LG Bochum, Urteil vom 18.02.2002 - 6 O 321/97
Fundstelle
openJur 2011, 21041
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 3 U 100/02
Tenor

Die Beklagten zu 1.) und 2.) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger ein Schmerzensgeld in Höhe von 153.387 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 1. September 1995 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1.) und 2.) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern als Gesamtgläubigern sämtliche materiellen Schäden für Vergangen-heit und Zukunft, die ihnen aus der Behandlung der Frau T vom Februar/März 1995 entstanden sind bzw. entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen diese als Ge-samtschuldner zu 5/7 und die Beklagten zu 1.) und 2.) als Gesamtschuldner zu 2/7.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.) und 2.) tragen diese jeweils selbst.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3.), 4.), 5.), 6.) und 8.) tragen die Klä-ger als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstrecken-den Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger sind als Ehemann und Kinder Erben und Rechtsnachfolger der im Verlaufe des Rechtsstreits am 4. Februar 1998 verstorbenen früheren Klägerin, Frau T.

Sie verlangen im wesentlichen von den Beklagten Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht der materiellen Schäden wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung.

Frau T befand sich wegen einer mittelgradigen Gebärmuttersenkung, die zu Unterbauchbeschwerden und insbesondere zu einem unangenehmen Blasendruck führte, seit dem 1. Februar des Jahres 1995 in stationärer Behandlung im Krankenhaus der Beklagten zu 1.).

Der behandelnde Chefarzt, der Beklagte zu 2.), riet der Patientin aufgrund ihrer als unzumutbar empfundenen Beschwerden zu einer Operation der Gebärmutter, die er als Routine-Eingriff bezeichnete.

Am 2. Februar 1995 wurde der Patientin die Gebärmutter in einer zunächst von 9.20 bis 11.10 Uhr dauernden Operation entfernt; da es zu Nachblutungen kam, erfolgte bis 12.25 Uhr eine Nach-Operation zur Blutstillung. Die Operation führte der Beklagte zu 2.) durch, ihm assistierten die Beklagten zu 3.) und 4.); der zuständige Anästhesist war der Beklagte zu 5.).

Sodann wurde die Klägerin auf die gynäkologische Station 00 zurückverlegt.

Im Verlaufe des folgenden Tages, dem 3. Februar 1995, spätestens ab dem Zeitraum von 15.00 bis 16.00 Uhr, klagte Frau T über Übelkeit und Schmerzen, wollte aber zunächst kein Medikament einnehmen. Nach der Chefarztvisite gegen 16.00 bis 16.30 Uhr und auf die Nachfrage der diensthabenden Krankenschwester, der Beklagten zu 6.), wie zu verfahren sei, erklärte der Beklagte zu 2.), dass sie der Patientin ein Vomex Zapfchen verabreichen solle, wenn diese erneut über Übelkeit klage. Weitere Anweisungen erteilte er nicht.

Um 20.30 Uhr gab die Beklagte zu 6.) der Patientin, die wiederum über Übelkeit klagte und im Krankenzimmer umherlief, ein Vomex Zäpfchen. Eine Blutdruckmessung erfolgte nicht.

Im Verlaufe der folgenden halben Stunde - die genauen Zeiten sind zwischen den Parteien streitig - erlitt die Patientin einen Kreislaufzusammenbruch mit Herzstillstand. Die von der Bettnachbarin alarmierte Beklagte zu 6.) verständigte daraufhin die weitere Schwester, die Beklagte zu 7.) - ihr konnte die Klage nicht zugestellt werden, die Kläger haben inzwischen die Klage zurück genommen -&.8218; die sich ihrerseits um ärztliche Hilfe bemühte. Da der Anästhesist im nahen Operations-Saal wegen einer bereits eingeleiteten Geburt nicht abkömmlich war, wurde der Beklagte zu 8.) als diensthabender Internist verständigt. In der Zwischenzeit beatmeten die Beklagten zu 6.) und 7.) Frau T mit Guedeltubus und Ambubeutel, und zwar mit Raumluft ohne Zufuhr reinen Sauerstoffs. Dabei schoben sie die Patientin bereits auf den Gang in Richtung Intensivstation. Der Beklagte zu 8.), der nach eigenen Angaben ca. 40 Sekunden nach seiner Anforderung auf der Station erschien, fand die Patientin bereits mit weiten Pupillen vor und begann umgehend mit der Herzdruckmassage. Gegen 21.02 Uhr trafen sie auf der Intensivstation ein; die Patientin konnte reanimiert werden, war seit diesem Zeitpunkt aber Apallikerin.

