AG Ahaus, Beschluss vom 19.03.2015 - 12 F 171/14
Fundstelle
openJur 2016, 10463
  • Rkr:
Tenor

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin, beginnend ab dem 01.01.2015, zahlbar jeweils bis zum 5. Werktage eines jeden Monats im Voraus, eine monatliche Nutzungsvergütung in Höhe von 136,50 Euro zu zahlen.

Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsgegner zu 30 Prozent und die Antragstellerin zu 70 % Prozent.

Der Beschluss ist sofort wirksam.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Inanspruchnahme wegen Neuregelung der Verwaltung und Benutzung gemäß § 745 Abs. 2 BGB im Rahmen einer Gütergemeinschaft.

Die Beteiligten sind rechtskräftig voneinander geschiedene Eheleute. Sie vereinbarten bei Eheschließung den Güterstand der Gütergemeinschaft.

Die Verfahrensbeteiligten sind in Gütergemeinschaft Eigentümer der Haus- und Grundbesitzung X-grund ... a in ...# B.. Die Immobilie gehört zum Gesamtgut. Sie weist eine Gesamtwohnfläche von 140 qm auf, Baujahr 1978. Die Gütergemeinschaft ist bislang noch nicht beendet.

Die Immobilie wird gegenwärtig von dem Antragsgegner und dem gemeinsamen volljährigen Sohn der Beteiligten bewohnt. Die zwei weiteren volljährigen Kinder der Beteiligten wohnen an ihren jeweiligen Studienorten und halten sich nur gelegentlich am Wochenende oder in den Ferien dort auf.

Unter dem 25.09.2014 forderte die Antragstellerin von dem Antragsgegner die Zahlung einer Nutzungsvergütung in Höhe von monatlich 450,00 Euro.

Mit Schreiben vom 11.12.2014 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner dann zur Zahlung einer Nutzungsvergütung in Höhe von monatlich 400,00 Euro, anderenfalls zu einer Räumung der Immobilie bis zum 31.12.2014 auf.

Die Antragstellerin behauptet, die objektive Marktmiete der Immobilie liege bei 800,00 Euro. Sie ist der Auffassung, dass in ihrem Falle § 745 Abs. 2 BGB analog angewendet werden könne. Zwar handele es sich unstreitig nicht um eine Bruchteils-/Miteigentumsgemeinschaft an der Immobilie, eine Analogie entspreche aber der Billigkeit.

Sie beantragt daher,

den Antragsgegner zu verpflichten, an sie, beginnend ab November 2014, zahlbar jeweils bis zum 5. Werktag eines jeden Monats im Voraus, eine Nutzungsvergütung in Höhe von 400,00 Euro zu zahlen,

den Antragsgegner darüber hinaus zu verpflichten, für die Monate September und Oktober 2014 eine rückständige Nutzungsvergütung an sie in Höhe von 800,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus jeweils 400,00 Euro seit dem 07.10.2014 zu zahlen.

Hilfsweise beantragt sie,

den Antragsgegner zu verpflichten, sein Einverständnis zu erklären, dass aus dem Gesamtgut an sie monatliche Zahlungen in Form einer Nutzungsentschädigung in Höhe von jeweils 400,00 Euro monatlich, beginnend ab November 2014, zahlbar jeweils zum 5. Werktag eines jeden Monats im Voraus geleistet werden,

den Antragsgegner zu verpflichten, sein Einverständnis damit zu erklären, dass für die Monate September und Oktober 2014 aus dem Gesamtgut an sie eine rückständige Gesamt-Nutzungsentschädigung in Höhe von 800,00 Euro gezahlt wird, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus jeweils 400,00 Euro, seit dem 07.10.2014.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Er bestreitet, dass der objektive Marktwert 800,00 Euro betrage. Zudem behauptet er, das Vorhalten der Wohnmöglichkeit für die Kinder müsse als Ausstattung und Kostenauslage für die gemeinsamen Kinder berücksichtigt werden. Zudem sei die Geltendmachung einer Nutzungsvergütung sittenwidrig, da er alleine Sorge dafür trage, dass die volljährigen gemeinsamen Kinder noch in das Familienheim zurückkehren könnten. Schließlich ist er der Ansicht, § 745 Abs. 2 BGB sei nicht analog anwendbar, da die Vorschriften über die Gütergemeinschaft vorgingen. Dies schließe eine Analogie aus.

