OLG Hamm, Urteil vom 09.12.2002 - 6 U 98/02
Fundstelle
openJur 2011, 21182
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 O 16/01
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.02.2002 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Als Leasingnehmerin verlangt die klagende GmbH zugleich kraft Ermächtigung der Leasinggeberin Schadensersatz aus Anlaß eines Verkehrsunfalles, der sich am 27.06.2000 innerorts in E ereignete. Mit dem geleasten Pkw Audi S 4 befuhr der Zeuge T die K-Straße in westlicher Richtung und überquerte die mit einer LZA ausgestattete Kreuzung K-Straße/W-Kamp, um seine Fahrt geradeaus auf dem T-Wall fortzusetzen. Der Beklagte zu 2) befuhr den T-Wall mit dem Pkw Audi der Beklagten zu 1) in entgegengesetzter Richtung und beabsichtigte, nach links in die T2-Straße abzubiegen, die westlich der Kreuzung auf den T-Wall mündet.

Die Klägerin hat behauptet, der Zeuge T habe die Kreuzung ohne Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bei Grünlicht überquert, und hat den Unfall ausschließlich auf eine Vorfahrtverletzung des Beklagten zu 2) zurückgeführt. Bei der Berechnung ihres Schadens einschließlich des Fahrzeugtotalschadens hat sie Bruttobeträge angesetzt und dies damit gerechtfertigt, daß sie hinsichtlich des Pkw nicht vorsteuerabzugsberechtigt sei.

Die Beklagten haben sich darauf berufen, daß der Zeuge T die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h deutlich überschritten habe und außerdem bei Rotlicht der LZA in den Kreuzungsbereich eingefahren sei. Der Pkw der Beklagten zu 1) habe noch auf dem Linksabbiegerstreifen gestanden, als es zur Kollision gekommen sei.

Zur Schadenshöhe haben die Beklagten den Standpunkt vertreten, wegen Vorsteuerabzugsberechtigung sowohl der Klägerin als auch der Leasinggeberin umfasse der ersatzfähige Schaden die Mehrwertsteuer nicht.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen I verkehrswidriges Verhalten des Zeugen T als nicht bewiesen angesehen und ist von Alleinhaftung der Beklagten ausgegangen. Den Schadensersatz hat es der Klägerin einschließlich Mehrwertsteuer zuerkannt, weil die Klägerin in Bezug auf den Pkw nicht vorsteuerabzugsberechtigt sei.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten. Sie halten daran fest, daß der Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen verkehrswidrigen Verhaltens des Zeugen T jedenfalls um ein Drittel zu kürzen sei, und wiederholen unter Vertiefung ihres Vortrags ihren erstinstanzlichen Standpunkt zur Frage der Einbeziehung der Mehrwertsteuer in die Schadensberechnung.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

1.

Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, daß die Beklagten den der Klägerin aus dem Unfall vom 27.06.2000 entstandenen Schaden vollständig zu tragen haben. Denn hierzu führt die Abwägung der Schadensverursachungsanteile gemäß § 17 StVG. Die Betriebsgefahr des Pkw der Beklagten zu 1) war durch einen Verstoß des Beklagten zu 2) gegen § 9 Abs. 3 StVO sowie gegen § 41 Abs. 3 Nr. 4 StVO gesteigert. Demgegenüber läßt sich verkehrswidriges Verhalten des Zeugen T nicht beweisen. Der Nachweis für eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist durch das technische Gutachten nicht erbracht worden. Im übrigen kann dahinstehen, ob die Unfallstelle überhaupt noch vom Schutzbereich der LZA erfaßt ist. Denn trotz der Aussage der Zeugin H läßt sich ein Verstoß des Zeugen T gegen § 37 StVO nicht feststellen. Der Senat folgt insoweit der überzeugenden Beweiswürdigung des Landgerichts. Nach dem so gewonnenen Beweisergebnis erscheint Alleinhaftung der Beklagten sachgerecht.

