LG Aachen, Urteil vom 29.08.2002 - 6 S 5/02
Fundstelle
openJur 2011, 21051
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 14 C 218/01
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten gegen das am 05. Dezember 2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts Heinsberg - 14 C 218/01 - wird das angefochtene Urteil teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 25,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Óberleitungsgesetzes seit dem 12. März 2001 zu zahlen.

Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten führt in der Sache selbst im tenoriertem Umfang zum Erfolg.

Die Beklagten schulden der Klägerin gem. §§ 7, 18 Abs. 1 StVG, 823 BGB, 3 Ziff. 1 PflVersG restlichen materiellen Schadensersatz aus dem Unfallereignis vom 11. Dezember 2000 in Höhe von 25,56 EUR (50,00 DM).

Zwischen den Parteien stehen in der Berufungsinstanz nur noch zwei Fragen im Streit. Während die Klägerin den an ihrem Fahrzeug anlässlich des Unfallereignisses vom 11. Dezember 2000 eingetretenen Sachschaden auf Reparaturkostenbasis abrechnen möchte und den für die Reparatur erforderlichen Geldbetrag auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigenbüros ... vom 19. Dezember 2000 auf netto 4.714,00 DM beziffert, hat die Drittbeklagte eine Abrechnung auf Totalschadenbasis vorgenommen und an die Klägerin lediglich den Betrag von 2.413,79 DM ausgekehrt. Im Zusammenhang mit der Totalschadensabrechnung der Drittbeklagten ist weiterhin zwischen den Parteien streitig, ob für die Berechnung des dann maßgeblichen Entschädigungsbetrages die Restwertschätzung gemäß Gutachten des Sachverständigen ... vom 19. Dezember 2000 in Höhe von 1.500,00 DM oder aber das Restwertanbebot der Firma ... vom 23. Januar 2001 in Höhe von 3.600,00 DM (brutto) maßgeblich ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist im Streitfall zunächst - unabhängig von der Frage, welcher Restwert der Abrechnung zugrunde zu legen ist - auf Totalschaden - nicht aber auf Reparaturkostenbasis abzurechnen.

Dem Geschädigten, der die Behebung des Schadens an seinem Kraftfahrzeug in eigene Regie nimmt, stehen dafür regelmäßig zwei Wege zur Verfügung: Er kann sein Fahrzeug reparieren lassen oder er kann sich ein (gleichwertiges) Ersatzfahrzeug anschaffen. Auch die letztere Art der Schadensbeseitigung ist - dies entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung - eine Form der Naturalrestitution gem. § 249 BGB. Unter mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten der Naturalrestitution hat der Geschädigte grundsätzlich diejenige zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert. Auch dieses Wirtschaftlichkeitspostulat ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung durchgängig anerkannt (vgl. zum Ganzen: BGH, NJW 1992, 302, 303 m.w.N.).

