolls der Angaben der Zeugen W., P., De. und M. S. aus dem Parallelverfahren 5 U 905/12 vom 11.09.2014 einverstanden erklärt, das betreffende Protokoll wurde zu den Akten genommen (Bl. 754/768 d. A.). Insbesondere die Beklagte legte ferner eine Vielzahl von Protokollen mündlicher Verhandlungen mit Beweisaufnahmen anderer Gerichte als (überwiegend unbezeichnete) Anlagen vor. Der Senat hat die ihm in mehreren Parallelverfahren bekannt gewordenen Protokolle der Aufsichtsratssitzungen der A. AG vom 22.06.2007 und 11.07.2007, die anlässlich einer Vernehmung des Zeugen T. von diesem übergeben worden waren, als gemäß § 291 ZPO gerichtsbekannt in das Verfahren einbezogen (Anlage zu Bl. 862/864 d. A.). Der Senat hat verschiedentlich Hinweise erteilt, zuletzt zusammenfassend mit Beschluss vom 21.10.2014 (Bl. 746/753 d. A.).

Zur weiteren Ergänzung wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2014 (Bl. 495/506 d. A.), 21.01.2014 (Bl. 507a/520 d. A.), 25.11.2014 (Bl. 862/864 d. A.) und 27.01.2015 (Bl. 914/917 d. A.) verwiesen.

Gründe

II. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung einer Nebenpflicht zum Depotvertrag, da die Beklagte trotz ihr zurechenbarer Kenntnis von evident systematischer Fehlberatung durch die A. AG von einer Warnung an die gemeinsamen Kunden abgesehen hat, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 1 BGB. Der Anspruch ist nicht verjährt. Ersatzansprüche auf anderer Grundlage bestehen nicht.

1. Ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagte lässt sich nicht auf § 128 HGB analog oder die Zurechnung von Verhalten der A. AG auf die Beklagten gemäß § 278 BGB stützen, dies hat der Bundesgerichtshof, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, mit seinen Urteilen vom 19.03.2013 (XI ZR 431/11, juris), 12.11.2013 (IX ZR 312/12, juris) und 04.03.2014 (XI ZR 313/12, juris) in Parallelverfahren festgestellt. Unabhängig von der tatsächlichen Tiefe der Kooperation der Beklagten mit der A. AG folgt dies daraus, dass den Kunden gegenüber strikt getrennte Verantwortungsbereiche bekannt gegeben und diese zum Inhalt der jeweiligen Verträge gemacht wurden.

2. Die Beklagte haftet ebenfalls nicht aus Delikt, weil die Kläger den für eine Überschreitung berufstypisch neutraler Verhaltensweisen erforderlichen Beihilfevorsatz der Beklagten nicht nachgewiesen haben und eine Anwendung der sog. "Nettopreisvereinbarung" durch die Kläger schon nicht hinreichend substantiiert dargelegt wurde.

a) Die Voraussetzungen einer Teilnahme an einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 830 BGB richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Demgemäß verlangt die Teilnahme neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern. In objektiver Hinsicht muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist. Für den einzelnen Teilnehmer muss ein Verhalten festgestellt werden können, das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut unterstützt hat und das von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutverletzung gerichteten Willen getragen war (BGHZ 137, 89, 102 f.; BGH, Urteil vom 13.07.2004 - VI ZR 136/03, WM 2004, 1768, 1771; Urteil vom 09.03.2010 - XI ZR 93/09, WM 2010, 749, Tz. 34, jeweils m. w. N.).

b) Es kann schon nicht festgestellt werden, dass das Geschäftsmodell der Accessio AG grundsätzlich sittenwidrig gewesen wäre. Im Übrigen haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Beklagte bewusst eine sogleich noch festzustellende systematische Fehlberatung der A. AG fördern wollte.

c) Auch aus der sog. "Nettopreisvereinbarung" kann ein deliktisch relevantes Verhalten der Beklagten nicht abgeleitet werden. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der durch die KPMG beschriebenen (Anlage E 12, Seite 40 oben) sog. Nettopreisvereinbarung ein deliktischer Überhang innewohnt oder nicht. Nach dieser Vereinbarung hatte die Beklagte auf Anweisung der A. AG gegenüber den gemeinsamen Kunden einen um bis zu 1% erhöhten Ankaufspreis für Wertpapiere auf den Wertpapierrechnungen auszuweisen. Die Beklagte bestreitet eine deliktische Relevanz und erklärte, bei Anwendung dieser Vereinbarung wäre zwar ein Aufschlag auf den Kaufpreis vorgenommen worden, dafür wären aber sonst anfallende, teils höhere, Provisionen und Gebühren nicht zur Anwendung gekommen, im Übrigen sei die sog. Nettopreisvereinbarung bei keinem Ankauf der Kläger angewendet worden. Die Richtigkeit dieser Darstellung der Gebührenkompensation für einmal als zutreffend unterstellt wäre immerhin bemerkenswert, dass die Beklagte sich zur Ausstellung sachlich falscher Rechnungen gegenüber den gemeinsamen Kunden durch Vertrag mit der A. AG verpflichtete. Ob diese Darstellung der Beklagten zutreffend ist oder ob nicht, wie die Kläger behaupten, durch eine überhöhte Kaufpreisausweisung sie strafrechtlich relevant über den tatsächlichen Kaufpreis getäuscht wurden, kann jedoch dahinstehen. Die Kläger haben trotz entsprechender Erörterung nämlich nicht substantiiert vorgetragen, dass die sog. "Nettopreisvereinbarung" bei ihnen überhaupt zur Anwendung gekommen ist. Eine solche Darstellung hätte die Gegenüberstellung des den Klägern von der Beklagten ausgewiesenen Kaufpreises und des tatsächlichen Bezugspreises der Beklagten ausweisen müssen. Eine Darstellung mit solchen konkreten Inhalten haben die Kläger jedoch nicht vorgenommen.

3. Die Beklagte haftet allerdings wegen Verletzung einer Nebenpflicht zum Depotvertrag, da ihr aufgrund der zuzurechnenden Kenntnisse ihres damaligen Prokuristen W. eine systematische Fehlberatung der gemeinsamen Kunden durch die A. AG positiv bekannt und diese für sie auch objektiv evident war.

a) Auch bei gestaffelter Einschaltung mehrerer Wertpapierdienstleistungsunternehmen bleibt es dabei, dass eine Warnpflicht als Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) dann besteht, wenn der Discount-Broker die tatsächliche Fehlberatung des Kunden bei dem in Auftrag gegebenen Wertpapiergeschäft entweder positiv kennt oder wenn diese Fehlberatung aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist (vgl. BGH, Urteil vom 06.05.2008 - XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281 Rn. 14 ff. zum Missbrauch der Vertretungsmacht im bargeldlosen Zahlungsverkehr m. w. N.; vgl. auch BGH, Urteile vom 09.03.2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 43 zum Terminoptionsbroker und vom 29.04.2008 - XI ZR 221/07, WM 2008, 1121 Rn. 20 f; ferner BGH, Urteile vom 19.03.2013 - XI ZR 431/11, BGHZ 196, 370; vom 12.11.2013 - XI ZR 312/12, ZIP 2013, 2451; vom 04.03.2014 - XI ZR 313/12, BKR 2014, 203).

b) Die A. AG hat durch ihre Berater die gemeinsamen Kunden der A. AG und der Beklagten systematisch fehlberaten.

(1) Das unstreitige und unstreitig der Beklagten bekannte Geschäftsmodell der A. AG setzt, um wirtschaftlich bestehen zu können, voraus, dass bei einer möglichst großen Anzahl von Kunden die sog. "Konvertierung" von Festgeldkunden in Wertpapierkunden gelingt, also höhere als durchschnittliche Provisionen aus der Wertpapierberatung erzielt werden, damit die A. AG den Teil der Zinsen, der über den marktüblichen Zinssatz hinausgeht, tragen und der Beklagten ersetzen kann. Zugleich konnte die A. AG ihre überdurchschnittlich hohen Emissionsprovisionen nur aus einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Verträgen mit bestimmten, sonst kaum auf dem Markt vertretenen Emittenten erwirtschaften, musste also gerade die Wertpapiere dieser Emittenten den Festgeldkunden anbieten. Hieraus ergab sich der systematische Interessengegensatz, dass im Hinblick auf ihre Tagesgeldanlage eher als risikoavers einzustufenden Kunden Wertpapiere von solchen Emittenten empfohlen werden mussten, die am Markt sonst kaum vertreten waren und daher eine gewisse Marktenge aufwiesen und wegen erheblicher Provisionen wirtschaftlich deutlich riskanter waren als die in anerkannten Indizes gehandelten Papiere. Dieser Gegensatz ist deshalb zutreffend auch im Wertpapierprospekt für Genussscheine der D. & B. AG - der Holding der A. AG - genannt. Dieser Gegensatz ist, anders als die Klagepartei meint, nicht gleichzusetzen mit einer von vorne herein feststehenden systematischen Fehlberatung oder gar einem sittenwidrigen Geschäftsmodell. Schon der Umstand, dass auch bei der Beratung durch Banken und spezialisierte Anlageberater sonst weniger marktgängige oder zum Teil hochriskante Wertpapiere Kunden finden, zeigt, dass bei der gebotenen intensiven Abwägung der mit solchen Wertpapieren verbundenen Vor- und Nachteile bei Kunden, die sich solchen Papieren gegenüber aufgeschlossen zeigen, ein regelkonformes Beratungsgeschäft möglich ist. Allerdings ist diese grundsätzliche Gefahrneigung bei Anhaltspunkten für eine systematische Fehlberatung dahingehend zu berücksichtigen, dass hier entsprechend sensibel reagiert wird.

(2) Soweit die Beklagte meint, dieses Geschäftsmodell sei ohne weiteres üblich, verkennt sie zunächst, wer hier dieses Geschäftsmodell praktiziert hat. Richtig ist, dass das Anwerben von Kunden über hoch verzinste Tagesgeldkonten von vielen Banken praktiziert wird, um mit den Kunden dann Folgegeschäfte abschließen zu können. Allerdings war die A. AG keine Bank samt der dazugehörigen Kapitalausstattung und dem nur einer Bank zugänglichen wesentlich breiteren Produktsortiment für Folgegeschäfte, einschließlich Finanzierungsgeschäfte samt der dort üblichen Laufzeiten und Margen. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass eine Bank solche Geschäfte mit eigenem, von ihr selbst geschultem und unter ihrer Verantwortung stehendem Personal durchführt, sie auftretende Probleme selbst beobachten und sogleich abstellen kann. Dagegen kann in der hiesigen Konstellation die Bank letztlich nur darauf vertrauen - was sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zunächst auch darf -, dass der Wertpapierdienstleister sein Personal hinreichend schult und überwacht und auf auftretende Probleme rasch und effektiv reagiert.

(3) Die Beklagte hat unter Zeugenbeweis gestellt, dass ihre Geschäftsbeziehung zur A. AG sich nicht wesentlich von der Geschäftsbeziehung zu 864 anderen Finanzintermediären unterschieden habe (Schriftsatz vom 15.01.2013, Seite 34/35 = Bl. 309/310 d. A.), in Parallelverfahren hat sie dies ergänzend unter Sachverständigenbeweis gestellt. Dem Beweisangebot dieses Rechtsstreits ist nicht nachzugehen, noch ist etwa von Amts wegen ein entsprechendes Sachverständigengutachten zu erholen, da diese Tatsachenbehauptung samt dem zugehörigen Beweisangebot durch die Beklagte wider besseres eigenes Wissen aufgestellt wurde.

(i) Der Senat hat zur Üblichkeit dieses Geschäftsmodells das Vorstandsmitglied H1 der Beklagten im Verfahren 5 U 3626/13 am 07.01.2014 angehört, die Beklagte hat dieses Protokoll als unbenannte Anlage vorgelegt und sich darauf bezogen. Herr H. führte insoweit aus, ihm sei "aus seiner Zeit keine weitere Vereinbarung der Bank über eine Zinsquersubventionierung mit Ausnahme der A. bekannt" (ebenda, Seite 4/5). Da die Zinsquersubventionierung Kernbestandteil der zwischen der Beklagten und der A.AG geübten Kooperation und gerade das zentrale Moment für die Gewinnung von Tagesgeldkunden war, folgt aus diesen Angaben zwingend, dass die Beklagte gerade mit keinem anderen Vermögensverwalter eine solche Kooperation wie mit der A. AG geübt hat. Die Kooperation der Beklagten mit der A. AG war daher schon nach dem eigenen Maßstab der Beklagten nicht "üblich".

(ii) Der Senat hat in dem weiteren Parallelverfahren 5 U 737/12 am 14.01.2014 das frühere Vorstandsmitglied der Beklagten U.-G. zu diesem Thema als Zeuge vernommen. Die Beklagte hat dieses Protokoll als unbenannte Anlage vorgelegt und sich darauf bezogen. Der Zeuge U-G gab an, dass die Angaben des Herrn Huber zutreffend sein dürften, denn dieser sei damals das zuständige Vorstandsmitglied gewesen (Bl. 566 d. A.). Er selbst konnte als ehemals für die Bereiche Revision und Compliance zuständiges Vorstandsmitglied nur ein anderes Unternehmen nennen, für das die Beklagte entsprechend die Compliance- und Revisionaufgaben durchgeführt hätte (Bl. 566 d. A.).

