VG Ansbach, Urteil vom 24.02.2016 - AN 9 K 16.00069
Fundstelle
openJur 2016, 12252
  • Rkr:
Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach

AN 9 K 16.00069

Im Namen des Volkes

Urteil

24. Februar 2016

9 Kammer

Sachgebiets-Nr.: 920

Hauptpunkte: Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts, Wohl der Allgemeinheit, Ermessensausfall

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

1. ...

2. ...

- Kläger -

zu 1 und 2 bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

Stadt ...

vertreten durch den ersten Bürgermeister ...

- Beklagte -

bevollmächtigt: ...

beigeladen: ...

wegen Baurechts

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 9. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Walk die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Wendelin den Richter Wust und durch den ehrenamtlichen Richter ... den ehrenamtlichen Richter ... ohne mündliche Verhandlung am 24. Februar 2016 folgendes

Urteil:

1. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2014 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Tatbestand:

Die Klage richtet sich gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte.

Im September 1992 beantragten die Kläger als "Interessengemeinschaft zur Errichtung von Ferienbungalows" die bauplanungsrechtliche Ausweisung eines Sondergebiets mit dem Zweck der Errichtung eines Feriendorfes im Ortsteil ... der Stadt .... Das Sondergebiet sollte neben dem streitgegenständlichen Grundstück Fl. Nr. ... die Grundstücke Fl. Nr. ... (... ...) mit 956 qm, Fl. Nr. ... (Stadt ...) mit 1.709 qm und Fl. Nr. ... (... ...) mit 7.095 qm umfassen. Die Gesamtfläche sollte sich auf 9.760 qm belaufen. Die Gebäude der Ferienanlagen sollten im gleichen Stil wie die Erholungsanlagen ..., die sich in unmittelbarer Nähe befinden, errichtet werden. Mit Beschluss vom 8. September 1992 erklärte der Stadtrat seine grundsätzliche Zustimmung zur Ausweisung eines entsprechenden Sondergebiets im Flächennutzungsplan und zur Grundstücksveräußerung. Auf Antrag der Stadt ... beschloss die Verbandsversammlung des Zweckverbands ... für die Grundstücke Fl. Nrn. ..., ... und ... im nicht verplanten Grünbereich ein Sondergebiet für eine Ferien- und Freizeitanlage auszuweisen. Die Ortsplanungsstelle bei der Regierung von Mittelfranken wurde beauftragt, die Flächennutzungsplanänderung durchzuführen.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 30. Oktober 1992 verkaufte Herr ... ... (Alleineigentümer) das Grundstück Fl. Nr. ..., Landwirtschaftsfläche zu 0,6998 ha an die Kläger zu 1) und 2) zum Miteigentum je zur Hälfte. Der Käufer erwarte - ohne dass dies Geschäftsgrundlage des Vertrages sei -, dass er auf dem Vertragsobjekt eine Ferienhaussiedlung errichten könne. Ein dem Verkäufer eingeräumtes Rückkaufsrecht erlosch mit Ablauf des 31. Juli 1996 (Kaufpreis 5,00 DM/qm, so hin 34.990,00 DM).

Mit notariellem Vertrag vom 24. September 1993 verpachtete Herr ... ... (Alleineigentümer) das Grundstück Fl. Nr. ..., Landwirtschaftsfläche zu 4.794 qm, an die Kläger und die Ehegatten ... als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB. Das Pachtverhältnis wurde auf die Dauer von 30 Jahren vereinbart - Beginn am 1. Oktober 1993, Ende am 30. September 2023. Als Pachtzins vereinbarten die Vertragsteile 1,00 DM für das gesamte Grundstück jährlich. Weiter ist ausgeführt: "Eine landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks ist nicht gestattet. Die Vorschriften über Landpacht sind somit nicht anwendbar." Weiter räumte der Verpächter dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. ..., Gemarkung ..., und dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Fl Nr. ..., Gemarkung ..., jeweils ein Vorkaufsrecht an dem Pachtgrundstück in der Weise ein, dass das Vorkaufsrecht so lange wie der Pachtvertrag besteht.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 1. Dezember 1993 verkaufte die Stadt ... - als Alleineigentümerin eingetragen bei den Grundstücken der Gemarkung ... Fl. Nr. ..., Bauplatz zu 0,1709 ha und Fl. Nr. ..., Weg zu 0,0659 ha - an die Kläger zu 1) und 2) - als Miteigentümer je zur Hälfte eingetragen beim Grundstück Fl. Nr. ... zu 0,7095 ha - eine Teilfläche aus Fl. Nr. ... von ca. 1.509 qm sowie eine Teilfläche aus Fl. Nr. ... von ca. 400 qm an die Kläger zu 1) und 2) zu Eigentum je zur Hälfte. Der Kaufpreis beträgt 15,00 DM/qm bei einer vorläufigen Fläche von insgesamt 1.909 qm. Weiter enthält der Vertrag eine Bauverpflichtung und ein Widerkaufsrecht: Der Käufer verpflichtet sich dem Verkäufer gegenüber, auf dem Vertragsgrundbesitz eine Ferienanlage zu errichten. Er hat mit den auf den Vertragsgrundbesitz vorgesehenen Gebäudlichkeiten binnen sieben Jahren ab heute mit dem Bau zu beginnen und binnen weiterer drei Jahre diese Gebäudlichkeiten fertig zu stellen. Die Bebauungsverpflichtung ist auch erfüllt, wenn die Ferienanlage, insbesondere Bauwerke auf dem Grundstück Fl. Nr. ... der Gemarkung ... errichtet wurden. Der Käufer verpflichtet sich dem Verkäufer gegenüber ferner, den Vertragsgrundbesitz oder Teile hiervon nicht im unbebauten Zustand weiter zu veräußern. Für den Fall, dass der Käufer der vorstehenden Bauverpflichtung nicht fristgerecht nachkommt oder den Vertragsgrundbesitz ganz bzw. Teile hieraus im unbebauten Zustand weiter veräußert, behält sich der Verkäufer an dem Vertragsgrundbesitz ein Widerkaufsrecht zum heute vereinbarten Kaufpreis von 15,00 DM/qm zuzüglich aller Beträge, welche der Käufer für die Erschließung des Vertragsgrundbesitzes nach den einschlägigen Bestimmungen bis zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerkaufsrechts tatsächlich entrichtet hat, je ohne Zinsvergütung vor (Bl. 54 ff. der Gerichtsakte).