2.

Der Schaden der Klägerin schließt die zuerkannte Mehrwertsteuer ein und beträgt 31.235,22 Euro (= 61.090,78 DM).

2.1.

Unstreitig ist an dem geleasten Pkw ein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten. Dieser beträgt einschließlich Mehrwertsteuer 52.000,- DM ( = 44.827,57 DM netto). Zu Recht hat das Landgericht bei der Schadensberechnung über den Nettowiederbeschaffungsaufwand hinaus auch Umsatzsteuer berücksichtigt.

Als Leasingnehmerin ist die Klägerin aus eigenem Recht befugt, die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, weil der Beklagte zu 2) das Recht der Klägerin zum Besitz an dem geleasten Pkw verletzt hat. Der der Klägerin dadurch entstandene Nutzungsschaden ist zu berechnen nach den Aufwendungen für die Wiederbeschaffung eines der geleasten Sache gleichwertigen Ersatzes (vgl. dazu BGH VersR 92, 194 = NJW 92, 553; Rixecker in Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 23. Aufl., Kap 4 Rn 103 m.w.N.). Zu den Aufwendungen für die Wiederbeschaffung zählt bei einer nicht vorsteuerabzugsberechtigten Leasingnehmerin auch die Mehrwertsteuer (vgl. OLG Hamm MDR 01, 213 = OLGR 01, 174 = VersR 02, 858 = DAR 01, 79; LG München NZV 02, 191; LG Itzehoe DAR 02, 517; dazu ferner Bethäuser, DAR 02, 481, 483; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., StVG § 12 Rn 48 m.w.N.).

Gründe, der Klägerin den Anspruch auf Ersatz der im Falle einer Wiederbeschaffung anfallenden Mehrwertsteuer zu versagen, bestehen nicht:

Würde die Klägerin selbst ein Ersatzfahrzeug für den beschädigten Pkw anschaffen, dann könnte sie sich die dabei anfallende Mehrwertsteuer nicht vom Finanzamt erstatten lassen. Denn durch die Bescheinigung ihres Steuerberaters vom 28.11.2000 hat sie nachgewiesen, daß sie hinsichtlich der Aufwendungen für das beschädigte Fahrzeug nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (zur Umsatzsteuer bei Unfällen mit Betriebsfahrzeugen vgl. Schmalzl, VersR 2002, 816, 818).

Daraus, dass die Leasinggeberin vorsteuerabzugsberechtigt ist, lässt sich zum Vorteil der Beklagten nichts herleiten. Hätte die Leasinggeberin ein Ersatzfahrzeug angeschafft, so hätte diese zwar wegen ihrer Vorsteuerabzugsberechtigung lediglich den Nettowiederbeschaffungsaufwand zu tragen. Die Ersatzbeschaffung des Fahrzeuges durch die Leasinggeberin hätte jedoch allein nicht ausgereicht, um neben dem eigenen Substanzschaden der Leasinggeberin auch den Nutzungsschaden der Klägerin auszugleichen. Denn die Leasinggeberin wäre nach dem Leasingvertrag nicht verpflichtet gewesen, der Klägerin das Ersatzfahrzeug zur Nutzung zur Verfügung zu stellen, weil die Klägerin im Leasingvertrag wirksam die Gefahr einer Beschädigung des verunfallten Leasingfahrzeugs übernommen hatte. In den Genuß der Nutzung eines durch die Leasinggeberin angeschafften Ersatzfahrzeugs hätte die Klägerin allenfalls durch Abschluss eines neuen Leasingvertrages über das Ersatzfahrzeug kommen können. Im Zusammenhang mit den dann zahlbaren Leasingraten des neuen Vertrages hätte die Klägerin aber wiederum Mehrwertsteuer aufwenden müssen, die sie nicht im Wege des Vorsteuerabzugs erstattet bekommen hätte.

