LAG Hamburg, Urteil vom 29.06.2016 - 6 Sa 15/16
Fundstelle
openJur 2016, 10037
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 3. Februar 2016 – Az. 14 Ca 218/15 – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 71,81 brutto nebst 5%-Punkten Zinsen ab dem 23. Mai 2015 zu zahlen.Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Erhöhung und Festsetzung der laufenden Ruhegeldbezüge jeweils die Steigerung der Gehaltstarife gemäß Ziffer 7 Abs. 1 der Betriebsvereinbarung Soziale Richtlinien (BV 75.14 in der Fassung ab dem 01.07.1986) zugrunde zu legen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Umfang der Anpassung der dem Kläger von der Beklagten gewährten Betriebsrente.

Der am ... 1947 geborene Kläger stand seit 1963 bis zum 30. April 2009 ununterbrochen in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der Hamburgische Electricitäts-Werke Aktiengesellschaft (im Folgenden: HEW).

Am 14./16. Juni 2000 vereinbarten die damaligen Tarifvertragsparteien, die Arbeitgebervereinigung Energiewirtschaftlicher Unternehmen e.V. und die Gewerkschaften IG Metall und DAG, einen neuen Manteltarifvertrag für die HEW (im Folgenden: MTV HEW, auszugsweise Anlage K 7, Bl. 18-19 d. A.). In diesem ist unter Ziffer II/D Nr. 5.3 geregelt, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die direkt aus dem Arbeitsverhältnis mit der HEW unter Bezug von Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in den Ruhestand gehen, unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung haben. Am Ende heißt es:

„Einzelheiten, insbesondere Anspruchsvoraussetzungen, Zeitpunkt des Übertritt in den (vorzeitigen) Ruhestand, Höhe der Beiträge und Leistungen u.ä. werden – ebenso wie die Behandlung besonderer Personengruppen und Härtefälle – durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. Änderungen werden nur nach Zustimmung der Tarifpartner wirksam.“

Am 26. September 2003 vereinbarten die im Konzern Vattenfall Europa vertretenen Gewerkschaften IG BCE, ver.di (als Nachfolgerin der DAG) und IG Metall die Bildung einer Tarifgemeinschaft und die Zusammenarbeit im Rahmen der Verhandlungen über ein Konzerntarifwerk (Anlage B 1, Bl. 34-35 d. A.). Die Verhandlungen der Tarifgemeinschaft führten am 20. November 2006 zum Zustandekommen eines Konzerntarifwerks, das von allen drei Gewerkschaften unterschrieben wurde. Nach Abschluss des Konzerntarifwerks wurden die regionalen Tarifverträge der einzelnen Gesellschaften, u.a. der HEW, auf den Konzerntarifvertrag übergeleitet. Der neue, von der Tarifgemeinschaft abgeschlossene MTV vom 20. November 2006 (im Folgenden: MTV 2006, Anlage K 10, Bl. 55-75 d. A.) enthält in Ziffer VII § 36 Abs. 1 Satz 3 die Regelung, dass für die bis zum 31. Dezember 2006 eingestellten Arbeitnehmer die bisherigen Versorgungssysteme weiter gelten. In § 37 MTV 2006 (Anlage K 10, Bl. 73-74 d. A.) ist eine zweistufige sechsmonatige Ausschlussfrist für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis enthalten.

Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von 50 anerkannt (siehe den Schwerbehindertenausweis vom 13. September 2005 in der Anlage BK 1, Bl. 150 d.A.). Nachdem er am ... 2009 das 62. Lebensjahr vollendet hatte, schied er zum 30. April 2009 aus dem aktiven Arbeitsverhältnis aus und bezieht seit dem 1. Mai 2009 eine gesetzliche Sozialversicherungsrente für schwerbehinderte Menschen. Daneben erhält er seit dem 1. Mai 2009 ein Ruhegeld nach dem 2. Abschnitt der Betriebsvereinbarung Nr. 75.14 „Soziale Richtlinien“ (im Folgenden: BV 75.14 – Anlage BB 1, Bl. 209 ff. d. A.). Nach Ziffer 1.1 c) aa) in der ab dem 1. Januar 1982 durch die BV 82.08 (Anlage BB 2, Bl. 222 ff. d.A.) geänderten Fassung der BV 75.14 haben Mitarbeiter Anspruch auf das betriebliche Ruhegeld mit Vollendung des 60. Lebensjahres, wenn sie schwerbehindert sind und eine Altersrente aus der Rentenversicherung beziehen.

Zur Anpassung des Ruhegeldes enthalten die „Allgemeinen Bestimmungen“ der BV 75.14 unter Ziffer 7 („Anpassung“) eine Regelung (im Folgenden bezeichnet als Ziffer 7 BV 75.14), die wie folgt lautet:

„Die Ruhegeldberechnung wird zu bestimmten Zeitpunkten jeweils der Entwicklung der Gehaltstarife angepaßt.

Soweit bestehende Anwartschaften vorzeitig ausgeschiedener Mitarbeiter in Ruhegeld umgewandelt werden, ist dieses alle drei Jahre auf eine Anpassung hin zu überprüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage der HEW zu berücksichtigen (gesetzliche Regelung).“

Mit Wirkung zum 1. Juli 2005 vereinbarten die Betriebsparteien in der Betriebsvereinbarung Nr. 2005.03 (im Folgenden: BV 2005.03) die folgende Neufassung der Ziffer 7 BV 75.14 (Anlage K 6, Bl. 17 d. A.):

„Die Anpassung der Ruhegeldzahlbeträge, des Weihnachtsgeldes (nominelles Ruhegeld) und der Hinterbliebenenrente erfolgt jährlich zum Zeitpunkt der allgemeinen Anpassung der Sozialversicherungsrenten (SV-Renten). In Jahren ohne SV-Rentenerhöhung erfolgt die Anpassung der betrieblichen Leistungen grundsätzlich zum gleichen Stichtag wie im Vorjahr.

Dieses Verfahren gilt auch für bereits im Ruhestand befindliche ehemalige Mitarbeiter und deren Hinterbliebene.

Die Festlegung der Höhe des Anpassungssatzes erfolgt unter Berücksichtigung der Entwicklung der Gehaltstarife, der Lebenshaltungskosten bzw. der Realeinkommen sowie der wirtschaftlichen Lage der HEW

Soweit bestehende Anwartschaften vorzeitig ausgeschiedener Mitarbeiter in Ruhegeld umgewandelt werden, ist dieses alle drei Jahre auf eine Anpassung hin zu überprüfen und hierüber nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung von § 16 BetrAVG zu entscheiden.“

Dieser Neuregelung stimmten am 26. November 2006 rückwirkend die IG-Metall und die Arbeitgebervereinigung Energiewirtschaftlicher Unternehmen zu (Anlage K 9, Bl. 54 d. A.).