Der Stadtrat der Stadt ... hat in der Sitzung vom 28. September 1993 die Aufstellung des Bebauungsplans für das "Sondergebiet ..." beschlossen und den Aufstellungsbeschluss am 10. Dezember 1993 ortsüblich bekanntgemacht. Mit Beschluss des Stadtrats vom 21. Februar 1995 wurde der Bebauungsplan gemäß § 10 BauGB i. d. F. vom Februar 1995 als Satzung beschlossen. Nach Ausfertigung durch den 1. Bürgermeister am 27. März 1995 und Durchführung des Anzeigeverfahrens erfolgte die Bekanntmachung gemäß § 12 BauGB im Amts- und Mitteilungsblatt der Verwaltungsgemeinschaft ... Nr. ... am 26. Mai 1995. Der Bebauungsplan trat als Satzung mit dieser Bekanntmachung in Kraft.

In der Begründung des Bebauungsplans für das "Sondergebiet ..." ist folgendes ausgeführt:

"Das "Sondergebiet ..." soll als Ferienwohnanlage einen neuen Abschluss nördlich des bereits bestehenden Ortsrandes von ... bilden. Aufgrund der exponierten Lage am Rande der ... sowie der unmittelbaren Nähe zum historischen ... ... soll ein besonderes Augenmerk auf städtebauliche Ordnung und Gestaltung der gesamten Anlage gerichtet werden. Das geplante Feriendorf soll zur Förderung des schonenden Tourismus an diesem Standort in unmittelbarer Nähe zur bereits vorhandenen Freizeitanlage ... beitragen. Es sollen hierdurch zusätzliche Übernachtungsmöglichkeiten geschaffen werden, die einen sogenannten Vier-Jahres-Zeiten-Urlaub ermöglichen und den Besucher als Ausgangspunkt für seine Aktivitäten rund um den ... dienen.

II.

Textliche Festsetzungen

1. StandortsituationDas Sondergebiet soll folgende Grundstücke der Gemarkung ... umfassen: Fl.Nrn. ..., ..., ..., ... (Teilstück) und Fl. Nr. ... ....

3. Planungsrechtliche Festsetzungen

3.1 Art der baulichen Nutzung

Als Art der baulichen Nutzung ist eine Ferienwohnanlage gemäß § 10 Abs. 4 BauNVO mit entsprechenden Nebengebäuden vorgesehen. Damit soll die gewerbliche Nutzung festgeschrieben und andere gewerbliche Nutzungen ausgeschlossen werden. (...)

3.4 Erschließung

Das Vorhaben wird durch die Ortsstraße ... verkehrstechnisch erschlossen. Die Anlage soll weitgehend (bis auf An-, Abfahrt- bzw. Lieferverkehr) kfzfrei gehalten werden. Die erforderlichen Pkw-Stellplätze werden vor der eigentlichen "Ferienwohnanlage" auf dem Flurstück Nr. ... angeordnet."

Das Grundstück Fl. Nr. ... enthält zeichnerisch folgende Festsetzungen:

Die westliche Hälfte des Grundstücks enthält die Festsetzung "der Anlage zugehörige Parkfläche", die östliche Hälfte ist als "parkartige Grünfläche" gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB festgesetzt.

