AG Leverkusen, Urteil vom 10.01.2002 - 34 F 346/97
Fundstelle
openJur 2011, 20037
  • Rkr:
Tenor

Die am 15.4.1981 in D, Provincia di Reggio Calabria, geschlossene Ehe der Parteien wird getrennt.

Das Recht der elterlichen Sorge für die gemeinsame Tochter X wird der Antragsgegnerin übertragen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

Die Parteien sind italienische Staatsbürger, welche am 15.4.1981 in ihrem Heimatstaat geheiratet haben. Sie leben seit längerem in Deutschland. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen. Die am 0.0.0000 geborene X ist noch minderjährig. Sie wohnt im Haushalt der Mutter. Seit 1992 sind die Parteien dauerhaft von Tisch und Bett getrennt. Beide streben die Scheidung der Ehe an. Der eheliche Hausrat ist geteilt. Hinsichtlich des Sorgerechts für die Tochter X besteht Einvernehmen, dies der Antragsgegnerin und Mutter zu übertragen. Eine Versöhnung der Eheleute wird von beiden Parteien ausgeschlossen.

Der Antragsteller beantragt,

die am 15.4.1981 in D geschlossene Ehe der Parteien zu trennen.

Die Antragsgegnerin hat dem zugestimmt und ebenfalls Trennungsantrag gestellt.

Die Parteien sind in den mündlichen Verhandlungen vom 27.9.2001 und vom 10.1.2002 persönlich angehört worden. Sie haben den eingangs geschilderten Sachverhalt bestätigt.

ENTSCHEIDUNGSGRÓNDE

Der Antrag der Parteien, ihre Ehe zur Vorbereitung eines Scheidungsverfahrens zu trennen, ist zulässig. Die internationale Zuständigkeit des Familiengerichts Leverkusen ergibt sich aus Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 vom 29.5.2000, die am 1. 3.2001 in Kraft getreten ist. Nach dieser Regelung begründet der gewöhnliche Aufenthalt beider Ehegatten die Zuständigkeit der Gerichte des Aufenthaltsstaates für Ehesachen. Diese rechtlichen Vorgaben sind im vorliegenden Fall erfüllt. Als notwendige Voraussetzung einer Ehescheidung nach italienischem Recht ist das Trennungsverfahren Ehesache im Sinne von Art. 2 der o.a. Verordnung. Zudem leben beide Parteien seit langem in Deutschland. Neben der internationalen Zuständigkeit sind auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben. Die Antragsgegnerin wohnt mit ihren Kindern im Bezirk des Amtsgerichts Leverkusen, so dass an der örtlichen Zuständigkeit kein Zweifel besteht, § 606 I S. 2 ZPO. Die im italienischen Verfahrensrecht für den Staatsanwalt vorgesehen Eingriffsmöglichkeiten sind im hier maßgebenden deutschen Verfahrensrecht gewahrt. Dessen Aufgaben werden durch das Familiengericht mit abgedeckt. Der nach italienischem Recht vorgesehene Versöhnungsversuch ist offenkundig gescheitert.

Der von beiden Parteien gestellte Trennungsantrag ist begründet. Der gerichtliche Ausspruch der Trennung, und nur dies kann später als Scheidungsvoraussetzung gelten, setzt voraus, daß dem antragstellenden Ehegatten die Fortsetzung der Ehe unzumutbar oder das Wohl der Kinder gefährdet ist, Art. 151 Codice civile (Cc). Woher die Unzumutbarkeit rührt, ist ebenso unbeachtlich, wie es auf ein schuldhaftes Verhalten eines oder beider Ehegatten nicht ankommt. Ein Schuldauspruch bei der Trennung ist zwar möglich, mit Konsequenzen etwa für einen eventuellen Unterhaltsanspruch, doch nur wenn ein darauf abzielender Antrag gestellt wird. Das ist im Streitfall nicht geschehen. Auch im übrigen tragen die Parteien nichts dazu vor, wonach die ehelichen Pflichten oder das Wohl der Kinder schuldhaft verletzt worden wären. Für den Ausspruch der Trennung genügt im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt, dass die Fortführung der ehelichen Gemeinschaft den Parteien in mehrfacher Hinsicht nicht mehr zumutbar ist. Sie leben schon seit 1993 endgültig und dauerhaft getrennt, eine Versöhnung wird von beiden Parteien ausgeschlossen, so dass die eheliche Verbindung objektiv nicht mehr besteht und auch subjektiv erloschen ist. Bei dieser Sachlage gibt es zur Fortführung der Ehe keinerlei Basis mehr. Schon die langjährige faktische Trennung läßt nur eine Schlußfolgerung als naheliegend und richtig erscheinen, nämlich dass die weitere eheliche Lebensgemeinschaft endgültig aufgehoben und mit einer Wiederherstellung nicht mehr zu rechnen ist. Verstärkt und untermauert wird diese Schlußfolgerung, weil die Parteien sich zu einigen Trennungsfolgen schon abschließend verständigt haben. Eine solche Verabredung setzt voraus, dass niemand die Ehe fortsetzen möchte. Diese Ablehnung begründet in Verbindung mit den vorerwähnten Aspekten für beide Parteien die Unzumutbarkeit der Ehefortsetzung.