Wegen des weiteren Vortrages wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Anträge der Antragstellerin haben in dem tenorierten Umfang Erfolg.

1)

Der Antragsstellerin steht der geltend gemachte Nutzungsersatzanspruch dem Grunde nach gemäß § 745 Abs. 2 BGB analog zu.

Vorliegend handelt es sich bei der Immobilie unstreitig nicht um ein Bruchteilseigentum der Beteiligten, sondern um ein Gemeinschaftsgut der Gütergemeinschaft. Dies schließt die direkte Anwendung des § 745 Abs. 2 BGB aus.

Der Anspruch der Antragsstellerin ergibt sich aber unter Heranziehung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Bruchteilsgemeischaft, hier § 745 Abs. 2 BGB (vgl. OLG Jena, 1 UF 89/06; LG Frankfurt (Oder) 6a S 167/06).

Eine solche Anwendung steht der Vermögensauseinandersetzung nach den spezielleren Vorschriften über die Gütergemeinschaft, §§ 1415 ff BGB, auch nicht entgegen.

Die Anwendung der Vorschriften über die Bruchteilsgemeinschaft ist nämlich nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Denn auf die Vorschriften der Gütergemeinschaft sind die Vorschriften der Gemeinschaft nach §§ 741 ff BGB mit den sich aus §§ 1471 ff BGB ergebenden Abweichungen durchaus anwendbar (vgl. Palandt/Sprau, 74. Auflage, § 741 Rn 5, Palandt/Brudermüller, 74. Auflage vor § 1471 Rn 1).

Zudem geht es bei einem Nutzungsersatzverlangen gar nicht um die Auseinandersetzung der Vermögensgemeinschaft, da die Auseinandersetzung der Vermögensgemeinschaft die Frage nach der endgültigen Zuweisen von Vermögensgegenständen betrifft, und gerade nicht das Rechtsverhältnis für die bis dahin vergangene Zeit.

Zur Regelung genau dieser Zeit - nämlich bis zur Auseinandersetzung der Vermögensgemeinschaft - fehlt es an einer speziellen Regelung. In den Vorschriften über die Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft regelt lediglich § 1472 BGB insoweit, dass bis zur Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft eine gemeinschaftliche Verwaltung vorgesehen ist, so dass die Ehegatten gemäß §§ 1471 Abs. 2, 1419 Abs. 1 2. Hs BGB nicht berechtigt sind, die Teilung zu verlangen. Damit ist aber die Geltendmachung eines Nutzungsersatzes in der Gütergemeinschaft für die Zeit vor der Auseinandersetzung nicht ausgeschlossen (vgl. LG Frankfurt (Oder) aaO). Eine weitere Regelung für die Zeit bis zur Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft existiert nicht. Diese Regelungslücke ist auch als planwidrig zu beurteilen, so dass eine analoge Anwendung erfolgen kann.

Schließlich spricht aber auch die unverhältnismäßig lange Dauer der Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft für die entsprechende Anwendung des § 745 Abs. 2 BGB. Erfahrungsgemäß dauert die Auseinandersetzung mehrere Jahre. Dass während dieser Zeit, der nicht in der Ehewohnung verbleibende Ehegatte, keinerlei Ausgleich für das Gemeinschaftsgut erhält, ist für diesen nicht zumutbar und auch unverhältnismäßig.