Am 9. September 1998 beschloss der Stadtrat der Stadt ... die Durchführung des ersten Änderungsverfahrens des Bebauungsplanes "Sondergebiet ..." gemäß § 13 Nr. 1, § 3 Abs. 2 BauGB. Von der Änderung betroffen waren lediglich die Dachneigungen von Ferienhäusern. Laut Bekanntmachungsvermerk erfolgte die Bekanntmachung über die Auslegung der ersten Änderung des Bebauungsplans gemäß § 13 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 2 BauGB in der Zeit vom 2. November 1998 bis einschließlich 1. Dezember 1998 im Amts- und Mitteilungsblatt der Verwaltungsgemeinschaft ... Nr. ... am 24. Oktober 1998. Nach den vorgelegten Akten wurde das Verfahren nicht weiter fortgeführt.

Das Grundstück Fl. Nr. ... der Gemarkung ... ist im Flächennutzungsplan "..."- Teilplan Stadt ... - 5. Änderung mit Überarbeitung und Zusammenfassung der 3. (Anpassung) und 4. Änderung -, in Kraft getreten am 19. Juli 2006, als "sonstiges Sondergebiet: Ferien" dargestellt.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 28. Mai 2014 verkaufte Herr ... ... den Grundbesitz der Gemarkung ... Fl. Nr. ..., Landwirtschaftsfläche zu 4.017 qm, an den Kläger zu 1), den Kläger zu 2) und Herrn ... ... zum Miteigentum zu je einem Drittel. Der Grundbesitz ist laut Grundbuchvortrag im Grundbuch des Amtsgerichts ... von ..., Bl. ..., wie folgt belastet:

Abteilung 2: ......

Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. ..., Gemarkung ...;

Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. ..., Gemarkung ...;

die Zwangsversteigerung ist angeordnet (Amtsgericht ..., Az. ...);

Abteilung 3

Buchgrundschulden für die Sparkasse ... sowie für die Vereinigten Sparkassen Stadt und Landkreis ....

Weiter ist im Vertragstext folgendes ausgeführt:

7. Zwangsversteigerung

Der Notar wird allseits beauftragt und bevollmächtigt, dem Versteigerungsgericht die heutige Veräußerung mitzuteilen ....

Nach Angabe der Beteiligten wird das Zwangsversteigerungsverfahren betrieben von den Vereinigten Sparkassen Stadt und Landkreis .... Der Notar hat insbesondere darüber belehrt, dass durch den heutigen Kaufvertrag, die zur Eintragung bewilligte Vormerkung und die Eigentumsumschreibung auf den Käufer das bestehende Zwangsversteigerungsverfahren nicht beendet wird und auch nach Eintragung der Vormerkung noch weitere Gläubiger dem Zwangsversteigerungsverfahren beitreten können.

1. Kaufpreishöhe

Der Kaufpreis beträgt 28.119,00 EUR....

VII.

Vorkaufsrecht

Im Grundbuch sind, wie eingangs wiedergegeben, dingliche Vorkaufsrechte für den jeweiligen Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. ... bzw. ... der Gemarkung ... eingetragen. Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. ... der Gemarkung ... sind der Kläger zu 1) und 2). Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. ... sind die Eheleute .... Der Kläger zu 1) und 2) und die Eheleute ... erklären hiermit ihr Vorkaufsrecht für den in dieser Urkunde enthaltenen Verkauf nicht auszuüben.

Am 10. Juni 2014 fasste der Stadtrat ... in nichtöffentlicher Sitzung folgenden Beschluss:

"Die Stadt ... macht das Vorkaufsrecht für das Grundstück Fl. Nr. ..., Gemarkung ..., geltend" (Abstimmungsergebnis 9:1). Als Sachvortrag enthält der Beschlussbuchauszug folgende Ausführungen:

"Das Grundstück Fl. Nr. ..., Gemarkung ..., wurde von Herrn ... an die Herren ..., ... und ... ... verkauft. Das Grundstück hat eine Größe von 4.017 qm, der vereinbarte Kaufpreis liegt bei 28.119,00 EUR, 7,00 EUR/qm. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Flächennutzungsplans und ist darin als Sondergebiet "Ferien" ausgewiesen. Der Bebauungsplan ist noch nicht rechtskräftig. Bürgermeister ... führt weiterhin an, dass die Stadt für das Grundstück das Vorkaufsrecht ausüben könnte, um dort Bauland zu schaffen. Der Erwerb der angrenzenden Grundstücke wäre ebenfalls mit den Eigentümern zu verhandeln. Er hat daraufhin mit Herrn ... gesprochen, der jedoch für die hinteren Grundstücke einen Preis von mindestens 30,00 EUR/qm verlangt. Von Seiten der Käufer ist es geplant, den Bebauungsplan bzw. die Planungen mit einem touristischen Projekt baldmöglichst umzusetzen. Bürgermeister ... erläutert weiter, dass sich die Eigentümer nicht auf die Festsetzungen des Flächennutzungsplans berufen können, da dieser nur eine rechtliche Bindung für Behörden hat. Seiner Ansicht nach sollte die Stadt das Vorkaufsrecht nicht geltend machen, dafür jedoch einen städtebaulichen Vertrag mit einer Umsetzungsfrist von fünf Jahren und einer Vertragsstrafe bei Nichteinhaltung von 50.000,00 EUR mit den Käufern abschließen. Aus den Reihen des Stadtrats wird angeführt, dass das Grundstück sehr günstig liegt und für die Weiterentwicklung von ... sinnvoll wäre. Die Stadt sollte daher das Vorkaufsrecht geltend machen."