(iii) Hinzu kommt, dass die Beklagte den tatsächlichen Umfang der Kooperation zwischen ihr und der A. AG nie zusammenhängend offen gelegt hat, vielmehr die Offenbarung jedes Details hierzu - weitgehend zulässig - energisch bekämpft, entsprechende Vorlageanordnungen als rechtswidrig bezeichnet und unzutreffend in die Nähe des amerikanischen Discovery-Verfahrens gerückt hat (z. B. Schriftsatz vom 12.09.2013, Seiten 6/8 = Bl. 399/401 d. A.; Schriftsatz vom 03.12.2013, Seite 5/6 = Bl. 459/460 d. A.; Schriftsatz vom 18.12.2013, Bl. 469/470 d. A.). Eine Begutachtung könnte schon aus diesem Grund nicht durchgeführt werden. Die Beklagte hat aus den dem Senat dem Gegenstand nach bekannten Vertriebs-Kooperationsverträgen nur einen vorgelegt (Vertriebsrahmenvertrag vom 16.10.2002, vorgelegt ohne die Anlagen über die Detailkooperationen), die Kläger, die über diese Vertragsunterlagen kaum verfügen können, haben lediglich einen solchen Vertrag über eine Kooperation beim Vertrieb des Zins-Kombi-Kontos vorgelegt (Anlage K 2.10). Danach waren Mitarbeiter der Beklagten auf der Grundlage von durch die A. AG erteilten Informationen für die A. AG im Telefonvertrieb tätig. Aus der Aussage des Zeugen R. im Verfahren 32 U 1966/12 des OLG München vom 08.10.2013 (von den Klägern vorgelegt als Anlage K 2.22, dort Seite 4) ergibt sich ferner, dass es eine Vereinbarung zwischen der Beklagten und der A. AG gegeben haben muss, wonach die Beklagte der A. AG den Adviser II Fonds als "Vehikel nach luxemburgischen Recht" zur Verfügung gestellt hat, damit diese eine bestimmte Anlagestrategie in einem Fonds ihren Kunden zur Verfügung stellen kann. Soweit von den Parteien vorgetragen gab es zwei solcher Adviser Fonds, im hiesigen Adviser II-Fonds (dazu z. B. Anlagen K 2.11, K 15, B 7) hatten nur zwei Vermögensverwalter die Möglichkeit, entsprechende Teilfonds zu betreuen. Schließlich gab es, das ergibt sich aus dem KPMG-Bericht (Anlage E 12, Seite 40) die sog. Nettopreisvereinbarung, die ebenfalls Teil der zwischen der Beklagten und der A. AG geübten Kooperation war. Dies alles belegt, dass - auch nach den Kenntnissen der Beklagten und entgegen ihrem Vortrag - die zwischen ihr und der A. AG vorhandene Kooperation das übliche Maß weit überstiegen hat, möglicherweise sogar singulär war. Mithin wollte die Beklagte ohne vollständige Beschreibung des tatsächlichen Umfangs der Kooperation zwischen ihr und der A. AG und ohne vollständige Vorlage der diese Kooperation regelnden Verträge eine Beweisaufnahme zur Üblichkeit der dem Senat und den Klägern nur eingeschränkt bekannten tatsächlichen Kooperation und ein ihr genehmes Beweisergebnis herbeiführen.

(4) Dass die A. AG ihre Provisionserlöse aus Verträgen mit wenigen Emittenten generierte, ist belegt durch die Angaben des Zeugen P. und den Prüfbericht über die Regelprüfung nach § 36 Abs. 1 WpHG für den Zeitraum 01.05.2006 bis 30.09.2007 (Anlage BB 7, dort Seiten 11/13). Der Prüfbericht über die Regelprüfung ist ein Sachverständigengutachten, das der Senat als Urkunde verwertet (dazu bereits BGH, Urteil vom 19.05.1987 - VI ZR 147/86, juris). Diese Verwertungsmöglichkeit ist durch die Einführung des § 411a ZPO nicht entfallen. Eine ergänzende Vernehmung der Sachverständigen ist durch die Beklagte nicht beantragt worden. Zweifel an der Richtigkeit der in diesem Gutachten festgestellten Umstände (die von den dort vorgenommenen Bewertungen zu trennen sind) haben sich im Übrigen nicht ergeben, so dass eine Anhörung der Sachverständigen von Amts wegen nicht geboten war. Die Beklagte hat die in diesem von ihr vorgelegten Gutachten vorgenommenen Bewertungen im Übrigen in anderem Zusammenhang als zutreffend für sich in Anspruch genommen.

Den von der Klagepartei als Anlage E 12 vorgelegten Prüfbericht der KPMG, gleichfalls ein Sachverständigengutachten, verwertet der Senat ebenfalls als Urkunde. Allerdings kann sich der Senat nicht alleine auf der Grundlage dieser Verwertung von der Richtigkeit der dort dargelegten Feststellungen überzeugen, da die Beklagte nicht die Möglichkeit hatte, die Gutachter ergänzend zu befragen, ihr also das rechtliche Gehör zu diesem Gutachten nicht in hinreichender Weise gewährt werden konnte. Die BaFin erteilt, dies ist aus Parallelverfahren bekannt, keine Aussagegenehmigung für die Gutachter, so dass ein entsprechender vergeblicher Beweisantritt der Beklagten bloßer Formalismus gewesen wäre. Dass die KPMG meinte, solche Feststellungen treffen zu können, ist allerdings sogar unstreitig, umstritten ist nur, ob diese Feststellungen zutreffend sind.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertreten hat, dieses Gutachten sei als Privatgutachten der Klagepartei oder in Art eines solchen Privatgutachtens nur als Sachvortrag der Klagepartei zu bewerten, findet diese Einschätzung in der ZPO keine Grundlage. Die Klagepartei hat dieses Gutachten schon nicht in Auftrag gegeben. Umgekehrt kann das Gutachten nicht im Sinne der Klagepartei als öffentliche Urkunde, § 415 ZPO, verwertet werden, da es nur für eine öffentliche Behörde, aber nicht von einer solchen erstellt worden ist.

(i) Der Zeuge P. führte in seiner ersten Vernehmung vor dem Senat am 14.01.2014 insoweit aus, es habe ein relativ kleines Produktuniversum von etwa 20 Papieren gegeben (Bl. 500 d. A., Seite 6 des Protokolls), über die die Kunden beraten und die den Kunden empfohlen worden seien. Die Steuerung des Beratungsverhaltens ergab sich dabei durch die Provisionspolitik der A. AG, wonach nur für die Erlöse aus bestimmten Produkten höhere Verkaufsprovisionen auch an die Berater bezahlt wurden. Eine solche steuernde Provisionspolitik ist ebenfalls belegt durch den Prüfbericht gemäß § 36 WpHG für das Jahr 2008, den die Kläger als Anlage E 10 vorgelegt haben (dort Seite 36) und den der Senat gleichfalls als Urkunde verwertet. Anhaltspunkte für unrichtige Feststellungen in diesem Prüfbericht haben sich nicht ergeben.

(ii) Der Senat schätzt den Zeugen P. als jemanden ein, der - aufgrund des Zeitablaufs ohne weiteres nachvollziehbar - zwar bei der zeitlichen Einordnung bestimmter Vorgänge, z. B. dem Erscheinen der sog. Wirtschaftswoche-Artikel, nicht immer ganz sattelfest war, sich aber intensiv mit dem Vernehmungsgegenstand auseinander gesetzt und sich um wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu jedem Zeitpunkt seiner zahlreichen Vernehmungen bemüht hat. Soweit der Zeuge im Verlauf der vielen Vernehmungen immer wieder Unsicherheiten in der Sache gezeigt hat, lag dies überwiegend daran, dass ihm eine praktisch geschlossene Phalanx von entgegenstehenden Angaben der Zeugen W., T. und D. und gelegentlich B. vor- und entgegengehalten wurde, mit denen er sich erkennbar immer wieder auseinander gesetzt hat und die ihn als gutwilligen Zeugen dann ins Zweifeln am eigenen Erinnerungsvermögen gebracht haben.

(iii) Die geschlossene Phalanx der Zeugen D., B., T. und W. ist nach der Überzeugung des Senats aus mittlerweile über 30 Vernehmungsstunden allein für diese Zeugen in diesem und Parallelverfahren jedoch nicht zufällig so geschlossen. Vielmehr haben sich diese Zeugen teils aufgrund Irrtums, im Übrigen jedoch durch Verdrehungen, Verfälschungen und Unwahrheiten bewusst darum bemüht, ein zugunsten der A. AG und ihres eigenen früheren Verhaltens als (Mit-)Verantwortliche dieser Gesellschaft unangemessen positives und damit unrichtiges Bild zu zeichnen.

(iv) Beim Zeugen D. zeigt sich dieses Bild bereits anlässlich seiner protokollierten Vernehmung vom 14.01.2014. Der Zeuge behauptete hier in aller Dreistigkeit, die A. AG habe zwar zunächst die Zulassung durch die BaFin verloren gehabt, man habe aber im Beschwerdeverfahren gegen die BaFin "obsiegt" (Bl. 504, Seite 10 des Protokolls) und den Geschäftsbetrieb sodann fortführen können. Tatsächlich wurde im Beschwerdeverfahren vor dem VGH Frankfurt zwischen der BaFin und der A. AG Anfang 2008 ein Vergleich geschlossen, wonach die A. ihre Zulassung nur dann behalten darf, wenn bis zum 31.08.2010 die Herren D. und B. sich von ihren Vorstandsfunktionen trennen. Ferner sollten auch die Anteile an der A. AG, die zu diesem Zeitpunkt beinahe vollständig von der D. & B. AG als Holding gehalten wurden - dortige Mehrheitsgesellschafter waren die Herren D. und B. - an unabhängige Dritte veräußert werden. Entgegen der Darstellung des Zeugen D. war also im Beschwerdeverfahren keine Fortführung des Geschäftsbetriebs im Sinne eines "weiter so" erzielt worden, sondern ein nur für Zwecke des Übergangs etwas aufgeschobener, dafür aber umso radikalerer Wandel in Führung und Anteilseignerschaft erforderlich, wenn die A. AG ihre Zulassung behalten wollte. Der Zeuge wurde am 14.01.2014 mit diesem Widerspruch konfrontiert und erklärte dazu nur lapidar, dass sich daraus ergebe, dass man ein halbes Jahr habe weitermachen dürfen (Bl. 505 d. A., Seite 11 des Protokolls).

Auch einfache zeitliche Reihenfolgen schilderte der Zeuge D. ohne weiteres unzutreffend. So gab er z. B. an, er sei zunächst (Hervorhebung durch die Unterzeichner) Vorstand der D. & B. AG (= Holding; vgl. Protokoll vom 07.01.2014 im Verfahren 5 U 3626/13, vorgelegt von der Beklagten als unbezeichnete Anlage) gewesen, ferner Vorstand der A. AG seit deren Gründung. Tatsächlich war die zeitliche Reihenfolge genau umgekehrt: Die A. AG gab es bereits seit dem Jahr 2000, erst im Jahr 2005 wurde, unter anderem durch Einbringung sämtlicher Aktien der A. AG, die D. & B. AG gegründet.

Bei seiner Vernehmung vom 14.01.2014 bot der Zeuge D. zu den von der KPMG behauptet festgestellten Abweichungen der Risikoeinstufung in 1.111 Fällen (Anlage K 6, Seite 64) vier Alternativ-Erklärungen für die Ursache einer solchen Abweichung auf. Er behauptete unter Verweis auf einen damals nur auszugsweise übergebenen Anwaltsschriftsatz (Anlage zu diesem Protokoll), die alleinige Richtigkeit dieser Alternativerklärungen habe sich durch die § 36-WpHG-Prüfung dieses Zeitraums bestätigt. Tatsächlich ergibt sich aus dem diesem Anwaltsschriftsatz zugrunde liegenden Bericht (Anlage BB 7, dort Seite 44), dass im Zuge dieser Prüfung gerade einmal 16 Depots samt den zugehörigen Abweichungsursachen von den Prüfern selbst überprüft wurden. Das Ergebnis der Regelprüfung lässt also mitnichten eine vollständige Widerlegung der Prüfergebnisse der KPMG zu, zumal die Ausgangsbasis beider Untersuchungen, die überprüften Depots, zu unterschiedlichen Zeitpunkten erhoben wurde. Die Tatsache, dass eine solche tatsächlich nicht durch die zugrundeliegenden Prüfergebnisse berechtigte Behauptung in einem Anwaltsschriftsatz im Zuge eines aufsichtlichen Untersuchungsverfahrens aufgestellt wurde, zeigt aber die Bereitschaft des damaligen Vorstands der A. AG, der Herren D. und B., mit der Wahrheit nach eigenem Gusto umzugehen, sogar gegenüber der Aufsichtsbehörde. Aufgrund der oben dargestellten Ungenauigkeiten und bewussten Verdrehungen kann der Senat in den Zeugen kein Vertrauen setzen.

