LG Wuppertal, Urteil vom 29.11.2013 - 2 O 214/13
Fundstelle
openJur 2016, 10843
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Gerichtskosten trägt der Beklagte zu 2. zu 10 % und die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte zu 2. zu 5 %. Im Übrigen trägt der Kläger die Gerichtskosten und seine außergerichtlichen Kosten. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. trägt der Kläger ebenfalls. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. trägt dieser selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und zwar im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2. ohne Sicherheitsleistung und im Verhältnis zwischen der Beklagten zu 1. und dem Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn S (im Folgenden Schuldner). Der erste Insolvenzantrag ging am 25.05.2011 bei Gericht ein, das Insolvenzverfahren wurde am 31.10.2011 eröffnet.

Der Schuldner war Eigentümer einer mit einem Wohnhaus bebauten Immobilie, in der er zusammen mit der Beklagten zu 1) (im Folgenden Beklagte) lebte. Im Rahmen eines Ehevertrages vom 29.10.2010 schlossen der Schuldner und die Beklagte, seine damalige Verlobte und heutige Ehefrau, den Zugewinnausgleich, den Versorgungsausgleich und den nachehelichen Unterhalt weitgehend aus. Als "Kompensation" räumte der Schuldner der Beklagten ein aufschiebend bedingtes lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht an einer Wohnung im Haus ein. Eine diesbezügliche Vormerkung hat der Kläger erfolgreich im Wege der Insolvenzanfechtung zur Löschung gebracht.

Mit einer weiteren notariellen Urkunde vom 29.10.2010 bewilligte der Schuldner wegen eines angeblich in mehreren Teilbeträgen erhaltenen Darlehens die Eintragung einer Sicherungshypothek in Höhe von 60.000 €. Die Sicherungshypothek wurde zu Gunsten der Beklagten am 09.11.2010 in Abteilung III an Rangstelle 12 in das Grundbuch eingetragen. Vorrangig waren eine Grundschuld über 115.000 € nebst Zinsen für die Iduna Lebensversicherung sowie drei Grundschulden für die X- und W eG im Nennwert von zusammen 120.000 € nebst Zinsen. Die drei letztgenannten Grundschulden valutierten nur noch in Höhe von 75.444,18 €.

Im Rahmen der Zwangsversteigerung des Grundstücks ersteigerte die Beklagte die Immobilie, deren Verkehrswert das Amtsgericht auf 210.000 € festgesetzt hatte, für den durch Zahlung zu berichtigenden Betrag von 142.000 €. Die Grundschulden für die Iduna Lebensversicherung und die X- und W blieben bestehen. Der Teilungsplan des Amtsgerichts Wuppertal vom 11.06.2013 sieht vor, dass der Beklagten aus der Teilungsmasse ein Betrag von 60.000 € zugeteilt wird. Gegen diese Zuteilung hat der Kläger Widerspruch eingelegt, den er mit der vorliegenden Klage weiterverfolgt.

Soweit zu Gunsten des Beklagten zu 2) am 17.03.2011 wegen rückständiger Steuern an Rangstelle 13 eine Sicherungshypothek im Wege des Verwaltungszwangsverfahren eingetragen und dem Beklagten zu 2) im Teilungsplan ein Betrag von 6.336,72 € zugeteilt worden war, hat der Kläger dies ebenfalls mit der Klage angegriffen. Insoweit hat der Beklagte zu 2) nach Zustellung der Klage auf etwaige Ansprüche aus dem Erlös verzichtet und eine Löschungsbewilligung erteilt. Der Kläger hat sodann gegenüber dem Beklagten zu 2) den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dem hat der Beklagte zu 2) nicht widersprochen.

Der Kläger hält die Eintragung der Sicherungshypothek zu Gunsten der Beklagten für anfechtbar nach § 134 InsO, weil eine unentgeltliche Leistung vorliege. Ein Darlehen sei nicht gewährt worden. Zwischen den Parteien stehe rechtskräftig fest, dass die Immobilie nicht wertausschöpfend belastet gewesen sei. Zudem sei der Beklagten ja ein Anteil in Höhe von 60.000 € zugesprochen worden. Ferner sei die Insolvenzanfechtung aus § 133 Abs. 2 InsO begründet, wonach das Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung vermutet werde. Der Schuldner sei am 29.10.2010 zahlungsunfähig gewesen, was er, der Kläger, im Vorprozess dargelegt habe.

Der Kläger beantragt,

der Widerspruch des Klägers gegen den Teilungsplan des Amtsgerichts Wuppertal vom 11.06.2013 im Verteilungsverfahren zu Aktenzeichen 405 K 023/11 ist begründet. Der Teilungsplan wird dahin geändert, dass der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1. in Höhe von 60.000,00 € aus der Verteilungsmasse zu befriedigen ist und dass der Beklagten zu 1. kein Recht an dem Versteigerungserlös zusteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe dem Schuldner in Teilbeträgen über einen längeren Zeitraum hinweg Darlehen über insgesamt 60.000 € gewährt. Da sie selbst die vorrangigen Grundschulden bediene, sei eine Benachteiligung der anderen Gläubiger ausgeschlossen; tatsächlich würden sie sogar bevorzugt.

Gründe

Die gemäß § 878 ZPO erhobene Widerspruchsklage ist zulässig. Insbesondere ist sie bei dem gemäß § 879 Abs. 1 ZPO zuständigen Gericht eingereicht worden und der Klageantrag entspricht unter Berücksichtigung der Formulierungen im Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 11.06.2013 der Norm des § 880 ZPO.

Die Klage ist nicht begründet. Denn dem Kläger steht kein besseres Recht an dem hinterlegten Betrag als der im Plan berücksichtigten Beklagten zu. Das wäre zwar dann der Fall, wenn der Beklagten die Sicherungshypothek, die Grundlage der ihr im Teilungsplan zugeordneten Geldsumme ist, nicht zusteht, weil sie das Recht in anfechtbarer Weise erworben hat. Die mit der Sicherungshypothek erworbene Rechtsposition hätte sie dann gemäß § 143 Abs. 1 InsO an den Kläger herauszugeben. Tatsächlich liegt eine anfechtbare Handlung aber nicht vor.

Die Bestellung der Sicherungshypothek zu Gunsten der Beklagten kann nach § 134 InsO anfechtbar sein, wenn die Beklagte dem Schuldner tatsächlich kein Darlehen gewährt hat - hierfür wäre der Kläger beweisbelastet (BGH Urteil vom 21.01.1999 - IX ZR 429/97) - oder nach § 133 Abs. 2 InsO, wenn ein Darlehen geflossen ist. Denn die Bestellung einer Sicherheit für eine eigene, durch eine entgeltliche Gegenleistung begründete Verbindlichkeit ist nicht nach § 134 InsO als unentgeltliche Verfügung anfechtbar (BGH Urteil vom 22.07.2004 - IX ZR 183/03; Urteil vom 12.07.1990 - IX ZR 245/89). In beiden Fällen ist für die Insolvenzanfechtung - wie stets - eine Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 InsO erforderlich. Daran fehlt es.

Eine objektive Gläubigerbenachteiligung liegt insbesondere dann nicht vor, wenn das Grundstück wertausschöpfend belastet war. Denn dann hat der Schuldner nichts weggegeben, worauf die Gläubiger hätten zugreifen können. Daraus folgt zugleich, dass es auf den im Rahmen einer Zwangsvollstreckung erzielbaren Wert ankommt.

Es ist unstreitig, dass der Verkehrswert der Immobilie im Zwangsversteigerungsverfahren auf 210.000 € festgesetzt wurde. Eine Unrichtigkeit dieser Wertfestsetzung wird von keiner der Parteien geltend gemacht. Vielmehr setzt die Beklagte den objektiven Wert der Immobilie unwidersprochen mit diesem Wert an. Die der Sicherungshypothek vorrangigen Grundschulden valutierten mit 115.000 € und mit 75.444,18 €. Die Summe von 190.444,18 € bleibt zwar hinter dem Verkehrswert von 210.000 € zurück, doch ist weiter unstreitig, dass Immobilien derzeit in Wuppertal nur selten zur Hälfte ihres Verkehrswertes versteigert werden können. Die vorrangigen Belastungen betrugen aber bereits etwas mehr als 90 % des Verkehrswertes. Ein solch hoher Versteigerungserlös konnte nicht erwartet werden.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Beklagte tatsächlich einen höheren Versteigerungserlös geboten hat. Zwar hat eine tatsächlich zeitnah erfolgte Veräußerung bzw. Versteigerung in der Regel einen hohen Indizwert für den erzielbaren Erlös, weil sich hierin widerspiegelt, was der Markt tatsächlich zu geben bereit ist. Das gilt aber dann nicht, wenn die Veräußerung nicht an unbeteiligte Dritte erfolgte, sondern der Vorgang von außergewöhnlichen Umständen geprägt ist, die mit dem allgemeinen Marktgeschehen nichts zu tun haben. Das ist hier der Fall. Die Beklagte war die einzige Bieterin und hat nur deshalb einen so hohen Preis bieten können, weil sie durch die Sicherungshypothek letztlich in ihre eigene Tasche bot. Ohne die angefochtene Sicherungshypothek hätte dazu kein Anlass bestanden. Die Sicherungshypothek ist für die Frage des erzielbaren Erlöses aber hinweg zu denken, weil es darauf ankommt, ob das Grundstück ohne die angefochtene Verfügung bereits wertausschöpfend belastet war.

Eine wertausschöpfende Belastung ist auch nicht durch das Urteil der Kammer vom 06.07.2012 rechtskräftig festgestellt. Ob eine wertausschöpfende Belastung vorlag, war lediglich eine Vorfrage des Erstprozesses. Die materielle Rechtskraft erfasst nicht präjudizielle Rechtsfragen.

Unzutreffend ist ferner die Ansicht des Klägers, dass die Gläubigerbenachteiligung bei § 133 Abs. 2 InsO vermutet werde. Die Vermutungswirkung erfasst lediglich den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis hiervon. Diese Vermutung greift aber nur dann, wenn eine unmittelbare Benachteiligung vorliegt. Für die unmittelbare Benachteiligung ist der Insolvenzverwalter in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig (BGH, Urteil vom 6. 4. 1995 - IX ZR 61/94 Rz. 23).

Die Kostenentscheidung beruht im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2. auf § 91 a ZPO. Die Klage war zum Zeitpunkt des Verzichts des Beklagten zu 2. auf etwaige Ansprüche aus dem Erlös aus der Zwangsvollstreckung und der Erteilung der Löschungsbewilligung sowie der anschließenden Erledigungserklärung zulässig und aus §§ 143 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO begründet. Zu diesem Zeitpunkt war aufgrund des Vortrages des Klägers, dem der Beklagte zu 2. nicht widersprochen hat, von einer Gläubigerbenachteiligung auszugehen. Die Eintragung der Sicherungshypothek zugunsten des Beklagten zu 2. erfolgte am 17.03.2011, also innerhalb von drei Monaten vor Eingang des Eröffnungsantrages am 25.05.2011. Die Eintragung der Zwangssicherungshypothek war inkongruent im Sinne des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Sicherungen und Befriedigungen im Wege der Zwangsvollstreckung, die innerhalb des zeitlichen Rahmens des § 131 InsO erfolgen, sind zurückzugewähren. Es gibt auch keine sonstigen Umstände, aus denen heraus es billig wäre, ausnahmsweise dem Kläger die Kosten des erledigten Teils aufzuerlegen, obwohl er im Verhältnis zum Beklagten zu 2. ohne die Erledigungserklärung obsiegt hätte. Der Vortrag der Beklagten zu 1. zur wertausschöpfenden Belastung des Grundstücks ist dem Beklagten zu 2. nicht zuzurechnen, weil es sich um selbständige Streitgenossen handelt. Der Beklagte zu 2. hat sich zudem in vollem Umfang der Klageforderung unterworfen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 794 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 91 a Abs. 2 ZPO.

Streitwert:

bis zum 30.08.2013: 66.336,72 € (Hieran sind der Beklagte zu 2. mit 6.336,72 € und die Beklagte zu 1. mit 60.000,00 € beteiligt.)

seither: 60.000,00 €.