Die Beklagte passte das Ruhegeld des Klägers jährlich zum 1. Juli unter Berücksichtigung der Entwicklung der Gehaltstarife an. In den Jahren 2009 bis 2013 wurden die Tarifgehälter um 4,0 % (2009), 2,6% (2010), 3,4 % (2011), 2,7 % (2012) und 2,6 % (2013) erhöht, wobei für die Jahre 2011 bis 2013 eine 13-monatige Laufzeit galt. Die Beklagte erhöhte in diesen Jahren das Ruhegeld unter Berücksichtigung der Laufzeit um 4,0 % in 2009, 2,6% in 2010, 3,16 % in 2011, 2,49 % in 2012 und 2,40 % in 2013. Zum 1. Juli 2014 erhöhte sie es erstmals auf Grundlage der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland des Monats Juni 2014 um 1,03 %. Hierüber unterrichtete sie den Kläger mit Schreiben vom 18. August 2014 (Anlage K 2, Bl. 11 d.A.). Nach der Erhöhung zahlte die Beklagte ab Juli 2014 dem Kläger ein monatliches Ruhegeld in Höhe von 1.110,83 € brutto.

Im November 2013 erhielt der Kläger ein Weihnachtsgeld in Höhe von 2.781,83 € brutto (Anlage K 17, Bl. 121 d.A.). Im Jahr 2014 erfolgte die Erhöhung nach dem Lebenshaltungskostenindex um 1,03 % auf 2.810,48 € brutto (Anlage K 18, Bl. 122 d.A.).

Für die Tarifbeschäftigten des Vattenfall-Konzerns wurden die Gehaltstarife ab dem 1. April 2014 bei einer 11-monatigen Laufzeit und der Vereinbarung eines „Leermonats“ um 1,8 % erhöht.

Mit Schreiben vom 8. Januar 2015 (Anlage K 3, Bl. 12-13 d. A.) begehrte der Kläger eine Erhöhung seiner Versorgungsbezüge um 12/11, d.h. um 1,96 % (1,8 % : 11 x 12) auf Grundlage der Entwicklung der Gehaltstarife. Die Beklagte lehnte eine solche Korrektur mit Schreiben vom 23. Februar 2015 (Anlage K 4, Bl. 14 d.A.) unter Verweis auf ein Schreiben an den S. V. E. R. H. e.V. vom 14. November 2014 (Anlage K 5, Bl. 15-16 d.A.) ab.

Mit seiner am 8. Mai 2015 erhobenen und der Beklagten am 22. Mai 2015 zugestellten Klage verfolgt der Kläger das Erhöhungsverlangen weiter.

Der Kläger hat geltend gemacht, auf Grundlage der begehrten Erhöhung um 1,96 %, der gewährten 1,03 % und der vor der Anpassung 2014 bezogenen Bruttobetriebsrente stehe ihm eine monatliche Differenz von 10,22 € brutto für die Monate Juli 2014 bis April 2015, insgesamt also eine Nachzahlung in Höhe von 102,20 € brutto zu; ferner könne er eine Differenz beim Weihnachtsgeld 2014 in Höhe von 25,87 € verlangen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die BV 2005.03 sei unwirksam, weil ihr ver.di nicht zugestimmt habe; deren Zustimmung sei gemäß Ziffer II/D Nr. 5.3 MTV HEW (Anlage K 7, Bl. 19 d. A.) erforderlich. Zudem habe ver.di der BV 2005.03 aufgrund der Verständigung zur gemeinsamen Tarifarbeit vom 26. September 2003 (Anlage B 1, Bl. 34-35 d. A.) zustimmen müssen. Darüber hinaus sei die BV 2005.03 unwirksam, weil der Vorstand der Beklagten nicht die Zustimmung des Aufsichtsrats eingeholt habe, die nach der Geschäftsordnung des Vorstands der Hamburgischen HEW AG erforderlich gewesen sei.

Schließlich sei die BV 2005.03 unwirksam, weil sie in unzulässiger Weise in die erworbenen Besitzstände der ehemaligen Arbeitnehmer eingreife. Die Änderung sei nicht nur geringfügig, sodass sie tragfähiger Gründe bedürfe.

Zumindest habe er aufgrund einer betrieblichen Übung einen Anspruch auf Anpassung des Ruhegeldes entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife. Die Beklagte habe nach der BV 2005.03 bereits seit dem Jahr 2005 die wirtschaftliche Lage des Unternehmens bei den Ruhegeldanpassungen berücksichtigen können bzw. müssen. Dies habe sie nicht getan und damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Die Versorgungsempfänger hätten darauf vertraut, dass die Beklagte weiterhin auf die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage bei der Bemessung der Anpassung des Ruhegeldes verzichten und die Erhöhung des Ruhegeldes an die tarifliche Entwicklung koppeln werde. Hier sei zu berücksichtigen, dass die wirtschaftlichen Belange auch in die Tarifverhandlungen einflössen, sodass die jeweilige wirtschaftliche Lage bereits in der Gehaltsentwicklung Berücksichtigung fände. Die wirtschaftliche Lage des Konzern habe sich nicht erst 2014 weniger gut entwickelt; vielmehr sei es bereits 2010 zu einem Rückgang der Umsatzerlöse gekommen, wie die Grafik auf Seite 8 des Schriftsatzes des Klägers vom 18. September 2015 (Bl. 51 d. A.) zeige.

Der Anspruch des Klägers auf Weihnachtsgeld ergebe sich aus dem 5. Abschnitt der BV 75.14. Tatsächlich habe der Kläger Anspruch auf eine Erhöhung entsprechend der Tariferhöhung 2014 um 1,8 % (wegen der Laufzeitumrechnung um 1,96%), mithin auf insgesamt 2.836,35 € brutto.

Die Ansprüche seien nicht verwirkt. Die Ausschlussfrist aus Ziffer 9 der Allgemeinen Bestimmungen der BV 75.14 in der Fassung der BV 82.08 vom 1. Januar 1982 (Anlage BB2, Bl. 222 ff., 229 d. A.) finde keine Anwendung. Der MTV 2006 sehe in § 37 Nr. 1 eine zweistufige Ausschlussfrist mit einer jeweiligen Fristlänge von 6 Monaten vor. Diese Regelung gelte gemäß § 37 Nr. 2 MTV 2006 auch für Ansprüche nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Möglichkeit einer abweichenden Regelung in Bezug auf Ausschlussfristen in einer Betriebsvereinbarung sei hier trotz des Verweises in § 36 Nr. 2 MTV 2006 auf die Versorgungssysteme der Beklagten nicht gegeben.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 128,07 € brutto nebst 5 %-Punkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Erhöhung und Festsetzung der laufenden Ruhegeldbezüge jeweils die Steigerung der Gehaltstarife gemäß Ziffer 7 der Betriebsvereinbarung Soziale Richtlinien (BV 75.14 in der Fassung ab 01. Juli 1986) zugrunde zu legen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Änderung sei gerechtfertigt und verhältnismäßig. Es handele sich nur um einen geringfügigen Eingriff. Die Kaufkraft der Betriebsrente bleibe erhalten. Die BV 2005.03 sei so zu verstehen, dass neben dem bisherigen Anpassungskriterium “Entwicklung der Gehaltstarife“ als weiteres Kriterium die „Entwicklung der Lebenshaltungskosten“ eingeführt und als kollektive Komponente die „wirtschaftliche Lage“ aufgenommen worden seien. Dies habe zur Folge, dass im Falle einer schlechten wirtschaftlichen Situation der Beklagten die Anpassung nicht mehr nach der Entwicklung der Gehaltstarife, sondern lediglich nach der Entwicklung der Lebenshaltungskosten zu erfolgen habe. Auch nach Inkrafttreten der BV 2005.03 erhöhe sich die Betriebsrente mindestens um die Steigerung der Lebenshaltungskosten im Anpassungszeitraum. Hätten die Betriebsparteien der HEW eine dem § 16 BetrAVG vergleichbare Anpassungsmöglichkeit schaffen wollen, hätten sie ohne weiteres die Anpassungsregelung in Ziffer 7 Abs. 2 BV 75.14 für vorzeitig ausscheidende Mitarbeiter für alle Mitarbeiter übernehmen können.