Die Anwendung der vorstehend dargelegten Grundsätze auf den Streitfall ergibt, dass auch bei Zugrundelegung des von der Klägerin anvisierten Restwertes in Höhe von 1.500,00 DM nur eine Abrechnung auf Totalschadenbasis (also durch Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs) in Betracht kommt. Zwischen den Parteien besteht zunächst kein Streit darüber, dass der Wiederbeschaffungswert mit 6.400,00 DM brutto = 5.517,24 DM netto anzusetzen ist. Zieht man hiervon den Nettorestwert in Höhe von 1.293,10 DM ab, verbleibt ein Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert in Höhe von 4.224,14 DM. Die Klägerin gibt aber den Reparaturkostenaufwand mit dem Nettobetrag von 4.714,00 DM an, so dass der Reparaturweg im Vergleich zur Ersatzbeschaffung die teurere Möglichkeit darstellt. Grundsätzlich hat aber der Geschädigte - wie dargelegt - die preiswertere Möglichkeit der Naturalrestitution zu wählen. Dies ist hier eindeutig - auch unter Zugrundelegung des Zahlenwerks der Klägerin - die Ersatzbeschaffung. Zu Unrecht geht nämlich die Klägerin bei ihrer Berechnung davon aus, dass ein besonderes Integritätsinteresse ihrerseits die Abrechnung auf (höherer) Reparaturkostenbasis rechtfertige. Der Geschädigte dokumentiert sein Integritätsinteresse regelmäßig dadurch, dass er das verunfallte Fahrzeug sach- und fachgerecht reparieren lässt oder aber eine solche sach- und fachgerechte Reparatur in Eigenregie durchführt. Beides ist - wie unstreitig - vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin benutzt vielmehr das verunfallte Fahrzeug unrepariert weiter. In einer solchen Fallgestaltung dokumentiert der Geschädigte gerade nicht sein besonderes Integritätsinteresse am Erhalt des verunfallten Fahrzeuges, so dass die Anwendung der sogenannten 130 Prozentrechtsprechung auf den Streitfall von vornherein nicht in Betracht kommt. In einem Falle wie dem vorliegenden, in welchem das verunfallte Fahrzeug unstreitig nicht repariert wird, ist auch - wie bei der vorstehenden Abrechnung geschehen - der Restwert als der dem Geschädigten verbleibende Vermögenswert in die Vergleichsrechnung einzubeziehen, die die Frage beantwortet, welcher der beiden Wege der Naturalrestitution (Reparatur oder Ersatzbeschaffung) der wirtschaftlichere ist. Auch diese Aussage entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH, NJW 1992, 302, 304). Übersteigen damit die Reparaturkosten auch nach dem Berechnungsmodus der Klägerin den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges abzüglich Restwert, hat die Klägerin den günstigeren Weg der Naturalrestitution zu wählen. Das ist vorliegend die Ersatzbeschaffung. Vom gedanklichen Ansatz her hat daher die Drittbeklagte den Unfallschaden zutreffend abgerechnet.

Von den vorstehend dargelegten Überlegungen zu trennen ist die Frage, wie hoch der Restwert für das verunfallte Fahrzeug anzusetzen ist, ob mit anderen Worten auf der Grundlage der Restwertschätzung des Sachverständigen ... vom 19. Dezember 2000 (1.500,00 DM) oder aber auf der Grundlage des Restwertangebots der Firma ... vom 23. Januar 2001 (3.600,00 DM) abzurechnen ist.

In der Regel bietet der in dem Gutachten eines Sachverständigen ausgewiesene Wert eine geeignete Grundlage für die Bemessung auch desjenigen Betrages, in dessen Höhe dem Geschädigten durch den Unfall - wegen verbleibenden Restwerts - kein Vermögensnachteil entstanden ist (vgl. BGH, NJW 1992, 903, 904; BGH, NJW 2000, 800, 801; OLG Düsseldorf VersR 1998, 518). Das schließt freilich nicht aus, dass besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben können, günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen, um seiner Sicht aus § 254 Abs. 2 BGB ergebenen Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens zu genügen. Indessen müssen derartige Ausnahmen, deren Voraussetzungen zur Beweislast des Schädigers stehen, in engen Grenzen gehalten werden, weil andererseits dem Geschädigten die nach § 249 S. 2 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen würde. Nach dem gesetzlichen Bild des Schadensersatzes ist der Geschädigte ... des Restitutionsgeschehens. Diese Stellung darf ihm durch eine zu weite Ausnahmehandhabung nicht genommen werden. Insbesondere dürfen ihm bei der Schadensbehebung die von der Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten nicht aufgezwungen werden (vgl. BGH, NJW 2000, 800, 802). Die Abrechnung auf der Grundlage eines vom Haftpflichtversicherer des Unfallgegners beigebrachten höheren Restwertangebots setzt danach voraus, dass es sich um ein seriöses und bindendes Angebot handelt (vgl. BGH, NJW 2000, 800, 802; OLG Düsseldorf VersR 1998, 518, 519 f.).