Mit Schreiben der Verwaltungsgemeinschaft ... vom 16. Juni 2014 an den Beigeladenen wurde folgendes ausgeführt:

"Der Stadtrat ... hat in seiner Sitzung vom 10. Juni 2014 beschlossen, das Vorkaufsrecht aus oben genanntem Kaufvertrag für das Grundstück Fl. Nr. ..., Gemarkung ..., in ..., Landwirtschaftsfläche zu 4.017 qm geltend zu machen. Das Notariat wurde bereits darüber informiert. Ebenso werden wir die Käufer informieren."

Der Klägervertreter teilte mit Schreiben vom 17. Juli 2014 der Verwaltungsgemeinschaft ... mit, dass ihm das Schreiben vom 16. Juni 2014 bezüglich der Ausübung des Vorkaufsrechts vorliege und nunmehr ein rechtsmittelfähiger Bescheid erwartet werde. Die Verwaltungsgemeinschaft ... antwortete mit Schreiben vom 23. Juli 2014 daraufhin gegenüber dem Klägervertreter, nach § 28 Abs. 2 BauGB könne das Vorkaufsrecht gegenüber dem Verkäufer, also Herrn ..., ausgeübt werden. Dies sei mit Schreiben vom 16. Juni 2014 geschehen. Nachdem der Klägervertreter jedoch einen der Käufer vertrete, werde keine Veranlassung gesehen, dem Klägervertreter einen rechtsmittelfähigen Bescheid zukommen zu lassen.

Am 18. August 2014 erhoben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach und führten zur Begründung aus:

Über die beteiligten Notare hätten die Kläger erfahren, dass die Beklagte durch Schreiben vom 16. Juni 2014, gerichtet ausschließlich an den Veräußerer ... ..., das entsprechende Vorkaufsrecht ausgeübt habe. Bei ihrer Auffassung, dass sich aus § 28 Abs. 2 BauGB, in dem es heiße, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber dem Verkäufer zu erfolgen habe, verkenne die Beklagte, dass auch die Käufer das Recht hätten, den entsprechenden Vorkaufsbescheid anzugreifen, weshalb die Kommentarliteratur und ganz herrschende Meinung der Auffassung sei, dass der Bescheid auch dem Käufer bekanntzumachen sei. Da dies nicht erfolgt sei, könne auch keine Klagefrist laufen (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 28 RdNr. 26). Der Vorkaufsrechtsbescheid vom 16. Juni 2014 sei rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Das Schreiben, gerichtet an den Beigeladenen, vom 16. Juni 2014 enthalte weder eine Begründung noch eine Rechtsbehelfsbelehrung. Das Grundstück liege in der Nähe der .... Für den Bereich sei ursprünglich ein Bebauungsplan für das Sondergebiet ... (Ferienhausgebiet mit Parkplätzen) vorgesehen gewesen. Ein entsprechender Bebauungsplan sei zwar im Stadtrat der Beklagten beschlossen worden, jedoch nie in Kraft getreten, insbesondere nicht bekanntgemacht. Dass dieser Bebauungsplan nie in Kraft getreten sei, sei auch ausdrücklich im Rahmen der Akteneinsicht durch den Vertreter der Beklagten, Herrn Bürgermeister ..., bestätigt worden. Aufgrund der fehlenden Begründung und auf der fehlenden Bezugnahme auf irgendeine Vorschrift im Baugesetzbuch könne nur spekuliert werden, auf welche Rechtsgrundlage gegebenenfalls die behauptete Ausübung des Vorkaufsrechts sich stützen könne. Nachdem ein Bebauungsplan erkennbar nicht in Kraft getreten sei mit Geltungsbereich für das maßgebliche Grundstück, scheide ein Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BauGB offenkundig aus. Auch § 24 Abs. 1 Nr. 5 BauGB sei auszuscheiden, da eine Sonderfläche geplant sei und kein entsprechendes Wohngebiet bzw. Wohnbaufläche. Unabhängig davon stehe ein Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 3 BauGB nur zu, wenn das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung rechtfertige. Hierzu sei offenkundig nichts vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, weshalb das Wohl der Allgemeinheit eine Ausübung als erforderlich erscheinen lasse. Für den Fall, dass der Bebauungsplan doch, entgegen der Äußerung des 1. Bürgermeisters, bekanntgemacht worden sein solle, seien die Grundlagen der Ausübung eines Vorkaufsrechts nicht gegeben. Hier sei eine Parkfläche für das Ferienhausgebiet festgesetzt worden und entgegen der Auffassung der Beklagten keine öffentliche Fläche. Festgesetzt sei ein Sondergebiet ... als Ferienanlage. Auch die Parkplätze seien ganz überwiegend der Anlage zugerechnet. Weitere, insbesondere öffentliche Grünflächen und ähnliches wären dem Bebauungsplan nicht zu entnehmen. Es erscheine schon absurd, hier eine öffentliche Verkehrs- oder sonstige Fläche anzunehmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien selbstverständlich die Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes (z. B. Begründung eines Verwaltungsaktes, Ausübung von Ermessen und ähnlichem) anzuwenden.