Sachliche, Willkür ausschließende Gründe für die Änderung ergäben sich bereits aus dem Umstand, dass die Änderung im Rahmen einer Betriebsvereinbarung mit Zustimmung der Tarifpartner vorgenommen worden sei. Man könne weder den Betriebsparteien noch der IG Metall unterstellen, dass sie eine willkürliche Änderung hätten durchführen wollen.

Maßgeblicher Grund für die Änderung der Anpassungsregelung mit der BV 2005.03 sei eine Beseitigung der der dem alten Regelungssystem immanenten Überversorgung der Versorgungsempfänger im Vergleich zur aktiven Belegschaft auch in schwierigen Zeiten gewesen. Diese ergebe sich aus einer höheren (Netto-)Steigerung der Versorgungsbezüge gegenüber der Vergütung der aktiven Beschäftigten, weil die Betriebsrentner keine „schmälernden“ Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen hätten und im Allgemeinen auch eine günstigere steuerliche Situation vorliege.

Zudem sei aufgrund der Einführung eines Konzerntarifwerks absehbar gewesen, dass künftig die Tarifentwicklung nicht mehr nur von der IG Metall sozusagen maßgeschneidert auf das Unternehmen HEW und dessen Leistungsfähigkeit zugeschnitten werde, sondern vielmehr auch von ver.di und der IGBCE, mithin von unternehmensfernen Gewerkschaften verhandelt werde. Deshalb habe eine unternehmensbezogene Komponente, nämlich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens, eingeführt werden müssen.

Selbst wenn die Änderung der Anpassungsregelung nicht mehr nur geringfügig wäre, wäre sie gerechtfertigt, da tragfähige Gründe bestünden. Diese bestünden zusammengefasst in der Kompensation der Überversorgung und dem Erhalt der Leistungsfähigkeit des Unternehmens.

Der Kläger werde von der BV 2005.03 schon deshalb erfasst, weil er sich zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch im aktiven Arbeitsverhältnis befunden hätte.

Ein Anspruch aus einer betrieblichen Übung komme nicht in Betracht, weil die Anpassung stets auf Grundlage einer kollektiven Regelung in Form der BV erfolgt sei. Bis zum Jahr 2013 sei die wirtschaftliche Situation des deutschen Vattenfall-Konzerns ausgeglichen bis gut gewesen, sodass eine Anpassung nach der Entwicklung der Gehaltstarife habe erfolgen können. Mit der Atomkatastrophe in Fukushima im März 2011 und dem von der Bundesregierung im Juni 2011 verkündeten kurzfristigen Atomausstieg und dem endgültigen Aus zweier Atomkraftwerke der Beklagten sei ihre Ergebnissituation unter Druck geraten. Hinzu komme, dass die Preise für Energie aus Windkraft sich aufgrund eines kontinuierlichen Anstiegs dieser Energieform deutlich verringert hätten. Von 2011 bis 2013 habe der Preisverfall noch durch Hedging vermieden werden können; 2014 sei eine Sicherung nur noch zu 77 % gelungen. In den folgenden Jahren werde sich die Hedging-Rate noch weiter verringern. Der Ergebniseinbruch im Jahr 2014 um ca. 300 Mio. € habe dazu geführt, dass die Anpassung der Ruhegelder nur nach der Entwicklung der Lebenshaltungskosten habe erfolgen können. Neben dieser Maßnahme seien im Jahr 2014 in Deutschland 1.500 Stellen gestrichen worden; für 2015/2016 sei eine weitere Streichung von 1.000 Stellen vorgesehen.

Die Beklagte beruft sich ferner auf die Nichteinhaltung der 4-monatigen Ausschlussfrist aus Ziffer 9 der Allgemeinen Bestimmungen der BV 75.14. Die Öffnungsklausel in § 36 Abs. 1 MTV, die vorsehe, dass für die bis zum 31. Dezember 2006 eingestellten Mitarbeiter die bisherigen Versorgungssysteme weiter gelten sollten, erfasse auch die in den Regelungen zu diesen Systemen enthaltenen Ausschlussfristen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 3. Februar 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch des Klägers aus Ziffer 7 Abs. 1 BV 75.14 auf eine Ruhegelderhöhung entsprechend der Steigerung der Gehaltstarife bestehe schon deshalb nicht, weil für den Kläger Ziffer 7 Abs. 2 BV 75.14 anwendbar sei. Diese Regelung gelte für Arbeitnehmer, die vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden und bereits eine Versorgungsanwartschaft erworben hätten. Nach dieser Regelung würden für vorzeitig ausscheidende Arbeitnehmer andere Anpassungsregelungen gelten als für die Arbeitnehmer, die mit Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden. Das sei bei dem 1947 geborenen Kläger der Fall, weil er bereits zum 1. Mai 2009 und damit vor Vollendung seines 65. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Für vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer enthielten sowohl Ziffer 7 Abs. 2 BV 75.14 als auch die BV 2005.03 eine Anpassungsregelung, die der gesetzlichen Anpassungspflicht für betriebliche Altersversorgungen gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG entspreche. Ein Anspruch auf Anpassung entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife bestehe für vorzeitig ausscheidende Arbeitnehmer wie den Kläger gerade nicht. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen das ihm am 15. Februar 2016 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 2. März 2016 bei Gericht eingegangenen und am 15. April 2016 begründeten Berufung.