2)

Gemäß § 745 Abs. 2 BGB kann jeder Ehegatte nach der Trennung eine dem Interesse des anderen Ehegatten nach billigem Ermessen entsprechende Neuregelung der Verwaltung und Benutzung einer ihnen gemeinschaftlich gehörenden und bisher gemeinschaftlich genutzten Ehewohnung verlangen. Vorliegend sind die Beteiligten geschiedene Ehegatten. Das Haus X-grund ... gehört beiden Beteiligten gemeinschaftlich.

Die begehrte Neuregelung kann auch statt auf die Abgabe einer Willenserklärung - wie vorliegend - unmittelbar auf einen Zahlungsanspruch gerichtet sein (vgl. BGH FamRZ 194, 822).

Der Antragstellerin steht der Anspruch allerdings erst ab dem 01.01.2015 zu. Eine Nutzungsentschädigung steht dem weichenden Teilhaber frühestens ex nunc ab dem Zeitpunkt zu, ab dem er gemäß § 745 Abs. 2 BGB eine Neuregelung mit der hinreichenden Deutlichkeit verlangt. Der weichende Teilhaber muss also klar zum Ausdruck bringen, entweder eine Zahlung und den Auszug des anderen Teils herbeizuführen. Erst mit Schreiben vom 11.12.2014 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner zur Zahlung einer Nutzungsvergütung in Höhe von monatlich 400,00 Euro, anderenfalls zu einer Räumung der Immobilie bis zum 31.12.2014 auf.

3)

Der Höhe nach kann die Antragstellerin grundsätzlich die Hälfte des monatlichen Mietwertes der Immobilie verlangen.

Zur Bestimmung des Mietwertes, hat sich das Gericht dem qualifizierten Mietspiegel der Stadt Ahaus - Stand 1. Januar 2015 - bedient. Bei einem Baujahr von 1978, fällt die Immobilie ist die Gruppe II der Mietwerttabelle (mittlere Wohnlage: 3,20 Euro - 3,90 Euro pm²; gute Wohnlage: 3,50 Euro - 4,71 Euro pm²). X-grund ... befindet sich nach den allgemeinen Grundsätzen in einer guten Wohnlage. Dabei hat das Gericht insbesondere die umgebende Nutzungen (Wohnen, Gewerbe usw.), die Gepflegtheit von Straßenbild und Wohnumfeld, die bauliche Dichte, die Verkehrsbelastung, die Beeinträchtigungen durch Lärm und Staub, die Verkehrsanbindung (u. a. öffentlicher Nahverkehr), die Versorgung durch Läden mit Gütern des täglichen Bedarfs, die Lage zum Stadtzentrum (Zentralität) uä. gewertet. Nach dem Vortrag der Parteien ist auf eine durchschnittliche Ausstattung der Immobilie zu schließen. Die Antragsstellerin hat lediglich pauschal vorgetragen, die Ausstattung sei gehoben und auf das neu eingerichtete Bad verwiesen. Selbst wenn das Badezimmer und das Gäste WC neu eingerichtet worden sind, bedeutet dies jedoch nicht, dass eine gehobene Ausstattung vorliegt. Der Antragsgegner hat bestritten, dass die Ausstattung gehoben sei. Die Antragstellerin hat daraufhin insbesondere keinen weiteren substantiierten Vortrag geleistet, der für eine gehobene Ausstattung spräche. Da die Immobilie nicht in B1. direkt, sondern in B., steht, ist ein kleiner Abschlag vorzunehmen. Insofern kommt das Gericht zu einem Quadratmeterpreis von 3,90 Euro. Bei einer Wohnfläche von 140 m², beträgt der monatliche Mietwert 546 Euro. Die Hälfte beträgt 273 Euro.