Der Klägervertreter beantragt,

der Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe durch Bescheid vom 16. Juni 2014 das Vorkaufsrecht bezogen auf das Grundstück Fl. Nr. ..., Gemarkung ..., rechtswirksam ausgeübt. Bei den Schreiben der Beklagten vom 16. Juni 2014, gerichtet an den Verkäufer, Herrn ... ..., sowie die Käufer, die Kläger zu 1) und 2), sowie Herrn ... ..., handele es sich um Verwaltungsakte. Hierin wäre das Vorkaufsrecht bezogen auf das streitgegenständliche Grundstück ausgeübt und damit die Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen. Einer Begründung der Ausübung des Vorkaufsrechts bedurfte es nicht. Sowohl dem Verkäufer als auch dem Käufer ... sei die Ausübung des Vorkaufsrechts vorab angekündigt worden. Darüber hinaus sei die Begründung jedenfalls nachgeholt, spätestens durch vorliegende Klageerwiderung. Die Beklagte sei zur Ausübung des Vorkaufsrechts berechtigt, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Das streitgegenständliche Grundstück sei im Geltungsbereich des Bebauungsplans "Sondergebiet ..." vom 21. Februar 1995 als Parkfläche und damit als öffentliche Fläche ausgewiesen. Der Bebauungsplan sei entgegen der Ausführungen der Kläger auch in Kraft getreten (Bekanntmachungsvermerk vom 24.5.1995). Der Erwerb des Grundstücks liege daher im öffentlichen Interesse. Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertige den Vorkauf schon dann, wenn der gemeindliche Grunderwerb die Ziele und Zwecke der Maßnahme fördere, die durch Bebauungsplan bereits festgesetzt seien, ihre Durchführung erleichtern oder unterstützen (so Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 24 RdNr. 65). Durch Erwerb des Grundstücks könnten die im Bebauungsplan vorgesehenen städtebaulichen Ziele umgesetzt werden.

Der Erwerb durch die Kläger ermögliche nicht die Umsetzung der Festsetzungen des Bebauungsplans und verzögere diese jedenfalls. Die Kläger seien bereits jetzt Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. ... und .... Die Grundstücke seien von der Beklagten mit Vertrag vom 1. Dezember 1993 käuflich erworben worden. Im Rahmen des notariellen Vertrags sei eine Bauverpflichtung der Kläger unter Fristsetzung und Wiederkaufsrecht der Beklagten vereinbart (notarieller Vertrag vom 1.12.1993). Trotz mehrfacher Verlängerung der Bauverpflichtung seitens der Beklagten sei diese durch die Kläger noch immer nicht umgesetzt worden. Die Beklagte habe daher von ihrem Wiederkaufsrecht Gebrauch gemacht. Nachdem somit die Umsetzbarkeit der im Bebauungsplan vorgesehenen Nutzung jedenfalls offensichtlich erheblich verzögert werde, liege die Ausübung des Vorkaufsrechts im öffentlichen Interesse.

Der Beigeladene (Beiladungsbeschluss vom 18.8.2014) hat sich im Verfahren nicht geäußert.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2015 bekundeten die Beteiligten ihr Interesse an einer außergerichtlichen Einigung und stellten das Verfahren ruhend. Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2018 hat der Klägervertreter mitgeteilt, dass keine einvernehmliche Lösung herbeigeführt werden konnte. Mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung bestehe Einverständnis. Mit Schriftsatz vom 25. Januar 2016 hat die Vertreterin der Beklagten einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung zugestimmt. Mit Schreiben vom 3. Februar 2016 hat auch der Beigeladene einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung zugestimmt.