Der Kläger macht geltend, er sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht vorzeitig im Sinne von Ziffer 7 Abs. 2 BV 75.14 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, sondern beziehe seit dem Ende des Arbeitsverhältnisses Ruhegeld nach den Sozialen Richtlinien der Beklagten. Er habe einen Anspruch gegen die Beklagte auf Vornahme der Ruhegelderhöhung auf Grundlage der Steigerung der Gehaltstarife gemäß Ziffer 7 Abs. 1 BV 75.14. Diese Regelung sei nicht durch Abs. 3 der BV 2005.03 abgelöst worden. Der Kläger verweist auf stattgebende Entscheidungen des Arbeitsgerichts in vergleichbaren Verfahren, insbesondere auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg vom 14. Oktober 2015 zum Az. 20 Ca 117/15 in der Anlage BK 3, Bl. 167 ff. d. A., und macht sich die dortigen Ausführungen zu Eigen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 03.02.2016 zum Aktenzeichen 14 Ca 218/15 abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 128,07 € brutto nebst 5 %-Punkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Erhöhung und Festsetzung der laufenden Ruhegeldbezüge jeweils die Steigerung der Gehaltstarife gemäß Ziffer 7 Abs. 1 der Betriebsvereinbarung Soziale Richtlinien (BV 75.14 in der Fassung ab 01. Juli 1986) zugrunde zu legen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, für die Beurteilung, ob die Änderung der Anpassungsregelung durch die BV 2005.03 rechtmäßig sei, seien die Wirksamkeitsvoraussetzungen für Tarifverträge maßgebend, da die Ruhegeldordnung auf einer tariflichen Regelung und nicht auf einer Betriebsvereinbarung beruhe. Letztlich hätten die Tarifvertragsparteien durch ihre Zustimmung vom 26. Oktober 2006 über die Änderungen des Anpassungsverfahrens entschieden.

Unter Zugrundelegung der Rechtsgrundsätze des Bundesarbeitsgerichts genügten für die Änderung der Anpassungsregelung in Ziffer 7 Abs. 1 BV 75.14 durch die BV 2005.03 sachlich nachvollziehbare Gründe. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Juni 2011 – 3 AZR 282/09 –, auf das sich die vom Kläger zitierte Entscheidung der 20. Kammer des Arbeitsgerichts sowie das Landesarbeitsgericht in den Entscheidungen der Verfahren 3 Sa 74/15 und 2 Sa 41/15 stützten, sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig. In den entschiedenen Fällen seien jeweils Kläger betroffen gewesen, die sich zum Zeitpunkt der Änderung der Anpassungsregelung bereits im Ruhestand befunden hätten. Demgegenüber habe sich der Kläger zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der BV 2005.03 zum 1. Juli 2005 in einem aktiven Arbeitsverhältnis gestanden. Der Eingriff sei damit nicht in laufende Versorgungsleistungen erfolgt. Das Bundesarbeitsgericht habe bereits mit Urteil vom 9. November 1999 – 3 AZR 432/98 – eine deutliche Trennung zwischen der Phase bis zum Eintritt des Versorgungsfalls und der Phase nach Eintritt des Versorgungsfalls gemacht. Nach Eintritt des Versorgungsfalls könnten nur noch geringfügige Verschlechterungen gerechtfertigt sein. Diese bedürften tragfähiger Gründe. Grund für diese Erfordernisse sei, dass nach Eintritt des Versorgungsfalls für die Arbeitnehmer nicht mehr die Möglichkeit bestünde, etwaige Versorgungslücken durch Eigenvorsorge zu schließen.

Der vorliegende Sachverhalt sei aber mit dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall nicht vergleichbar. Der Kläger habe sich zum Zeitpunkt des vermeintlichen Eingriffs in seine Versorgungsposition noch in der Anwartschaftsphase befunden und habe seine Gegenleistung im Sinne des Bundesarbeitsgerichts noch nicht vollständig erbracht.

Für Eingriffe in Versorgungsrechte während der Anwartschaftsphase habe das Bundesarbeitsgericht die zu beachtenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit in ein dreistufiges Prüfungsschema gefasst. Auf der untersten Stufe genügten für Eingriffe in dienstzeitabhängige, also im Zeitpunkt des Eingriffs noch nicht erdiente Zuwachsraten der Versorgungsanwartschaft sachlich proportionale Gründe. Dieser Eingriffsmaßstab sei erst recht dann anzuwenden, wenn wie hier nicht einmal die Versorgungsanwartschaft berührt werde, sondern der Eingriff lediglich in Rentenzuwächse erfolge, die in der Zukunft lägen. Dieser Eingriff sei durch die erstinstanzlich vorgetragenen sachlichen Gründe, auf die Bezug genommen werde, gerechtfertigt.

Die geänderte Anpassungsregelung der BV 2005.03 sei so zu verstehen, dass die wirtschaftliche Lage das Korrektiv zwischen einer Anpassung nach der Gehaltsentwicklung und einer Anpassung entsprechend dem Kaufkraftverlust bilde.

Für die Rechtsvorgängerin der Beklagten sei es angesichts der zu erwartenden Tarifentwicklung von herausragendem Interesse gewesen, die wirtschaftliche Lage in die Anpassungsregelung im Rahmen der BV 2005.03 einzuführen. Die dadurch für den Kläger zu besorgenden Nachteile seien gering. Selbst nach Ansicht des Arbeitsgerichts in der Entscheidung 20 Ca 117/15 habe die Berücksichtigung aller Kriterien gleichberechtigt zu erfolgen. Eine Übergewichtung der wirtschaftlichen Lage dergestalt, dass die im Anpassungszeitraum eingetretene Gehaltsentwicklung und der Kaufkraftverlust völlig unberücksichtigt blieben, komme weder im Wortlaut der Regelung zum Ausdruck und ergebe sich auch nicht bei der Auslegung. Ein Risiko, dass die Ausgangsrente des Klägers durch die Anpassungsregelung der BV 2005.03 ausgezehrt würde, bestehe nicht.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig und weitgehend begründet.

I.

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie ist zudem gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit auch im Übrigen zulässig.

II.

Die Berufung des Klägers hat in der Sache überwiegend Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die zulässige Klage ist hinsichtlich des Antrags zu 1 zum überwiegenden Teil und hinsichtlich des Antrags zu 2 vollen Umfangs zulässig und begründet.

Die Kammer folgt nach eigener Prüfung den Ausführungen der Entscheidung des LAG Hamburg vom 23. März 2016 – 3 Sa 74/15, soweit sie für die vorliegende Fallgestaltung passen, und macht sie sich zu Eigen. Im Einzelnen:

1. Die Klage ist hinsichtlich beider Anträge zulässig.

Der Klagantrag zu 1) ist dahingehend auszulegen, dass der Kläger als Nebenanspruch Zinsen in gesetzlicher Höhe, nämlich in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB, verlangt.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Klagantrag zu 2 als Feststellungsantrag zulässig, da die Voraussetzungen einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO i.V. mit § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG vorliegen. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I. 1. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

2. Der Klagantrag zu 1) ist in Höhe von 71,81 € brutto nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 23. Mai 2015 begründet, im Übrigen unbegründet. Der Urteilstenor enthält hier insoweit eine versehentliche Auslassung, wie die Worte „über dem Basiszinssatz“ hinter dem Wort Zinsen fehlen. Der Klagantrag zu 2) ist vollen Umfangs begründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, für die Erhöhung und Festsetzung der laufenden Ruhegeldbezüge des Klägers jeweils die Steigerung der Gehaltstarife zugrunde zu legen. Dies ergibt sich aus Ziffer 7 Abs. 1 BV 75.14. Diese Regelung ist nicht durch Abs. 3 der BV 2005.03 abgelöst worden (hierzu unter a.).

Deshalb hat der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Nachzahlung der Differenz zwischen der von der Beklagten erbrachten Ruhegeldleistung und dem sich unter Zugrundelegung der tariflichen Entgeltsteigerung ergebenden Ruhegeld für die Monate September 2014 bis einschließlich April 2015. Weiterhin hat er Anspruch auf die sich für das Weihnachtsgeld 2014 ergebenden Differenz. Insgesamt beläuft sich der Nachzahlungsbetrag auf € 71,81 brutto. Soweit der Kläger einen höheren Nachzahlungsbetrag begehrt, ist seine Berufung unbegründet, da das Arbeitsgericht die Klage insoweit zu Recht abgewiesen hat (hierzu unter b.).

a. Ziffer 7 Abs. 1 BV 75.14 gewährt einen Anspruch auf eine Ruhegeldanpassung entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife. Dass die Anpassung jeweils zum 1. Juli eines Jahres vorzunehmen ist, ist zwischen den Parteien unstreitig und wird im Übrigen auch durch Abs. 1 der BV 2005.03 klargestellt

aa. Da der Kläger mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. April 2009 zum 1. Mai 2009 in den Ruhestand getreten ist, ist für ihn Ziffer 7 Abs. 1 BV 75.14 und nicht Ziffer 7 Abs. 2 BV 75.14 anwendbar.

Soweit das Arbeitsgericht den Kläger der Gruppe der vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer zugeordnet hat, hat es übersehen, dass der Kläger als schwerbehinderter Mensch nach Ziffer 1.1 c) aa) des 2. Abschnitt der BV 75.14 in der Fassung der BV 82.08 bereits ab Vollendung des 60. Lebensjahres ruhegeldberechtigt war. Mit Vollendung des 62. Lebensjahres hat der Kläger von seiner Ruhegeldberechtigung Gebrauch gemacht und ist unmittelbar aus dem aktiven Arbeitsverhältnis in den Ruhestand eingetreten.

bb) Der Kläger kann nach Ziffer 7 Abs. 1 BV 75.14 eine Ruhegelderhöhung entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife verlangen. Diese Regelung ist jedenfalls auf die Gruppe der im Juli 2005 rentennahen Arbeitnehmer mit einer beinahe vollumfänglich erdienten Ruhegeldanwartschaft, der der Kläger angehört, nach wie vor anwendbar, weil sie nicht wirksam durch Absatz 3 der BV 2005.03 abgelöst worden ist. Für die Gruppe der Arbeitnehmer mit einer beinahe voll umfänglich erdienten Rentenanwartschaft gilt nichts anderes als für die Gruppe der im Juli 2005 bereits im Ruhestand befindlichen Arbeitnehmer (zu den Ruheständlern siehe LAG Hamburg, 23.03.2016 – 3 Sa 74/15).

Durch die BV 2005.03 ist die jährliche Anpassung der Ruhegeldhöhe sowohl für Ruheständler als auch für aktive Arbeitnehmer verschlechternd geregelt worden. Dahingestellt bleiben kann, ob es grundsätzlich möglich ist, durch eine ablösende Betriebsvereinbarung die Rechte von bereits im Ruhestand befindlichen Arbeitnehmer zu modifizieren (dagegen BAG 14.12.2010 – 3 AZR 799/08 – juris Rn 35; offen gelassen in BAG 28.06.2011 – 3 AZR 282/09 – juris Rn 23). Keiner Entscheidung bedarf auch, ob die BV 2005.03 für bestimmte Normunterworfene (teil)-unwirksam und für andere wirksam sein kann. Denn jedenfalls ist durch die Neuregelung (auch) in unverhältnismäßiger Weise in rechtlich geschützte Positionen der Arbeitnehmergruppe eingegriffen worden, der der Kläger angehört. Die Frage, ob die BV 2005.03 aufgrund der fehlenden Zustimmung von ver.di und des Aufsichtsrats der HEW unwirksam ist, braucht vor diesem Hintergrund nicht entschieden zu werden.

(aaa) Die Rechtsmäßigkeit der Änderung der Anpassungsregelung beurteilt sich nicht nach den Wirksamkeitsvoraussetzungen für Tarifverträge, wie die Beklagte meint, sondern nach den Wirksamkeitsvoraussetzungen für Betriebsvereinbarungen.

Die Ruhegeldordnung der Beklagten beruht auf einer Betriebsvereinbarung und nicht auf einem Tarifvertrag. Der MTV HEW enthält keine normativen Regelungen über eine betriebliche Altersversorgung. II/D Nr. 5.3 MTV HEW enthält lediglich eine durch einen Zustimmungsvorbehalt eingeschränkte Öffnungsklausel. Danach können Einzelheiten zum Ruhestand durch Betriebsvereinbarung geregelt werden, wobei Änderungen nur nach Zustimmung der Tarifpartner wirksam werden. Hieran hat sich auch durch die Einführung des MTV 2006 nichts geändert. Denn § 36 Abs. 1 S. 3 MTV 2006 regelt, dass für die bis zum 31. Dezember 2006 eingestellten Arbeitnehmer die bisherigen Versorgungssysteme weitergelten.

Der Zustimmungsvorbehalt für Änderungen der Versorgungsordnung bewirkt nicht, dass es sich um tarifliche Versorgungsregelungen handelt. Die Versorgungsregelungen sind nicht von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt worden, sondern von den Betriebsparteien. Die einer Tarifvertragspartei zustehende Möglichkeit, Tarifforderungen auch durch Arbeitskampfmaßnahmen Nachdruck zu verleihen und ggfs. durchzusetzen, stehen den Betriebsparteien nicht zur Verfügung. Kommt es nicht zu einer Einigung zwischen den Betriebsparteien, entscheidet ggfs. die Einigungsstelle gemäß § 76 BetrVG. Es stellt deshalb einen wesentlichen Unterschied dar, ob eine Regelung durch Betriebsvereinbarung oder durch Tarifvertrag geschaffen wird. Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien im MTV HEW vereinbart haben, dass eine Änderung der Versorgungsregelung ihrer Zustimmung bedarf, ändert nichts daran, dass die – geänderte – Versorgungsregelung zwischen den Betriebsparteien ausgehandelt wurde und die Rechtsqualität einer Betriebsvereinbarung hat. Wenn die Tarifpartner eine tarifliche Versorgungsordnung hätten schaffen wollen, hätten sie dies selbst durch Abschluss eines Versorgungstarifvertrags tun können; hiervon haben sie jedoch keinen Gebrauch gemacht.

(bbb) Das für das Verhältnis zweier Betriebsvereinbarungen zum selben Gegenstand geltende Ablösungsprinzip führt nicht dazu, dass die BV 2005.03 die Regelungen unter Ziffer 7 der Allgemeinen Bestimmungen der BV 75.14 ersetzt hätte.