Die Kläger tragen vor, die Beklagten hätten ihre Ehefrau und Mutter, Frau T, in vielfacher Hinsicht fehlerhaft behandelt. Es habe bereits keine zwingende Indikation zur Operation bestanden. Insoweit sei die frühere Klägerin über die Notwendigkeit der Hysterektomie falsch aufgeklärt worden.

Die Operation selbst sei ebenfalls fehlerhaft verlaufen, wie insbesondere die Nachblutungen zeigten.

Schließlich seien die Reanimationsmaßnahmen völlig unzureichend, vor allem aber verspätet erfolgt. Die frühere Klägerin sei viel zu lange ohne die für das Gehirn lebensnotwendige Sauerstoffversorgung gewesen: erst 15 Minuten nach dem Kreislaufzusammenbruch sei der Beklagte zu 8.) eingetroffen. Dies erkläre den Eintritt des apallischen Syndroms.

Die Kläger beantragen,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch in Höhe von 153.387,- EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz, mindestens jedoch 8 % seit dem 1. September 1995 zu zahlen;

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern als Gesamtgläubigern sämtliche materiellen Schäden für Vergangenheit und Zukunft, die ihnen aus der Behandlung der Frau T vom Februar/März 1995 entstanden sind bzw. entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten, die Patientin falsch aufgeklärt bzw. behandelt zu haben. Bei dem tragischen Geschehen handele es sich vielmehr um einen schicksalsbedingten Krankheitsverlauf. Insbesondere seien die Reanimationsmaßnahmen unverzüglich und sachgerecht erfolgt. Auf der Station befinde sich ordnungsgemäß ein Notfallkoffer mit Tubus und Ambubeutel.

Die Beklagte zu 6.) sei maximal eine Minute nach dem Schellen der Bettnachbarin der Frau T im Krankenzimmer eingetroffen. Die umgehend verständigte Beklagte zu 7.) sei unverzüglich mit Guedeltubus und Ambubeutel erschienen und habe besonnen und schnellstmöglich ärztliche Hilfe angefordert. Mit der künstlichen Beatmung der Patientin sei unverzüglich begonnen worden; der nur 40 Sekunden später eingetroffene Beklagte zu 8.) habe Frau T sachgerecht mittels Herzdruckmassage reanimiert. Vom Notruf der Bettnachbarin bis zum Eintreffen des Arztes, des Beklagten zu 8.), seien allenfalls fünf Minuten vergangen, nämlich entweder der Zeitraum von 20.50 Uhr bis 20.55 Uhr (Dokumentation der Beklagten zu 6.) oder von 20.55 Uhr bis 21.00 Uhr (Dokumentation der Beklagten zu 7.).

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten nebst Ergänzungsgutachten.

Insoweit wird auf das Gutachten des Sachverständigen E vom 16. April 1999 und auf seine ergänzende Stellungnahme vom 26. Januar 2001 verwiesen.

Weiterhin wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen H vom 7. Dezember 1999 sowie auf dessen ergänzende Stellungnahme vom 29. August 2001 verwiesen.

Die Kammer hat überdies den Sachverständigen H im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2002 zur Erläuterung seiner Gutachten mündlich angehört. Insoweit wird auf das Terminsprotokoll vom 18. Februar 2002, Bl. 320-323 GA, verwiesen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst den dazu überreichten Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet, soweit sie sich gegen die Beklagten zu 1.) und 2.) richtet; im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

Den Klägern steht aus der Behandlung der früheren Klägerin gegen die Beklagten zu 1.) und 2.) gemäß § 847 (i.V.m. § 31) BGB ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 153.387 EUR zu.

1.)

Der Anspruch ergibt sich daraus, dass die Behandlung des Kreislaufzusammenbruchs der früheren Klägerin grob fehlerhaft erfolgt ist (siehe unter 2.).

a.)

Die Kläger haben hingegen nicht den Beweis erbracht, dass bereits die Operation nicht indiziert war. Der Sachverständige E hat in seinem Gutachten vom 16. April 1999 und namentlich in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. Januar 2001 (S. 4) nachvollziehbar und zweifelsfrei erläutert, dass zwar der bei der früheren Klägerin vorgelegene Befund des mittelgradigen Descensus genitalis allein keine Operationsindikation dargestellt habe; aufgrund der Kombination der pathologischen Symptome und der von der Patientin beklagten Beschwerden habe aber eine klare Indikation zur Hysterektomie und Inkontinenz-Operation bestanden. Dieses Argument haben die Kläger auch nicht mit Hilfe der von ihnen eingeholten Privatgutachten des P vom 13. September 1995 und 9. Dezember 1996 zu entkräften vermocht. Der Privatgutachter verneint nämlich die Dringlichkeit des Eingriffs aus objektivmedizinischer Sicht - insoweit besteht kein Widerspruch zu dem Gerichts-Sachverständigen E, berücksichtigt aber nicht hinreichend das subjektive Befinden der Patientin, die gerade nicht bereit war, die Beschwerden weiter zu ertragen.

b.)