Im Übrigen wird Bezug genommen auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, die beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten sowie die Schriftsätze der Beteiligten.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten kann über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

1. Die Klage ist zulässig.

Die Kläger wenden sich als Käufer des Grundstücks gegen den auch sie belastenden Verwaltungsakt der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte. Das Vorkaufsrecht wird durch Verwaltungsakt gegenüber dem Veräußerer ausgeübt (§ 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Gegen diesen Verwaltungsakt steht auch den Klägern als Käufer die Anfechtungsklage zu, sie können durch die Ausübung des Vorkaufsrechts in eigenen Rechten verletzt sein (vgl. VG Würzburg, U.v. 23.7.2015 - W 5 K 14.1105 -, juris Rn. 35; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: August 2015, § 28 Rn. 26, m. w. N.).

Mangels ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung bei Bekanntgabe des Bescheides mit Schreiben vom 16. Juni 2014 ist die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 VwGO gemäß § 58 Abs. 2 VwGO eingehalten.

2. Die Klage ist auch begründet.

Der Bescheid der Beklagten an den Beigeladenen vom 16. Juni 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vorlagen erscheint bereits zweifelhaft (vgl. nachfolgend 1.). Darüber hinaus erscheint auch zweifelhaft, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts im vorliegenden Fall durch das Wohl der Allgemeinheit nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB gerechtfertigt ist (vgl. nachfolgend 2.). Beides kann jedoch letztlich offen bleiben, da sich die Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheides jedenfalls aus dem Fehlen der erforderlichen Ermessensausübung ergibt, das im Klageverfahren auch nicht nachgeholt werden konnte (vgl. nachfolgend 3.).

1. Zweifel bestehen nach Auffassung der Kammer bereits darüber, ob vorliegend die Voraussetzungen für die Ausübung eines Vorkaufsrechtes nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BauGB überhaupt vorlagen. Ob von der Wirksamkeit des Bebauungsplans "Sondergebiet ..." vom 26. Mai 1995 auszugehen ist, kann dabei offen bleiben, da auch bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans nach den planerischen und textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans "Sondergebiet ..." vom 26. Mai 1995 für das streitgegenständliche Grundstück eine Nutzung als anlagenbezogene Park- und Grünfläche und keine Nutzung für öffentliche Zwecke vorgesehen ist.

Damit lägen auch bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, auf den sich die Beklagte bei der Ausübung des Vorkaufsrechts stützt, wohl nicht vor.

2. Darüber hinaus erscheint auch fraglich, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts durch das Wohl der Allgemeinheit nach § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB gerechtfertigt ist.

Der Begriff des Wohls der Allgemeinheit ist ähnlich wie im Bereich des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 2 und 3 GG) und den speziellen Enteignungsvorschriften (§ 87 Abs. 1 BauGB) nicht mit dem Begriff des öffentlichen Interesses gleichzusetzen. Erst ein qualifiziertes, sachlich objektiv öffentliches Interesse als Ergebnis einer Abwägung der im Einzelfall miteinander in Widerstreit stehenden privaten und öffentlichen Interessen kann mit dem Wohl der Allgemeinheit identifiziert werden. An die Ausübung des Vorkaufsrechts werden jedoch gegenüber einer Enteignung, die nur zulässig ist, wenn das Wohl der Allgemeinheit diese erfordert, qualitativ geringere Anforderungen gestellt. Es genügt, wenn der Erwerb des Grundstücks im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen zu den vom Gesetzgeber gebilligten bodenpolitischen, eigentumspolitischen und städtebaulichen Zwecken erfolgt und dabei überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt werden (BayVGH, U.v. 6.2.2014 Nr. 2 B 13.2570, m. w. N.; VG Würzburg, U.v. 23.7.2015 - W 5 K 14.1105 -, juris Rn. 54).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen unterliegt im vollen Umfang der gerichtlichen Nachprüfung und richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Im Gegensatz zur Enteignung kann das Vorkaufsrecht durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt sein, wenn die benötigten Grundstücksflächen nicht sofort, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt benötigt werden (BayVGH, U.v. 6.2.2014 Nr. 2 B 13.2570, m. w. N.). Die Ausübung des Vorkaufsrechts wird nicht vom Gemeinwohl gedeckt, wenn die Gemeinde das Grundstück lediglich aus privatwirtschaftlichem Gewinnstreben erwirbt. Aus der Zweckbindung des Vorkaufsrechts ergibt sich auch, dass die Gemeinde bei Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 BauGB dieses nicht "lediglich" zu Vorratszwecken ohne Bezug zu einer städtebaulichen Maßnahme oder im Widerspruch zu Bebauungsplanfestsetzungen ausüben darf (vgl. BayVGH, U.v. 26.6.1985 - 1 B 84 A 14.20 - juris; VG Würzburg, U. v. 23.7.2015, a. a. O.; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a. a. O., § 24 Rn. 64).