Die Antragstellerin kann jedoch vorliegend nur ¼ des monatlichen Mietwertes, nämlich 136,50 Euro, geltend machen. Denn vorliegend lebt unstreitig auch der gemeinsame volljährige Sohn der Beteiligten in der Immobilie. Der Antragsgegner nutzt die Immobilie also nicht alleine. Mit der Nutzung durch den gemeinsamen Sohn ist die Antragstellerin auch einverstanden. Jedenfalls hat sie ihr Räumungsverlangen nicht gegenüber ihren Sohn geäußert. Da der Sohn folglich im Einvernehmen dort wohnt, hat die Antragstellerin auch im Einvernehmen mit dem Antragsgegner über einen Teil des ihr zustehenden Nutzungsrechts verfügt, so dass sie insoweit auch keine Nutzungsentschädigung von dem Antragsgegner verlangen kann (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, 9 W 21/02). Denn anders als bei der Nutzung durch einen Elternteil mit minderjährigen Kindern, dem es obliegt Wohnraum für die gemeinsamen Kinder bereitzustellen, ist die unentgeltliche Nutzung des Hauses durch volljährige Kinder keine solche Nutzung, die dem Antragsgegner zuzurechnen wäre. Insoweit kann die Antragstellerin von dem Antragsgegner nur in die Hälfte des monatlichen Mietwerts des von ihm tatsächlichen genutzten Wohnraums verlangen. Bei einem Bewohnen der Immobilie durch zwei erwachsene Männer, liegt dieser Anteil bei jeweils ½.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist allerdings kein weiterer Abschlag für die beiden weiteren volljährigen Kinder vorzunehmen. Denn diese wohnen nicht in der Immobilie. Zwar mag es so sein, dass sie sich gelegentlich am Wochenende oder in den Ferien dort aufhalten, aber ein dauerhaftes Wohnen in der Immobilie liegt nicht vor. Dass der Antragsgegner noch die Zimmer der Kinder bereit hält, ist zwar nett, aber nicht verpflichtend notwendig, so dass dies nicht der Antragstellerin entgegengehalten werden kann.

4)

Schließlich ist die Geltendmachung des Anspruchs auch nicht sittenwidrig. Dass der Antragsgegner der einzige ist, der dafür sorgt, dass die gemeinsamen volljährigen Kinder weiterhin in das Familienheim zurückkehren können, ist überaus edel, jedoch unterhaltsrechtlich ebenfalls nicht verpflichtend. Dem Antragsgegner obliegt es vorliegend nicht mehr, den Kindern eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Wenn er dies dennoch tut, erfolgt dies alleine aufgrund seiner eigenen freiwilligen Haltung. Dies kann nicht zu Lasten der Antragstellerin berücksichtigt werden.

5)

Der Antragstellerin steht die Geltendmachung einer rückwirkenden Nutzungsentschädigung für die Monate September und Oktober 2014 nicht zu, da die Formerfordernisse des § 745 Abs. 2 BGB nicht gewahrt wurden. Erst mit der ernsthaften Aufforderung zur Zahlung oder zum Auszug vom 11.12.2014, mit Frist bis zum 31.12.2014, tritt die Wirkung des § 745 Abs. 2 BGB ein.

Da die Antragstellerin bereits mit dem Hauptantrag (Zahlungsverlangen) dem Grunde nach Erfolg hat, bedarf es keine Entscheidung mehr über die Hilfsanträge (Zustimmungsverlangen zur Zahlung).

Die Kostenentscheidung folgt aus 81 Abs. 1 FamFG.

Die sofortige Wirksamkeit ergibt sich aus § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG.

Der Verfahrenswert wird auf 5.600 € festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Ahaus, Sümmermannplatz 1 - 3, 48683 Ahaus schriftlich in deutscher Sprache durch einen Rechtsanwalt einzulegen.Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Ahaus eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen.Darüber hinaus muss der Beschwerdeführer einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begründen. Die Frist hierfür beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Innerhalb dieser Frist müssen der Sachantrag sowie die Begründung unmittelbar bei dem Beschwerdegericht - Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm - eingegangen sein.Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind.