LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.03.2016 - L 11 KA 49/15
Fundstelle
openJur 2016, 11263
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. S 33 KA 74/12
  • nachfolgend: Az. B 6 KA 1/16 BH
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.05.2015 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist laut Sozialgerichtsgesetz Fünftes Buch (SGB V) die Rechtmäßigkeit der Kürzung des vertragsärztlichen Honorars des Klägers wegen fehlenden Fortbildungsnachweises im Quartal III/2010.

Der Kläger war als Praktischer Arzt mit Praxissitz in O zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Für die Quartale III/2009 bis I/2011 kürzte die Beklagte das Honorar des Klägers unter Hinweis auf § 95d SGB V um insgesamt 19.146,36 EUR, da er den Fortbildungsnachweis für die Zeit seit 01.07.2004 nicht erbracht hatte. Das vertragsärztliche Honorar für das Quartal III/2010 kürzte die Beklagte im angefochtenen Quartalskonto/Abrechnungsbescheid vom 25.01.2011 nach § 95d SGB V um 25 vom Hundert, entsprechend 3.768,73 EUR. Den unter anderem deswegen gegen den Abrechnungsbescheid eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2012 zurück.

Zur Begründung seiner am 21.02.2012 hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Honorarkürzungen nach § 95d SGB V verstießen gegen Art. 12 Abs. 2 Grundgesetz (GG). Bei der Forderung nach Ableistung von 250 Fortbildungsstunden im Rahmen zertifizierter Veranstaltungen handele es sich um verbotene Zwangsarbeit. Der Zwang werde durch Honorarkürzungen ausgeübt, die bei einer 25%igen Kürzung eine Minderung des Gewinns von mindestens 50 % ausmachten. Es handele sich um räuberische Erpressung, die eine unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 Bürgerliches Gestzbuch (BGB) darstelle.

Der Kläger hat beantragt,

den Quartalskonto/Abrechnungsbescheid vom 25.01.2011 für das Quartal III/2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2012 hinsichtlich der Kürzung nach § 95d SGB V aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage durch Urteil vom 13.05.2015 abgewiesen. Die vom Kläger angefochtene Kürzung des Honoraranspruchs wegen fehlenden Fortbildungsnachweises sei rechtmäßig. Er sei nach § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V verpflichtet gewesen, den Fortbildungsnachweis bis zum 30.06.2009 zu erbringen. Indes habe er weder den Fortbildungsnachweis bis heute erbracht noch sei er seiner Fortbildungsverpflichtung im erforderlichen Umfang nachgekommen. Nach der Honorarkürzung für die Quartalte III/2009 bis II/2010 um jeweils 10 v.H. sei die Beklagte nach § 95d Abs. 3 Satz 4 SGB V verpflichtet gewesen, die Honoraransprüche des Klägers für die Zeit ab dem Quartal III/2010 um 25 v. H. zu kürzen. Die Regelungen des § 95d SGB V seien mit höherrangigem Recht vereinbar.

Gegen das ihm am 13.06.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.07.2015 Berufung eingelegt, die er nicht begründet hat.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich ,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.05.2015 abzuändern und den Quartalskonto/Abrechnungsbescheid vom 25.01.2011 für das Quartal III/2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2012 hinsichtlich der Kürzung nach § 95d SGB V aufzuheben.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Der Disziplinarausschuss maßregelte den Kläger durch Beschluss vom 11.07.2012 wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Fortbildung mit einer Geldbuße i.H.v. 7.500,00 EUR. Seine dagegen erhobene Klage wurde durch Urteil des Senats vom 18.02.2015 - L 11 KA 39/13 - abgewiesen.

Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 09.12.2015 dazu angehört worden, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Der Senat kann die Berufung durch Beschluss zurückweisen, da die Berufsrichter sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 25.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG Düsseldorf, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu Eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Kläger seine vertragsärztliche Pflicht zur Fortbildung vorwerfbar schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig, verletzt hat. Aufgrund der von ihm angegebenen Infektion mit Chlamydophila pneumoniae (früher Chlamydia pneumoniae) war er nicht über fünf Jahre hinweg gehindert, an Fortbildungen teilzunehmen, wenn er zugleich doch nicht gehindert war zu praktizieren.