Nach dem Ablösungsprinzip löst eine neue Betriebsvereinbarung eine ältere grundsätzlich auch dann ab, wenn die Neuregelung für den Arbeitnehmer ungünstiger ist. Das Ablösungsprinzip ermöglicht allerdings nicht jede Änderung. Soweit in bestehende Rechtspositionen eingegriffen wird, sind die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Deshalb unterliegen Betriebsvereinbarungen, die Versorgungsansprüche aus einer früheren Betriebsvereinbarung einschränken, einer entsprechenden Rechtskontrolle (BAG 14.12.2010 – 3 AZR 799/08 – juris Rn 20 m.w.N.). Hier führt die Rechtskontrolle zu dem Ergebnis, dass die BV 2005.03 in unverhältnismäßiger Weise jedenfalls in die Rechtspositionen der Ruheständler und der rentennahen Arbeitnehmer mit langjährig erdienten Ruhegeldanwartschaften eingegriffen hat.

(1) Die bei Einschnitten in Versorgungsrechte zu beachtenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit hat das Bundesarbeitsgericht durch ein dreistufiges Prüfungsschema präzisiert. Den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer sind entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe des Arbeitgebers gegenüberzustellen. Der unter der Geltung der bisherigen Ordnung und in dem Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag kann hiernach nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Das setzt zwingende Gründe voraus. Zuwächse, die sich – wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen – dienstzeitunabhängig aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Für Eingriffe in dienstzeitabhängige, also noch nicht erdiente Zuwachsraten genügen sachlich-proportionale Gründe (grundlegend BAG 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 – juris Rn 38 ff.; BAG 28.06.2011 – 3 AZR 282/09 – juris Rn 37).

(2) Dieses Schema ist auf Eingriffe in Versorgungsanwartschaften, nicht auf Eingriffe in laufende Leistungen zugeschnitten. Aber auch bei Veränderungen der Versorgungsordnung nach Eintritt des Versorgungsfalls ist auf die diesem Prüfungsschema zugrunde liegenden Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zurückzugreifen. In laufende Versorgungsleistungen darf daher nur eingegriffen werden, wenn tragfähige Gründe vorliegen. Das bedeutet, dass nach Eintritt des Versorgungsfalls in der Regel nur noch geringfügige Verschlechterungen gerechtfertigt sein können. Auch für geringfügige Eingriffe bedarf es sachlich nachvollziehbarer, Willkür ausschließender Gründe. Liegt ein mehr als geringfügiger Eingriff vor, müssen darüber hinausgehende Gründe bestehen. Sie müssen die konkrete Verschlechterung der Versorgungsordnung ausnahmsweise unter Berücksichtigung des durch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erworbenen Bestandsinteresses einerseits und der Schwere des Eingriffs andererseits aufgrund ganz erheblich überwiegender Interessen des Arbeitgebers tragen (BAG 28.06.2011 – 3 AZR 282/09 – juris Rn 38).

Dies beruht darauf, dass der Arbeitnehmer die den Versorgungsanspruch begründende Gegenleistung bereits vollständig erbracht hat und er nach Eintritt des Versorgungsfalls nicht mehr die Möglichkeit hat, etwaige Versorgungslücken durch Eigenvorsorge zu schließen (BAG 28.06.2011 – 3 AZR 282/09 – juris Rn. 38). Ob mehr als geringfügige Eingriffe vorliegen, hängt von den Nachteilen ab, die dem Versorgungsberechtigten durch die konkrete Änderung entstehen. Mehr als geringfügig sind danach solche Eingriffe in eine Anpassungsregelung, die dem Versorgungsempfänger - hätte er mit ihnen gerechnet - während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses vernünftigerweise hätten Anlass geben können, sie durch eine weitergehende private Absicherung auszugleichen (BAG, Urteil vom 28. Juni 2011 – 3 AZR 282/09 – m.w.N., juris).

(3) Eingriffe in die Anpassungsregelungen für Ruhegelder sind in dem dreistufigen Schema des Bundesarbeitsgerichts als Eingriffe in dienstzeitunabhängige Steigerungsfaktoren zu werten.

Wie sich aus den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in seiner grundlegenden Entscheidung vom 17. April 1985 ergibt, ist hinsichtlich der Zuwachsraten zu unterscheiden: Handelt es sich um Steigerungen, die sich aus der Dauer der Betriebszugehörigkeit ergeben (dienstzeitabhängige Steigerungsraten), so hat der Arbeitnehmer bei der Ablösung der Versorgungsordnung die für die Zuwächse in der Zukunft erforderliche Betriebstreue noch nicht erbracht. Dieser Teilwert ist noch nicht verdient. Anders ist eine gehaltsabhängige Dynamik zu beurteilen. Bei ihr soll der Wertzuwachs der Anwartschaft ohne Bindung an die Dienstzeit der Entwicklung eines Berechnungsfaktors folgen, der seinerseits variabel ist. Der Zweck der dienstzeitunabhängigen Steigerung (Dynamik) besteht nicht darin, die fortdauernde Betriebstreue zu vergüten und zum Maßstab der Rentenberechnung zu machen; vielmehr geht es darum, den Versorgungsfall flexibel zu erfassen. Der Anwartschaftswert soll sich dem durch die Höhe des Arbeitsentgelts geprägten Lebensstandard des begünstigten Arbeitnehmers bis zum Eintritt des Versorgungsfalls (Halbdynamik) oder sogar im Ruhestand (Volldynamik) anpassen. Soweit für eine solche entgeltabhängige Dynamik Betriebstreue geleistet ist, ist sie im Gegensatz zu den dienstzeitabhängigen Steigerungsraten schon erdient. Das ist für die Dynamik des Teils der Anwartschaft anzunehmen, der sich zur Zeit der Ablösung errechnet. Anteilig hat der Arbeitnehmer hierfür die Gegenleistung bereits erbracht (BAG 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 – juris Rn 40 f.). Zweck der entgeltabhängigen Steigerungen sowohl bis zum Eintritt des Versorgungsfalls als auch im Ruhestand ist es, die Anpassung der Betriebsrenten an den allgemeinen Lebensstandard zu gewährleiten (vgl. BAG 17.04.1985 – 3 AZR 72/83 – juris Rn 42).

(4) Hier ist die geänderte Anpassungsregelung bei Anwendung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls insoweit unwirksam, wie sich auf Ruheständler und auf solche Arbeitnehmer wie den Kläger erstreckt, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der BV 2005.03 aufgrund einer langjährigen – im Falle des Klägers 42-jährigen – Betriebszugehörigkeit eine erhebliche Ruhegeldanwartschaft einschließlich der zugesagten Anpassungsdynamik erdient hatten und kurz vor dem rechtlich frühestmöglichen Eintritt in den Ruhestand (der im Fall des Klägers zum 1. Mai 2007 möglich gewesen wäre) bzw. dem beabsichtigten Renteneintritt (im Fall des Klägers zum 1. Mai 2009) standen.

Für Eingriffe in die „erdiente Dynamik“ dieser Arbeitnehmer sind Gründe zu verlangen, deren Gewicht allenfalls geringfügig hinter dem Gewicht der Gründe zurückbleiben darf, das für Eingriffe in die Anpassungsregelungen für Arbeitnehmer nach Eintritt des Versorgungsfalls gefordert wird. Denn die rentennahen Arbeitnehmer mit beinahe vollumfänglich erdienten Ruhegeldanwartschaften haben ihre Gegenleistung für den Ruhegeldanspruch einschließlich der zugesagten Dynamik beinahe vollständig erbracht. In der kurzen Zeit bis zum Eintritt in den Ruhestand haben sie ebenso wie die bereits im Ruhestand befindlichen Arbeitnehmer keine Möglichkeit, sich auftuende Versorgungslücken durch weitergehende private Absicherung zu decken.