(v) Beim Zeugen B. zeigten sich derart offensichtliche Fehler, Ungenauigkeiten und Verdrehungen weniger deutlich, allerdings hauptsächlich deswegen, weil er sich generell weniger festlegen ließ und mit seinen Angaben eher im Ungefähren verblieb. Wo er sich allerdings festlegte, waren seine Angaben nicht weniger falsch als die des Zeugen D., z. B. in der Vernehmung vom 21.01.2014 bei der Anzahl der Wertpapiere, die im Produktkorb der A. AG gewesen seien. Es seien noch wesentlich mehr gewesen als vom Zeugen D. angegeben. Dabei war dessen Angabe bereits zu hoch gegriffen, wie sich ohne weiteres aus den Aufzählungen der hauptsächlich vertriebenen Papiere in dem § 36-WpHG-Bericht (Anlage BB 7, Seiten 11/13: 19 Wertpapiere, davon mehrere vom selben Emittenten) ergibt.

(vi) Der Zeuge T. unternahm den Versuch, die Erkenntnis des Senats bewusst zu manipulieren. In seiner ersten Vernehmung vor dem Senat, am 21.01.2014 in diesem Rechtsstreit und parallelen Verfahren, gab der Zeuge, der zu diesem Zeitpunkt die Protokolle der Aufsichtsratssitzungen der A. AG vom 22.06.2007 und 11.07.2007 vor sich liegen hatte, nicht an, dass in der Aufsichtsratssitzung vom 11.07.2007 auch über den Punkt Abweichungen bei den Einstufungen zwischen Depot und Papieren, also die 1.111 von KPMG behaupteten Fälle, gesprochen wurde. Dass diese Auslassung des Zeugen kein Zufall war, ist belegt durch seine Angaben vor dem Landgericht München I am 18.09.2014 im Verfahren 22 O 17792/13 (von der Beklagten vorgelegt als unbenannte Angabe, dort Seite 8). Auf die Frage der Kammer, ob sich der Zeuge daran erinnere, dass die Überprüfung von 1.111 Einstufungen Gegenstand der Aufsichtsratssitzung war, antwortete der Zeuge T. "aus dem Protokoll der Sitzung ergibt sich dazu nichts".

Die am 21.01.2014 geäußerte Bitte des Senats, die Protokolle selbst zu den Akten zu übergeben, lehnte er ab, da er sich sonst in einem Interessenskonflikt befinden könne, er vertrete die Herren D. und B. persönlich gegen Anlegerklagen. Bei einer späteren Vernehmung des Zeugen T. am 28.10.2014 in einem Parallelverfahren wurde er gebeten, die von ihm wiederum verwendeten Protokolle der beiden Aufsichtsratssitzungen am Richtertisch vorzulegen, damit der Inhalt mit seinen Angaben abgeglichen werden könne. Daraufhin ließ er zu, dass die beiden Aufsichtsratsprotokolle kopiert und zur Akte genommen wurden. Diese Protokolle wurden durch den Senat in der hiesigen mündlichen Verhandlung vom 25.11.2014 als gerichtsbekannt beigezogen und für das Verfahren verwertet (Bl. 862/864 d. A. samt Anlage). Aus dem Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 11.07.2007 ergibt sich, dass Erörterungsthema des Aufsichtsrates unter anderem die Rüge der KPMG war "Risikoeinstufung des Kunden ist geringer als die Papiere in seinem Depot". Das ist der sachliche Gehalt der Beanstandung der KPMG über die Nichtübereinstimmung bei 1.111 Depots (Anlage E 12, Seite 64). Als dem Zeugen T. in der mündlichen Verhandlung vom 27.01.2015 dieser Umstand vorgehalten wurde, antwortete er nur lapidar, er sei anlässlich einer weiteren Vernehmung nicht gebeten worden, alle Punkte der Tagesordnung vorzulesen, er habe auch weitere Punkte nicht genannt. Diese Darstellung ist bewusst unwahr, der Zeuge T. wurde anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2014 in einem Parallelverfahren tatsächlich gebeten, die Punkte vorzulesen. Im Übrigen entschuldigt eine Auslassung von weiteren Punkten nicht den evidenten Wahrheitsverstoß im dargelegten Umfang, solche weiteren Auslassungen verdeutlichen allenfalls die Einstellung des Zeugen T. zur strafbewehrten Wahrheitspflicht eines Zeugen.

(vii) Auch der Zeuge W. präsentierte sich dem Senat mindestens als unzuverlässig. Auffällig ist insoweit bereits, dass die beiden Aufsichtsratssitzungen vom 22.06.2007 und 11.07.2007 von diesem Zeugen, der bei verschiedenen Kammern und Senaten der Gerichte in München, Schleswig und Berlin bis zum Herbst 2013 schon vielfach befragt worden war (eine Reihe solcher Vernehmungen wurden von den Parteien als Anlagen vorgelegt), einmal sogar unter Eid, kein einziges Mal erwähnt wurden. Bei einer Vernehmung am 10.10.2013 durch den 32. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München (vorgelegt als unbenannte Anlage der Beklagten) gab er, soweit ersichtlich erstmals, zwar an, dass im Aufsichtsrat mündlich durch ein Mitglied des Aufsichtsrates eine Berichterstattung stattgefunden hatte. Das für eine mögliche Wissensvermittlung wesentliche Merkmal, dass diese Aufsichtsratsbesprechung noch vor seinem Ausscheiden bei der Beklagten stattgefunden hatte, gab er jedoch nicht preis. Erst als ihm durch den Senat auf der Grundlage der Angaben des Zeugen T. vom 21.01.2014 die Existenz der genannten beiden Sitzungen das erste Mal vorgehalten werden konnte, bestätigte er zumindest die zweite der beiden Besprechungen. Der Zeuge gibt seitdem zwar an, er habe an die - telefonische - Aufsichtsratssitzung vom 22.06.2007 keinerlei Erinnerung (hier: einbezogenes Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.0.2014 im Verfahren 5 U 905/12, Seite 6 = Bl. 779 d. A.). Dies erklärt aber nicht, warum auch die Aufsichtsratssitzung vom 11.07.2007 bis dahin keine Erwähnung gefunden hat. Allenfalls telefonische Vorab-Berichte gegenüber dem Aufsichtsrat über den Prüfungsverlauf hatte der Zeuge W. bis Herbst 2013 angegeben. Kernfragen des Senats zum Geschehen versuchte der Zeuge W. durch weitschweifige und abweichende Antworten zu umgehen. So schilderte der Zeuge W. am 11.09.2014 gleichfalls, dass die Kategorisierung der durch die KPMG festgestellten Mängel im schriftlichen Bericht sehr viel schwerwiegender ausgefallen sei, als das nach dem vorherigen Bericht im Aufsichtsrat zu erwarten gewesen sei. Auf den Vorhalt, dass im schriftlichen Bericht tatsächlich keine Kategorisierung des Schweregrades vorgenommen wurde, wich er dahingehend aus, dass der Umfang der Beanstandungen ihn überrascht habe (Protokoll Seite 5 = Bl. 758 d. A.). Als er dann damit konfrontiert wurde, dass nach seinen eigenen Angaben nach den schon deutlichen mündlichen Hinweisen mit einem sehr schwerwiegenden Bericht zu rechnen gewesen sei, (Protokoll Seite 6 = Bl. 759 d. A.), zog er sich darauf zurück, ihm seien sämtliche Beanstandungen als beherrschbar dargestellt worden.

Zu diesen - nur beispielhaft dargestellten - inhaltlichen Unstimmigkeiten kamen körperliche Anzeichen von erheblichem Stress, wie sie für unter der Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben aufrechterhaltene Falschdarstellungen kennzeichnend sind. Der Zeuge zeigte regelmäßig Symptome psychischen Unbehagens, sobald der Senat durch nachfassende Befragung ein Abschweifen nicht zuließ, sein Sprachgebrauch und -duktus veränderte sich an diesen Kernpunkten, seine Sitzhaltung spiegelte entsprechende Anspannung wider, er rutschte auf dem Stuhl hin und her. Immerhin ist dem Zeugen zugute zu halten, dass er seit 2007 eine größere Anzahl von Operationen hinter sich hat und verschiedene Medikamente einnehmen muss, die auch die Gedächtnisleistung beeinträchtigen. Auch diese mögliche Beeinträchtigung seiner Gedächtnisleistung wurde von dem Zeugen allerdings früher nicht thematisiert, sondern erst, als die Existenz der beiden Aufsichtsratssitzungen aufgedeckt war. Schon aufgrund der oben dargestellten widersprüchlichen Angaben und körperlichen Signale des Zeugen gibt es keine Grundlage dafür, den Bekundungen des Zeugen zu vertrauen und darauf eine Überzeugungsbildung zu stützen.

(5) Die systematische Fehlberatung, die die Anlageberater der A. AG mindestens gegenüber einem Teil der Kunden durchgeführt haben, lässt sich am deutlichsten an zwei Ausprägungen belegen: Der Fehleinstufung von Wertpapieren in Risikoklassen und der Nicht-Übereinstimmung eines verkauften Produkts mit dem, was den Kunden gegenüber angegeben wurde.

(i) Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen P. hat die A. AG bei bestimmten Anlageformen eine auf die Gesamtanlage bezogene Risikoeinstufung vorgenommen (hier: Protokoll vom 14.01.2014, Seite 7 = Bl. 577 d. A. unten). Gemeint, und vom Zeugen P. in anderen Vernehmungen dann auch ausdrücklich so bezeichnet, ist damit eine Mittelung der Risikoklassen, wenn das Produkt aus unterschiedlichen Anlagekomponenten bestand, wie z. B. bei den Zins-Kombi-Konten. Bei diesem Produkt musste für die Anlage eines bestimmten Betrags auf ein hoch verzinstes Anlagekonto ein gleich hoher Betrag in ein bestimmtes Wertpapier investiert werden (vgl. z. B. Muster eines solchen Vertrags gemäß Anlage BB 1). Die Anlage auf das Zinskonto wurde dabei intern - und zutreffend - mit der Risikoklasse 1 bewertet. Die dazu angebotenen Wertpapiere wurden intern teils mit Risikoklasse 3, teils mit Risikoklasse 4 bewertet (z. B. Genussschein der Windsor AG mit Risikoklasse 3, Genussschein der M. AG mit Risikoklasse 4, Anlage BB 7, Seite 13). Das Gesamtprodukt wurde dann gegenüber dem Kunden mit dem Mittelwert angegeben, also bei Festgeld plus Wertpapier der Klasse 4 mit der Gesamtrisikoklasse 3, bei Festgeld plus Wertpapier der Klasse 3 mit dem Mittelwert Klasse 2. Die Mittelwertbildung an sich bei den Zins-Kombi-Konten hat der Zeuge D. zunächst in vollem Umfang bestritten. Diese Angabe des Zeugen D. ist aus den o.g. Gründen nicht glaubhaft. Immerhin räumte der Zeuge D. ein, dass eine solche Mittelwertbildung gegenüber den Kunden der Vermögensverwaltung vorgenommen wurde (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2014, Seite 11 = Bl. 505 d. A.).

(ii) Die Mittelwertbildung als solche führt zwingend zu fehlerhaften Beratungsergebnissen, da dem Kunden eine Sicherheitsstufe seiner Investition vorgespiegelt wird, die tatsächlich nicht besteht. Ein Teil der Investition ist sicherer, der andere Teil dagegen von höheren Risiken betroffen. Außerhalb einer Gesamtvermögensverwaltung, die durch einen Verantwortlichen einheitlich gesteuert wird, ist eine solche Verrechnung nach Ansicht des Senats nicht zulässig, denn sie steht im Widerspruch zur Verpflichtung des Anlageberaters, die Risiken der beschriebenen Investition zutreffend darzustellen (ständige Rechtsprechung seit BGH, Urteil vom 06.07.1993 - XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 ff.). Hinzu kommt Folgendes: Das Angebot für die hohen Zinsen der Festzinsanlage war zeitlich befristet, zwischen 6 Monaten und einem Jahr. Wenn der Kunde diesen Teil seines Vermögens nach Ablauf der Hochzinsphase an eine andere Stelle abzieht, würde sich durch die nun wegfallende "Verrechnung" sein Depot ohne eine inhaltliche Änderung der Depotzusammensetzung oder eine Veränderung der Fundamentaldaten der dort verwahrten Wertpapiere verändern. Soweit die Beklagte zu meinen scheint, dass dem Senat eine solche Bewertung nicht zusteht und hier eine sachverständige Beurteilung herbeigeführt werden müsste, handelt es sich tatsächlich um rechtliche Beurteilung, die in der Kernkompetenz des Senats liegt.

Dem Senat ist aus Parallelverfahren bekannt, dass in einem weiteren Prüfbericht gemäß § 36 WpHG, für das Jahr 2005, ein Zins-Kombi-Konto in der Risikoklasse 4 aufgeführt wird. Warum dies der Fall ist, abgesehen, davon, dass der Bericht in diesem Verfahren nicht vorgelegt wurde, ist unklar. Möglicherweise hat sich die Verfahrensweise der A. AG im Jahr 2006 geändert, denn in dem Bericht gemäß Anlage BB 7 gibt es ein Zins-Kombi-Konto dieser Risikoklasse nicht mehr.

(iii) Wahrscheinlich, ohne dass es aber darauf ankommt, liegt eine solche Mittelwertbildung einem wesentlichen Teil der Feststellung im KPMG-Prüfbericht zugrunde, wonach bei allen 1.111 untersuchten Depots der Risikoklassen 1 und 2 in diesen Depots Papiere der Risikoklassen 3 und 4 vorhanden gewesen sein sollen. Wie oben dargelegt, wurde aufgrund der vorgenommenen Mittelwertbildung ein Kunde mit einem Zins-Kombi-Konto, bei dem das zugehörige Wertpapier in die Klasse 3 eingestuft war, mit der Klasse 2 für das Kombinationsprodukt erfasst. Wenn nun ein ehemals in Risikoklasse 3 eingestuftes Papier vor der Prüfung der KPMG in Risikoklasse 4 umgestuft wurde, dann ergibt sich, dass in Depots der Risikoklasse 2 auch Wertpapiere der Risikoklasse 4 vorhanden sein können.

Der Beklagten ist zuzugeben, dass es bei über 40.000 von der A. AG betreuten Depots unwahrscheinlich ist, dass bei zufälligem Zugriff auf diese gesamte Menge von Depots gerade 1.111 Depots der Anlageklassen 1 und 2 mit darin enthaltenen Wertpapieren der Klassen 3 und 4 überprüft werden. Allerdings geht die von der Beklagten daraus abgeleitete Behauptung, dass die Ergebnisse der KPMG falsch sein müssten, am Kern der tatsächlichen Prüfung durch die KPMG vorbei. Die KPMG behauptet in ihrem Prüfbericht schon nicht, dass sie die Depots zufällig ausgesucht habe, vielmehr hat sie ausweislich ihrer Erläuterungen gerade die Depots der Risikoeinstufungen 1 und 2 zur Grundlage ihrer Prüfung gemacht. Die unter Sachverständigen-Beweis gestellte Behauptung der Beklagten, dass dieses Prüfungsergebnis falsch sei, ist daher ein auf falschen Plausibilitätsvermutungen und einem falschen Verständnis der Tatsachengrundlage beruhender Beweisantritt ins Blaue hinein, dem nicht nachgegangen werden musste. Abgesehen davon fehlt die erforderliche Substantiierung, da die Beklagte die zu würdigenden Depots und deren Inhalt nicht darstellt.

(iv) Die andere mögliche Ursache für diesen Befund der KPMG wäre, dass Kunden Wertpapiere der Risikoklassen 3 und 4 fehlerhaft als solche der Risikoklasse 2 verkauft worden sind. Die KPMG bemängelt in ihrem Prüfbericht ausdrücklich, dass es zu fehlerhaften Einstufungen in die Risikoklasse 2 bei bestimmten Zertifikaten und den Fondsanteilen des Fonds Adviser II gekommen sei (vgl. Anlage E 12, dort Seiten 54 ff.). Sie führt insoweit aus, dass die Fondsanteile am Adviser II Fonds durch die A. AG unzutreffend in Risikoklasse 2 eingestuft seien, es sei eine höhere Einstufung erforderlich (KPMG-Bericht in Anlage E 12, Seite 53, dort abgekürzt mit "D. & B. Corporate Bond"). Tatsächlich sind von der A. AG in großem Umfang solche Anteile im Jahr 2006 vertrieben worden, diese waren mit einem Anteil von 58 Mio. Euro aus insgesamt knapp 253 Mio. Euro der 19 wichtigsten Wertpapiere das mit Abstand wichtigste Einzelprodukt (Anlage BB 7, Seiten 11/13). Fest steht auch, dass die Einstufung dieser Fondsanteile in die Risikoklasse 2 unzutreffend war und die entsprechende Feststellung der KPMG zutreffend ist.

Zwar hat die Beklagte die Richtigkeit auch dieser Feststellung der KPMG (pauschal) bestritten, jedoch erfolgte dieses Bestreiten entgegen ihrer eigenen Erkenntnisse aus ihr zuzurechnendem Wissen von Mitarbeitern. Der Fonds Adviser II selbst, in dessen Verwaltungsrat ausschließlich von der Beklagten dorthin entsandte hochrangige eigene Mitarbeiter saßen, führt dazu in seinem Geschäftsbericht zum 31.08.2008 (Anlage B 7, Seite 8) aus:

"Der Teilfonds D. & B. Corporate Bond investiert in hochverzinsliche, überwiegend auf Euro laufende Unternehmensanleihen und Genussscheine, die aufgrund ihrer geringeren Bonität und ihres höheren Ausfallrisikos an den Kapitalmärkten mit entsprechenden Risikoabschlägen gehandelt werden."

Eine vergleichbare Einstufung findet sich auch im Geschäftsbericht des Fonds zum 31.08.2007 (Anlage K 2.11, Seite 9). Dabei handelte es sich ausweislich der Detailaufstellung (Seite 17 des Geschäftsberichts Anlage B 7, Seite 16 des Geschäftsberichts Anlage K 2.11) überwiegend um solche Papiere, die sich in vielen Anlegerklagen dieser Verfahrensserie wiederfinden. Dass eine solche Risikoeinstufung nicht mit der Risikoklasse 2 in der Definition der A. AG übereinstimmt, die im KPMG-Bericht (Anlage E 12, Seite 20) wie nachfolgend wiedergegeben wird, liegt auf der Hand.

"Anlageziel: Die Sicherheit der Anlage ist mir wichtig, aber für Renditevorteile nehme ich auch angemessene, im Wesentlichen vorübergehende Verlustrisiken in Kauf.

Risiken: Kurzfristige moderate Kursschwankungen sind möglich; mittel/langfristig ist ein Vermögensverlust unwahrscheinlich."

Dementsprechend lautete die Selbsteinstufung des Fonds, für die die Beklagte immerhin ausweislich des genannten Geschäftsbetriebs formal deutsche Hauptvertriebsstelle war (Geschäftsbericht gemäß Anlage B 7, Seite 4, auch wenn sie den Vertrieb tatsächlich nicht durchgeführt haben soll) auf Risikoklasse 3 (Anlage K 16), während die A. AG diesen Fonds ihren Kunden als vergleichbar mit Bundesanleihen und daher geeignet für Anlegertyp 2 bewarb (Anlage K 17). Die Erkenntnisse ihrer Mitarbeiter, die im Verwaltungsrat des A. II Fonds tätig waren, sind der Beklagten uneingeschränkt zuzurechnen, da deren dortige Tätigkeit zu ihrer jeweiligen Diensttätigkeit für die Beklagte gehörte und die zitierte Bewertung der Papiere in einem öffentlich zugänglichen Geschäftsbericht geschah. Die Beklagte selbst legt dar, dass ihre Mitarbeiter für die Tätigkeit im Fonds keine gesonderte Bezahlung erhalten hätten, der Zeuge R. (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung des OLG München vom 08.10.2013 im Verfahren 32 U 1966/12, Anlage K 2.22, dort Seite 4) hat ausdrücklich bestätigt, dass die Beklagte diesen Fonds aufgelegt hat.

Tatsächlich hat die Beklagte in diesem Rechtsstreit um den Fonds Adviser II ein ganzes Geflecht von unzutreffenden Darstellungen gewoben. So hat sie wahrheitswidrig und gegen ihre eigenen Kenntnisse behauptet, die Kläger hätten keine Anteile an dem Fonds erworben (z. B. Berufungserwiderung, Seite 6 = Bl. 281 d. A.), obwohl die Kläger die Fondsanteile - im Rahmen der Vermögensverwaltung der A. AG - gerade über die Beklagte erworben haben (Anlage K 2.18, Blatt 1). Weiter hat die Beklagte behauptet, die A. AG habe keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Fonds Adviser II gehabt (Berufungserwiderung Seite 7 = Bl. 282 d. A.) und dies auch noch unter Zeugenbeweis durch ihren Mitarbeiter E. zu stellen versucht, obwohl sie wusste, dass die A. AG der Investmentmanager des Teilfonds D. & B. Corporate Bond war (Geschäftsbericht des Fonds zum 31.08.2008, Anlage B 7, Seite 4), es nach den bereits zitierten Angaben des Zeugen R. gerade die Beklagte war, die der A. AG diesen Teilfonds zugänglich gemacht hatte. Weiter unzutreffend war die Behauptung der Beklagten, die von ihr selbst im Compliance-Bericht für das dritte Quartal 2006 kritisierte Einlage von Aktien der D. & B. AG (vgl. diesen Compliance-Bericht, Blatt 4) in den Fonds Adviser II sei auch tatsächlich zurückgeführt worden (Schriftsatz vom 21.02.2014, Seite 29 = Bl. 550 d. A.). Laut dem genannten Compliance-Bericht sollte der Aktienanteil "marktschonend" zum Teil nach Veröffentlichung der Quartalsergebnisse des 2. Quartals 2006, im Übrigen nach Veröffentlichung der Quartalsergebnisse des 3. Quartals 2006 abgebaut werden (Compliance-Bericht, Blatt 5). Tatsächlich betrug der Anteil der Aktien der D. & B. AG am Teilfonds D. & B. Corporate Bond zum Stand 31.08.2007 zwar nur noch 238.482 Aktien, und damit nach zuvor 5,5% des Nettoinventarwertes nun noch 3,07% (vgl. Anlage K 2.11, Geschäftsbericht des Fonds zum 31.08.2007, Seite 16), anschließend wurde dieser Anteil jedoch sogar wieder erhöht auf 247.510 Aktien zum 29.02.2008 (Auszug aus dem Geschäftsbericht des Fonds gemäß Anlage K 15), bevor dann wieder eine Absenkung auf 227.510 Aktien erfolgte (Geschäftsbericht zum 31.08.2008, Anlage B 7, Seite 17). Der Nettovermögensanteil der Aktien zum 31.08.2008 betrug allerdings sogar 3,71%. Der gemäß dem Compliance-Bericht vereinbarte Gesamtabbau der Aktien wurde daher bis ins Jahr 2008 hinein nicht durchgeführt - was der Beklagten über ihre im Verwaltungsrat des Fonds sitzenden Mitarbeiter, die diese Geschäftsberichte verantworteten (Anlage B 7, Seite 11), auch bekannt war.

(v) Durch die in diesem Rechtsstreit aufgrund Einverständnisses der Parteien verwertete Aussage des Zeugen M. S. zu Protokoll des Parallelverfahrens 5 U 905/12 vom 11.09.2014 (Bl. 754/768 d. A., Seite 12 = Bl. 765 d. A.) ist belegt, dass die A. AG bereits Ende des Jahres 2005 darauf hingewiesen wurde, dass nachrangige Genussscheine generell fälschlich in die Risikoklasse 3 eingeordnet wurden. Der Zeuge S. war Teil jenes Teams, das den Auftrag über die Ausführung der Revision, den die A. AG der Beklagten erteilt hatte, durchführte. Der Zeuge S. erklärte weiter, er habe die Abstellung dieses Problems im Jahr 2006 zwar nicht selbst überprüft, ihm sei aber erklärt worden, die Einstufung sei geändert worden, es habe ein positives Follow-up dazu gegeben. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass Verantwortliche der A. AG dem Zeugen S. erklärt haben, dieses Problem sei behoben, denn sonst hätte der Zeuge, der eine Frist zur Abhilfe zunächst bis Ende 2005 gesetzt hatte, nachfassen müssen. Allerdings war diese gegenüber dem Zeugen S. abgegebene Erklärung über die Korrektur der Risikoeinstufung bewusst falsch. Aus dem Prüfbericht nach § 36 Abs. 1 WpHG (Anlage BB 7, Seite 22) ergibt sich insoweit, dass auch diese Prüfer im Jahr 2006 und - mangels Berücksichtigung durch die A. AG - noch 2007 eine Fehleinstufung "nachrangiger Anleihen/Papiere" kritisierten.

(vi) Soweit sich die Beklagte im Rahmen der Erörterungen unter breitem Vortrag und Zitaten aus Wikipedia und anderen Quellen gegen die Notwendigkeit einer Einstufung der von der A. AG vertriebenen nachrangigen Genussscheine und Anleihen in die Risikoklasse 4 wendet und insoweit sachverständige Begutachtung begehrt, ist dieser Beweisantritt unsubstantiiert. Es fehlt schon an einer eingehenden Darstellung der konkret von der A. AG vertriebenen Anleihen und Genussscheine, insbesondere unter Darlegung der wirtschaftlichen Kennzahlen der Emittenten. Dem Beweisantrag ist daher nicht nachzugehen gewesen.

Tatsächlich, ohne dass es angesichts der fehlenden Substantiierung des Beweisantritts darauf ankommt, ist dem Senat aus den (vielen) Parallelverfahren kein Genussschein und keine Anleihe der Unternehmen P. & Z., HPE Private Equity AG, P. AG, C. F. AG, C.C. Group AG, Konservenfabrik Z., K. Automobile AG etc. bekannt geworden, die nicht in Risikoklasse 4 einzustufen gewesen wären, viele waren nachrangig ausgestaltet. Die wirtschaftlichen Kennzahlen der jeweiligen Emittenten waren gemessen an den ausgelegten Wertpapieren so schwach, dass es sich eher um hochriskante Existenzgründungsdarlehen als um solide Mittelstandsanlagen handelte. Allerdings ist nicht zu jedem Wertpapier substantiiert vorgetragen worden. Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls nicht verwunderlich, dass viele der genannten Emittenten tatsächlich insolvent wurden.

(vii) In der Zusammenschau ergibt sich somit, dass die Verantwortlichen der A. AG trotz mehrfacher Hinweise der internen und externen Prüfer an einer Fehleinstufung nachrangiger Anleihen und Genussscheine bewusst festhielten. Tatsächlich hat die A. AG das Festhalten an einer erkannt fehlerhaften Einstufung einer bestimmten Wertpapierklasse sogar durch die bewusst falsche Angabe gegenüber dem Prüfer der internen Revision, man habe dies geändert, verschleiert.

(viii) Zutreffend ist allerdings, dass weder die damals durch die Beklagte ausgeführte interne Revision noch die Prüfer nach § 36 Abs. 1 WpHG diese Fehleinstufung der nachrangigen Genussscheine und Anleihen für einen besonders schwerwiegenden Umstand gehalten haben. Das stellt sich als kaum verständliche Fehleinschätzung dar, wenn man die Ausgestaltung des Geschäftsbetriebs der A. AG hinreichend berücksichtigt. Das Zins-Kombi-Konto, das mit einem Wertpapier der Klasse 4 gekoppelt war und den Kunden als Gesamtprodukt der Risikoklasse 3 angedient wurde, war wegen des hohen Zinssatzes auf das darin enthaltene Festgeldkonto das Einstiegsprodukt für eine erhebliche Anzahl von Kunden der A. AG, es war gerade mit dieser Zielsetzung konzipiert worden. Andere Vertriebsprodukte verfolgten ähnliche Zielsetzungen, denn Geschäftsmodell war ja die Gewinnung von Kunden mit hohen Tagesgeldzinsen zur "Konvertierung" in Wertpapierkunden. Mit der Kundeneinstufung, wie sie z. B. aus einem Zins-Kombi-Konto der Risikoklasse 3 resultierte, war es nun ohne Verstoß gegen die von dem Zeugen D. (vgl. Protokoll vom 14.01.2014), aber auch der Beklagten besonders hervorgehobenen internen Kontrollen der A. AG, seien sie nun maschinell oder mittels 4-Augen-Prinzip durchgeführt worden, möglich, diesem Kunden einen nachrangigen Genussschein der Klasse 3 als weiteres geeignetes Produkt anzubieten, obwohl der Genussschein tatsächlich der Klasse 4 hätte angehören müssen. Vermieden wurde dadurch, dass der Kunde im Rahmen einer entsprechenden telefonischen Beratung über die ihm dazu abverlangte Änderung seiner Risikoeinstufung "stolpert" und ein Engagement in den Genussschein oder eine Inhaberschuldverschreibung alleine deswegen ablehnt. Genussscheine und Inhaberschuldverschreibungen waren allerdings für den Vertrieb der A. AG eine sehr wichtige Kategorie (vgl. Angaben zu den Volumen der vermittelten Papiere in dem Prüfbericht gemäß § 36 WpHG, Anlage BB 7 Seiten 11/13). So wurden gemäß diesem Bericht unter den 19 am meisten vertriebenen Wertpapieren folgende Genussscheine und Inhaberschuldverschreibungen mit einer Zuordnung zur Risikoklasse 3 vertrieben:

-) S. Grundbesitz AG WKN A0JNDO im Volumen von 35,3 Mio. Euro (dann hochgestuft auf Risikoklasse 4)

-) C.f. AG im Volumen von 16,6 Mio. Euro

-) P. AG im Volumen von 10,9 Mio. Euro

-) D. & B. AG im Volumen von 10,8 Mio. Euro

-) CCG C. C. Group Holding AG im Volumen von 9,6 Mio. Euro

-) S. Grundbesitz AG WKN 716060 im Volumen von 8,6 Mio. Euro

-) W. AG im Volumen von 7,8 Mio. Euro

-) P. & Z. AG im Volumen von 7,6 Mio. Euro (dann hochgestuft auf Risikoklasse 4)

Das macht ein Platzierungsvolumen von 107,2 Mio. Euro bei insgesamt 252,1 Mio Euro Gesamtplatzierungsvolumen der 19 in diesem Zeitraum meistvertriebenen Wertpapiere. Nimmt man die falsch eingestuften Anteile am Fonds Adviser II mit einem Volumen von 58,0 Mio. Euro hinzu (siehe oben), dann waren bei einem Platzierungsvolumen von etwas über 252 Mio. Euro insgesamt Papiere mit einem Volumen von 165,2 Mio. Euro falsch eingestuft, als sie an die Kunden vermittelt wurden.

(ix) Wie wenig eine ordnungsgemäße Durchführung der erteilten Beratungs- und Vermögensbetreuungsaufträge die tatsächliche Praxis der A. AG dominiert hat, lässt sich exemplarisch an den durch die Kläger in Schriftform vorgelegten Inhalten der Beratungsgespräche einerseits, den Anschaffungen durch die A. AG im Rahmen der Vermögensverwaltung andererseits belegen:

-) Im Rahmen des Beratungsgesprächs vom 01.11.2007, in dem es vorrangig um die Einrichtung des Vermögensverwaltungsvertrags geht, wirbt der Berater um die Anlage eines Teilbetrags des vorhandenen Vermögens in Anleihen. Wenn das Geld für eine Weile nicht benötigt werde, könne es statt auf dem Tagesgeldkonto auch in eine Anleihe investiert werden. Dass mit einer solchen Umschichtung von sicherem Tagesgeld in die von der A. AG vertriebenen Anleihen der Risikoklassen 3 und 4 eine erhebliche Risikoveränderung verbunden ist, wird nicht erwähnt, es wird alleine die höhere mögliche Rendite bei einer Anleihe erörtert. Entsprechend wird dann im Telefonat vom 25.02.2008 alleine mit der höheren Rendite eines "verzinsten Papiers" geworben, bei dem eine Zinszahlung von 8,5% zu erzielen sei. Erst als sich der das Telefonat führende Kläger mit einer solchen Anschaffung bereits einverstanden erklärt hat, wird ihm noch unterbreitet, dass dafür auch noch eine Änderung seiner Risikoeinstufung von 3 auf 4 erforderlich sei. Als der Kläger dann, auf Nachfrage seiner Frau, doch noch nach der Sicherheit fragt, wird ihm geantwortet:

"Also für diese Laufzeit, sag' ich mal, äh, ja, da die Ausschüttung so quasi garantiert ist, kann eigentlich nichts passieren. Also ich sag' mal, es ist ja auch relativ überschaubar, diese ganze Sache. Also dieses Papier haben wir seit zweieinhalb Jahren, das ist jetzt die dritte Ausschüttung in Folge, jeweils voll 8,5%, ohne Probleme. Sag' ich jetzt mal von der Seite her, was soll da passieren." (vgl. Anlage K 2.28, Telefonat vom 25.02.2008, Seite 15/16)

Bei der solcherart beworbenen und dann letztlich auch gezeichneten Anlage handelt es sich um das Engagement der Kläger in die Genussscheine der P. & Z. AG (vgl. a. a. O., Seite 19), zu denen die KPMG bereits kritisiert hatte, dass schon im Jahr 2007 nachteilige Daten zur Unternehmensentwicklung nicht in die Beratung übernommen worden seien (Anlage E 12, Seiten 42 ff.), nämlich dass die P. & Z. AG im Jahr 2006 einen Fehlbetrag von 11,3 Mio. Euro habe hinnehmen müssen. Das Papier wurde während des Laufs der KPMG-Prüfung deswegen von Risikoklasse 3 in Risikoklasse 5 umgestuft - um dann alsbald wieder in Risikoklasse 4 hochgestuft zu werden (vgl. Prüfbericht gemäß § 36 WpHG nach Anlage BB 7, Seite 22). Der Genussschein war nachrangig ausgestaltet (Anleihebedigungen gemäß Anlage K 9). Laut dem Berater sollte es sich um ein Unternehmen der Spezialkunststoffherstellung handeln (Anlage K 2.28, Seite 19), tatsächlich war es eine reine Beteiligungsgesellschaft (vgl. Lagebericht der P. & Z. AG für das Jahr 2007, enthalten in Anlage K 10). Die laut dem Berater für das letzte Jahr "eigentlich sehr guten Zahlen" (Anlage K 2.28, Seite 19) wiesen zwar einen Jahresüberschuss von rund 1,9 Mio. Euro aus, aber auch einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr von über 20 Mio. Euro. Der Jahresüberschuss von rund 1,9 Mio. Euro war bei begebenen Genussscheinen von 35 Mio. Euro (Anlage K 9, Seite 1 und Anlage K 10, Verbindlichkeitenspiegel) und einer zugesagten Verzinsung von 8,5% p.a. ersichtlich nicht ausreichend, um auch nur diese Verpflichtungen zu bedienen.

-) Im Rahmen der mit der A. AG vereinbarten Vermögensverwaltung wurden für die Kläger Anteile an den Fonds Adviser II, A. Flex, C. Deutscher Mittelstand, D.& B. Global G., Multi-Axxion-Stockpicker und A. Smaller Companies beschafft. Allen diesen Fonds ist gemeinsam, dass sie von der A. AG selbst verwaltet wurden (Anlage E 10: Bericht des § 36 WpHG-Prüfers NWPG, Teil III, Anlage 2, Zusammenstellung der von der A. AG verwalteten Fonds). Allen diesen Fonds ist gemeinsam, dass sie zu Anteilen auch die in der hiesigen Verfahrensserie ständig gehandelten Aktien und Anleihen der D. & B. AG, M. AG, S. AG, W. AG, P. AG, HPE H. Private Equity AG, C.f. AG etc. enthalten, und zwar durchwegs mit Quoten von mehr als 35% bis zu 59%. Eine Ausnahme bildet nur der C. Deutscher Mittelstandsfonds, der lediglich 11,7% der Papiere enthält, für deren Vertrieb die A. AG hochverprovisionierte Verträge abgeschlossen hatte (vgl. Anlage E 10, Anlage 3 zum Teil III des Berichts, Aufstellung "Anteilige Zusammensetzung der von der Gesellschaft beratenen und betreuten Investmentfonds").

Der Senat hält es schon für unvertretbar, dass für die Kunden Fondsanteile von solchen Fonds beschafft werden, die Aktien der D. & B. AG enthalten, denn der wesentliche Wert dieser Gesellschaft war die A. AG selbst, nämlich deren als Teil des Stammkapitals und der gesetzlichen Kapitalrücklage eingebuchter Firmenwert (vgl. Wertpapierprospekt für Genussscheine der D. & B. als Anlage M 15, rund 300 Seiten). Die A. AG hat also nicht nur als Vermögensverwalterin der Kläger für die Kläger Fonds beschafft, die sie selbst verwaltet hat und bei denen sie für den Vertrieb der Bestandteile hohe Vertriebsprovisionen erhalten hat, sondern bei denen sie, vermittelt über die Aktien und Genussscheine ihrer Muttergesellschaft D. & B. AG, einen Teil des Wertes dieser Fonds repräsentierte.

(x) Anders als dies die Beklagte und die Zeugen D. und T. dem Senat zu suggerieren versuchten, liegt eine Fehlberatung nicht nur vor, wenn die Risikoneigung des Anlegers fehlerhaft erfasst worden ist, sondern auch dann, wenn im Zuge einer Anlageberatung den richtig eingestuften Anlegern Produkte vermittelt werden, die ihrerseits nicht in die zutreffenden Risikoklassen eingeordnet worden sind. Es überrascht, dass die Beklagte und der Zeuge T. ihr Augenmerk einseitig auf die zutreffende Erfassung der Risikoneigung des Kunden gelegt haben, denn beide müssten es besser wissen: Die Beklagte als Bank und der Zeuge T. als Volljurist und Autor einschlägiger Rechtsliteratur (T.: Die Haftung der Anlageberater und Versicherungsvermittler, ISBN 978406-56307-2).

(xi) Soweit sich die Beklagte gegen diese Einschätzung einer systematischen Fehlberatung durch den Senat wehrt, gehen ihre Angriffe fehl. Den Zeugen D., B., T. und W., die tatsächlich Anhaltspunkte für eine systematische Fehlberatung negiert haben, schenkt der Senat aus den oben dargelegten Gründen keinen Glauben. Soweit auch der - glaubwürdige - Zeuge P. solche Anhaltspunkte nicht zu erkennen vermochte, liegt dies erkennbar an der fehlenden Fachkenntnis des Zeugen einerseits und seiner fehlenden Befassung mit möglicherweise kenntnisauslösenden Umständen andererseits. Für die fehlerhafte Einstufung der nachrangigen Genussscheine und Anleihen sowie der Fondsanteile Adviser II sowie dessen Verwaltung war er nicht verantwortlich, die vom Anlageausschuss der A. AG vorgegebenen Einstufungen musste er auch bei möglicher Kenntnis etwaiger Beanstandungen durch interne Revision und externe § 36 WpHG-Prüfer nicht hinterfragen, dies war nicht seine Aufgabe. Auch die von der A. AG vorgenommene Mittelwertbildung, die er kannte, musste sich ihm nicht als Symptom von systematischen Beratungsfehlern aufdrängen, da seine Vorstände hierzu abweichende Auffassungen vertraten und zur richtigen Bewertung hinreichende Rechtskenntnisse zur Anlageberatung erforderlich sind. Im zeitweise von dem Zeugen P. geleiteten Beschwerdemanagement sind Beschwerden über Fehlberatungen zu den in dieser Verfahrensserie angegriffenen Papieren erst dann vermehrt aufgetreten, als die von der A. AG bevorzugten Emittenten die Zahlungen auf die Genussscheine und Schuldverschreibungen eingestellt oder sich gar durch Insolvenz aus dem Wirtschaftsleben verabschiedet haben. Beides war in der Masse erst der Fall, als der Zeuge P. nicht mehr für das Beschwerdemanagement verantwortlich war. Aus dem Mithören von (prozentual sehr wenigen) telefonischen Beratungsgesprächen mussten sich, wenn die Beratungsgespräche keine sonstigen Fehler aufwiesen, Fehler der Anlageberatung nur dann ergeben, wenn man zugleich wusste, dass bestimmte Wertpapiere falsch eingestuft waren. Dass der Zeuge P. auch sonst fehlerbehaftete Beratungsgespräche mitgehört habe, wird von keiner der Parteien behauptet.

c) Der Zeuge W. wurde durch die Aufsichtsratssitzungen vom 22.06.2007 und 11.07.2007 auf Anhaltspunkte für eine systematische Fehlberatung mindestens bestimmter Kundengruppen aufmerksam, jedenfalls war diese danach evident.

(1) Der Zeuge W. bestritt in jeder seiner Vernehmungen jeweils, dass ihm durch die beiden Aufsichtsratssitzungen oder die Prüfberichte gemäß § 36 Abs. 1 WpHG Anhaltspunkte für eine systematische Fehlberatung durch die Anlageberater der A. AG vermittelt worden seien. Der Senat hält diese Einschätzung für den Prüfbericht des Vorjahres vor dem Prüfbericht gemäß Anlage BB 7, der dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, für möglich. Dieser Prüfbericht zieht in der zusammenfassenden Bewertung einen solchen Schluss nicht und er ist von der Ausdrucksweise so moderat gehalten, dass dem nicht sehr aufmerksamen Leser die dargestellte Brisanz der Fehleinstufung der nachrangigen Genussscheine entgehen konnte. Die Prüfberichte gemäß Anlagen BB 7 oder E 10 sind rein zeitlich zu spät, als dass der Zeuge W. der Beklagten noch eine Kenntnis etwaiger Fehler in der Beratung der A. AG hätte vermitteln können. Dass der Zeuge W. im Übrigen ein nicht sehr aufmerksamer Leser war, davon ist der Senat angesichts der von diesem Zeugen gezeigten Attitüde und seinem Verständnis von seiner Tätigkeit überzeugt.

(2) Der Verlauf der durch die BaFin angeordneten und durch die KPMG im Mai 2007 in Vor-Ort-Untersuchungen vollzogenen Prüfung war jedoch hinreichend dramatisch, um auch den Zeugen W. auf strukturell angelegte Fehlberatung durch die A. AG aufmerksam zu machen. Den Beginn einer entsprechenden Erkenntnis hat bereits der Umstand gesetzt, dass sich der Vorsitzende des Aufsichtsrats der A. AG, der Zeuge T., dazu bemüßigt sah, eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung für den 22.06.2007 anzusetzen, noch bevor Teilergebnisse durch die KPMG-Prüfer förmlich bekannt gegeben worden waren (vgl. Protokoll dieser Aufsichtsratssitzung als Anlage zu Bl. 862/864 d. A.). Einziges Thema dieser Aufsichtsratssitzung waren erste Mitteilungen aus der laufenden BaFin-Prüfung, Ergebnis waren zwei konkrete Handlungsaufträge an den Vorstand, nämlich u. a. die Aufforderung, zu den Risikoklassifizierungen eine erneute Prüfung und ggf. Änderungen der Einstufungen vorzunehmen. Dieser Auftrag war bis zur kurzfristig anberaumten nächsten Aufsichtsratssitzung vom 11.07.2007 zu erledigen. Da allerdings einerseits keine konkreten Details der Hintergründe dieses Auftrags genannt werden, die dazu angebotenen und vernommenen Zeugen T. und W. sich andererseits auf Erinnerungslücken berufen und schließlich die förmliche Besprechung der bisherigen Prüfungsergebnisse durch KPMG und BaFin erst am 09.07.2007 erfolgte, kann der Senat sich noch nicht die hinreichende Überzeugung bilden, dass konkret bereits am 22.06.2007 über systematisch bedingte Fehlberatungen im Aufsichtsrat gesprochen worden ist. Andererseits ergibt sich aus dem Thema des fristgebundenen Eilauftrags an den Vorstand, dass die Prüfer der KPMG Probleme bei der Risikoeinstufung der vertriebenen Wertpapiere zu erkennen gegeben haben und der Aufsichtsrat der A. AG dem genügend Gewicht beimaß, um nicht nur eine sofortige Sitzung einzuberufen, sondern auch einen fristgebundenen Prüfauftrag an den Vorstand zu erteilen.

(3) Die Erkenntnis systematischer Fehlberatung im oben beschriebenen Umfang folgte jedoch zwingend aus der weiteren Aufsichtsratssitzung vom 11.07.2007, mindestens waren solche Umstände seitdem evident.

(i) Zu diesem Zeitpunkt hatte das Gespräch mit den KPMG-Prüfern und den Prüfungsverantwortlichen der BaFin sowie dem Vorstand und den Vertretern der A. AG vom 09.07.2007 gerade stattgefunden. Nach dem auch im Verwaltungsverfahren der BaFin zu beachtenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs musste den Verantwortlichen der A. AG vor Abschluss des Prüfungsverfahrens ein genauer Überblick über die bis dahin aufgefundenen vermeintlichen Mängel und Beanstandungen gegeben werden, um ihnen rechtzeitig die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Genau diesen Zusammenhang schilderte der Zeuge P. bereits in seiner Vernehmung vom 14.01.2014, auch wenn er dort den Zeitpunkt dieses Gesprächs zunächst noch nicht zutreffend verortete und erst aufgrund eines Plausibilitätsvorhaltes des Senats einen entsprechenden Termin ca. im Juli oder August 2007 schlussfolgerte (zu einem Zeitpunkt, zu dem die Vernehmung des Zeugen T. mit der erstmaligen Nennung der konkreten Daten der Aufsichtsratssitzungen noch ausstand). Ob zu dieser Besprechung vom 09.07.2007 eine Entwurfsfassung des Prüfberichts durch die Prüfer vorgelegt oder gar vorab übersandt wurde, wie dies der Zeuge P. erinnert, ist nicht sicher erwiesen, wenngleich der Senat auch an dieser Darstellung des Zeugen P. im Grundsatz wenig Zweifel hegt. Es hätte zur hinreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs jedenfalls nahe gelegen und auch in das zeitliche Raster gepasst, denn nach den Erhebungen der KPMG vor Ort im Mai 2007 waren mittlerweile knapp 2 Monate vergangen und der fertige Prüfbericht datiert bereits vom 03.08.2007. Jedenfalls wurde die Besprechung mit einer erheblichen Detailtiefe geführt, das ergibt sich bereits aus dem kurzen Auszug eines Anwaltsschriftsatzes, den der Zeuge D. zur vermeintlichen Untermauerung seiner Darstellung in der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2014 übergeben hat (vgl. Anlage zum dortigen Protokoll). Gemäß diesem Schriftsatzauszug wurde bereits in der Besprechung vom 09.07.2007 unter Nennung dieser Zahl angesprochen, dass die KPMG 1.111 Fälle eines fehlerhaft bestückten Depots beanstandet hatte. Nichts anderes bedeutet die dortige Formulierung "dieses Thema bereits Gegenstand der Abschlussbesprechung ... war und die WPH AG von vorneherein sowohl die Zahl von 1.111 Vermittlungskunden ... bezweifelte".

Entsprechend äußerte auch der Zeuge P., dass die in dieser Besprechung erörterten Feststellungen der KPMG sich später "1:1" im Prüfungsbericht der KPMG wiedergefunden hätten (vgl. Protokoll vom 14.01.2014).

(ii) Ausweislich des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 11.07.2007 waren Besprechungsgegenstand unter anderem folgende Punkte, die mit den hier zu erörternden Risikoeinstufungen zusammenhängen:

-) Risikoklasseneinstufung Immobilien-Genussscheine, insbesondere Windsor

-) Vertrieb P. & Z. - Genussschein nach schlechten Unternehmensnachrichten

-) Risikoeinstufung des Kunden ist geringer als die Papiere im Depot

-) Genussscheinangebot im Zinskombikonto über das Internet

(iii) Der vorletzte Punkt bezieht sich auf die genannten 1.111 Fälle, die die KPMG beanstandet hatte. Dr. H., der an der Besprechung vom 09.07.2007 teilgenommen hat, konnte seinen Kollegen vom Aufsichtsrat nur dann nicht die zuvor bereits am 09.07.2007 ausdrücklich erörterte Anzahl der 1.111 Fälle (s.o.) genannt haben, wenn er durch aktive Vertuschung der von KPMG genannten Dimension den Aufsichtsrat, dem er selbst angehörte, in Unkenntnis über das Ausmaß der behaupteten Feststellungen lassen wollte. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte. Zwar wollen sich heute die Zeugen T. und W. an die Nennung dieser Zahl nicht erinnern, der Senat hat jedoch aus den oben dargelegten Gründen keinen Anlass, den Bekundungen der Zeugen zu diesem Punkt zu vertrauen. Auffällig ist insoweit bereits, dass beide Zeugen sonst eine durchaus beschränkte Erinnerung an die Inhalte dieser Aufsichtsratssitzung anführen, sich an diesen Punkt aber genau erinnern wollen.

(iv) Den Punkt "Vertrieb P. & Z." verschwieg der Zeuge T. in seiner Vernehmung vom 21.01.2014. Angesichts der Darstellung der KPMG, die bereits oben wiedergegeben wurde, verwundert dies nicht. Fest steht allerdings aufgrund des nun vorliegenden Protokolls dieser Aufsichtsratssitzung, dass die durch die KPMG festgestellten Probleme erörtert wurden. Dies war ein weiterer Hinweis darauf, dass es die Berater der A. AG im Umgang mit den Risikoeinstufungen der vertriebenen Wertpapiere an der erforderlichen Sorgfalt mangeln ließen, vielmehr diese Papiere weiterhin in den Markt gedrückt wurden.

(v) Ausweislich des Aufsichtsratsprotokolls zeigte sich beim Erörterungspunkt "Risikoklasseneinstufung Immobilien-Genussscheine", dass eine Neueinstufung mindestens eines Wertpapiers, des Genussscheins der W. AG, zu erfolgen hatte. Dieser Abhilfebedarf für die Zukunft implizierte für die vergangenen Vertriebsbemühungen, dass die durchgeführten Kundenberatungen unter nicht zutreffender Risikoeinstufung dieser Wertpapiere erfolgt sind.

(vi) Zusammenfassend konnte der Zeuge W., dem das Geschäftsmodell "Konvertierung der Kunden" der A. AG bekannt war, an dieser Besprechung des Aufsichtsrats nicht teilnehmen, ohne den Eindruck zu gewinnen, dass zumindest nach Auffassung der KPMG in der Vergangenheit teils schwere und im Vertriebssystem der A. AG angelegte Beratungsfehler gemacht worden sind. Dabei mag durchaus offen geblieben sein, ob sämtliche Beanstandungen der KPMG zutreffend erfolgt sind und/oder manche Beanstandungen nicht sehr pointiert waren. Aber der Eindruck verbreiteter Fehler im Beratungsverhalten der Mitarbeiter der A. AG konnte allenfalls unter dem Vorbehalt der weiteren Nachprüfung stehen, die in der Kürze der Zeit zwischen dem 09. und 11.07.2007 keinesfalls geleistet worden sein konnte. Schon die Überprüfung der behaupteten Fehlerquellen konnte in diesem Zeitraum nicht stattgefunden haben. Falls die Darstellungen der KPMG zutrafen, bestand dieser Zustand am 11.07.2007 also noch.

(vii) Dem kann die Beklagte nicht erfolgreich mit dem Argument entgegentreten, die Beanstandungen der KPMG seien in der Sitzung des Aufsichtsrates vom 11.07.2007 als "beherrschbar" dargestellt worden.

Zuzugeben ist der Beklagten zwar, dass sowohl der Zeuge T. als auch der Zeuge W. dies, unter Verwendung dieser Formulierung, ausdrücklich betonten. Diese Formulierung ist allerdings eine Selbstverständlichkeit, hinter der sich beide Zeugen erkennbar zu verstecken suchten, um die Dramatik der Schilderung der Befunde der KPMG zu verringern. "Beherrschbar" bedeutet nichts anderes, als dass man die Probleme durch entsprechende Gegenmaßnahmen abstellen kann. Das bedarf bei Fehlern und Problemen, die auf rational gesteuertes menschliches Verhalten zurückgehen, wie hier der Anlageberatung der Kunden, keiner weiteren Erörterung. Man müsste lediglich die angegriffenen Verhaltensweisen ändern und die Probleme wären beseitigt. Konkret wären hier also die Mittelwertbildung bei den Risikoklassen der Kombinationsprodukte zu beenden und die korrekte Einstufung der nachrangigen Genussscheine und Anleihen in die richtige Risikoklasse durchzuführen gewesen, samt Umstellung der entsprechenden Verkaufsgespräche. Ferner hätten ggf. mit den Kunden, denen bisher eine fehlerhafte Anlageberatung angediehen war, Nachberatungs- und Abwicklungsgespräche geführt werden müssen. Das sind ohne weiteres "beherrschbare" Umstellungen - die Frage, ob diese Umstellungen tatsächlich angedacht waren und ihre Realisierung begonnen werden sollte, bleibt damit völlig unbeantwortet. Die Uneinsichtigkeit, mit der die Herren D. und B. die A. AG (später) lieber in die Insolvenz geschickt haben als die im Vergleich mit der BaFin vereinbarten Änderungen an Vorstand und Anteilseignern durchzuführen, legt eine solche Änderungsbereitschaft, bei grundsätzlich gegebener "Beherrschbarkeit", jedenfalls nicht nahe. In die gleiche Richtung zeigt das inhaltlich unwahre Verteidigungsschreiben gegenüber der BaFin mit den irreführenden Angaben zu den Ergebnissen des § 36 WpHG-Prüfers (s.o.) und auch der weitere Vertrieb des Genussscheins der P. & Z. AG nach den Beanstandungen der KPMG und der daraufhin zeitweise vorgenommenen Umstufung in die Risikoklasse 5. Die bloße "Beherrschbarkeit" von Mängelursachen war jedenfalls für den Zeugen W. kein Anlass, davon auszugehen, dass es nicht in der Vergangenheit zu systematischen Fehlberatungen unbekannten Umfangs gekommen war und für die zumindest nähere Zukunft solche noch ohne weiteres möglich waren, da eine Vielzahl von Mängelursachen zu überprüfen und - so man dies wollte - abzustellen waren.

d) Der Beklagten sind die Erkenntnisse des Zeugen W. zuzurechnen.

(1) Die oben dargestellten Kenntnisse des Zeugen W. sind von diesem in seiner beruflichen Funktion als Prokurist und damit Vertreter der Beklagten erlangt worden. Es handelt sich nicht um private Kenntnisse. Der Senat ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht restlos davon überzeugt, dass der Zeuge W. durch ein Vorstandsmitglied der Beklagten gebeten wurde, die Tätigkeit als Aufsichtsrat bei der A. AG zu übernehmen, jedoch davon, dass der Zeuge als Bereichsleiter der Beklagten für den B2B-Bereich, also auch für die Zusammenarbeit der Beklagten mit der A. AG, in Kenntnis und mit Billigung des Vorstands der Beklagten die Aufsichtsratstätigkeit bei der A. AG übernommen hat, wie der Zeuge auch selbst vorträgt.

(i) Der Zeuge W. hat eine solche Bitte eines Vorstandsmitgliedes zwar zunächst bei einer Vielzahl von Vernehmungen vor verschiedenen Gerichten geschildert und dies auch zuletzt, trotz bei ihm durch eine Rücksprache mit dem Zeugen D. hervorgerufener Zweifel, in Vernehmungen vor dem Senat für eher wahrscheinlich gehalten. Der Senat kann allerdings alleine auf eine solche Angabe des Zeugen W. seine Überzeugung nicht stützen, da eine grundsätzliche Glaubwürdigkeit dieses Zeugen nicht besteht und im Abschieben von Verantwortung auf ein nicht näher benanntes Vorstandsmitglied der Beklagten auch eine Verteidigungsstrategie des Zeugen W. liegen könnte.

(ii) Der Zeuge D. hat ein solches Herantreten an den Vorstand der Beklagten ausdrücklich verneint. Der Senat hat, wie dargelegt, in die Bekundungen dieses Zeugen keinerlei Vertrauen, aber alleine die Möglichkeit, von dem Zeugen D. auch insoweit mit der Unwahrheit bedient zu werden, ist zum Beweis des Gegenteils seiner Behauptung nicht geeignet.

(iii) Selbst wenn man das Wissen des Zeugen W. als privat erlangt bewerten wollte, könnte es der Beklagten jedoch zugerechnet werden, da es in unmittelbarer Nähe zu dienstlichen Tätigkeiten des Zeugen W. entstanden ist. Dies ergibt sich bereits aus der oben dargelegten Stellung des Zeugen innerhalb der Beklagten. Gerade diese Stellung war Grund für den Vorstand der A. AG, der zugleich als zunächst unmittelbarer und später mittelbarer Inhaber der Aktienmehrheit der A. AG über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats dieser Gesellschaft bestimmen konnte, dem Zeugen W. das Aufsichtsratsmandat zu übertragen. Wie dargelegt, war die Beklagte der wichtigste Kooperationspartner der A. AG, ohne die durch die Beklagte gewährleistete Zusammenarbeit bei der Konto- und Depotführung für die gemeinsamen Kunden wäre das Geschäftsmodell der A. AG von vorne herein so nicht durchführbar gewesen. Die hier relevante Konstellation unterscheidet sich daher in zwei wichtigen Gesichtspunkten von den Gegebenheiten, die der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 26.06.2007 (XI ZR 277/05, BGHZ 173,32) zugrunde zu legen hatte. Zum einen handelte es sich um einen hochrangigen Vertreter der Beklagten, der das relevante Wissen erworben hat, und bei hochrangigen Vertretern wird eine Zurechnung auch privat erworbener Kenntnisse regelmäßig eher in Betracht kommen. Früher wurde deswegen sogar das Wissen eines verstorbenen Organmitglieds dem Unternehmen zugerechnet (Münchener Kommentar zum BGB/Schramm, Rn. 20 zu § 166 BGB). Zum anderen ist das Wissen nicht im rein privaten Umfeld, sondern im dienstlichen Nähefeld entstanden.

(iv) Das oben dargestellte Wissen des Zeugen W. war für das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der A. AG unmittelbar relevant, denn es beinhaltete Kenntnis von möglichen Pflichtverletzungen der A. AG gegenüber gemeinsamen Kunden. Es gehört sicher zu dem Kernbereich, der bei ordnungsgemäßer Organisation der Beklagten schriftlich hätte fixiert werden müssen (zu diesem aus Sicht des Senats überzeugenden Kriterium der Zurechnung von Wissen eingehend Münchener Kommentar zum BGB/Schramm, Rn. 28 ff. zu § 166 BGB).

(2) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Zeuge W. diese Erkenntnisse gegenüber anderen Berufsträgern der Beklagten nicht offenbart hat. Der Zeuge W. hat eine solche Offenbarung bei allen Vernehmungen vor dem Senat und anderen Gerichten bestritten. Der Senat hält in diesem Punkt die Angaben des Zeugen W. für einmal als zutreffend, weil sie zu dem Bild des Zeugen als eines illoyalen Mitarbeiters passen, der sich von der Beklagten bereits innerlich gelöst hat. Tatsächlich stand zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung bereits fest, dass das Arbeitsverhältnis des Zeugen W. zum 31.07.2007 enden wird, der Zeuge orientierte sich beruflich bereits neu und war möglicherweise bereits freigestellt. Dementsprechend hat der Zeuge W. vor dem Senat auch angegeben, er habe eher erwogen, mit einem Verantwortlichen seines in Aussicht genommenen neuen Arbeitgebers, einem Herrn Dr. H., über die A. AG und deren Prüfung durch die BaFin zu sprechen als mit der Beklagten.

(3) Der Bundesgerichtshof hat sich in den Entscheidungen zu den Parallelfällen (XI ZR 431/11, XI ZR 312/12 und XI ZR 313/12) für das dortige weitere Verfahren nicht ausdrücklich geäußert, ob die Beklagte nur dann haftet, wenn ihr die Kenntnisse des Zeugen W. tatsächlich bekannt geworden sind, oder ob es ausreichend ist, wenn ihr solche Kenntnisse zugerechnet werden können. Der Senat hält es für zutreffend, dass eine Zurechnung ausreichend ist, denn im gesamten Stellvertretungsrecht wird bei der Wissensvermittlung gemäß § 166 Abs. 1 BGB nie darauf abgestellt, ob der Stellvertreter dem Vertretenen seine Erkenntnisse tatsächlich offenbart hat.

(4) Der Zurechnung der bezeichneten Kenntnisse steht die Verschwiegenheitspflicht, die den Zeugen W. gemäß § 116 AktG im Grundsatz traf, nicht entgegen.

(i) Noch zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass Mitglieder des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft der Verschwiegenheitspflicht nach § 116 AktG unterliegen und daher Dritten nichts über die ihnen in dieser Eigenschaft bekannt gewordenen Beratungen und Geheimnisse offenbaren dürfen. Die Geltung des § 116 AktG ist zwingendes Recht, Ausnahmen kommen nur in Extremfällen, z. B. der Verteidigung gegen strafrechtliche Vorwürfe gegen ein Mitglied des Aufsichtsrats, in Betracht.

(ii) Disponibel ist nach allgemeiner Meinung aber, welche Daten der Geltung des § 116 AktG unterliegen sollen. Die Aktiengesellschaft kann sich jederzeit die Auffassung bilden, dass Daten, die zuvor einer Geheimhaltungspflicht unterlegen haben, nun freigegeben werden, z. B. zur Veröffentlichung in einer Ad-Hoc-Mitteilung.

(iii) Zwar unterfallen die Erörterungen in den Sitzungen des Aufsichtsrates vom 22.06. und 11.07.2007 sowie die dadurch evident gewordenen Erkenntnisse über eine von der KPMG in ihren Auswirkungen behauptet festgestellte systematische Falschberatung der A. AG im Grundsatz ohne weiteres dem Schutzbereich des § 116 AktG.

(iv) Der Senat ist allerdings der Auffassung, dass wegen der besonderen Konstellation der Geschäftsbeziehungen zwischen der Beklagten und der A. AG hier eine konkludente Willensbildung der A. AG vorlag, wonach solche Daten, die für die Durchführung der Kooperation zwischen der A. AG und der Beklagten erforderlich sind, in dem Umfang nicht der Verpflichtung zur Verschwiegenheit gemäß § 116 AktG unterfallen sollen, in dem der Beklagten gegen die A. AG ein Anspruch aus diesen Kooperationsvereinbarungen auf Bekanntgabe dieser Daten zustand. Der Senat schließt dies aus folgenden Umständen:

Allen Beteiligten - dem Zeugen W. ebenso wie den anderen Mitgliedern des Aufsichtsrates der A. AG, den Mitgliedern des Vorstands der A. AG, den bei erstmaliger Berufung des Zeugen W. unmittelbaren - und nach Einbringung der A. AG in die D. & B. AG mittelbaren - Hauptaktionären der A. AG - war schon bei Berufung des Zeugen W. in das Aufsichtsratsmandat bewusst, dass bestimmte Kenntnisse, die der Zeuge W. als Aufsichtsrat erwerben könnte, für seine berufliche Tätigkeit für die Beklagte wesentlich werden könnten. Der Zeuge W. war in seiner Funktion als Bereichsleiter B2B der Beklagten gerade die Person, in deren beruflicher Zuständigkeit bei der Beklagten die Durchführung der Vertragsbeziehungen zur A. AG stand. Es wäre daher widersinnig, ihn zwar zum Aufsichtsrat der A. AG (und später auch der übergeordneten Holding D. & B. AG) zu bestellen, ihm aber gerade die Verwendung der Kenntnisse, die für die Durchführung dieser Vertragsbeziehungen im Hinblick auf seine damalige Tätigkeit bei der Beklagten relevant sind, zu untersagen. Besonders zu berücksichtigen ist dabei, dass das Geschäftsmodell der A. AG mit der Bereitschaft einer Bank als Kooperationspartner für die anzulegenden Kundenkonten und Kundendepots zur Verfügung zu stehen, steht oder fällt.

Wenn die Hauptversammlung der A. AG unter solchen Umständen gerade den Zeugen W. zum Aufsichtsrat bestellt, dann wird in dem Bestellungsakt zugleich zum Ausdruck gebracht, dass unter den genannten Begrenzungen - Anspruch der Beklagten auf Herausgabe der Informationen - diese Informationsweitergabe an die Beklagte gestattet ist. Dem steht nicht entgegen, dass für die Informationsweitergabe üblicherweise der Vorstand der Aktiengesellschaft zuständig wäre. Dies wäre hier nur eine überflüssige Förmelei und würde lediglich dazu führen, dass der Vorstand der A. AG dem Zeugen W. als Ansprechpartner bei der Beklagten die Informationen aus dem Aufsichtsrat zukommen lassen muss, über die der Zeuge W. aufgrund seiner Aufsichtsratstätigkeit ohnehin - und insoweit aus erster Hand - verfügt.

(v) Dass die A. AG durch die Kooperationsverträge mit der Beklagten schon wegen der aus diesen Verträgen abzuleitenden Treuepflichten gehalten war, die Beklagte über bestimmte wesentliche Umstände der gemeinsamen Kundenbeziehung zu informieren, die geeignet waren, den Zweck der Kooperationsvereinbarungen zu gefährden, bedarf keiner weiteren Erörterung. Die systematische Fehlberatung der gemeinsamen Kunden von A. AG und der Beklagten gehört evident zu solchen Umständen, die die geordnete Vertragsdurchführung der verschiedenen Kooperationsverträge nachhaltig beeinträchtigen können. Die Beklagte hatte also einen Anspruch gegen die A. AG auf Information über die von der KPMG behauptet festgestellten Beanstandungen, soweit sich daraus Hinweise auf systematische Beratungsfehler ergeben.