In diesem Zusammenhang ist zunächst zu konstatierten, dass es sich bei dem Angebot der Firma ... vom 24.01.2001 - im Unterschied zu dem vom Bundesgerichtshof in NJW 2000, 800, 802 entschiedenen Fall - um ein bindendes Angebot handelte . Darüber hinaus hätte die Firma ... das Fahrzeug der Klägerin - gleichfalls im Unterschied zu dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall - bei der Klägerin auf eigene Kosten abgeholt, so dass der Klägerin durch die Verwertung des Fahrzeugs auf dem von der Drittbeklagten vorgeschlagenen Wege keine zusätzlichen finanziellen oder sonstigen Belastungen entstanden wären.

Schließlich ist die Kammer auf der Grundlage der in zweiter Instanz durchgeführten Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass es sich bei dem Angebot der Firma ... vom 24.01.2001 um ein seriöses Angebot handelte. Der Geschäftsführer der Firma ..., über welche die Firma ... ihr Angebot abgegeben hatte, der Zeuge ..., hat im Termin vom 18.07.2002 der Kammer eingehend und anschaulich erläutert, wie die Firma ... die Bonität der auf dieser Plattform anbietenden Aufkäufer kontrolliert. Danach findet eine Bonitätsprüfung unter Zuhilfenahme einer Auskunfttei statt und der Aufkäufer muss seit mindestens 2 Jahren im Kfz-Bereich tätig sein.

Der Zeuge ... hat weiter erläutert, dass solche Aufkäufer von der weiteren Gebotsabgabe ausgeschlossen werden, die für die Firma ... erkennbar nicht zu ihren Geboten stehen bzw. die aufgekauften Fahrzeuge nicht abholen. In diesem Zusammenhang sei ihm - so der Zeuge weiter - die Firma ... bislang nicht negativ aufgefallen. Der Zeuge ... hat des weiteren erläutert, dass den Aufkäufern, die auf der Plattform der ... tätig werden, die Schadensgutachten hinsichtlich der verunfallten und zum Verkauf stehenden Fahrzeuge - regelmäßig mit Lichtbildern - zur Verfügung stehen. Des weiteren hat der Zeuge ... zutreffend darauf hingewiesen und unter Vorlage einer Gebotsübersicht mit insgesamt 5 Geboten darauf hingewiesen, dass die 5 besten abgegebenen Gebote für das Fahrzeug der Klägerin in einem Preisbereich zwischen 1.278.00 und 1.840,00 EUR lagen. Der Zeuge ... hat hierzu nachvollziehbar erläutert, dass es sich bei einer solchen Preisspanne auf Seiten der Firma ... nicht um einen sogenannten "Ausreißer" handele, die Gebote vielmehr noch so dicht bei einander lägen, das von einem realistischem und seriösem Angebot auch der Firma ... gesprochen werden müsse. Nach alledem hat die Kammer keine durchgreifenden Zweifel an der Seriosität des Angebots der Firma ... vom 24.01.2001. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin ihrem Vortrag zufolge versucht hat, die Firma ... unter der seitens der Drittbeklagten angegebenen Anschrift zu ermitteln, diese dort aber nicht mehr erreichbar ist. Damit repräsentiert aber das Restwertangebot der Firma ... in Höhe von 3.600,00 DM brutto bzw. 1.840,65 EUR brutto einen realistischen, am Markt erzielbaren Restwert. In dieser Höhe ist daher der Klägerin durch das Unfallereignis vom 11.12.2000 kein Schaden entstanden. Die Drittbeklagte hat daher auf der Grundlage des Restwertangebots der Firma ... vom 24.01.2001 den der Klägerin entstandenen materiellen Schaden korrekt abgerechnet.

Die Klägerin kann lediglich noch die allgemeine Kostenpauschale von den Beklagten beanspruchen, die nach ständiger Rechtsprechung der 6. Zivilkammer des Landgerichts Aachen, von der abzuweichen kein Anlass besteht, 50,00 DM (25,56 EUR) beträgt.

Die Zinsentscheidung beruht auf § 284 Abs. 3 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.

Berufungsstreitwert: 2.310,21 DM (1.181,19 EUR)

M H S