(5) Einer Angleichung der Voraussetzungen für den Eingriff in eine fast vollständig „erdiente Dynamik“ an die Voraussetzungen, die bei einem Eingriff in die Anpassungsregelungen mit Wirkung für die bereits im Ruhestand befindlichen Arbeitnehmer erfüllt sein müssen, steht auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. November 1999 (– 3 AZR 432/98 – juris) nicht entgegen. In dieser Entscheidung sieht das Bundesarbeitsgericht erhebliche Unterschiede zwischen Eingriffen in Versorgungsanwartschaften und Eingriffen in die Anpassungsregelungen für laufende Versorgungsleistungen. Das Bundesarbeitsgericht differenziert hierbei nach dem Gegenstand des Eingriffs und nicht nach der Situation, in der sich die von der Änderung betroffenen Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der verschlechternden Regelung befinden. Unterschiedliche Anforderungen je nachdem, ob der Eingriff in die Anpassungsdynamik die Arbeitnehmer kurz vor oder nach dem Eintritt des Versorgungsfalls trifft, formuliert das Bundesarbeitsgericht mit dieser Entscheidung gerade nicht.

Ob die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen Eingriffen in Versorgungsanwartschaften und Eingriffen in die Anpassungsregelungen für laufende Versorgungsleistungen weiterhilft, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ergeben sich die Anforderungen an den rechtfertigenden Grund auch nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 9. November 1999 aus den allgemeinen Prinzipien des Vertrauensschutzes und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (BAG 09.11.1999 – 3 AZR 432/98 – juris Rn), sodass es entscheidend auf die Intensität des Eingriffs und die Qualität des bereits erdienten Rechts ankommt: Je stärker das erdiente Recht und je intensiver der Eingriff, desto gewichtiger muss der die Änderung tragende Grund sein.

(6) Unter Zugrundelegung der dargestellten Rechtsgrundsätze genügen für die Änderung der Anpassungsregelung in Ziffer 7 Abs. 1 der BV 75.14 durch die BV 2005.03 sachlich nachvollziehbare Gründe weder für die Versorgungsberechtigten noch für die rentennahen Arbeitnehmer mit langjährig erdienten Versorgungsanwartschaften. Der Eingriff in die starke Rechtsposition auf Seiten der Arbeitnehmer, nämlich die vollständig (Ruheständler) oder fast vollständig (rentennahe Arbeitnehmer) erdiente Dynamik, ist mehr als geringfügig.

Während § 7 Abs. 1 der BV 75.14 den Versorgungsberechtigten ein Recht auf Anpassung ihrer Versorgungsbezüge allein nach der Entwicklung der Gehaltstarife gibt, ist bei der Anpassung nach Abs. 3 der BV 2005.03 erstmals auch die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Gründe, die diesen Eingriff tragen, liegen nicht vor.

Die Auffassung der Beklagten, auch nach der BV 2005.03 habe stets zumindest eine Anpassung in Höhe der Steigerung der Lebenshaltungskosten zu erfolgen, teilt die Kammer nicht.

Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters nach den für Tarifverträge und Gesetze geltenden Regeln auszulegen. Auszugehen ist dabei vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 18.09.2012 – 3 AZR 431/10 – juris).

Nach diesen Grundsätzen steht der von der Beklagten begehrten Auslegung, wie das Arbeitsgericht Hamburg in der Entscheidung – 20 Ca 117/15 – zutreffend ausgeführt hat, bereits der eindeutige Wortlaut von Abs. 3 der BV 2005.03 entgegen. Dort sind die Anpassungskriterien „Entwicklung der Gehaltstarife“, „Lebenshaltungskosten bzw. Realeinkommen“ und „wirtschaftliche Lage der HEW“ hintereinander gleichberechtigt aufgezählt, was durch die Konjunktion „sowie“ zum Ausdruck kommt. Wenn die Betriebsparteien die von der Beklagten angenommene Regelung gewollt hätten, hätten sie dies durch die Formulierung zum Ausdruck bringen können, dass die Festlegung der Höhe des Anpassungssatzes – abhängig von der wirtschaftlichen Lage der HEW - entweder nach der Entwicklung der Gehaltstarife oder nach der Entwicklung der Lebenshaltungskosten erfolgt. Eine solche gewollte Verknüpfung einer – alternativen – Anpassung des Ruhegeldes nach der Gehaltsentwicklung oder der Verbraucherpreisentwicklung kommt jedoch in Abs. 3 der BV 2005.03 nicht andeutungsweise zum Ausdruck.

Der Einwand der Beklagten, wenn die Betriebsparteien eine der Regelung des § 16 BetrAVG entsprechende Anpassungsregelung hätten vereinbaren wollen, hätten sie ohne weiteres die Anpassungsregelung der BV 75.14 für vorzeitig ausgeschiedene Mitarbeiter für alle Mitarbeiter in die BV 2005.03 übernehmen können, rechtfertigt keine andere Bewertung. Die Betriebsparteien wollten offensichtlich die aus dem Arbeitsverhältnis in den Ruhestand übertretenden und die bereits im Ruhestand befindlichen ehemaligen Mitarbeiter anders behandeln als vorzeitig ausgeschiedene Mitarbeiter mit einer Ruhegeldanwartschaft. Dies ergibt sich aus den unterschiedlichen Anpassungsregelungen in Abs. 1 bis 3 der BV 2005.03 einerseits und Abs. 4 andererseits. Auch wenn die mit Eintritt des Versorgungsfalles ausscheidenden Mitarbeiter gegenüber den vorzeitig ausscheidenden Mitarbeitern dadurch bessergestellt werden, dass bei ihnen eine jährliche Anpassungsprüfung stattzufinden hat, bei der auch die Gehaltsentwicklung der aktiven Arbeitnehmer zu berücksichtigen ist, ändert sich jedoch nichts an dem Umstand, dass für sie bei der Anpassung der Betriebsrenten erstmals auch die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers maßgeblich sein soll.

Da nach der Regelung in Abs. 3 der BV 2005.03 bei der Anpassungsentscheidung die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers gleichberechtigt neben der Entwicklung der Gehaltstarife und der Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen ist, wird dem Arbeitgeber damit die Möglichkeit eingeräumt, bei schlechter wirtschaftlicher Lage eine Anpassung der Betriebsrenten auch unterhalb des Anstiegs der Lebenshaltungskosten vorzunehmen oder ggfs. eine Anpassung auch ganz zu unterlassen. Damit besteht die Gefahr der Auszehrung der Betriebsrenten. Dies ist bei der Prüfung der Wirksamkeit der Neuregelung zu berücksichtigen. Dass sich im Falle des Klägers diese Gefahr bislang nicht realisiert hat, weil bis zum Jahr 2013 seine Betriebsrente entsprechend der Tarifentwicklung angepasst wurde, ändert daran nichts. Die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung beurteilt sich nicht danach, welche Auswirkungen sie im Zeitpunkt ihrer Überprüfung hat, sondern ob sie wirksam zustande gekommen ist.

