OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.07.2002 - 7 B 831/02
Fundstelle
openJur 2011, 21278
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 10 L 448/02
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 18.600,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Rücknahmebescheid des Antragsgegners vom 15. Januar 2002 in der Fassung der Ergänzung vom 28. Februar 2002 zu Recht wiederhergestellt, weil der Rücknahmebescheid offensichtlich rechtswidrig ist.

Mit dem strittigen Bescheid vom 15. Januar 2002 hat der Antragsgegner den der Antragstellerin erteilten Vorbescheid vom 25. Oktober 2000 gemäß § 48 VwVfG NRW zurückgenommen, "weil die Zulassung des Vorhabens dem bestehenden Recht widersprach und noch widerspricht". Dabei hat er mit dem ergänzenden Schreiben vom 28. Februar 2002 den Bescheid dahin "präzisiert", dass die Rücknahme auf den Zeitpunkt der Erteilung des Vorbescheids zurück wirkt, mithin 'ex tunc' gilt.

Die Rücknahme ist nach der Begründung des strittigen Bescheides ausschließlich damit begründet, durch die positive Beurteilung des Sachverhalts im Vorbescheid würden aus bauordnungsrechtlicher Sicht Verhältnisse geschaffen, die gesetzlichen Bestimmungen zuwiderlaufen. Im Baugenehmigungsverfahren sei festgestellt worden, dass bei Realisierung des Vorhabens sich die Notwendigkeit einer Stützmauer ergäbe, die in Verbindung mit der geplanten Schallschutzwand - es handelt sich um die Schallschutzwand, die in dem der Voranfrage beigefügten Lageplan an der Nordseite des Baugeländes zu der dort angrenzenden Wohnbebauung hin eingetragen ist - Abstandflächen iSv § 6 BauO NRW auslöst; es lägen damit Verstöße gegen das Bauordnungsrecht, insbesondere § 6 BauO NRW, vor.

Diese Begründung vermag - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - die Rücknahme des Vorbescheids schon deshalb nicht zu tragen, weil sie dessen Rechtswidrigkeit aus bauordnungsrechtlichen Verstößen herleitet, Fragen des Bauordnungsrechts jedoch gar nicht Regelungsgegenstand des Vorbescheids waren.

Der Regelungsgehalt eines Vorbescheids, der gemäß § 71 Abs. 1 BauO NRW "zu Fragen des Bauvorhabens" ergehen kann, beurteilt sich im Grundsatz nicht anders als bei einer Baugenehmigung iSv § 75 BauO NRW. Für deren Inhalt ist in erster Linie die im Bauschein getroffene Regelung maßgebend. Der Bauschein bestimmt insbesondere Art und Umfang des genehmigten Vorhabens. Die nach § 69 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW mit dem Bauantrag einzureichenden Bauvorlagen haben demgegenüber in aller Regel keine selbstständige Bedeutung, vielmehr eine konkretisierende und erläuternde Funktion. Wenn und soweit der Text des Bauscheins abschließende und erschöpfende Regelungen trifft, so hat es damit sein Bewenden. Von ausdrücklichen Regelungen des Bauscheins abweichende Darstellungen und Angaben in den Bauvorlagen sind daher ohne rechtliche Bedeutung und werden von der Baugenehmigung nicht erfasst, selbst wenn sie mit einem baurechtlichen Genehmigungsvermerk versehen sind.

Vgl.: OVG NRW, Urteile vom 18. Mai 1994 - 7 A 2127/92 - und vom 26. Juli 1995 - 7 A 2179/93, jeweils m.w.N..

Dementsprechend sind für den Regelungsgehalt eines Vorbescheids gleichfalls in erster Linie die im Bescheid selbst getroffenen Regelungen maßgebend, die durch die zum Bestandteil des Vorbescheids gemachten Bauvorlagen lediglich konkretisiert und erläutert werden. Nur die im Vorbescheid ausdrücklich im Sinne einer positiven Bescheidung geklärten Aspekte der Voranfrage nehmen an der Bindungswirkung des Vorbescheids teil, die sich im Übrigen nach Maßgabe der dem Vorbescheid entsprechenden Angaben in den vom Vorbescheid erfassten Bauvorlagen beurteilt.