Die Pflicht zum Nachweis der fachlichen Fortbildung und die in § 95d Abs 3 SGB V vorgesehenen Honorarkürzungen für den Fall der Verletzung dieser Pflicht sind verfassungsgemäß (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 19/14 R -; Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 36/15 B -). Gibt das Gesetz - wie durch § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V bei Nichterfüllung der Fortbildungspflicht - vor, dass das an den Vertragsarzt zu zahlende Honorar aus vertragsärztlicher Tätigkeit zwingend zu kürzen ist, wird der Vergütungsanspruch von vornherein nur in entsprechend verminderter Höhe "konkretisiert" und nicht - wie der Kläger meint - nachträglich vermindert. So gesehen betrifft § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V im Ergebnis allein die Verdienstchancen des Vertragsarztes, deren Erhaltung weder aus Art. 12 Abs. 1 GG noch aus Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitet werden kann. Selbst wenn von einem Eingriff auszugehen wäre, wäre dieser jedenfalls verhältnismäßig, weil die in § 95d Abs. 3 Satz 3 SGB V normierten Sanktionen zur Durchsetzung der Fortbildungspflicht als Maßnahmen der Qualitätssicherung zur Aufrechterhaltung des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung und damit eines hohen Gemeinschaftsgutes erforderlich sind (BSG, Beschluss vom 13.05.2015 - B 6 KA 50/14 B -).

Die Anforderungen, die § 95d SGB V an den regelmäßigen Nachweis der Fortbildung stellt, und die Folgen einer Verletzung der Nachweispflicht in Gestalt von Honorarkürzungen betreffen nicht die stärker geschützte Freiheit der Berufswahl, sondern lediglich die Freiheit der Berufsausübung. Weil die Fortbildungsnachweispflicht der Sicherung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung dient, ist der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Aber auch wenn davon ausgegangen wird, dass die Regelung wegen der Entziehung der Zulassung, die gemäß § 95d Abs. 3 Satz 7 SGB V (aF; heute: Satz 6) im Falle fortdauernder Verletzung der Fortbildungsnachweispflicht von der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung beantragt werden soll, in ihren Auswirkungen einer Beschränkung der Berufswahlfreiheit nahekommt, ist der Eingriff gerechtfertigt, weil mit der Sicherung der Qualität der ärztlichen Berufstätigkeit Allgemeininteressen Rechnung getragen wird, die so schwer wiegen, dass diese Vorrang vor der ungehinderten beruflichen Entfaltung der betroffenen Ärzte verdienen (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 19/14 R -).

Auf die aus einer unzureichenden ärztlichen Fortbildung resultierenden Gefahren für die qualifizierte gesundheitliche Versorgung der Versicherten hat der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise reagiert, indem er sanktionsbewehrte Nachweispflichten über die Fortbildung eingeführt hat. Die Qualitätssicherung der ärztlichen Versorgung im Interesse des Gesundheitsschutzes ist als Gemeinwohlbelang von erheblichem Gewicht (BSG, Urteil vom 09.04.2008 - B 6 KA 40/07 R -). Die Sanktionen, die § 95d Abs. 3 SGB V für den Fall der Verletzung der Fortbildungsnachweispflicht vorsieht, sind zur Durchsetzung der Fortbildungspflicht geeignet und nach den Erfahrungen der Vergangenheit erforderlich. Es besteht auch kein Anlass zu Zweifeln an der Verhältnismäßigkeit der Regelung im engeren Sinne. Die Belastungen, die für Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten mit der Erfüllung der Fortbildungspflicht verbunden sind, sind nicht unzumutbar (BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 6 KA 19/14 R -). Die Honorarkürzung steht keineswegs außer Verhältnis zur Bedeutung der sanktionierten, bereits über mehr als vier Quartale fortdauernden Pflichtverletzung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).