Ob öle Trennung auch als einverständliche Trennung berechtigt gewesen wäre, ist nach den bisherigen Ausführungen nicht mehr zu entscheiden. Wünschen Ehegatten wegen der Unzumutbarkeit der Fortführung der Ehegemeinschaft übereinstimmend die Trennung, kann die Trennung grundsätzlich auch durch gerichtlich bestätigte Trennungsvereinbarung erfolgen. Ob eine für diesen Weg wirksame Trennungsvereinbarung im vorliegenden Fall besteht, kann bisher nicht sicher angenommen werden. Die Parteien haben sich über die Trennung, die Ehewohnung, den Kindesunterhalt und hinsichtlich des Sorgerechts, nicht aber zum Ehegattenunterhalt verständigt. Die Behandlung solcher Vereinbarungen, die einzelne Fragen offen lassen, ist strittig. Teilweise werden die Unterhaltsansprüche als unverzichtbarer Bestandteil einer Trennungsvereinbarung gesehen, so dass die vorliegende Verabredung wegen der fehlenden Unterhaltsregelung nichtig wäre. Teilweise wird angenommen, dass nur die Vereinbarung über die Auflösung der ehelichen Gemeinschaft für die Wirksamkeit einer Vereinbarung unverzichtbar ist. Da bereits die Unzumutbarkeit der ehelichen Lebensgemeinschaft für beide Parteien festgestellt ist, muss diese Streitfrage des italienischen Rechts nicht entschieden werden.

Das erkennende Familiengericht ist auch für die angestrebte Sorgerechtsentscheidung international zuständig. Dies ergibt sich aus Art. 3 I, II der EG-Verordnung Nr. 1-347/2000. Hiernach ist das nach Art. 2 der Verordnung für die Ehesache zuständige Gericht auch für die Sorgeregelung zuständig. Auch das weitere Erfordernis dieser Annexkompetenz ist gewahrt. Das betroffene Kind hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Mitgliedsstaat, in welchem die Ehesache anhängig ist.

Zur Entscheidung der Sorgerechtsregelung ist auf deutsches Aufenthaltsrecht zurückzugreifen. Autonome Kollisionsnorm zur Frage des auf die familiengerichtliche Regelung der elterlichen Sorge anwendbaren Rechts ist Art. 21 EGBGB, die jedoch hier nicht zur Anwendung kommt, weil supranationale Regelungen vorgehen. Ein solcher Vorrang besteht in Form des Haager Óbereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA). Die Voraussetzungen des Óbereinkommens sind für die seit langem in Deutschland lebende verfahrensbetroffene Minderjährige gegeben. Nach Art. 13 MSA gelten die Regelungen des Óbereinkommens für alle Minderjährigen, die im Inland ständigen Aufenthalt haben Außer Frage steht ferner, dass eine Sorgerechtsregelung als Schutzmaßnahme angesehen werden muss. Ob eine Schutzmaßnahme berechtigt ist, ergibt sich nach Art. 2 MSA aus dem Aufenthaltsrecht. Die Frage, ob über Art. 2 MSA auch dann angeknüpft werden kann, wenn die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts wie hier auf der EU-Verordnung Nr. 1347/2000 beruht, oder ob dann nicht doch auf Art. 21 EGBGB zurückgegriffen werden muss, kann dahinstehen. In jedem Fall ist der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes Anknüpfungspunkt. Das gilt auch für Art. 2 VISA, der zwar dem Normtext nach unanwendbar scheint, wenn die internationale Zuständigkeit nicht aus Art. 1 MSA gewonnen werden konnte. Abzustellen ist jedoch auf den in Art. 2 MSA enthaltenen Normzweck, der allein darauf abzielt, das anzuwendende materielle Recht an den gewöhnlichen Aufenthalt anzubinden.

Nach § 1671 Abs. 2 Ziff. 1 BGB war die elterliche Sorge für X der Mutter alleine zu übertragen, nachdem der Vater dem ausdrücklich zugestimmt hat. Anhaltspunkte dafür, dass diese gemeinsame elterliche Entscheidung, die auch nach dem Heimatrecht eine wichtige Leitlinie wäre, Art. 155 Abs. 7 Cc, dem Kindeswohl nicht entsprechen, fehlen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 93a ZPO.

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