Hiervon ausgehend beschränkt sich der Regelungsgehalt des Vorbescheids vom 25. Oktober 2000 ausschließlich auf die Aussage, dass das zum Gegenstand der Voranfrage gemachte Vorhaben "Errichtung eines Schnellrestaurants mit Autoschalter", wie es in dem durch Grünstempelung "Zum Bescheid - 63/2 - vom 25. Okt. 2000" zum Bestandteil des Vorbescheids gemachten Lageplan "Variante A03" vom April 2000 näher konkretisiert ist, planungsrechtlich zulässig ist. Eine Aussage darüber, dass dem dort dargestellten Vorhaben andere rechtliche Regelungen, namentlich auch solche des Bauordnungsrechts, nicht entgegenstehen, enthält der Vorbescheid nicht. Dies wird durch die in den ausdrücklich als "Hinweise" bezeichneten weiteren Ausführungen bestätigt, wonach u.a. die bauordnungsrechtliche Prüfung und die Prüfung von gesetzlichen Bestimmungen des Baunebenrechts dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben.

Der Vorbescheid hat damit lediglich die Fragen 1 und 2 der Voranfrage vom 24./26. April 2000 - "Ist das o.g. Bauvorhaben in der Variante A03 auf dem Grundstück grundsätzlich möglich?" und "Ist das o.g. Bauvorh. in der Variante 03 wie auf beiliegendem Lageplan vorgestellt möglich?" - in planungsrechtlicher Hinsicht positiv beantwortet. Dabei folgt aus den Hinweisen im Vorbescheid auch, dass die genaue Detailplanung im Hinblick auf den erforderlichen Schallschutz noch insoweit offen war, als die Einhaltung der Immissionswerte dem Nachweis durch Gutachten im Baugenehmigungsverfahren vorbehalten blieb, und auch die Detailplanung der verkehrlichen Andienungen noch nicht abschließend gebilligt war. Aussagen zu der Variante 03 gemäß Frage 2 sowie zu der Frage 3 - "Ist die dargestellte Schallschutzwand als Grenzbebauung genehmigungsfähig?" -, die mit der Bezugnahme auf die Genehmigungsfähigkeit als Grenzbebauung ersichtlich auch bauordnungsrechtliche Aspekte, nämlich solche des § 6 BauO NRW, zum Gegenstand hatte, enthält der Vorbescheid hingegen nicht.

Konsequenz dieses zulässigerweise nur beschränkten Regelungsgehalts des Vorbescheids

- dazu, dass ein Vorbescheid auch nur über die grundsätzliche Zulässigkeit der Bebauung eines Grundstücks mit einem Vorhaben ergehen kann, vgl.: BVerwG, Urteil vom 3. April 1987 - 4 C 41.84 - BRS 47 Nr. 63 sowie OVG NRW, Urteil vom 20. Februar 1995 - 7 A 1957/92 -

ist, dass der Antragsgegner im Baugenehmigungsverfahren nicht gehindert ist, die Erteilung der Baugenehmigung zu versagen, wenn sich bei der weiteren Prüfung herausstellt, dass das Vorhaben in der hier zur Prüfung vorgelegten Ausgestaltung - mithin mit einer Schallschutzanlage an der Nordgrenze des Baugrundstücks - mit bauordnungsrechtlichen Regelungen, etwa des § 6 BauO NRW, nicht vereinbar ist.

Zur abstandrechtlichen Beurteilung von Lärmschutzwänden vgl. im übrigen: OVG NRW, Beschluss vom 2. Februar 1999 - 10 B 2558/98.

Eine dahingehende Bindung, dass der Antragsgegner auf der Grundlage des Vorbescheids eine abstandrechtlich unzulässige Schallschutzanlage genehmigen müsste, entfaltet der Vorbescheid gerade nicht.

Ist die vom Antragsgegner zur Grundlage des Rücknahmebescheids gemachte Frage der bauordnungsrechtlichen (Un-)Zulässigkeit der Schallschutzanlage nach alledem nicht Regelungsgehalt des Vorbescheids, kann der Antragsgegner hieraus auch keine Rechtswidrigkeit des Vorbescheids herleiten; auf den in der Beschwerdebegründung angesprochenen Gesichtspunkt, das in den Lageplänen verzeichnete Vorhaben sei planungsrechtlich nicht zulässig, ist die Rücknahme gerade nicht gestützt. Wenn sich ein Vorbescheid - wie hier - ausschließlich auf die Prüfung der planungsrechtlichen Zulässigkeit der zur Prüfung gestellten Vorhabens beschränkt, hat die Baugenehmigungsbehörde anderen rechtlichen Bedenken uneingeschränkt von der Bindungswirkung des Vorbescheids im Baugenehmigungsverfahren Rechnung zu tragen. Das Risiko, ggf. einen nicht umsetzbaren Vorbescheid erhalten zu haben, trägt ausschließlich der Bauherr, wenn er sich - wie die Antragstellerin im vorliegenden Fall - mit einem auf die Prüfung der planungsrechtlichen Aspekte beschränkten Vorbescheid zufrieden gibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).