FG Hamburg, Urteil vom 17.03.2016 - 2 K 263/14
Fundstelle
openJur 2016, 10097
  • Rkr:
Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Umsatzsteuer auf die in den Jahren 2006 bis 2008 erbrachten Behandlungsleistungen nach der Tomatis-Methode.

Der Kläger betreibt seit ... ein Institut für Audio-Psycho-Phonologie (Tomatis-Institut). Er behandelt Menschen mit Hör- und Wahrnehmungsstörungen nach der Tomatis-Methode, einer Methode, die der HNO-Arzt und Chirurg Dr. med. Alfred Tomatis in den fünfziger Jahren begründet hat. Der Kläger nahm in den Jahren 19... bis 19... an verschiedenen Kursen am Tomatis-Institut in ... teil und war von 19... bis 19... teilzeitbeschäftigter Assistent von Dr. med Alfred Tomatis.

Bei den Patienten des Klägers handelt es sich zu einem großen Teil um Kinder, aber auch um Erwachsene mit Hörstörungen, beispielsweise nach einem Hörsturz. Die Patienten kommen nach Angaben des Klägers überwiegend nach ärztlicher Empfehlung. Über seine Leistungen erteilte er den Patienten eine Rechnung ohne Ausweis von Umsatzsteuer; eine Abrechnung gegenüber Krankenversicherungsträgern erfolgte nur im seltenen Ausnahmefall, dass eine vorherige Kostenübernahmeerklärung abgegeben wurde.

Ab dem ... 2008 bis Ende 2011 betrieb der Kläger das Institut zusammen mit einem Partner in der Form einer Partnergesellschaft, an der er zu 90 % beteiligt war. Daneben erzielte er in 2008 auch noch Umsätze als Einzelunternehmer aus nachträglich erstellten Rechnungen für Leistungen aus dem Vorjahr und soweit die Patienten darauf bestanden hatten, dass ein Behandlungsvertrag nur mit dem Kläger bestehe. Ab 2012 ist er wieder alleiniger Inhaber.

1999 hatte der Kläger gerichtlichen Rechtsschutz zur Klärung der Art seiner Einkünfte in Anspruch genommen (Finanzgericht - FG Hamburg, Urteil vom 14.09.2000, I 497/99, anschließend Bundesfinanzhof - BFH-Urteil vom 28.08.2003 IV R 69/00). Im zweiten Rechtsgang verständigten sich die Beteiligten in einem Erörterungstermin am 17.01.2005 dahingehend, dass die Tätigkeit des Klägers als freiberuflich im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einzuordnen sei (FG Hamburg I 12/04). Das Protokoll über den Erörterungstermin am 17.01.2005 enthält nur Ausführungen zur Gewerbesteuer 1994. Im Einzelnen heißt es:"Die Vorsitzende weist darauf hin, dass nach ihren Vorstellungen die Anforderungen, die der BFH entwickelt hat, erfüllt sein dürften. Sie rät der Beklagtenvertreterin, den in diesem Rechtsstreit angefochtenen Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer für 1994 aufzuheben und entsprechend für die Folgejahre zu verfahren."In dem Termin ist nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten jedoch auch über die umsatzsteuerliche Behandlung der Einkünfte gesprochen worden. Die handschriftliche Notiz des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers enthält folgende Angaben:

"1998          USt ?         +1999   USt zurück2000   nichts        +2001-2004Protokoll"In der Folge hob der Beklagte den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer 1994 auf und behandelte die Einkünfte des Klägers ertragsteuerlich auch für die Zukunft als solche aus freiberuflicher Tätigkeit. Darüber hinaus half der Beklagte den Einsprüchen des Klägers gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2002 ab und behandelte die Leistungen als umsatzsteuerfrei. Die Umsatzsteueranmeldungen für 2003 bis 2005, mit denen der Kläger überwiegend steuerfreie Umsätze anmeldete, beanstandete der Beklagte nicht.

In 2013 führte der Beklagte bei dem Kläger für die Streitjahre 2006 bis 2008 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Der mit Prüfungsanordnung vom 03.12.2012 für den 17.12.2012 geplante Prüfungsbeginn wurde auf Antrag des Klägers vom 10.12.2012 auf den 04.02.2013 verschoben. Die Betriebsprüferin kam zu dem Ergebnis, dass keine umsatzsteuerfreien Leistungen nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vorlägen, weil es an einem beruflichen Qualifikationsnachweis fehle. Der Qualifikationsnachweis sei auch nicht ersatzweise durch eine vertragsmäßig vereinbarte regelmäßige Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen erbracht worden. Der Beklagte folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und setzte mit geänderten Umsatzsteuerbescheiden vom 11.07.2013 die Umsatzsteuer für 2006 auf ... €, für 2007 auf ... € und für 2008 auf ... € fest. Die Vorsteuern seien anhand der DATEV-Konten geschätzt worden, weil die tatsächlich angefallenen Vorsteuern auch auf Nachfrage nicht dargelegt worden seien.

Am 16.07.2013 legte der Kläger gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide Einspruch ein. Er berief sich u. a. auf Vertrauensschutz und trug vor, dass Gegenstand des gewerbesteuerrechtlichen Verfahrens vor dem 1. Senat des FG Hamburg auch die Behandlung der Folgejahre und die Frage der Umsatzsteuerfreiheit der Leistungen gewesen sei. Bereits gezahlte Umsatzsteuer für 1998 und 1999 habe zurückgezahlt werden sollen, für die Jahre 2000 bis 2004 sei keine Umsatzsteuer gezahlt worden und habe auch nicht gezahlt werden sollen. Mit Einspruchsentscheidung vom 19.08.2014 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Am 19.09.2014 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, dass er bereits auf Grund des Verhaltens des Beklagten darauf habe vertrauen können, dass seine Tätigkeit nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei gewesen sei. Denn der Beklagte habe nach der tatsächlichen Verständigung in dem gerichtlichen Verfahren vor dem 1. Senat des FG Hamburg (I 12/04) auch seinen Einsprüchen gegen die Umsatzsteuerbescheide abgeholfen und die therapeutischen Leistungen als umsatzsteuerfrei behandelt. Gegenstand des Verfahrens I 12/04 sei zwar der Gewerbesteuermessbescheid für 1994 und die Art seiner Einkünfte gewesen. Die umsatzsteuerliche Behandlung der Einkünfte aus den therapeutischen Maßnahmen sei damals jedoch auch Gegenstand der Erörterung gewesen. Die Beteiligten seien davon ausgegangen, dass seine Tätigkeit von der Umsatzsteuer befreit sei. Hätte der Beklagte die Sachlage nach der Gesetzesänderung - Streichung des Hinweises auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus dem Text des § 4 Nr. 14 UStG - anders beurteilt, hätte er die Steuerfreiheit explizit auf den Zeitraum bis Ende 2003 beschränken müssen. In den Folgejahren habe er, der Kläger, die therapeutischen Umsätze weiterhin als steuerfrei erklärt; dies habe der Beklagte gebilligt. Er habe sich auf die Aussage des Beklagten verlassen und seine Leistungen ohne Umsatzsteuer abgerechnet. Auch heute noch erstelle er seine Rechnungen ohne Umsatzsteuerausweis. Er könne nunmehr die wirtschaftlichen Wirkungen dieser Handlungsweise nicht mehr beseitigen, denn er habe seine Leistungen fast ausschließlich gegenüber Privatpersonen zu einem zivilrechtlich bindenden Gesamtpreis erbracht; eine Nachberechnung der Umsatzsteuer sei nicht möglich.

Ein Vertrauenstatbestand könne auch durch Schweigen oder Unterlassen begründet werden. Aufgrund dieser Vorgeschichte habe der Beklagte gewusst, wie er seine Leistungen umsatzsteuerlich behandle. Der Beklagte habe diese Handhabung über Jahre hinweg geduldet ohne mitzuteilen, dass er zwischenzeitlich eine andere Auffassung vertrete. Der Inhalt seiner Tätigkeit habe sich in keiner Weise verändert. Lediglich der Beklagte habe seine Rechtsauffassung geändert, was für ihn jedoch nicht erkennbar gewesen sei. Im Übrigen sei bis heute höchstrichterlich nicht geklärt, ob die vom FG Düsseldorf (Az.: 1 K 939/10 U) vertretene Auffassung materiell-rechtlich zutreffend sei. Dem Beschluss des BFH vom 11.05.2012 (V B 106/11) könne dies nicht entnommen werden. Es komme nicht darauf an, ob der Beklagte eine Zusage gemacht habe. Für den Vertrauensschutz nach Treu und Glauben sei ausreichend, dass er im Hinblick auf das Verhalten des Beklagten seine therapeutischen Leistungen weiterhin ohne Umsatzsteuer angeboten und abgerechnet habe.

Der Beklagte könne seine Rechtsauffassung nicht auf das Urteil des FG Düsseldorf stützen, denn anders als im dort geschilderten Sachverhalt erfülle er, der Kläger, nach den Feststellungen im Erörterungstermin vom 17.01.2005 (I 12/04) die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches V (SGB V) für eine kassenärztliche Zulassung. Die Kosten der Therapie würden in seinem Fall auch häufig durch die Versorgungsträger übernommen. Entsprechend der Vorgaben der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) erbringe er Heilbehandlungsleistungen. Nach der Rechtsprechung sei die Umsatzsteuerbefreiung auch dann zu gewähren, wenn nachweisbar eine Berufsgruppe eine mit anderen Heilberufen vergleichbare Tätigkeit ausübe. Das könne in seinem Fall nach den Feststellungen des 1. Senats des FG kaum bezweifelt werden.

Es sei unverhältnismäßig, nunmehr rückwirkend für alle noch nicht bestandskräftigen Jahre die Steuer nachzuerheben. Diese Unverhältnismäßigkeit sei wenigstens im Wege einer Billigkeitsmaßnahme auszugleichen. Er habe einen Antrag nach § 227 der Abgabenordnung (AO) gestellt, über den der Beklagte bisher noch nicht entschieden habe.

Darüber hinaus habe der Beklagte die abzugsfähigen Vorsteuern zu niedrig angesetzt. Auch sei eine Schätzung der Vorsteuern nicht erforderlich, da diese durch Belege nachgewiesen werden könnten. Da er von umsatzsteuerfreien Leistungen ausgegangen sei, habe er auch bei Eingangsleistungen die Umsatzsteuer nicht gesondert gebucht. Der nunmehr geltend gemachte höhere Vorsteuerbetrag sei auf Grund des Kontennachweises über Betriebsausgaben mit Umsatzsteuer errechnet worden. Es seien Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen, soweit sie mit seiner Lehrtätigkeit in Zusammenhang stünden und soweit sie auf Anschaffungen des Anlagevermögens entfielen. Die Vorsteuer sei aus der Summe der Aufwandskonten mit Vorsteuer unter Berücksichtigung eines Abschlags von 10 % für Aufwendungen ohne Vorsteuer zu berechnen. Abweichend von der Schätzung des Beklagten ergäben sich Vorsteuern in 2006 in Höhe von ... €, in 2007 in Höhe von ... € und in 2008 in Höhe von ... €.

Mit Schriftsatz vom 14.03.2016 trägt der Kläger ergänzend vor, dass die Einordnung seiner kurativen Leistungen als nicht umsatzsteuerfrei bereits fehlerhaft sei, denn im Erörterungstermin vor dem 1. Senat des Finanzgerichts Hamburg sei bereits festgestellt worden, dass die "geforderte Ausbildung" nach § 124 Abs. 2 SGB V sowie die "geforderte Erlaubnis" bei ihm gegeben sei. Auch sei davon auszugehen, dass er die Anforderungen, die bei einer staatlichen Zulassung gefordert werden würden, auf jeden Fall erfüllen würde. Folglich komme es für die Frage, ob er über die für die Leistungserbringung erforderliche Berufsqualifikation verfüge, nicht mehr darauf an, ob die Kostenerstattung durch gesetzliche Krankenkassen als Sozialversicherungsträger erfolge. Dass es sich bei den von ihm erbrachten Leistungen um Heilbehandlungen handle, sei bereits dargelegt worden und ergebe sich im Übrigen aus den als Anlagen K 7 bis K 10 eingereichten Bestätigungsschreiben verschiedener Ärzte. Die Einordnung als Heilbehandlung sei nicht davon abhängig, ob die Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen würden. Unabhängig davon sei der Beklagte auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert, die Umsätze der Jahre 2006 bis 2008 rückwirkend als steuerpflichtig zu behandeln. Im Rahmen des Erörterungstermins am 17.01.2005 habe der Beklagte die Umsatzsteuerfreiheit der vom ihm im Rahmen der Tomatis-Therapie erbrachten Umsätze anerkannt und damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen, den er, der Beklagte, im Nachgang durch die Anerkennung der Umsätze als umsatzsteuerfrei verfestigt habe. So habe die Vertreterin des Beklagten in dem Erörterungstermin in 2005 ausdrücklich festgestellt, dass die Anwendung der Tomatis-Therapie im Bereich der auditiv-neuropsychologischen Störungen als therapeutische Leistung als umsatzsteuerbefreit anzuerkennen sei. Diese Tatsache sowie weitere Einzelheiten des Erörterungstermins am 17.01.2005 könnten die damals im Termin Anwesenden (der damalige Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt A, die Vorsitzende Richterin B, die Mitarbeiterin des Beklagten Frau C, die Finanzanwärterin D sowie Herrn E) bezeugen. Die Beteiligten des damaligen Termins seien zu der Feststellung gekommen, dass seine Tätigkeit umsatzsteuerfrei sei, soweit sich diese im Rahmen der geschilderten Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 SGB V bewege. Der Beklagte habe daraufhin die streitigen Bescheide aufgehoben und den Einsprüchen stattgegeben. Zum Zeitpunkt des Gerichtstermins am 17.01.2005 seien die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen, dass seine Tätigkeit umsatzsteuerfrei sei. Dass sich dies auch auf die Zukunft habe beziehen sollen, belege der damalige richterliche Hinweis, dass ebenso in den "Folgejahren zu verfahren" sei. In der Folge habe der Beklagte dann den Umsatzsteuererklärungen, in denen die therapeutischen Umsätze als steuerfrei erklärt worden seien, zugestimmt bzw. entsprechende Umsatzsteuerabrechnungen vorgenommen. Aufgrund dieses Verhaltens habe er, der Kläger, davon ausgehen können, dass der Beklagte an der im Rahmen der gerichtlichen Verhandlung vertretenen Rechtsauffassung auf Dauer festhalten werde. Es habe keine Umstände gegeben, die ihn daran hätten zweifeln lassen oder aus denen er hätte erkennen können, dass der Beklagte von der Beurteilung der Umsätze als steuerfrei abweichen werde. Erst im Jahr 2012 sei dies durch die Entscheidung des FG Düsseldorf (vom 10.07.2011, 1 K 939/10) problematisiert worden.

Der Kläger beantragt,die Umsatzsteuerbescheide für 2006 bis 2008 vom 11.07.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 19.08.2014 aufzuheben,hilfsweisedie Umsatzsteuerbescheide für 2006 bis 2008 vom 11.07.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 19.08.2014 in der Weise zu ändern, dass die Umsatzsteuer unter Berücksichtigung weiterer Vorsteuern in 2006 in Höhe von ... €, in 2007 in Höhe von ... € und in 2008 in Höhe von ... € festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien. Die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen umschrieben würden, seien nach der Rechtsprechung eng auszulegen. Dies rechtfertige es, nur die Leistungen durch heilberufliche Tätigkeit von der Umsatzsteuer zu befreien, die grundsätzlich von den Sozialversicherungsträgern finanziert würden. Das sei im vorliegenden Sachverhalt aber gerade nicht der Fall.

Die vom Kläger angeführten Vertrauensschutzaspekte könnten ebenfalls nicht zu einer Aufhebung der Umsatzsteuerfestsetzungen führen. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung sei aus einer fehlerhaften Rechtsanwendung keine Bindungswirkung für zukünftige Zeiträume abzuleiten. Die Regelung des § 4 Nr. 14 UStG sei unter Berücksichtigung der MwStSystRL und nicht nach einkommensteuerlichen Grundsätzen auszulegen, auf die Einordnung als freiberufliche Tätigkeit nach § 18 EStG komme es nicht an. Entscheidend sei, dass die Leistungen des Klägers weder nach § 124 Abs. 2 SGB V zugelassen, noch in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V aufgenommen worden seien.

Auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben sei er, der Beklagte, nicht verpflichtet gewesen, an einer als fehlerhaft erkannten Rechtsanwendung festzuhalten. Soweit er nach der tatsächlichen Verständigung am 17.01.2005 auch die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2002 geändert habe, sei darin keine Zusage zu sehen, dass an dieser Handhabung dauerhaft festgehalten werde. Diese Rechtsanwendung sei fehlerhaft gewesen und könne nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung keine Bindungswirkung für zukünftige Zeiträume entfalten. Das Finanzamt sei verpflichtet, eine als falsch erkannte Rechtsauffassung zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufzugeben. Das gelte grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte. Einem Steuerpflichtigen kann abverlangt werden, dass er die steuerlichen Folgen seines Handelns vor dem Hintergrund der Gesetzeslage sowie der Rechtsentwicklung prüfe.

Dem Gericht haben die Steuerakten des Beklagten einschließlich der Betriebsprüfungsakten zu der Steuernummer .../.../... vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat die Leistungen des Klägers zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen. Es liegt keine umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistung nach § 4 Nr. 14 UStG vor (2.); der Beklagte ist auch nicht verpflichtet, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben von der Besteuerung abzusehen (3.).

1. Die Änderung der Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre ist nicht bereits aus formalen Gründen rechtswidrig, denn Festsetzungsverjährung war auch für das Jahr 2006 bei Erlass der Änderungsbescheide am 11.07.2013 nicht eingetreten. Die Umsatzsteuererklärung für 2006 wurde am 13.06.2008 abgegeben, so dass die reguläre Festsetzungsfrist gemäß §§ 169 Abs. 2 Nr. 2, 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 2012 endete. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist jedoch gemäß § 171 Abs. 4 AO gehemmt. Zwar war Prüfungsbeginn erst am 12.02.2013. Jedoch ist der ursprünglich vorgesehene Prüfungsbeginn im Dezember 2012 auf Antrag des Klägers auf den Februar 2013 verschoben worden.

2. Die von dem Kläger erbrachten Leistungen sind nicht gemäß § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei. Er übt im Rahmen seiner therapeutischen Maßnahmen unter Anwendung der Tomatis-Methode keine ähnliche heilberufliche Tätigkeit aus.

Nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnastik), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit oder aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker steuerfrei.

Diese Vorschrift beruht gemeinschaftsrechtlich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL, wonach Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufen erbracht werden, steuerfrei sind. Bei richtlinienkonformer Auslegung kommt es für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG darauf an, ob eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch einen Unternehmer erbracht wird, der über einen beruflichen Befähigungsnachweis und damit über die für die Leistungserbringung erforderliche Berufsqualifikation verfügt. Der Nachweis dieser Qualifikation kann sich dabei für die nicht unter die Katalogberufe fallenden Unternehmer entweder aus berufsrechtlichen Regelungen (a) oder - entsprechend dem Zweck des § 4 Nr. 14 UStG, die Kosten von Heilbehandlungen zu senken und die Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer zu entlasten - aus einer regelmäßigen Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen als Sozialversicherungsträger (b) ergeben (vgl. BFH-Urteile vom 08.03.2012 V R 30/09, BStBl II 2012, 623; vom 30.04.2009 V R 6/07, BStBl II 2009, 679; vom 11.11.2004 V R 34/02, BStBl II 2005, 316).

Diese Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung liegen nicht vor. Der Kläger, der keinen Katalogberuf ausgeübt hat, verfügt nicht über den erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweis.

a) Eine berufsrechtliche Regelung über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausübung gibt es in Deutschland für Tomatis-Therapeuten bisher nicht. Die Berufsausübung ist weder von einer staatlichen Erlaubnis abhängig noch an öffentlich-rechtliche Einschränkungen (z. B. Aufsicht durch die Gesundheitsbehörden) gebunden. Dies wird auch von dem Kläger nicht in Abrede gestellt.

b) Der erforderliche berufliche Qualifikationsnachweis kann auch nicht aus einer regelmäßigen Kostentragung durch Sozialversicherungsträger hergeleitet werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG-Urteil vom 29.10.1999 2 BvR 1264/90, BStBl II 2000, 155) kann der Nachweis, der für die Leistungserbringung erforderlichen Berufsqualifikation auch aus einer "regelmäßigen" Kostentragung durch Sozialversicherungsträger folgen, wobei eine derartige Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen nach der Rechtsprechung des BFH nur dann von Bedeutung ist, wenn sie den Charakter eines Befähigungsnachweises hat. Dies kann sich im Einzelfall aus den Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nach dem Vierten Kapitel des SGB V und damit aus den §§ 69 ff. SGB V ergeben. So ist z. B. die Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V, der Abschluss eines Versorgungsvertrages nach § 111 SGB V oder die Zulassung des Unternehmers oder seiner Berufsgruppe nach § 124 SGB V als Indiz für das Vorliegen der erforderlichen Berufsqualifikation anzusehen (BFH-Urteile vom 08.03.2012 V R 30/09, BStBl II 2012, 623; vom 30.04.2009 V R 6/07, BStBl II 2009, 679).

Weder der Kläger selbst, noch die Berufsgruppe der Tomatis-Therapeuten ist in den Streitjahren als Leistungserbringer von den gesetzlichen Krankenkassen nach § 124 SGB V zugelassen gewesen. Für den beruflichen Befähigungsnachweis kann nicht darauf abgestellt werden, ob der Kläger, wie er vorträgt, die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 SGB V für eine Zulassung erfüllen würde, denn nur der Zulassung als Leistungserbringer der gesetzlichen Krankenkassen kommt der Charakter eines Befähigungsnachweises im Sinne der Rechtsprechung zu, nicht die (theoretische) Möglichkeit einer Zulassung, die bis heute für Tomatis-Therapeuten nicht erteilt wurde. Insoweit ist die Prüfung und Zulassung durch die gesetzlichen Krankenkassen entscheidend.

Der Befähigungsnachweis wird auch nicht durch die Aufnahme der Tomatis-Therapie in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V indiziert.

§ 92 Abs. 1 SGB V sieht vor, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten beschließt. Insbesondere soll er Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchung- und Behandlungsmethoden (Nr. 5), über die Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln, häusliche Krankenpflege, Soziologietherapie (Nr. 6) und über die Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Nr. 8) beschließen. Den Richtlinien kommt mit ihrer Bekanntmachung gemäß § 94 Abs. 2 SGB V rechtliche Bedeutung zu (vgl. BFH-Urteil vom 11.11.2004 V R 34/02, BStBl II 2005, 316).

Die Tomatis-Therapie hat bisher nicht eine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses erhalten und ist deshalb nicht als abrechnungsfähige Leistung in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen worden (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.05.2012 L 10 KR 31/09, MedR 2013, 637, juris).

Für den beruflichen Befähigungsnachweis reicht es nicht aus, dass einzelne Krankenkassen nach dem - nicht durch Nachweise belegten - Vortrag des Klägers wiederholt die Kosten für eine Tomatis-Therapie übernommen haben. Leistungen eines Tomatis-Therapeuten werden nur dann im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG (Urteil vom 29.10.1999 2 BvR 1264/90, BStBl II 2000, 155) "in der Regel von den Sozialversicherungsträgern finanziert", wenn ein Großteil der Träger der gesetzlichen Krankenkassen eine Kostentragung in ihrer Satzung regelt (BFH-Urteile vom 08.03.2012 V R 30/09, BStBl II 2012, 623; vom 11.11.2004 V R 34/02, BStBl II 2005, 316). Eine solche regelmäßige Finanzierung durch die Sozialversicherungsträger, die allein als beruflicher Qualifikationsnachweis herangezogen werden kann, erfolgt jedoch gerade nicht. Auf die (wiederholte) Kostentragung einzelner Krankenkassen kann auch im Hinblick auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, d. h. Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze erbringen, bei der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich zu behandeln, nicht abgestellt werden. Denn das hätte zur Folge, dass gleichartige Leistungen wegen der zum Teil regional unterschiedlichen Erstattungspraxis der einzelnen Krankenkassen für die Inanspruchnahme von Leistungen, die nicht im jeweils geltenden Leistungskatalog (§ 92 SGB V) enthalten sind, umsatzsteuerrechtlich ungeachtet des gleichen Leistungsinhalts unterschiedlich zu beurteilen wären. Darüber hinaus hätte das zur Folge, dass der Unternehmer nicht, wie nach dem System der Mehrwertsteuer grundsätzlich erforderlich, bereits im Zeitpunkt der Leistung feststellen kann, ob die betreffende Leistung der Umsatzsteuer unterliegt (BFH-Urteil vom 11.11.2004 V R 34/02, BStBl II 2005, 316).

Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der berufliche Befähigungsnachweis aus einer vertraglichen Versorgungsvereinbarung mit den Krankenkassen (z. B. auf der Grundlage von § 43 SGB V oder § 111 SGB V) über die Kostentragung hergeleitet werden könnte (vgl. BFH-Urteile vom 30.04.2009 V R 6/07, BStBl II 2009, 679; vom 25.11.2004 V R 44/02, BStBl II 2005, 190). Der Kläger versucht nach seinen Angaben vielmehr derzeit, Einzelverträge mit Krankenkassen zu schließen.

c) Für den erforderlichen Befähigungsnachweis reicht schließlich auch eine ertragsteuerliche Anerkennung eines ähnlichen Berufes im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht aus. Nicht entscheidungserheblich ist insoweit, dass für die ertragsteuerliche Begriffsbestimmung ebenfalls auf die Anforderungen des § 124 Abs. 2 SGB V zurückgegriffen wird. Auch der Kläger räumt grundsätzlich ein, dass es auf die ertragsteuerliche Auslegung des § 18 EStG für die Frage der Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG nicht ankommt, da diese Norm unter Berücksichtigung der MwStSystRL und nicht nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen auszulegen ist (BFH-Beschluss vom 11.05.2012 V B 106/11, BFH/NV 2012, 1339). Soweit Ertragsteuerrecht und Umsatzsteuerrecht für die Auslegung der jeweiligen Vorschriften die Regelung des § 124 Abs. 2 SGB V heranziehen, folgt daraus nicht, dass bei Bejahung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch von umsatzsteuerfreien Leistungen nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG auszugehen wäre. Diese rechtliche Verknüpfung wird durch den Gesetzgeber nicht hergestellt und ist angesichts des unterschiedlichen Regelungszwecks der Gesetze auch nicht geboten. Es ist deshalb für die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG nicht entscheidend, dass in dem Erörterungstermin am 17.01.2005 die Beteiligten davon ausgegangen sind, dass der Kläger sowohl nach seiner Ausbildung als auch nach den weiteren Qualifikationen hohe Anforderungen, insbesondere die Anforderungen des internationalen Berufsverbandes erfüllen würde. Für den nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG erforderlichen beruflichen Qualifikationsnachweis ist diese Einschätzung nicht maßgeblich. Es kann dahin stehen, ob die damaligen Verfahrensbeteiligten diese Würdigung auch auf das Umsatzsteuerrecht bezogen haben, sie wäre für die rechtliche Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 S. 1 UStG vorliegen, nicht bindend.

Angesichts des fehlenden Nachweises der Berufsqualifikation kommt es auf die in den eingereichten Bestätigungsschreiben (Anlagen K 7 bis K 10) dargelegte Eignung der Methode zur Heilbehandlung nicht mehr an.

3. Die therapeutischen Leistungen des Klägers sind auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben als umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG zu behandeln.

Der auch für das Besteuerungsverfahren geltende allgemeine Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben gebietet, dass im konkreten Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem früheren Verhalten, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er in irreparabler Weise disponiert hat, nicht in Widerspruch setzt. Er verdrängt jedoch gesetztes Recht nur in besonders liegenden Fällen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in so hohem Maße schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen (BFH-Urteile vom 30.03.2011 XI R 30/09, BStBl II 2011, 613, m. w. N.; vom 07.10.2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865). Dies kommt nur dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (BFH-Urteil vom 30.03.2011 XI R 30/09, BStBl II 2011, 613, m. w. N.).

Dem Kläger ist für die Streitjahre weder eine Behandlung seiner Leistungen als umsatzsteuerfrei zugesagt worden (a) noch hat der Beklagte durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen, an dem er sich festhalten lassen muss (b)

a) Dem Kläger ist für die Streitjahre keine bestimmte umsatzsteuerliche Behandlung seiner therapeutischen Leistungen zugesagt worden. Insbesondere ist in dem Verfahren I 12/04 keine förmliche Zusage für die Zukunft erfolgt.

Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens I 12/04 (erster Rechtsgang I 497/99, BFH IV R 69/00) war lediglich der Gewerbesteuermess- und Gewerbesteuerbescheid 1994. Zwar ist nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten in dem Erörterungstermin am 17.01.2005 auch die umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen besprochen worden. Aber selbst der Kläger behauptet nicht, dass die Vertreterin des Beklagten in Form einer Zusage für die Streitjahre erklärt habe, die therapeutischen Leistungen des Klägers als umsatzsteuerfrei zu behandeln. Insoweit fehlt es an den Voraussetzungen für eine Zusage, denn der Kläger hatte weder einen Antrag auf eine verbindliche Auskunft im Sinne des § 89 AO gestellt, noch sind die Formalien einer Zusage im Sinne des § 205 AO eingehalten worden. So fehlt es bereits an der Schriftlichkeit einer Zusage. Im Protokoll über den Erörterungstermin am 17.01.2005 wird lediglich die Aufhebung des Bescheids über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer 1994 festgehalten, Vereinbarungen betreffend die Umsatzsteuer, insbesondere auch für die Streitjahre, ergeben sich daraus nicht. Auch sonst ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass eine schriftliche Absprache über die umsatzsteuerliche Beurteilung der Leistungen des Klägers getroffen wurde. Soweit der Beklagte im Anschluss an den Erörterungstermin den Einsprüchen des Klägers gegen die Umsatzsteuerbescheide bis 2002 abgeholfen hat (vgl. Vermerk der Terminvertreterin des Beklagten, Anlage K 3a), liegt darin keine, über die Abhilfe hinausgehende Zusage einer bestimmten umsatzsteuerlichen Behandlung der Leistungen des Klägers für die Zukunft.

b) Der Beklagte hat durch sein Verhalten auch keinen Vertrauenstatbestand geschaffen.

Ein Vertrauenstatbestand besteht in einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, jener werde an seiner Position oder seinem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten (BFH-Urteile vom 30.03.2011 XI R 30/09, BStBl II 2011, 613, m. w. N.; vom 07.10.2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865). Ein Vertrauenstatbestand ergibt sich regelmäßig nicht bereits aus einem "Verwaltungsunterlassen". Es reicht deshalb nicht aus, dass die Finanzverwaltung einen bestimmten Sachverhalt über einen längeren Zeitraum bisher nicht als steuerpflichtig aufgegriffen hat. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung ergibt sich allein aus der früheren, auch aufgrund von Außenprüfungen vorgenommenen Beurteilung keine Bindung des Finanzamtes für die Zukunft. Vielmehr hat das Finanzamt in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte. Dies gilt auch dann, wenn die - fehlerhafte - Auffassung in einem Prüfungsbericht niedergelegt worden ist oder wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat. Das Finanzamt ist an eine bei einer früheren Veranlagung zugrunde gelegten Rechtsauffassung auch dann nicht gebunden, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (BFH-Urteile vom 30.03.2011 XI R 30/09, BStBl II 2011, 613, m. w. N.; vom 07.10.2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; Beschluss vom 12.07.2006 IV B 9/05, BFH/NV 2006, 2028, jeweils m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen konnte weder durch die Abhilfeentscheidung für die Jahre 1998 bis 2002 noch durch das Nicht-Aufgreifen der Steuererklärungen des Klägers und die Erteilung von Abrechnungen bis zum Jahr 2005 ein Vertrauenstatbestand dahingehend entstehen, dass die Behandlungsleistungen des Klägers in Zukunft nicht gemäß § 4 Nr. 14 UStG der Umsatzsteuer unterliegen.

(1) Eine gefestigte Rechtsprechung zur steuerrechtlichen Einordnung von Behandlungen nach der Tomatis-Methode gab es in den Streitjahren nicht. Vielmehr lehnt das FG Düsseldorf (1 K 939/10 U) mit Entscheidung vom 07.10.2011, bestätigt durch den BFH mit Beschluss vom 11.05.2012 (V B 106/11), erstmals die Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG ab. Auch kann nicht festgestellt werden, dass es vor dieser Entscheidung eine gefestigte Verwaltungspraxis hinsichtlich der steuerlichen Einordnung der Leistungen gegeben hätte. Allein auf Grund des Verhaltens des Beklagten hinsichtlich der Umsatzsteuererklärungen bis 2005 konnte der Kläger deshalb nicht darauf vertrauen, der Beklagte werde konsequent und auf Dauer an der bisherigen steuerlichen Behandlung festhalten.

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Rechtslage durch das Steuerrechtsänderungsgesetz 2003 (BStBl I 2003, 710) in der Weise geändert hat, dass der Hinweis "im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG" gestrichen wurde. Ausweislich der Gesetzesbegründung diente die Änderung der Anpassung an die Rechtsprechung, nach der die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens sei und eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit auch dann vorliegen könne, wenn es sich nicht um eine freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG handle (vgl. BT-Drucksache 15/1562 S. 44). Die Gesetzesänderung hat danach nicht grundsätzlich die rechtlichen Voraussetzungen für Umsätze aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit geändert. Es ist jedoch nicht fernliegend, angesichts dieser Änderung die steuerrechtliche Einordnung der Leistungen zu überprüfen, zumal die ertragsteuerliche Einordnung der Tätigkeit des Klägers die umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen mit beeinflusst haben mag, wie dem Vortrag des Klägers und der Bezugnahme auf die Erörterung in dem Verfahren zum Gewerbesteuermessbetrag und zur Gewerbesteuer (I 12/04) zu entnehmen ist. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die geänderte Rechtslage bereits zum Zeitpunkt der Erörterungstermins am 17.01.2005 bestand. Es kann jedoch dahinstehen, ob die Beteiligten bei ihren Absprachen im Termin diese Änderung im Blick hatten, denn es entlastet den steuerlichen beratenden Kläger grundsätzlich nicht, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Umsatzsteuerbefreiung eigenverantwortlich zu prüfen. Bei objektiver Beurteilung hätten dem Kläger Zweifel kommen können, ob der Beklagte auch zukünftig seine Umsatzsteueranmeldungen nicht aufgreifen und rechtlich anders beurteilen würde. Ein schutzwürdiges nachhaltiges Vertrauen in den Fortbestand einer früheren Rechtsauffassung kann nur dann und so lange gegeben sein, bis der Steuerpflichtige mit einer Änderung rechnen musste oder ihm zumindest hätten Zweifel kommen müssen (BFH-Urteil vom 30.03.2011 XI R 30/09, BStBl II 2011,613; Beschluss vom 26.09.2007 V B 8/06, BStBl II 2008, 405).

(2) Der Beklagte hat durch sein Verhalten nicht positiv einen Vertrauenstatbestand gesetzt, dass er in Zukunft der steuerrechtlichen Behandlung des Klägers folgen würde.

Ein solcher Vertrauenstatbestand wurde nicht durch das Verhalten in dem Erörterungstermin am 17.01.2005 geschaffen. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass in dem Termin auch über die umsatzsteuerliche Behandlung der therapeutischen Leistungen des Klägers gesprochen wurde. Den vorgelegten handschriftlichen Notizen des damaligen Prozessbevollmächtigten und dem Vermerk der damaligen Vertreterin des Beklagten kann entnommen werden, dass Gegenstand der Erörterung auch die Umsatzsteuerfestsetzungen der Jahre 1998 bis 2002 (so der Beklagte) bzw. bis 2004 (so der Kläger) gewesen sind. Auch der Senat geht davon aus, dass die Beteiligten in dem Erörterungstermin am 17.01.2005 dahingehend überein kamen, dass die therapeutischen Leistungen des Klägers als umsatzsteuerfrei behandelt werden sollten. Es bedarf deshalb keiner weiteren Aufklärung, was im Einzelnen Gegenstand der Erörterung gewesen ist und ob die Vertreterin des Beklagten letztlich in dem Termin verbindlich erklärt hat, die therapeutische Tätigkeit des Klägers werde, soweit sie sich im Rahmen der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 SGB V bewege, als umsatzsteuerfrei zu behandelt. Eine solche Absprache - als wahr unterstellt - hat nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung keine Bindungswirkung für die Streitjahre. Im Zeitpunkt des Erörterungstermins war die Umsatzsteuer der Jahre bis 2004 entstanden. Selbst wenn der Kläger nach seinem Vortrag aufgrund einer Äußerung der Vorsitzenden, dass entsprechend auch "für die Folgejahre zu verfahren" sei, die Vorstellung gehabt hat, dass die Absprache auch für die zukünftige umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen geltend solle, ist dadurch kein den Beklagten für die Streitjahre bindender Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Eine förmliche, auch für die Zukunft bindende Zusage des Beklagten liegt mangels Erfüllung der hierfür erforderlichen Voraussetzungen (vgl. unter 3 a) nicht vor. Vor diesem Hintergrund konnte der steuerlich beratende Kläger eine Äußerung über die steuerliche Behandlung der Umsätze in der Zukunft durch die Vertreterin des Beklagten - diese als wahr unterstellt - nur als Äußerung einer Rechtsaufassung verstehen, der keine Verbindlichkeit beigemessen werden und die keine Bindungswirkung für das zukünftige Handeln des Beklagten entfalten konnte.

(3) Auch im Zusammenhang mit dem weiteren Verhalten des Beklagten ist durch eine Absprache über die umsatzsteuerlichen Einordnung der Leistungen des Klägers in dem Erörterungstermin kein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen worden, dass der Beklagte auf Dauer an der bisherigen steuerlichen Einordnung festhalten werde.

Der Beklagte hat in der Folge die Umsatzsteuererklärungen ab 2005 nicht aufgegriffen, vielmehr entsprechend der Erklärungen des Klägers die Umsatzsteuer abgerechnet. Ein Verhalten, dass bei dem Kläger einen Vertrauenstatbestand begründen und verfestigen konnte, lag darin jedoch nicht. Vielmehr standen die Steueranmeldungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und waren gemäß § 164 Abs. 2 AO bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist jederzeit in vollem Umfang aus formellen oder materiellen Gründen änderbar. Der Vorbehalt der Nachprüfung verhindert regelmäßig die Entstehung eines für die Bindung an Treu und Glauben notwendigen Vertrauensschutzes (st. Rspr. BFH-Urteile vom 05.11.2009 IV R 13/07, BFH/NV 2010, 652; vom 21.03.2002 III R 30/99, BStBl II 2002, 548; Seer in Tipke/Kruse AO/FGO, § 164 AO Rn. 36); durch den Vorbehalt bringt das Finanzamt gerade zum Ausdruck, dass seine Prüfung nicht abschließend ist und Änderungen noch möglich sind. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hält eine Bindung der Finanzverwaltung an eine Sachbehandlung in den Vorjahren nicht für gegeben, sofern die Finanzverwaltung sich für die Folgejahre nicht durch konkrete Zusage gebunden hat (vgl. Beschluss vom 28.06.1993 1 BvR 1346/89, HFR 1993, 544). Der Kläger konnte deshalb aus dem Nicht-Aufgreifen der Steueranmeldungen der Jahre ab 2005 nicht ein Vertrauen auf eine dauerhafte Verwaltungspraxis entwickeln, der eine Änderung der umsatzsteuerlichen Behandlung der Umsätze in den Streitjahren entgegenstand. Eine konkrete (schriftliche) Zusage lag gerade nicht vor.

Entgegen der Auffassung des Klägers hatte der Beklagte auch nicht die Pflicht, ihn auf die bisher vertretene als falsch erkannte Rechtsauffassung hinzuweisen, um dann zukünftig eine rechtmäßige Besteuerung vornehmen zu können (vgl. BFH-Urteil vom 30.03.2011 XI R 30/09, BStBl II 2011, 613). Jedenfalls für die Streitjahre hatte der Beklagte keinen Anlass zu der Annahme gegeben, dass die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steueranmeldungen nicht einer Prüfung und Änderung unterzogen werden könnten.

4. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Änderung der Umsatzsteuerbescheide hat ebenfalls keinen Erfolg. Die festgesetzten Umsatzsteuern sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger Anspruch auf die Berücksichtigung höherer Vorsteuern hat.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuern abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Der Kläger hat für das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug die Darlegungslast.

Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er weitere Eingangsleistungen bezogen hat, die zum Vorsteuerabzug berechtigen. Die von ihm im gerichtlichen Verfahren erneut vorgelegte Aufstellung über abzugsfähige Vorsteuern (Anlage K 11) ist nicht nachvollziehbar und durch Vorlage von Nachweisen belegt. Sie enthält lediglich eine Zusammenstellung von Vorsteuerbeträgen, die auf Aufwendungen für bestimmte Tätigkeitsbereiche entstanden sein sollen, ohne dass diese Zahlen konkretisiert werden. Die aufgeführten Beträge können auch nicht aus den von der Betriebsprüfung aufgelisteten Aufwandskonten und den dort verbuchten Umsatzsteuerbeträgen hergeleitet werden.

Da der Kläger auch bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung nicht die Höhe der abzugsfähigen Vorsteuern hat darlegen können, liegen die Voraussetzungen für eine Schätzung gemäß § 96 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 162 AO vor. In Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis folgt das Gericht der Schätzung des Beklagten.

Der Beklagte hat die abzugsfähigen Vorsteuern in sachgerechter Weise auf der Grundlage der DATEV-Aufwandskonten des Klägers geschätzt. Dabei hat er die in der Buchführung ausgewiesenen Umsatzsteuern addiert und um einen Unsicherheitszuschlag erhöht. Anhaltspunkte dafür, dass in größerem Umfang Anschaffungen für umsatzsteuerpflichtige Umsätze getätigt wurden oder sonst in erheblichem Umfang die Umsatzsteuer auf Aufwendungen nicht gesondert gebucht wurde, sind nicht dargelegt worden oder sonst aus den vorliegenden Akten ersichtlich. Es ist danach davon auszugehen, dass die abzugsfähigen Vorsteuern auf der Grundlage der Buchführung des Klägers möglichst realitätsnah erfasst worden sind. Der Kläger ist zudem wiederholt aufgefordert worden, einen höheren Vorsteueranspruch darzulegen und durch Vorlage von Rechnungen zu belegen und hatte damit Gelegenheit, mögliche Unvollständigkeiten der Buchführung klarzustellen.

Nach allem kann nicht festgestellt werden, dass die Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer für 2006 bis 2008 fehlerhaft ist. Die Klage ist danach auch insoweit abzuweisen.

5. Der Kläger hat gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tagen. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.