Auch die Operation selbst ist sachgerecht erfolgt; entgegenstehende Anhaltspunkte hat der Sachverständige E nicht festgestellt. Dass es zu Nachblutungen gekommen ist, spricht nicht dagegen. Der Gutachter hat diese als mögliche Folge einer derartigen Operation erachtet und zugleich in seinem Gutachten vom 16. April 1999 (S. 4) ausgeführt, dass auch bei sorgfältigster Blutstillung eine solche Nachblutung nicht mit letzter Sicherheit vermieden werden könne. Diese sei im Wege der Nachoperation lege artis gestillt worden.

c.)

Schließlich ist auch die nachoperative Behandlung nicht zu beanstanden. Der Blutverlust ist hinreichend aufgefangen worden; der Sachverständige hat dargelegt, dass sich der Hämoglobingehalt der früheren Klägerin am 2. und 3. Februar 1995 stabilisiert habe und die Nachbehandlung aus gutachterlicher Sicht einwandfrei erfolgt sei. Dies hat der weitere Sachverständige H in seinem Gutachten vom 7. Dezember 1999 im Hinblick auf die dokumentierten Blut-/Blutdruckwerte ausdrücklich bestätigt und zugleich einen kausalen Zusammenhang zu dem akuten Ereignis am 3. Februar 1995 ausgeschlossen (Bl. 3).

2.)

Grob behandlungsfehlerhaft war jedoch die Behandlung der früheren Klägerin im Hinblick auf die von ihr geäußerte Übelkeit bis hin zur Reanimation anlässlich ihres Kreislaufzusammenbruchs und Herzstillstandes.

a.)

Der Sachverständige H hat in seiner mündlichen Anhörung vor der Kammer, namentlich zur Erläuterung seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29. August 2001 nachvollziehbar dargelegt, dass die von der Patientin bereits in den Nachmittagsstunden beklagte Übelkeit dazu Veranlassung hätte geben müssen, zumindest mit der Verabreichung des Vomex Zäpfchens um 20.30 Uhr eine Blutdruckkontrolle vorzunehmen. Zwar handele es sich bei Übelkeit grundsätzlich um eine unspezifische Symptomatik; unter Berücksichtigung der konkreten Krankengeschichte der Patientin im Hinblick auf Alter, Operation und Nach-Operation sei die Übelkeit aber ein führendes Symptom eines niedrigen bzw. abfallenden Blutdrucks und Kreislaufzusammenbruchs. Deshalb sei die Verabreichung des Zäpfchens allein nicht ausreichend gewesen; es hätte vielmehr zusätzlich eine Blutdruckkontrolle erfolgen müssen, da zu diesem Zeitpunkt bereits - möglicherweise - ein abfallender Blutdruck hätte festgestellt und ggf. eine intensivmedizinische Behandlung mit Aussicht auf Erfolg eingeleitet werden können.

Der Beklagte zu 2.) hätte folglich der Beklagten zu 6.) mit der Anweisung, der früheren Klägerin bei Übelkeit ein Vomex-Zäpfchen zu verabreichen, zugleich auferlegen müssen, auch den Blutdruck zu kontrollieren.

Das Unterlassen dieser Maßnahme erachtet die Kammer unter Berücksichtigung der von dem Sachverständigen dargestellten Tatsachen als groben Behandlungsfehler des Beklagten zu 2.) : Da die Zäpfchengabe nämlich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen H allein nicht ausreichend, vielmehr die Blutdruckkontrolle erforderlich war, um einen möglichen und auch durchaus wahrscheinlichen Blutdruckabfall zu verifizieren oder aber auszuschließen, und zudem auch ohne nennenswerten Aufwand hätte erfolgen können, stellt das Unterlassen dieser Maßnahme einen Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln und gesicherte medizinische Erkenntnisse dar, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (vgl. BGH, NJW 1995, 778; 1996, 2428; 1997, 794, 796; 1998, 814; 1780, 1782)

Die Beklagte zu 6.) trifft insoweit allerdings kein Verschulden, da sie ordnungsgemäß nach der Anweisung des Beklagten zu 2.) gehandelt hat, der zuvor nur die Verabreichung eines Medikaments gegen Übelkeit angeordnet hatte. Mehr kann von ihr als Nichtmedizinerin selbstredend nicht erwartet werden.

b.)

Ein weiterer Behandlungsfehler liegt darin, dass die frühere Klägerin über Guedeltubus und Ambubeutel nur mit normaler Raumluft, nicht aber mit reinem Sauerstoff beatmet worden ist. Die Verantwortung trifft insoweit die Beklagte zu 1.), die der Station des Beklagten zu 2.) nicht ein entsprechend ausgestattetes Notfallsystem zur Verfügung gestellt hat. Die Kammer brauchte deshalb die von den Beklagten zur Notfallausstattung benannten Zeugen L und L1 nicht mehr zu hören; die Beklagte zu 6.) hat im Termin vom 18. Februar 2002 nämlich erklärt, die Patientin nur mit normaler (Raum-) Luft beatmet zu haben. Dies ist auch zwischen sämtlichen Parteien unstreitig geblieben.

Der Sachverständige H hingegen hat - insbesondere auf Nachfrage des Klägervertreters - erklärt, dass mit reinem Sauerstoff habe beatmet werden müssen. Aufgrund der von ihm als wahrscheinlich erachteten Lungenembolie und des entstandenen Lungenthrombus habe nämlich ohnehin nur ein geringeres Sauerstoff-Volumen aufgebaut werden können, das Gehirn habe zuwenig Sauerstoff erhalten, selbst bei einer im Übrigen lege artis durchgeführten Reanimation. Da die Patientin jedenfalls beinahe komatös gewesen sei, sei die Zuführung von reinem Sauerstoff "zwingend notwendig", in keinem Fall kontraindiziert gewesen.

c.)

Da in diesen Fällen die Gabe von Sauerstoff die Chancen des kollabierten, komatösen Patienten deutlich zu verbessern geeignet und in keinem Fall schädlich ist, entspricht das von der Beklagten zu 1.) verwendete Notfallsystem der Beatmung nur mit Raumluft ohne reinen Sauerstoff nicht mehr dem aktuellen zeitgerechten Stand der Medizin; eine derartige Notfallversorgung erachtet die Kammer als grob fehlerhaft.

Die Beklagten zu 6.) und 8.) trifft hieran kein Verschulden. Es ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte zu 6.) mit den vorhandenen Mitteln nicht ordnungsgemäß reanimiert hätte. Auch die ärztlichen Reanimationsmaßnahmen des Beklagten zu 8.) sind nach den schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen H nicht zu beanstanden.

Die Beklagte zu 1.) ist allerdings als Krankenhausträgerin für die jedenfalls im Hinblick auf fehlenden reinen Sauerstoff unzureichende Notfallversorgung auf der Station 00 verantwortlich.

3.)

Aufgrund dieser zweifelsfrei feststehenden massiven Versäumnisse erachtet die Kammer vorliegend eine zur Beweislastumkehr führende Beweiserleichterung zugunsten der Kläger als gegeben. Es entspricht nunmehr der Billigkeit, den Beklagten zu 1.) und 2.) die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass die Behandlungs- und Organisationsfehler nicht das apallische Syndrom der Frau T kausal verursacht haben (vgl. hierzu Dr. Müller, Vors. des VI. Zivilsenats beim BGH, Senat für Arzthaftungsfragen, in DRiZ 2000, 259, 266-269).

Diesen Beweis haben die Beklagten nicht zu führen vermocht. Denn es ist namentlich nach den mündlichen Ausführungen des Sachverständigen H durchaus möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass eine anlässlich der Verabreichung des Vomex Zäpfchens durchgeführte Blutdruckkontrolle tatsächlich bereits einen Blutdruckabfall ergeben hätte. Dann aber hätten bereits zu diesem Zeitpunkt intensivmedizinische Maßnahmen - etwa zur Blutverdünnung - eingeleitet und damit möglicherweise der Zusammenbruch der Patientin Frau T verhindert werden können.

4.)

Die Kammer erachtet ein Schmerzensgeld in Höhe von 153.387 EUR für den Verlust der Persönlichkeit der früheren Klägerin als angemessen. Es entspricht der Höhe des auch in anderen vergleichbaren Fällen von der Kammer zugesprochenen Schmerzensgeldes.

Dieser Betrag ist mit Ablauf der den Beklagten im Schreiben vom 28. Juli 1995 zum 1. September 1995 gesetzten Frist mit 4 % gemäß §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB zu verzinsen.

II.

Der Feststellungsantrag ist in der zuerkannten Weise begründet. Da noch nicht absehbar ist, welche materiellen Einbußen sich aus dem Schadensereignis von Februar 1995 im Hinblick auf den Verlust von Unterhaltsleistungen bzw. zusätzliche Kosten der Haushaltsführung ergeben, ist es gerechtfertigt, insoweit insgesamt die Ersatzpflicht der Beklagten zu 1.) und 2.) festzustellen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.

IV.

Im Hinblick auf den Vornamen der früheren Klägerin war der im Termin vom 18. Februar 2002 verkündete Urteilstenor dahingehend von Amts wegen zu berichtigen, dass der Vorname der früheren Klägerin J - nicht J1 - lautet.

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