Die enge Verknüpfung des Vorkaufsrechts an das jeweilige städtebauliche Ziel, hier zur Nutzung von Flächen innerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans für öffentliche Zwecke, wird auch durch die Regelungen in § 26 Nr. 4 BauGB und § 27 BauGB bestätigt. Danach ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn das Grundstück bereits entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut ist; der Käufer kann die Ausübung des Vorkaufsrechts ferner abwenden, wenn er in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist nach den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen. Diese Einschränkungen des Vorkaufsrechts in §§ 26 und 27 BauGB bilden auch einen Maßstab, der für die Auslegung von § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB heranzuziehen ist (BVerwG, B. v. 29.6.1993 - 4 B 100.93 - juris). Sie verdeutlichen, dass mit dem Vorkaufsrecht nicht gänzlich andere Zwecke verfolgt werden dürfen und dass keine Rechtfertigung besteht, von der Befugnis nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB Gebrauch zu machen, wenn das städtebauliche Ziel auch unter Mitwirkung eines bauwilligen Grundstückseigentümers erreicht werden kann. Bei der Ermessensausübung ist dementsprechend auch den gewichtigen Belangen des Betroffenen Rechnung zu tragen (BVerwG, B. v. vom 26.4.1993 - 4 B 31.93 -; VG Ansbach, U.v. 12.5.2015 - AN 3 K 13.01946 -, Rn. 30, juris).

Vorliegend erfolgte die Ausübung des Vorkaufsrechts ausweislich der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des Stadtrates der Beklagten vom 10. Juni 2014, "um dort Bauland zu schaffen". Die Beklagte gibt darin zu erkennen, dass der Grundstückserwerb der Kläger erfolgt, um "den Bebauungsplan bzw. die Planungen mit einem touristischen Projekt baldmöglichst umzusetzen". Die Ausübung des Vorkaufsrechtes wurde ausweislich der Sitzungsniederschrift ohne Ansehung der Gültigkeit oder der Realisierung des Bebauungsplans mit der Begründung beschlossen, dass "das Grundstück sehr günstig liegt und für die Weiterentwicklung von ... sinnvoll wäre". Unter Berücksichtigung, dass der Grundstückserwerb der Kläger offenkundig der Realisierung eines touristischen Projektes entsprechend der Festsetzungen des Bebauungsplans "Sondergebiet ..." vom 26. Mai 1995 diente, spricht einiges dafür, dass die Umsetzung der städtebaulichen Ziele vorliegend auch unter Mitwirkung der bauwilligen Grundstückseigentümers erreicht werden könnte. Es erscheint somit zweifelhaft, ob die streitgegenständliche Ausübung des Vorkaufsrechts vorliegend durch Gründe des Allgemeinwohls im Sinne von § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB gerechtfertigt war.

3. Im Ergebnis kann dies offen bleiben, da die Ausübung des Vorkaufsrechts jedenfalls ermessensfehlerhaft erfolgt ist. Der Ausübungsbescheid leidet an erheblichen Begründungsmängeln, die auf einen Ermessensausfall schließen lassen.

Die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts liegt im Ermessen der Gemeinde, d. h. sie kann bei Vorliegen der Voraussetzungen ihr Recht ausüben, muss dies aber nicht tun (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand 1. August 2015, § 24 Rn. 66). Ob die gesetzlichen Ausübungsvoraussetzungen erfüllt sind, beurteilt sich nach den konkreten Erwägungen der Gemeinde im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Ausübung des Vorkaufsrechts ist zwar im Regelfall bereits durch das tatbestandliche Wohl der Allgemeinheit indiziert. Das private Interesse des Käufers, das Grundstück zu erwerben, muss demgegenüber im Regelfall zurücktreten (vgl. BayVGH, U.v. 9.3.2000 Nr. 2 B 96.467). Die Gemeinde muss jedoch Gründe, die zugunsten eines Erwerbers gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts streiten, zumindest dann in ihre Ermessenserwägungen einstellen, wenn diese Gründe über das allgemeine Interesse an der Aufrechterhaltung des ursprünglich geschlossenen Kaufvertrages hinausgehen und der Gemeinde bekannt sind bzw. bekannt sein müssten (vgl. VG Würzburg, U.v. 4.7.2002 Nr. W 5 K 01.379). Die Beklagte hat im Ausübungsbescheid den Verwendungszweck des Grundstücks nicht hinreichend genau angegeben. Die Angabe des Verwendungszwecks ist Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob die Inanspruchnahme des Grundstücks durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt ist und hat darüber hinaus Bedeutung für die Abwendung der Ausübung nach § 27 Abs. 1 BauGB (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a. a. O., § 24 Rn. 79). Wird der Verwendungszweck unzureichend angegeben, kann die Ermessensausübung hiervon gleichsam "infiziert" und unzureichend werden (VG Würzburg, U.v. 23.7.2015 - W 5 K 14.1105 -, Rn. 65, juris).