Auf einen geringeren als den vom Landgericht angesetzten Betrag reduziert sich der Schaden der Klägerin schließlich nicht mit Rücksicht auf das der Klägerin unfallbedingt zugefallene und von dieser auch genutzte Recht, sich vorzeitig von dem Leasingvertrag über das Unfallfahrzeug zu lösen.

Bei seiner Schadensberechnung ist das Landgericht vom Nettowiederbeschaffungsaufwand für das Fahrzeug ausgegangen und hat der Klägerin zusätzlich die Mehrwertsteuer zugebilligt, die dieser wegen der vorzeitigen Abrechung des Leasingvertrages in Rechnung gestellt worden ist, obwohl die Zahlungsverpflichtungen der Klägerin aus dem Leasingvertrag über das Unfallfahrzeug nicht zum unfallbedingt von den Beklagten geschuldeten Haftungsschaden rechnen (vgl. BGH VersR 92, 194 = NJW 92, 553). Im Ergebnis resultiert daraus keine ungerechtfertigte Benachteiligung der Beklagten.

Es kann dahinstehen, ob der Klägerin nicht sogar der im Wiederbeschaffungsaufwand enthaltene höhere Mehrwertsteuerbetrag als Schadensersatz hätte zugesprochen werden müssen. Denn hierüber streiten die Parteien im Berufungsverfahren nicht. Jedenfalls kann der Klägerin nicht zum Vorwurf gemacht werden, unfallbedingt eingetretene Vorteile unter Verstoß gegen ihre Pflicht zur Schadensminderung ungenutzt gelassen zu haben. Insbesondere ist ihr nicht anzulasten, auf eine weitere Einsparung derjenigen Mehrwertsteuer verzichtet zu haben, die sie nach dem Leasingvertrag schuldete. Schadensersatzleistungen, die eine Leasingnehmerin nach außerordentlicher Kündigung des Leasingvertrages zu erbringen hat, sind zwar ohne Umsatzsteuer zu berechnen, weil ihnen eine steuerbare Leistung (§ 1 UStG) nicht gegenüber steht und die Leasinggeberin deshalb auf sie keine Umsatzsteuer zu entrichten hat (vgl. BGH NJW 87, 1690 = WM 87, 562; Wolf, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rn 2017). Der Klägerin sind aber von der Leasinggeberin mit der Abrechnung des vorzeitig beendeten Leasingvertrags 6.651,92 DM Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt worden. Dass sie diese Forderung akzeptiert hat, stellt sich nicht als Verletzung einer ihr im Verhältnis zu den Beklagten obliegenden Schadensminderungspflicht dar. Denn in der vorliegenden Sache ist der Leasinggegenstand nicht durch ein der Klägerin zuzurechnendes Verschulden sondern durch Verschulden des Beklagten zu 2) beschädigt worden. In Fällen, in denen der Leasinggegenstand nicht vom Leasingnehmer sondern durch einen Dritten total beschädigt wird, kann sich der nach vorzeitiger Vertragsbeendigung ergebende Ausgleichsanspruch der Leasinggeberin statt als Schadensersatzanspruch auch als ein der Mehrwertsteuer unterliegender vertraglicher Anspruch darstellen (vgl. dazu OLG Celle OLGR 99, 225; SchlHOLG OLGR 97, 137; Reinking, Auto-Leasing, 3. Aufl. S. 194, 196, 197 m.w.N.; ders. DAR 98, 333, 335; ferner auch Müller-Sarnowski, DAR 2002, 485, 494). Aus diesem Grunde fehlt es an einer anspruchskürzend zu berücksichtigenden Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Klägerin.

2.2.

Da die Klägerin bezüglich der Fahrzeugkosten nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, steht ihr ein Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten, der Abschleppkosten und des Standgeldes ebenfalls jeweils einschließlich Mehrwertsteuer zu. Die übrigen Schadenspositionen sind der Höhe nach nicht im Streit.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 543 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung liegen nicht vor.