(7) Die Änderung ist unverhältnismäßig, weil sie auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorgebrachten Gründe zu weitgehend ist.

Ein innerer Zusammenhang zwischen der Regelung, die erstmals auch die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers ermöglicht, und den Gründen für die Anpassung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Gründe für die Änderung der Anpassung auf der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens im Sinne des § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG beruhen (LAG Bremen 20.09.2012 – 4 Sa 18/12 – juris).

Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die wirtschaftliche Situation ihre Rechtsvorgängerin bei Abschluss der BV 2005.03 es geboten hätte, bei der Anpassung der Betriebsrenten die wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Vielmehr ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten, dass die wirtschaftliche Situation des deutschen Vattenfall Konzerns bis zum Jahr 2013 gut war. Die bloße Befürchtung, durch die Schaffung eines Konzerntarifwerkes sei nicht mehr zu erwarten gewesen, dass nicht mehr wie in der Vergangenheit „maßgeschneiderte“ Tarifverträge zustande kommen würden, konnte den Eingriff in die bestehenden Ruhestandsverhältnisse nicht rechtfertigen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass absehbar gewesen wäre, die künftige Tarifentwicklung werde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der HEW übersteigen, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Im Übrigen hätte es dann genügt, die Anpassung der Betriebsrenten auf den Anstieg der Verbraucherpreise zu beschränken.

Gleiches gilt für den von der Beklagten vorgetragenen Zweck des Abbaus einer Überversorgung. Auch dieser Zweck hätte allenfalls eine Änderung der Anpassungsregelung dahingehend rechtfertigen können, dass eine Steigerung entsprechend der Gehaltsentwicklung oder der Teuerungsrate zu erfolgen hat. Für die vorliegende, darüber hinausgehende Regelung besteht demgegenüber kein Grund.

Dass im Streitfall tatsächlich zum 1. Juli 2014 eine Anpassung entsprechend der Teuerungsrate erfolgt ist, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der ablösenden Regelung in der BV 2005.03 unerheblich. Insoweit kommt es lediglich auf den abstrakten Regelungsinhalt der BV 2005.03 an.

b. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger einen Gesamtbetrag von € 71,81 brutto als weiteres Altersruhegeld und als weiteres Weihnachtsgeld für 2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit, also ab dem 23. Mai 2015 zu zahlen.

Soweit der Kläger mit dem Klagantrag zu 1) einen darüber hinausgehenden Nachzahlungsbetrag verlangt, ist die Berufung unbegründet.

aa. Die Ansprüche für die Monate Juli und August 2014 sind verfallen. Der Kläger hat sie nicht binnen der 4-monatigen Ausschlussfrist gemäß Ziffer 9 der Allgemeinen Bestimmungen der Sozialen Richtlinien in der Fassung der BV 82.02 geltend gemacht.

Die unter Ziffer 9. der Allgemeinen Bestimmungen der Sozialen Richtlinien in der Fassung der BV 82.02 enthaltene 4-monatige Ausschlussfrist geht der in § 37 MTV 2006 enthaltenen 6-monatigen Ausschlussfrist vor. Die Kammer folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im Urteil vom 14.10.2015 – 20 Ca 117/15.

Die in Ziffer 9 BV 82.02 enthaltene Ausschlussfrist geht nach dem Grundsatz der Spezialität der allgemeinen Regelung im TV vor. Sie gilt als speziellere Regelung nur für die Ansprüche aus den sozialen Richtlinien. Aufgrund der Öffnungsklausel in Ziffer II/D Nr. 5.3 MTV HEW ist die Regelung auch zulässig. Die Tarifparteien haben den Betriebsparteien das Recht eingeräumt, die Einzelheiten der Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung zu regeln. Hierzu gehören nicht nur Regelungen über das Entstehen der Ansprüche, sondern auch solche, die ihr Erlöschen, z. B. durch Verfall, zum Inhalt haben.

Der Kläger hat Ansprüche auf weitere Altersversorgungsleistungen für die Monate ab Juli 2014 erstmals mit Schreiben vom 8. Januar 2015 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Dieses Geltendmachungsschreiben konnte nur die Ansprüche für die Monate ab September 2014 erfassen. Da die Altersversorgungsansprüche grundsätzlich jeweils am Monatsende fällig werden, liegen zwischen der Fälligkeit der Ansprüche für Juli 2014 – für die der Zugang des Mitteilungsschreibens der Beklagten vom 18. August 2014 maßgeblich ist – und August 2014 mehr als 4 Monate.

bb. In Anwendung der Anpassungsregelung aus Ziffer 7 Abs. 1 BV 75.14 kann der Kläger eine Erhöhung der Altersversorgung sowie des Weihnachtsgeldes lediglich um 1,65 % verlangen. Soweit der Kläger ein Steigerungssatz von 1,96 % zugrundegelegt und höhere Nachzahlungsbeträge ermittelt hat, ist ein Anspruch nicht gegeben.

Die Erhöhung der Tarifentgelte für die Arbeitnehmer um 1,8 % ab dem 1. April 2014 erfolgte für lediglich 11 Monate bei Vereinbarung eines Leermonats. Vor diesem Hintergrund erscheint es angemessen, für die verstetigte Erhöhung des Altersruhegeldes die Gehaltssteigerung auf 12 Monate „hochzurechnen“. Hieraus ergibt sich ein Steigerungsbetrag von 1,65 % (siehe hierzu auch ArbG Hamburg 14.10.2015 – 20 Ca 117/15). Zinseszinseffekte hat der Kläger nicht geltend gemacht.

Die Beklagte hat das monatliche Altersruhegeld des Klägers zum 1. Juli 2014 um 1,03 % auf 1.110,83 € brutto erhöht. Bei Anwendung der Grundsätze der Prozentrechnung belief sich der monatliche Steigerungsbetrag hierbei auf € 11,32 brutto.

Bei der gebotenen Erhöhung um 1,65 % beträgt der Steigerungsbetrag € 18,14 brutto monatlich. Der Kläger kann mithin den Differenzbetrag von € 6,82 brutto für die Monate September 2014 bis April 2015, also 8 x € 6,82 brutto verlangen.

Hinzu kommt die Differenz beim Weihnachtsgeld. Wird hier eine Steigerung um 1,65 % statt um 1,03 % vorgenommen, ergibt sich ein weiterer zu zahlender Betrag in Höhe von 17,25 € brutto.

Der Kläger hat weiterhin einen Anspruch auf Verzinsung des Betrages in gesetzlicher Höhe, also in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, ab Rechtshängigkeit. Wegen der Zustellung der Klageschrift am 22. Mai 2015 ist der Zinsbeginn der 23. Mai 2015 (§ 187 Abs. 1 BGB).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie überwiegend unterlegen ist und die Zuvielforderung keine höheren Kosten veranlasst hat.

IV.

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.