Gemäß § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht, ob der Verwaltungsakt deswegen rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Nach § 114 Satz 2 VwGO kann eine Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Letzteres setzt jedoch voraus, dass die Verwaltungsbehörde grundsätzlich erkannt hat, dass ihr ein Ermessen zusteht und dies auch ausgeübt hat. Eine Nachholung der Ermessensausübung gemäß § 114 Satz 2 VwGO ist beim vollständigen Fehlen von Ermessenserwägungen ausgeschlossen (vgl. BVerwG, U.v. 5.9.2006 - 1 C 20/05 - juris Rn. 22 m. w. N.; ebenso bei der Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechtes: BayVGH, U.v. 6.2.2014 - 2 B 13.2570 - juris Rn. 23 und 24; vgl. VG München, U. v. 17.12.2014 - M 9 K 13.4815 -, Rn. 25, juris). § 114 Satz 2 VwGO schafft die prozessualen Voraussetzungen lediglich dafür, dass die Behörde defizitäre Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen kann, nicht hingegen dafür, dass sie ihr Ermessen nachträglich erstmals ausübt (vgl. BVerwG, U.v. 5.9.2006 - 1 C 20/05 -, Rn. 22, juris m. w. N.).

Ob die Ermessensausübung im Einzelfall pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, lässt sich nur anhand der nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG erforderlichen Begründung des Bescheids ermitteln (Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 14 ff.). Eine bezüglich der Ermessensausübung fehlende oder unzureichende Begründung indiziert einen Ermessensnicht- oder -fehlgebrauch, sofern sich nicht aus den Umständen anderes ergibt.

Im vorliegenden Fall enthält der Bescheid lediglich die Mitteilung, das der Stadtrat der Beklagten beschlossen habe, das Vorkaufsrecht geltend zu machen und das Notariat sowie die Käufer hierüber informiert würden. Weitere Ausführungen zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausübung des Vorkaufsrechts oder zur vorgesehenen Verwendung des Grundstücks Fl. Nr. ... Gemarkung ... beinhaltet der streitgegenständliche Bescheid nicht. Dass die Ausübung des Vorkaufsrechts eine Ermessensentscheidung darstellt, kommt im Bescheid an keiner Stelle zum Ausdruck. Weder wird das Wort "Ermessen" gebraucht, noch finden sich inhaltlich Erwägungen zu den öffentlichen Interessen und den gegenläufigen Interessen der Kläger am Erwerb des Grundstücks. Dies lässt auf einen vollständigen Ermessensausfall schließen (vgl. VG Würzburg, U.v. 23.7.2015 - W 5 K 14.1105 -, Rn. 61, juris).

Eine Heilung durch Nachschieben einer Begründung und Ergänzung von Ermessenserwägungen ist daher vorliegend nicht möglich. Die Ergänzung von Ermessenserwägungen setzt voraus, dass die Verwaltungsbehörde grundsätzlich erkannt hat, dass ihr ein Ermessen zusteht und dies auch ausgeübt hat. Im vorliegenden Fall liegt jedoch ein Ermessensnichtgebrauch vor, also der Fall, dass die Behörde offensichtlich verkannt hat, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handelt (vgl. BayVGH, U.v. 6.2.2014, a. a. O.).

Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2014 lässt nicht erkennen, ob die Inanspruchnahme des Grundstücks durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt ist und eine Abwägung mit den besonderen Interessen der Kläger überhaupt stattgefunden hat. Unter Berücksichtigung, dass die Kläger mittlerweile nahezu alle Grundstücke zur Realisierung des touristischen Projektes "Ferienzentrum ..." erworben haben, mithin bereits erhebliche Aufwendungen getätigt haben, hätte zu einer konkreten Angabe des Verwendungszwecks im Hinblick auf eine sachgerechte Überprüfung, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts dem Wohl der Allgemeinheit entspricht, und zu einer detaillierten Auseinandersetzung mit den Belangen der Kläger jedoch Anlass bestanden.

Der Bescheid vom 16. Juni 2014, mit dem die Beklagte ihr Vorkaufsrecht gegenüber dem Beigeladenen ausgeübt hat, ist daher rechtswidrig und verletzt die Kläger als drittbetroffene Käufer in ihren Rechten.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem der Beigeladene keinen Antrag gestellt und kein Kostenrisiko übernommen hat, kommt es nicht in Betracht, seine ggf. entstandenen außergerichtlichen Aufwendungen nach § 162 Abs. 3 VwGO der Beklagten aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

einzureichen.

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 7.029,75 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.