Da die Beklagte aber Anspruch auf entsprechende aktive Informationserteilung durch die A. AG hatte, wäre es widersinnig, wenn sie sich gegen die Zurechnung einer solchen Information auf eine Schutznorm berufen könnte, die dem Schutz der A. AG, nicht aber der Beklagten, dient. Dass die Beklagte über diese Informationen tatsächlich nicht verfügen konnte, weil der Zeuge W. - oder der Vorstand der A. AG - die ihm bekannten Informationen nicht weitergegeben hat, liegt im Organisations- und Risikobereich der Beklagten, die sich insoweit an den Zeugen W. oder die A. AG bzw. deren Verantwortliche halten mag. Jedenfalls kann nicht den Klägern der hiesigen Verfahrensserie das Defizit in der - geschuldeten - Informationsweitergabe der A.AG angelastet werden.

(vi) Dem steht nicht entgegen, dass sich der Aufsichtsrat der A. AG nach den Angaben der Beklagten, bestätigt durch den Zeugen T. in Parallelverfahren, eine Geschäftsordnung gegeben haben soll, in der die gesetzlich geregelte Verpflichtung zur Verschwiegenheit nochmals aufgegriffen und ausführlich bestimmt gewesen sein soll. Auch eine solche Geschäftsordnung, so sie denn tatsächlich existiert, geht nach Ansicht des Senats nicht weiter als die gesetzliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit (so wohl auch Münchener Kommentar zum AktG/Habersack, Rn. 64 zu § 116 AktG), von der eben, wie dargelegt, eine inhaltliche Ausnahme konkludent vereinbart worden war. Aus dem gleichen Grund steht einer solchen Zurechnung nach Auffassung des Senats nicht entgegen, dass auch der Zeuge W. sich seinen Angaben nach dazu verpflichtet gesehen haben mag, die Beklagte gerade nicht zu informieren, wohl aber erwogen hat, wenn auch in generalisierter Form, mit Herrn Dr. H. von seiner künftigen Arbeitgeberin, der V-Bank, zu sprechen.

e) Aufgrund der ihr zuzurechnenden Erkenntnisse des Zeugen W. war die Beklagte verpflichtet, den von der KPMG behauptet festgestellten systematischen Beratungsfehlern nachzugehen. Der Senat ist auf der Grundlage der Ergebnisse dieses Rechtsstreits der Ansicht, dass zumindest die Feststellungen der KPMG, die durch die oben genannten weiteren Beweismittel bestärkt und bestätigt werden, bewiesen sind. Das konnte und musste aber die Beklagte alleine aufgrund der ihr im Gefolge der Aufsichtsratssitzungen vom 22.06. und 11.07.2007 zuzurechnenden Informationen nicht sogleich anerkennen. Andererseits sind die behaupteten Verstöße so schwerwiegend, dass aus den mit den gemeinsamen Kunden bestehenden Depotverträgen die Beklagte die Verpflichtung traf, die Feststellungen selbst zu prüfen und sich dazu ergänzende Informationen zu verschaffen.

(1) Zum Teil konnte die Beklagte die für eine Validierung erforderlichen Informationen selbst beschaffen, etwa durch Zugriff auf die bei ihr vorhandenen Erkenntnisse über die Durchführung der Compliance und Revision. Ferner konnte sie die Depots der Kunden darauf überprüfen, ob dort bestimmte nachrangige Genussscheine und Anleihen nur selten am Markt gehandelter Emittenten häufig vertreten waren, immerhin waren die entsprechenden Anschaffungen durch die Beklagte durchgeführt worden. Unter Zugriff auf die veröffentlichten Wertpapierprospekte und frei zugänglichen Kapitalmarktinformationen konnte sie sich schließlich unter Einsatz ihres Fachwissens als Bank ein eigenes Bild über die richtige Risikoeinstufung dieser Wertpapiere bilden.

Einen anderen Teil der Informationen, nämlich insbesondere für welchen Kunden welche Risikoklasse bei der A. AG erfasst war, musste sie von der A.AG in Erfahrung bringen. Da auch die A. AG diese Kundenverwaltung per EDV erledigte, war ein rascher Informationsaustausch leicht möglich. Schließlich hätte die Beklagte auch um Überlassung etwaiger weiterer Prüfberichte, wie z. B. der Berichte der Prüfungen nach § 36 WpHG bitten können. In der Zusammenschau dieser Informationen hätte sich dann für die Beklagte das oben dargestellte Bild einer systematischen Fehlberatung bestätigt.

(2) Tatsächlich hat die Beklagte keinerlei eigene Aufklärungsversuche unternommen. Gleichwohl darf sie nach Auffassung des Senats nicht schärfer haften, d. h. ihre Haftung darf in zeitlicher Hinsicht nicht früher einsetzen, als wenn sie sich gemäß ihren vertraglichen Verpflichtungen verhalten hätte. Der Senat schätzt den Beschaffungs- und Bearbeitungsaufwand für die durchzuführenden Prüfungen auf einen Zeitraum weniger Wochen, da diese Tätigkeiten im Hinblick auf die Gefahr weiterer Fehlberatungen beschleunigt durchzuführen gewesen wären. Diese Informations- und Prüfungstätigkeiten wären jedenfalls nicht vor, wohl aber bis Ende August 2007, und damit vor den hiesigen ab November 2007 getätigten Käufen abgeschlossen gewesen und in einer Warnung an die Kunden vor möglichen Fehlberatungen aufgrund falscher Risikoeinstufung der beworbenen Papiere gemündet.

(3) Die Beklagte kann dem nicht entgegenhalten, dass in dem Prüfbericht der BaFin keine die A. AG sanktionierenden Maßnahmen empfohlen worden sind. Es war schon nicht Teil des Auftrags der KPMG, geeignete Maßnahmen zur Abhilfe eventuell gefundener Fehler bei der Tätigkeit der A. AG vorzuschlagen. Im Übrigen ist die richtige Reaktion auf etwaig gefundenes Fehlverhalten alleine Sache der BaFin im Aufsichtsverfahren zur A. AG und nicht von dieser gegenüber der Beklagten öffentlich zu machen.

(4) Die Ansicht der Beklagten, sie hätte bis zum Abschluss der aufsichtlichen Überprüfungen durch die BaFin zuwarten dürfen, ist schon im Ansatz verfehlt. Soweit die Beklagte dafür das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 04.03.2014 (XI ZR 178/12, BKR 214, 245) in Anspruch nimmt, ist dies evident unzutreffend. Der Bundesgerichtshof gibt an der von der Beklagten in Bezug genommenen Stelle lediglich die Argumentation des OLG Schleswig wieder. Er gibt gerade nicht zu erkennen, dieser Rechtsansicht zuzustimmen. Solches läge angesichts der Entscheidung vom 19.03.2013 eher fern.

Schon wegen der unterschiedlichen Schutzrichtungen kommt ein solches Zuwarten im Übrigen nicht in Betracht. Die Beklagte ist zur Abwehr ihr erkennbarer Schäden gemeinsamer Kunden aufgrund überlegenen Wissens von vertragswidrigen Verhaltensweisen, nämlich systematischen Beratungsfehlern der A. AG, verpflichtet. Das ist "Individualrechtsschutz" durch einen Vertragspartner. Die BaFin trifft eine solche Verpflichtung nicht, sie ist ausdrücklich nicht dem Individualschutz verpflichtet.

(5) Soweit die Beklagte meint, ihr sei im Gefolge des sog. Kirch-Urteils eine Warnung an die gemeinsamen Kunden wegen möglicher eigener Schadensersatzverpflichtungen nicht zumutbar, verkennt sie auch insoweit den Gehalt eines Urteils des Bundesgerichtshofs, und berücksichtigt dafür eine Vielzahl einschlägiger anderer Entscheidungen nicht. Im Kirch-Verfahren (BGH, Urteil vom 24.01.2006 - XI ZR 384/03, NJW 2006, 830) ging es um eine Äußerung des damaligen Vorstandssprechers der Deutschen Bank AG gegenüber der Öffentlichkeit. Hier geht es um eine Warnpflicht aufgrund einer vertraglichen Sonderverbindung gegenüber diesen Vertragspartnern. Der Bundesgerichtshof hat eine solche Warnpflicht in mehr als einem Dutzend Entscheidungen zum sog. "Falk-Zinsfonds-Verfahren" schon vor Jahren festgestellt (z. B. BGH, Urteile vom 19.11.2009 - III ZR 108/08 und III ZR 109/08). Ähnliches wurde auch in den sog. Cinerenta-Fällen bereits judiziert (z. B. BGH, Urteil vom 29.05.2008 - III ZR 59/07, WM 2008, 1205).

f) Der Anspruch der Klagepartei ist nicht gemäß § 37 WpHG a. F. verjährt. Die hier im Streit stehende Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Depotführungsvertrag zwischen der Beklagten und der Klagepartei fällt schon nicht unter den Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Anhaltspunkte für den Ablauf der regulären kenntnisabhängigen Verjährung nach §§ 195, 199 BGB bestehen nicht.

g) Die Beklagte ist den Klägern somit zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der durch die Nichtbeachtung ihrer Warnpflicht entstanden ist und vom Schutzbereich der durchgeführten Warnung umfasst ist. Bei einer entsprechenden Warnung der Beklagten ist davon auszugehen, dass die Klagepartei die streitgegenständlichen Wertpapiere nicht angeschafft und den Vertrag über die Vermögensverwaltung mit der A. AG nicht abgeschlossen hätte. Zu ersetzen ist daher der Betrag, den die Kläger für die angeschafften Wertpapiere aufgewendet haben, abzüglich der von ihnen bei den jeweiligen Verkäufen erzielten Erlösen und der erhaltenen Ausschüttungen, also insgesamt 26.414,27 Euro, davon 19.698,00 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe der noch im Depot der Kläger befindlichen Genussscheine der Pongs & Zahn AG. Den Klägern stehen ferner Prozesszinsen, § 291 BGB, zu. Soweit die Kläger zweitinstanzlich durch Klageerweiterung bestimmte Teilschäden wieder in den Rechtsstreit einbezogen haben, ist die Rechtshängigkeit samt entsprechender Verzinsung erst durch diese Wiedereinbeziehung eingetreten.

Der Senat vermag dagegen nicht mit hinreichender Sicherheit zu erkennen, dass die Kläger eine Alternativanlage mit einer gesicherten vierprozentigen oder gar höheren Verzinsung getätigt hätten, denn immerhin haben sie in Wertpapiere investiert, die auch nach dem Inhalt der stark fehlerhaften Beratungsgespräche nicht völlig risikolos waren. Vorgerichtliche Anwaltskosten sind durch die Beklagte nicht zu ersetzen, da eine vorprozessuale Tätigkeit der Klägervertreter nach Verzugsbeginn der Beklagten schon nicht substantiiert vorgetragen worden ist. Die Feststellung eines gesonderten Leistungsverzugs der Beklagten kommt nicht in Betracht, da insoweit kein Feststellungsinteresse der Kläger erkennbar ist. Zugleich ist dieser Antrag nicht umdeutbar in die Feststellung eines Annahmeverzugs für die Zug um Zug-Leistung der Kläger.

Prozessuales:

Die Beklagte hat die Erteilung weiterer Hinweise beantragt, wenn der Senat trotz ihrer Ausführungen bei seiner in den Hinweisen geäußerten Einschätzung bleibe, sie werde dann ergänzend vortragen. Solche Hinweise waren nicht zu erteilen (BGH, Beschluss vom 12.07.2013 - KVR 11/12), da die Beklagte bei sorgfältiger Beobachtung des Verfahrens nicht damit rechnen konnte, dass alleine ihre Ausführungen zu einer Auffassungsänderung führen. Im Übrigen ist die Beklagte jedenfalls unter dem Grundsatz der Beschleunigung des Zivilprozesses gehalten, sofort vollständig vorzutragen.

Soweit die Beklagte ferner die erneute Vernehmung vom Senat bereits gehörter Zeugen beantragte, war diesen Angeboten nicht nachzugehen, weil die Beklagte nicht dargelegt hat, dass die Voraussetzungen einer wiederholten Vernehmung, § 398 ZPO, vorliegen. Soweit alleine die von der Vorstellung der Beklagten abweichende Würdigung des Inhalts einer Aussage durch den Senat Anlass für den Beweisantrag war, begründet dies ohnehin keinen Anspruch auf eine erneute Vernehmung.

Nebenentscheidungen:

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, das Teilunterliegen in Nebenforderungen ist insoweit nicht relevant. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt gemäß § 3 ZPO dem Hauptsachewert des bezifferten Klageanspruchs unter Abzug der ausgerechneten Zinsanteile. Diese und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bleiben als Nebenforderungen gemäß § 4 Abs. 1 ZPO ohne Berücksichtigung.

Die Revision gegen diese Entscheidung ist für die Beklagte zuzulassen, da die Fragen der Berücksichtigung außerhalb der Diensttätigkeit erlangten Wissens und der Zurechnung dieses Wissens trotz grundsätzlicher Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 116 AktG weiterer Klärung durch den Bundesgerichtshof bedürfen.